Bürokratieentlastungsgesetz I

Stand: 18. August 2020

1. Vorbemerkungen

Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen werden durch Bürokratie auf Grund von rechtlichen Vorgaben und den daraus entstehenden Kosten besonders belastet und in ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und Dynamik beeinträchtigt. Die Bundesregierung hatte daher mit Kabinettsbeschluss vom 11.12.2014 Eckpunkte zur weiteren Entlastung der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie beschlossen. Mit diesen sollte der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt und Impulse für Wachstum und Investitionen gesetzt werden. Mit dem Bürokratieentlastungsgesetz sollen hiervon einzelne Maßnahmen der Eckpunkte zum Bürokratieabbau kurzfristig umgesetzt werden und so schnelle und spürbare Entlastungen für die mittelständische Wirtschaft bewirkt werden. Kerninhalte sind u. a. die Anhebung der Grenzbeträge für steuerliche und handelsrechtliche Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (§ 241a Satz 1 HGB, § 141 Abs. 1 Satz 1 AO), Erleichterungen im Faktorverfahren beim Lohnsteuerabzug bei Ehegatten oder Lebenspartnern (§ 39f EStG), Anhebung der Pauschalierungsgrenze für kurzfristig Beschäftigte (§ 40a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG), Reduzierung von Mitteilungspflichten für Kirchensteuerabzugsverpflichtete (§ 51a Abs. 2c Nr. 3 Satz 9 EStG), Anhebung der Schwellenwerte für Meldepflichten nach verschiedenen Wirtschaftsstatistikgesetzen sowie Einführung von Schwellenwerten für Meldepflichten nach dem Umweltstatistikgesetz, Anhebung der Schwellenwerte für Meldungen zur Intrahandelsstatistik (§ 30 Abs. 4 Satz 1 der Außenhandelsstatistik-Durchführungsverordnung), Vereinfachung und Reduzierung der Berichtspflichten für das Biogasmonitoring (§ 35 Abs. 1 Nr. 7 des Energiewirtschaftsgesetzes, § 37 der Gasnetzzugangsverordnung).

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2. Zeitlicher Ablauf

Der Regierungsentwurf wurde am 27.2.2015 vorgelegt. Die ersten Lesungen im Bundesrat und im Bundestag erfolgten am 8.5.2015 bzw. 11.6.2015. Der Bundestag hat dem Gesetzentwurf in seiner Lesung am 2.7.2015 zugestimmt, der Bundesrat hat das Gesetz am 10.7.2015 gebilligt. Die Änderungen im EStG (Art. 5), Energiewirtschaftsgesetz (Art. 15) und in der Gasnetzzugangsverordnung (Art. 16) zum Biogasmonitoring sind am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft getreten. Die übrigen Änderungen sollen am 1.1.2016 in Kraft treten.

In einer Entschließung weist der Bundesrat jedoch auch darauf hin, dass weiterer Handlungsbedarf besteht

3. Änderungen im Handelsgesetzbuch / in der Abgabenordnung

In § 241a Satz 1 HGB wurden die Grenzen für die Buchführungspflicht erhöht. Bei der Umsatzgrenze gilt anstelle der bisherigen 500 000 € die Grenze von 600 000 €. Die Gewinngrenze wurde von 50 000 € auf 60 000 € erhöht. Korrespondierend werden die Grenzen in § 141 AO bei der steuerlichen Buchführungspflicht angepasst (vgl. § 141 Abs. 1 Nr. 1, 4 und 5 AO). Die Anhebung der Schwellenwerte in § 241a HGB und § 141 AO soll ausweislich der Gesetzesbegründung insgesamt 140 000 Gewerbetreibenden, 10 000 Land- und Forstwirten und 22 000 Gesellschaften bürgerlichen Rechts zu Gute kommen. Diese Fallzahlen beruhen auf einer vom Statistischen Bundesamt vorgenommenen Schätzung, die auf der Grundlage der Gewerbesteuerstatistik und der Umsatzsteuerstatistik (Voranmeldung) erstellt wurde. Dabei wurde ermittelt, wie viele Unternehmen durch die Anhebung der Schwellenwerte von den bisher strengen Vorgaben befreit und weniger strengen Vorgaben unterworfen werden.

Die Anwendungs- bzw. Übergangsvorschriften zum HGB finden sich im EG-HGB. Dort wird festgelegt, dass die erhöhten Schwellenwerte erstmals für Geschäftsjahre anzuwenden sind, die nach dem 31.12.2015 beginnen; die bisherige Regelung gilt folglich noch für Geschäftsjahre, die spätestens am 31.12.2015 beginnen. Ebenso wie beim HGB gelten auch die höheren Schwellenwerte der AO erstmals für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2015 beginnen. Zudem wird sichergestellt, dass die Finanzämter keine Mitteilung zur Buchführungspflicht versenden, wenn die Umsätze in den Jahren bis 2015 zwar den bisherigen Schwellenwert, nicht aber den neuen Schwellenwert übersteigen (§ 19 Abs. 3, 4, 8 und 9 EG-AO).

4. Änderungen im Einkommensteuergesetz

4.1. Änderungen im Faktorverfahren

Um den Lohnsteuerabzug bei Ehegatten bzw. Lebenspartnern zutreffender zu ermöglichen, als dies durch die jeweiligen Steuerklassen allein möglich ist, wurde 2010 das sog. Faktorverfahren eingeführt. Nach der bisherigen Regelung ist der errechnete Faktor für ein Jahr gültig. Um das Faktorverfahren zu vereinfachen und der 2-jährigen Gültigkeit von Freibeträgen nach § 39a EStG anzupassen, wird das Faktorverfahren dahingehend verändert, dass ein beantragter Faktor nicht mehr nur für ein Kalenderjahr, sondern ebenfalls für bis zu zwei Kalenderjahre gültig ist. Eine längere Laufzeit über zwei Jahre hinaus soll zunächst nicht festgelegt werden, weil sowohl Freibetrag als auch Faktor dann in der Regel zu ungenau werden. Auch wird es künftig die Möglichkeit geben, den Faktor bei geänderten Verhältnissen der Ehegatten/Lebenspartner anpassen zu lassen, zugunsten oder zuungunsten. Dies bleibt aber eine freie Entscheidung der Steuerpflichtigen. Nur wenn sich die Voraussetzungen für einen Freibetrag ändern, besteht insoweit bereits eine Anzeigepflicht. Dann müssen die Ehegatten/Lebenspartner sich auch in Bezug auf die Höhe des Faktors erklären (§ 39f Abs. 1 Satz 9 bis 11 EStG). Diese Änderungen benötigen einen zeitlichen Vorlauf zur technischen Umsetzung. Deshalb wird die Finanzverwaltung ermächtigt, die erstmalige Anwendung in einem BMF-Schreiben zu regeln (§ 52 Abs. 37a EStG).

4.2. Anpassung der Lohnsteuerpauschalierung an gesetzlichen Mindestlohn

Für kurzfristig beschäftigte Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber grundsätzlich die Möglichkeit der Lohnsteuerpauschalierung, soweit der Arbeitslohn durchschnittlich 62 € je Arbeitstag nicht übersteigt. Aufgrund der Einführung des Mindestlohns wird diese Verdienstgrenze auf 8,50 € x 8 Arbeitsstunden = 68 € erhöht. Abweichend von der allgemeinen Anwendungsregel gilt diese Anpassung bereits rückwirkend ab 1.1.2015 (§ 40a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG).

4.3. Mitteilungspflicht beim Kirchensteuerabzug

Nach aktuellem Recht müssen alle Kirchensteuerabzugsverpflichteten (Kreditinstitute, Versicherungen, Kapitalgesellschaften, Genossenschaften) jährlich darüber informieren, dass ein Abruf des Religionsmerkmals beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) erfolgt und dass ein Widerspruchsrecht zum Abruf des Kunden bzw. Anteilseigners besteht. Die gesetzlich verordnete jährliche Informationspflicht aller Kirchensteuerabzugsverpflichteten gegenüber allen Kunden und Anteilseignern hat im Ergebnis zu einer regelmäßig wiederkehrenden Mehrfachversorgung mit Information geführt. Der Ersatz der jährlichen Informationspflicht durch eine einmalige und gezielt individuelle Information während des Bestehens der Geschäftsbeziehung – rechtzeitig vor Beginn der Regel- und Anlassabfrage – ist daher aus den Erfahrungen der Vergangenheit ausreichend. Die jährliche Informationspflicht durch Kirchensteuerabzugsverpflichtete soll entfallen. Damit müssen z.B. Kreditinstitute, Versicherungen, Kapitalgesellschaften, Genossenschaften, etc. ihre Kunden bzw. Anteilseigner nur noch einmal informieren und dieses Prozedere nicht jährlich wiederholen. Die Information hat rechtzeitig vor einer Regel- oder Anlassabfrage zu erfolgen (§ 51a Abs. 2c Satz 1 Nr. 3 Satz 5 und 9 EStG-E).

5. Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG)

Die vom Bundeskabinett am 11.12.2014 beschlossenen Eckpunkte zur weiteren Entlastung der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie sehen im Bereich der Energiewirtschaft im Zusammenhang mit der für 2017 geplanten Einführung eines zentralen Registers eine weitgehende Vereinfachung und Reduzierung der Melde- und Informationspflichten vor. Die Änderung der Bestimmung zum Monitoring nach § 35 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) in Verbindung mit der Streichung von § 37 der Gasnetzzugangsverordnung durch das Bürgerentlastungsgesetz ist in diesem Zusammenhang ein erster Schritt zur Entlastung im Bereich der Gaswirtschaft. Ziel ist es, das Monitoring auf die wesentlichen Inhalte zu reduzieren, die auch ohne quantitatives Einspeiseziel notwendig sind, um die Sonderregelungen für die Biogaseinspeisung evaluieren zu können.

Entfallen können dabei die Daten zur genauen Kostenstruktur, den erzielbaren Erlösen, die Kostenbelastung der Netze und Speicher sowie die Notwendigkeit von Musterverträgen. Benötigt werden künftig nur noch die Anzahl der Biogas einspeisenden Anlagen, die eingespeiste Biogasmenge sowie die Kosten, die nach § 20b GasNEV auf alle Netznutzer umgelegt werden (§ 35 EnWG). Als weitere Folge wird § 37 Gasnetzzugangsverordnung aufgehoben. Entsprechend wird auch eine Verweisung auf diese bisherige Regelung in § 20a Satz 3 der Gasnetzentgeltverordnung durch den Verweis auf § 35 Nr. 7 EnWG ersetzt.

6. Änderungen in Statistikgesetzen

Zu vielen einzelnen Statistikgesetzen ist eine Reduzierung des Meldeumfangs und damit weniger bürokratischer Aufwand beschlossen worden:

Mit der Einführung des § 14 Abs. 4 UStatG werden Existenzgründerinnen und Existenzgründer im Kalenderjahr der Betriebsöffnung sowie in Abhängigkeit von den Umsätzen in den beiden folgenden Kalenderjahren erstmals von der Erhebung der Investitionen und laufenden Aufwendungen für den Umweltschutz nach § 11 sowie der Waren und Dienstleistungen für den Umweltschutz nach § 12 freigestellt. Hierfür wird eine Umsatzschwelle mit 800 000 € geschaffen (§ 11 Abs. 3 und 4 sowie § 12 Abs. 2 und 3 UStatG). Der neue Absatz 5 enthält die Definition des Existenzgründers im Sinne des Absatzes 4.

Vergleichbare Regelungen sind auch für das Dienstleistungsstatistikgesetz, das Gesetz über die Statistik im Produzierenden Gewerbe, das Handelsstatistikgesetz, das Beherbergungsstatistikgesetz und zum Verdienststatistikgesetz vorgesehen. Auch in diesen Gesetzen wird jeweils die Jahresumsatzschwelle um 300 000 € auf 800 000 € erhöht und ebenso definiert, wer Existenzgründer ist.

Das Gesetz über die Preisstatistik enthält entgegen der Vorgabe in § 9 Abs. 1 des Bundesstatistikgesetzes keine Regelung zu den Hilfsmerkmalen. Bisher erfolgt die Erhebung von Hilfsmerkmalen im Rahmen der Preisstatistik auf der Grundlage von § 26 Abs. 2 des Bundesstatistikgesetzes. Da diese Überleitungsvorschrift im Rahmen der Novellierung des Bundesstatistikgesetzes aufgehoben werden soll, würde nach dem Inkrafttreten der Novelle eine gesetzliche Grundlage für die Erhebung von Hilfsmerkmalen fehlen. Deshalb werden im Gesetz über die Preisstatistik einige Hilfsmerkmale mit aufgenommen, die unter die Meldepflicht fallen. Dies sind insbesondere Name und Anschrift der Erhebungseinheiten. Die zunächst vorgesehene Angabe von Artikel- oder Bestellnummern wurde wieder fallen gelassen. Entlastend wird neben der Definition eines Existenzgründers die Anhebung der Jahresumsatzschwelle auf 800 000 € wirken.

Rund 66 000 deutsche Unternehmen, die derzeit am innergemeinschaftlichen Warenverkehr teilnehmen, sind verpflichtet, dem Statistischen Bundesamt nach der Außenhandelsstatistik-DV (AHStatDV) monatlich statistische Informationen über ihre Warenaus- und Wareneingänge für die Gemeinschaftsstatistiken des Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten (Intrahandelsstatistik) zu übermitteln. Durch die Verordnung (EU) Nr. 1093/2013 der Kommission vom 4.11.2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 638/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1982/2004 der Kommission vom 4.11.2013 (ABl. L 294 vom 6.11.2013, 28) wurde der Mindestabdeckungsgrad für den Eingang auf 93 % abgesenkt. Zur Umsetzung und Ausnutzung dieser Absenkung werden die Grenzen für eine Befreiung von der Berichtspflicht von 500 000 € auf 800 000 € beim Wareneingang erhöht. Hinzuweisen ist jedoch darauf, dass der Abdeckungsgrad in der Versendung unverändert geblieben ist. Daher ist keine Änderung der Anmeldeschwelle beim Warenausgang vorgesehen (§ 30 Abs. 4 AHStat-DV).

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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