12.03.2021 · Arbeitnehmer · smart steuern ·
Lesezeit: 3 Min.

29 Milliarden € – könnte der Staat eigentlich gut gebrauchen

Das wäre schon etwas mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. 29 Milliarden € sind Deutschland im letzten Jahr bei der Steuer entgangen. Wissenschaftler des Tax Justice Networks mit Sitz in Großbritannien haben diese Summe berechnet. Woher der Wert kommt, welche Steuerschlupflöcher existieren und wo wenigstens ein kleines bisschen Licht am Ende des Tunnels ist – Sie erfahren es in diesem Artikel.

Platz 3 in der Weltrangliste

Schaut man sich die Studie „The State of the Tax Justice: Tax Justice in the time of Covid-19“ genauer an, fällt etwas auf. Deutschland ist natürlich nicht allein auf der Welt, doch das „wir“ sogar auf dem dritten Platz liegen, überrascht dann doch.
Auf den ersten fünf Plätzen bei den Verlusten durch Steuervermeidung liegen: 

  1. USA: 74 Milliarden € 
  2. Großbritannien: 33 Milliarden €
  3. Deutschland: 29 Milliarden €
  4. Frankreich: 17 Milliarden € 
  5. Brasilien: 12 Milliarden €

Und wo es Verlierer gibt, muss es auch Gewinner geben. Auf den ersten fünf Plätzen liegen hier:

  1. Cayman Islands: 59 Milliarden €
  2. Großbritannien: 35 Milliarden €
  3. Niederlande: 30 Milliarden €
  4. Luxemburg: 23 Milliarden € 
  5. USA: 20 Milliarden €

Auf den nächsten Plätzen sind einige der üblichen Verdächtigen wie Hongkong, China, British Virgin Islands, Irland, Singapur, Bermuda, Schweiz, Puerto Rico und Jersey. 

Was steckt da genau drin?

Nun, die Macher der Studie haben im Wesentlichen zwei Kategorien festgelegt:

  • Steuerverlust aufgrund von Körperschaftsteuer-Missbrauch (Deutschland 20 Milliarden €)
  • Steuerverlust aufgrund von Offshore-Steuerhinterziehung (Deutschland 9 Milliarden €)

Vermutlich ist es öfter sogar eine Kombination aus beidem. Und übrigens: Es sind nicht nur die bekannten großen Namen aus den USA wie Google (Alphabet), Apple, Facebook & Co. Auch deutsche Großkonzerne, vor allem die, die weltweit operieren, tun auch alles, um Steuern zu vermeiden. Bei den 30 Unternehmen im Aktienindex DAX sind es im Schnitt zwar rund 25 % Steuern (bei einem Maximum von 30 %), doch es gibt auch Firmen wie BASF mit 6 % und E.on mit 7 %. 

Heerscharen von Steuerexperten sorgen in großen Unternehmen dafür, dass jedes noch so kleine Steuerschlupfloch genutzt werden kann. Und das ist meistens auch völlig legal – und der Staat, der gerade in Coronazeiten jeden Cent gebrauchen könnte, tut wenig bis gar nichts dagegen.

Double Irish with a Dutch Sandwich

Das mag wie ein leckeres belegtes Brot klingen, war aber eine der bekanntesten Strategien von internationalen Konzernen zur Steuervermeidung. Auf Deutsch bedeutet es: zwei irische Gesellschaften mit einer dazwischen geschalteten niederländischen Gesellschaft.

Wie lief das also genau? Wir versuchen es vereinfacht zu erklären. Es gibt zwei Unternehmen in Irland: Das erste hat als Eigentümer von Lizenzrechten seinen Unternehmenssitz in einer Steueroase (siehe oben). Das zweite ist eine Tochtergesellschaft – und zahlt Lizenzgebühren an die Muttergesellschaft. Gleichzeitig werden alle Erträge aus der Nutzung dieser Lizenzrechte verbucht. Durch diese Verrechnung gibt es schon mal einen viel niedrigeren Gewinn und entsprechend weniger Steuern in einem Land mit geringem Steuersatz. Doch damit nicht genug. Weil auf die Überweisung aus Irland in eine Steueroase noch eine zusätzliche Quellensteuer anfällt, kommen jetzt die Niederlande ins Spiel. Weil die beiden Länder ein Abkommen über die Steuerfreiheit von Lizenzgebühren haben, wird das Geld aus Irland in die Niederlande überwiesen und von dort zurücküberwiesen. Die Quellensteuer fällt damit weg. 

Mittlerweile hat zumindest Irland diesen Weg wesentlich erschwert. Immerhin. Doch es gibt dann sicher wieder andere Wege zur Steuervermeidung.

Eine gute Nachricht am Schluss

Manchmal fliegt Steuervermeidung oder besser Steuerbetrug dann eben doch auf. Dafür sorgten zum Beispiel 2016 die „Panama Papers“. Mit einem Schlag wurden viele Privatpersonen und Unternehmen enttarnt, die Geld vor dem Fiskus über Briefkastenfirmen in Steueroasen versteckt hatten. Mittlerweile sind mehr als 38,4 Millionen € an zusätzlichen Steuereinnahmen erzielt worden, durch Prozesse gab es noch mal 19 Millionen € für den deutschen Staat. Zudem wurden mehr als 14,5 Millionen € mit der Weitergabe von Daten an andere Staaten erzielt.
Macht insgesamt rund 72 Millionen €. Und viele Untersuchungen laufen noch. 

So groß die Freude für die ehrlichen Steuerzahler sein mag, es sind eben trotzdem „nur“ Millionen und nicht Milliarden von denen hier die Rede ist. Es wird also Zeit, im internationalen Steuerrecht mehr Steuerschlupflöcher zu schließen.

Was bedeutet das konkret für mich?
Wenn Sie nicht gerade Ihr Vermögen am Ende der Welt vor dem deutschen Finanzamt verstecken, erstmal nicht viel. Indirekt würden aber auch alle davon profitieren, wenn nicht so viel Geld am Fiskus vorbei fließen würde. Denn das würde höhere Steuereinnahmen bringen – und das ist immer gut.


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