Einkünfte aus Kapitalvermögen

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen zählen z.B. Dividenden oder Zinsen aus Sparbüchern, Bausparverträgen, Wertpapieren oder Gewinne aus der Veräußerung von Aktien.
  • Von Ihrer Bank erhalten Sie eine Steuerbescheinigung, der Sie die Kapitaleinkünfte entnehmen können.
  • Einkünfte aus Kapitalvermögen unterliegen meist der Abgeltungssteuer und werden von Ihrem Kreditinstitut direkt an das Finanzamt abgeführt.
  • Auf Antrag werden die Kapitaleinkünfte tariflich besteuert, wenn dies zu einer niedrigeren Einkommensteuer als bei Anwendung des Steuersatzes von 25 Prozent führt (Günstigerprüfung).
  • Mit einem Freistellungsauftrag bei Ihrem Kreditinstitut können Sie den sogenannten Sparer-Freibetrag in Höhe von 801 € im Jahr erhalten.
  • Werbungskosten für Ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen können Sie nicht steuerlich geltend machen.

Inhaltsverzeichnis

1 Überblick über die Einkünfte aus Kapitalvermögen
1.1 Einkünfte nach § 20 Abs. 1 EStG
1.1.1 Gewinnausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG
1.1.2 Kapitalrückzahlungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG
1.1.3 Einkünfte aus Beteiligung als stiller Gesellschafter nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG
1.1.4 Zinsen aus Hypotheken nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG
1.1.5 Zinsen aus Spareinlagen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG
1.1.6 Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
1.1.6.1 Grundsätzliches zu Kapitalforderungen
1.1.6.2 Kaufpreisraten
1.1.6.3 Kapitalertrag wegen eines Pflichtteilsverzichts
1.1.6.4 Gutschriften aus Schneeballsystemen
1.1.6.5 Erstattungszinsen
1.1.6.6 Negativzinsen
1.1.6.7 Einkünfteerzielungsabsicht bei Verzugs- und Prozesszinsen
1.1.7 Diskontbeträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG
1.1.8 Einnahmen aus Leistungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG
1.1.9 Einnahmen aus Leistungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10
1.1.10 Stillhalterprämien
1.2 Einkünfte aus § 20 Abs. 2 EStG
1.2.1 Anteilserwerb vor dem 1.1.2009
1.2.2 Anteilserwerb nach dem 31.12.2008
1.2.2.1 Allgemeines
1.2.2.2 Veräußerungsgeschäfte
1.2.2.3 Übergangsregelung für Veräußerungsgewinne
1.2.2.4 Ermittlung des Veräußerungsgewinns
1.3 Besondere Entgelte und Vorteile
1.4 Korrekturen beim Kapitalertragsteuerabzug
1.5 Verfassungsmäßigkeit der Einkünfte aus Kapitalvermögen
2 Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und der Summe der Einkünfte
2.1 Rechtslage bis 31.12.2008
2.2 Rechtslage ab 1.1.2009
2.3 Berücksichtigung der Einkünfte aus Kapitalvermögen für andere Zwecke
3 Verlustverrechnung
4 Anwendung des § 15b EStG
5 Auskunftserteilung nach der Zinsinformationsverordnung
6 Verhältnis zu anderen Einkünften
7 Schätzung von Einkünften aus Kapitalvermögen
8 Literaturhinweise
9 Verwandte Lexikonartikel

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Der Bundesrat hat am 16.12.2022 dem Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022) zugestimmt. Eine Neuregelung betrifft den Sparer-Pauschbetrag (§ 20 Abs. 9 EStG). Dieser wurde seit seiner Einführung betragsmäßig nicht verändert. Mit dem JStG 2022 wird der Sparer-Pauschbetrag mit Wirkung zum 1.1.2023 von 801 € auf 1 000 € und von 1 602 € (Ehegatten/Lebenspartner) auf 2 000 € erhöht. Siehe auch Bundesregierung Mitteilung vom 2.12.2022 (LEXinform 0463145), Dt. Bundestag Mitteilung vom 30.11.2022 (LEXinform 0463123) zum Gesetzentwurf vom 10.10.2022 (LEXinform 0462497) und Bundesregierung Mitteilung vom 16.12.2022 (LEXinform 0463207) zum Änderungsgesetz vom 16.12.2022, BGBl I 2022, 2294 (LEXinform 0462497).

1. Überblick über die Einkünfte aus Kapitalvermögen

1.1. Einkünfte nach § 20 Abs. 1 EStG

1.1.1. Gewinnausschüttungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG

Zu den Einkünften i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören auch Ausschüttungen der → REIT-Aktiengesellschaften und anderer REIT-Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen sowie sonstige Vorteile, die neben oder an Stelle der Ausschüttungen gewährt werden (§ 19 REITG, Gesetz zur Schaffung deutscher Immobilien-Aktiengesellschaften mit börsennotierten Anteilen vom 28.5.2007, BGBl I 2007, 914). Zu den sonstigen Bezügen gehören auch verdeckte Gewinnausschüttungen (→ Verdeckte GewinnausschüttungAbgeltungsteuer). Nicht zu den Einnahmen gehören Ausschüttungen, die aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG stammen (→ Eigenkapitalgliederung), vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG.

Für Aktienverkäufe, die nach dem 31.12.2006 getätigt werden (§ 52 Abs. 36 EStG), gelten als sonstige Bezüge auch Einnahmen, die an Stelle der Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG von einem anderen als dem Anteilseigener nach § 20 Abs. 2a EStG bezogen werden, wenn die Aktien mit Dividendenberechtigung erworben, aber ohne Dividendenanspruch geliefert werden. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG wurde durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) eingefügt. Bei den sonstigen Bezügen handelt es sich nicht um die vom Emittenten gezahlte Dividende, sondern um eine Zahlung des Verkäufers zum Ausgleich dafür, dass er dem Erwerber neben der Aktie auch den zwischenzeitlich entstandenen Anspruch auf Auszahlung der Dividende vergütet. Es geht nicht um einen sonstigen Bezug aus der Aktie selbst, sondern um eigenständige Einnahmen an Stelle der Dividende. Für die steuerliche Behandlung dieser Kompensationszahlungen gelten die gleichen Regeln wie für originäre Dividenden, d.h. Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens und insbes. Erhebung der KapESt nach §§ 43 ff. EStG. S.a. den Beitrag von Hahne, DStR 2007, 605.

Das folgende Schaubild gibt einen Überblick über die Dividendenbesteuerung vor und nach der Unternehmensteuerreform 2008.

Abb.: Besteuerung von Dividenden

Die Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG erzielt der Anteilseigner (§ 20 Abs. 5 Satz 1 EStG). Anteilseigner ist derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile an dem Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind.

Die Versteuerung beim Anteilseigner erfolgt im Zeitpunkt des Zuflusses (i.d.R. mit der Gutschrift) der Gewinnausschüttung bzw. Dividende. Werden infolge entsprechender Gesellschafterbeschlüsse anteiligen Gewinne in die personenbezogenen Gewinnrücklagen eingestellt, so führt dies auch beim beherrschenden Gesellschafter nicht zum Zufluss von Kapitalerträgen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG (BFH vom 2.12.2014, VIII R 2/12, BStBl II 2015, 333). Demgemäß ist ein zivilrechtlich wirksamer Gesellschafterbeschluss, nach dem die Gewinnanteile von Minderheitsgesellschaftern ausgeschüttet werden, der auf den Mehrheitsgesellschafter gemäß seiner Beteiligung entfallende Anteil am Gewinn hingegen nicht ausgeschüttet, sondern in eine gesellschafterbezogene Gewinnrücklage eingestellt wird, grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen und ein Zufluss der Gewinnanteile an den Mehrheitsgesellschafter findet nicht statt. In diesen Fällen bedarf es zur Ausschüttung dieser Gewinnanteile eines erneuten Ausschüttungsbeschlusses, zudem unterliegen die den Rücklagen gutgeschriebenen Beträge dem Risiko, vorher durch Verluste verbraucht zu werden. Ein Gewinnanteil i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG liegt vor, wenn der Betrag dem Anteilseigner aufgrund eines Gewinnverteilungsbeschlusses tatsächlich zufließt. Die spätere Rückgängigmachung der Gewinnausschüttung lässt den Zufluss rückwirkend auch dann nicht entfallen, wenn die Gewinnausschüttung auf einem Versehen beruhte. Die Rückgängigmachung der Gewinnausschüttung führt nicht zu negativen Einnahmen, so hat das FG Münster mit Urteil vom 15.9.2010 (10 K 3460/09 E, LEXinform 5011148) entschieden. Im Streitfall beschloss die Gesellschafterversammlung einer GmbH, den an ihre Gesellschafter bereits ausgeschütteten Gewinn wieder einzufordern. Grund hierfür war ein steuerrechtlicher Irrtum. Der Kläger, einer der Gesellschafter, machte die Rückzahlung als »negative Einnahmen« aus Kapitalvermögen steuerlich geltend. Das FA akzeptierte dies nicht, sondern besteuerte den zunächst ausgeschütteten Gewinn ohne Abzug als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das FG Münster stellte darauf ab, dass der Kläger über seinen Gewinnanteil – wenn auch nur kurzfristig – wirtschaftlich frei habe verfügen können. Auch lägen keine negativen Einnahmen vor, da erst im Nachhinein und zudem freiwillig beschlossen worden sei, die Gewinnausschüttung rückgängig zu machen. Die Rückzahlung sei eine – zunächst steuerrechtlich unbeachtliche – Einlage ins Gesellschaftsvermögen der GmbH.

Ein Stpfl., der Aktionär einer AG ist, die Ferienimmobilien verwaltet und nach einem speziellen Punkte- und Reservierungssystem an ihre Aktionäre überlässt, erzielt durch die konkrete Nutzung der Objekte Einkünfte aus Kapitalvermögen (sonstiger Bezug aus Aktien nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bzw. Vorteil nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, der anstelle von Darlehenszinsen gewährt wird), wenn der gewährte Vorteil von seiner Beteiligung an der AG als auch von der Gewährung eines Darlehens an die AG abhängt (FG Münster Urteil vom 2.7.2013, 11 K 4508/11 E, LEXinform 0440569). Der Aktionär erzielt i.H. der Vergleichsmieten Einnahmen aus Kapitalvermögen. Die unabhängig von der konkreten Nutzung der Objekte an die AG vertragsgemäß überwiesenen Jahresbeiträge stellen dem Grunde nach Werbungskosten zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen dar. Da aber ein Abzug tatsächlicher Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeschlossen ist, sind die Jahresbeiträge nicht in tatsächliche Höhe abziehbar. Zum Werbungskostenabzug s. die Erläuterungen und die Rechtsprechungsübersicht unter → Abgeltungsteuer.

Zu Dividenden i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG s.a. BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 1 bis 3.

Genussrechte führen nur dann zu Bezügen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn der Genussrechtsinhaber kumulativ sowohl am Gewinn als auch am Liquidationserlös beteiligt ist (sog. beteiligungsähnliche Genussrechte), BFH vom 14.8.2019, I R 44/17, BFH/NV 2020, 807 Nr. 9, LEXinform 0951519. Für die Beteiligung am Liquidationserlös ist auf das Abwicklungsendvermögen i.S.d. § 11 KStG, d.h. auf die Beteiligung an einem etwaigen Liquidations(mehr)erlös und die damit verbundene Beteiligung des Genussrechtsinhabers an den stillen Reserven abzustellen, nicht hingegen auf die Gewinnabhängigkeit der Genussrechtsausschüttungen, die Stellung eines Alleingesellschafters, die lange Laufzeit des Genussrechts oder auf ein Wandlungsrecht des Genussrechtsinhabers zum Erwerb von Gesellschaftsanteilen, selbst wenn dessen Ausübung wahrscheinlich ist.

Teilt eine US-amerikanische KapGes inländischen Anteilseignern im Wege eines sog. »Spin-Off« Aktien ihrer US-amerikanischen Tochtergesellschaft zu, kann dies grds. zu Kapitaleinkünften i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG führen, soweit keine Abspaltung i.S.d. § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG vorliegt, BFH Pressemitteilung vom 14.10.2021 (LEXinform 0461266) zum Urteil vom 1.7.2021, VIII R 9/19, BStBl II 2022, 359 (LEXinform 0952326) sowie BFH vom 1.7.2021, VIII R 15/20, BStBl II 2022, 363 (LEXinform 0952862). Der Begriff der »Abspaltung« i.S.d. § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG ist typusorientiert auszulegen. Danach ist in Drittstaatenfällen ein gesetzlicher Vermögensübergang durch partielle Gesamtrechtsnachfolge nicht erforderlich (BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rn. 115 i.V.m. BMF vom 11.11.2011, IV C 2 – S 1978-b/08/10001, BStBl I 2011, 1314, Rn. 01.36). Entscheidend bei einer »Abspaltung« i.S.d. § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG ist, dass die Übertragung der Vermögenswerte in einem einheitlichen »zeitlichen und sachlichen Zusammenhang« mit der und gegen die Übertragung von Anteilen an der übernehmenden Gesellschaft erfolgt. Siehe auch Tabelle unter 1.2.2.4 Ermittlung des Veräußerungsgewinns.

1.1.2. Kapitalrückzahlungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG

Nach § 20 Abs. 2a EStG sind die Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG dem Anteilseigener zuzurechnen. Anteilseigner ist derjenige, dem nach § 39 AO die Anteile an dem Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses zuzurechnen sind. Eine Ausnahme gilt für Nießbraucher oder Pfandgläubiger.

1.1.3. Einkünfte aus Beteiligung als stiller Gesellschafter nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG

Auf Anteile des stillen Gesellschafters (→ Stille Gesellschaft) am Verlust des Betriebs ist § 15b EStG sinngemäß anzuwenden (§ 20 Abs. 2b EStG). Sind Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen, ist für Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG ab 2009 der gesonderte Steuertarif von 25 % nicht anzuwenden (Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG; s.u. und → Abgeltungsteuer; s.a. Worgulla, NWB 2010, 3182). S.a. BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 4.

1.1.4. Zinsen aus Hypotheken nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören Zinsen aus Hypotheken und Grundschulden und Renten aus Rentenschulden.

1.1.5. Zinsen aus Spareinlagen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG

Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu vor dem 1.1.2005 abgeschlossenen Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind nicht steuerpflichtig, wenn es sich um Zinsen aus Versicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 handelt, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004). Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG 2004 gilt die Steuerbefreiung nach Satz 2 in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 wiederum u.a. nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug der Versicherungsbeiträge erfüllt sind. Danach scheidet ein Sonderausgabenabzug aus, wenn die Ansprüche aus Versicherungsverträgen während deren Dauer im Erlebensfall der Tilgung oder Sicherung eines Darlehens dienen, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind und die entsprechenden Zinsen sind auch bei vor 2005 abgeschlossenen Versicherungen stpfl. (sog. schädliche Verwendung). Ausnahmsweise wird der Sonderausgabenabzug und die Zinsfreistellung nicht versagt, wenn ein Ausnahmetatbestand vorliegt. So z.B. gem. dem § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004, wenn die Versicherung zur Sicherung eines Darlehens dient, das unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes dient, das dauernd zur Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist, und die ganz oder zum Teil zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüche aus Versicherungsverträgen übersteigen nicht die mit dem Darlehen finanzierten Anschaffungs- oder Herstellungskosten; dabei ist es unbeachtlich, wenn diese Voraussetzungen bei Darlehen oder bei zur Tilgung oder Sicherung verwendeten Ansprüchen aus Versicherungsverträgen jeweils insgesamt für einen Teilbetrag bis zu 2 556 € nicht erfüllt sind. Hierzu äußerte sich der BFH mit seinem Urteil vom 12.4.2021: Ein Forwarddarlehen, das durch die Abtretung der Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung besichert wird, dient im Rahmen einer Umschuldung nicht unmittelbar und ausschließlich i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, wenn es höher als die Restschuld des umzuschuldenden Darlehens ist und der übersteigende Betrag zur Finanzierung der Bereitstellungszinsen und anderer umschuldungsbedingter Aufwendungen verwendet wird (BFH vom 12.4.2021, VIII R 6/18, LEXinform 0951792).

Aus der Entscheidung:

Zum einen stand dem Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Kapitallebensversicherung des Klägers gem. § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 entgegen, dass die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag der Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens dienen, dessen Finanzierungskosten jedenfalls in Höhe der Bereitstellungszinsen Werbungskosten des Klägers bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind. Und zum anderen, dass die Voraussetzungen der – hier allein in Betracht kommenden – Rückausnahme vom Abzugsverbot in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 sind nicht erfüllt sind, da der Kläger aus den Darlehensmitteln des Forwarddarlehens neben den Restschulden aus den ursprünglichen Anschaffungsdarlehen die Bereitstellungszinsen und weitere Aufwendungen im Zusammenhang mit der Umschuldung finanziert hat, dient das mit der Kapitallebensversicherung des Klägers besicherte Forwarddarlehen nicht i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten des Einfamilienhauses (s. unter aa bis cc). Dies ist schädlich, weil die Bereitstellungszinsen und die weiteren umschuldungsbedingten Aufwendungen die Bagatellgrenze gem. § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a Halbsatz 2 EStG 2004 übersteigen.

Rentenzahlungen, die auf einem begünstigten Versicherungsvertrag i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 beruhen, sind insgesamt den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG 2004 zuzuordnen und unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG 2004 steuerfrei, soweit die Summe der ausgezahlten Rentenbeträge das in der Ansparzeit angesammelte Kapitalguthaben einschließlich der Überschussanteile nicht übersteigt, BFH vom 1.7.2021, VIII R 4/18 (LEXinform 0951791). Zinsen aus den Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind, sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG 2004 stpfl.; dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift jedoch nicht, wenn es sich um Zinsen aus Versicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 2004 handelt, die mit Beiträgen verrechnet oder im Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG 2004 gilt die Steuerbefreiung nach Satz 2 in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 wiederum u.a. nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug der Versicherungsbeiträge erfüllt sind.

Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG i.d.F. des AltEinkG sind Erträge aus Kapitallebensversicherungen (→ Ablaufleistung aus Versicherungen; → Lebensversicherung), deren Verträge nach dem 31.12.2004 abgeschlossen werden, steuerpflichtig.

Die Erträge von Kapitallebensversicherungen, die ab dem Inkrafttreten der Neuregelung im Januar 2005 abgeschlossen werden, werden künftig zur Hälfte besteuert, wenn der Vertrag eine Laufzeit von mindestens zwölf Jahren hat und die Auszahlung erst nach Vollendung des 60. Lebensjahres erfolgt. S.a. → Besteuerung von Versorgungsleistungen, → Lebensversicherung, → Steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge, → Vorsorgeaufwendungen/Altersvorsorgeaufwendungen. Durch das Gesetz zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz) vom 20.4.2007 (BGBl I 2007, 554) wird in Art. 10 das EStG u.a. in § 52 Abs. 36 Satz 9 EStG ergänzt. Danach ist § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG für Vertragsabschlüsse nach dem 31.12.2011 mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Versicherungsleistungen nach Vollendung des 62. Lebensjahres des Stpfl. ausgezahlt werden. Mit Schreiben vom 6.3.2012 (BStBl I 2012, 238) nimmt das BMF zur Anhebung der Altersgrenzen Stellung (→ Lebensversicherung).

Zur Besteuerung der Erträge aus nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerpflichtigen Versicherungen hat das BMF ein ausführliches Schreiben herausgegeben (BMF vom 1.10.2009, BStBl I 2009, 1172). Danach unterliegen der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG:

  • Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht, soweit nicht die Rentenzahlung gewählt wird,

  • Kapitalversicherungen mit Sparanteil sowie

  • Erträge aus Unfallversicherungen mit garantierter Beitragsrückzahlung (BMF vom 1.10.2009, BStBl I 2009, 1172, Rz. 1).

Der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG unterliegen nur der Erlebensfall oder der Rückkauf. Allerdings ist der Verlust aus dem Rückkauf einer fondsgebundenen Lebensversicherung, die vor dem 1.1.2005 abgeschlossen wurde, nicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG in der am 31.12.2004 geltenden Fassung zu berücksichtigen (BFH Beschluss vom 24.6.2019, VIII R 25/16, BStBl II 2019, 698, LEXinfrom 0951094).

Aus der Entscheidung des BFH:

Ungeachtet der Verweisung auf § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG bestimmt sich der Umfang der steuerlich zu berücksichtigenden Kapitalerträge aus fondsgebundenen Lebensversicherungen allein nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG. Denn bei der Anordnung der entsprechenden Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG handelt es sich um eine Rechtsfolgen- und nicht um eine Rechtsgrundverweisung.

Hinsichtlich des Besteuerungsumfangs nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG folgt der Senat der im Schrifttum herrschenden Auffassung, dass für die Bestimmung der steuerpflichtigen Einnahmen aus fondsgebundenen Lebensversicherungen nur positive laufende Kapitalerträge aus dem Anlagestock von Bedeutung sind und auf Kursgewinnen beruhende Wertzuwächse des Anlagestocks außer Betracht bleiben, weil diese die grundsätzlich irrelevante Vermögenssphäre betreffen.

Die Versicherungsleistung bei Eintritt des mit der Versicherung untrennbar verbundenen charakteristischen Hauptrisikos (Tod, Unfall) rechnet nicht zu den Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG (BMF vom 1.10.2009, BStBl I 2009, 1172, Rz. 40). Bei einer Rentenzahlung kann sich jedoch eine Besteuerung aus anderen Vorschriften (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG) ergeben.

Eine die Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG ausschließende Rentenzahlung setzt voraus, dass gleich bleibende oder steigende wiederkehrende Bezüge zeitlich unbeschränkt für die Lebenszeit der versicherten Person vereinbart werden (BMF vom 1.10.2009, BStBl I 2009, 1172, Rz. 20). Bei einer Rentenversicherung besteht die Versicherungsleistung grundsätzlich in der Zahlung einer lebenslänglichen Rente für den Fall, dass die versicherte Person den vereinbarten Rentenzahlungsbeginn erlebt. Die laufende Rentenzahlung unterliegt gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG der Besteuerung mit dem Ertragsanteil. Abgekürzte Leibrenten und Zeitrenten sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu versteuern. Verlängerte Leibrenten sind nur dann nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zu versteuern, wenn die Rentengarantiezeit über die auf volle Jahre aufgerundete verbleibende mittlere Lebenserwartung der versicherten Person bei Rentenbeginn hinausgeht.

Ist eine zur Basisversorgung hinzutretende und von dieser getrennte Kapitalversorgung aus einem berufsständischen Versorgungswerk als Kapitallebensversicherung ausgestaltet, sind auf entsprechende Kapitalauszahlungen nicht die Regelungen über die Leistungen aus einer Basis-Altersversorgung, sondern die Regelungen über Erträge aus Kapitallebensversicherungen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG anzuwenden, BFH Urteil vom 12.12.2017, X R 39/15 (LEXinform 0950799).

Zu den Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG zählt die Versicherungsleistung aus einer Rentenversicherung, soweit sie nicht in Form einer lebenslangen Leibrente erbracht wird. Dies gilt insbes., wenn ein laufender Rentenzahlungsanspruch nach einer Kündigung oder Teilkündigung des Versicherungsvertrages durch Auszahlung des Zeitwertes der Versicherung abgegolten wird (s.a. BMF vom 18.6.2013, BStBl I 2013, 768).

Wie der Unterschiedsbetrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG im Falle einer Teilkapitalauszahlung einer Rentenversicherung zum Ende der Ansparphase zu berechnen ist, ergibt sich aus Rz. 64 des BMF-Schreibens vom 1.10.2009 (BStBl I 2009, 1172).

Beispiel 1:

Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht, Ansparphase 20 Jahre, gezahlte Beiträge insgesamt 20 000 €, Zeitwert der Versicherung zum Ende der Ansparphase: 30 000 €, Ausübung des Kapitalwahlrechts i.H.v. 15 000 €, Verrentung des Restkapitals führt zu einer monatlichen garantierten Rente von 100 €.

Lösung 1:

Teilauszahlung i.H.v. 15 000 €

Versicherungsleistung

15 000 €

anteilige Beiträge: 15 000 € × 20 000 €/ 30 000 € = 10 000 €

./. anteilig geleistete Beiträge

./. 10 000 €

Ertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG

5 000 €

Rentenzahlung:

Jahresbetrag der Rente (ggf. zuzüglich Überschüsse) 1 200 €: zu versteuern nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG (s.a. BMF vom 1.10.2009, BStBl I 2009, 1172, Beispiel 3 in Rz. 64).

Erfolgt die Kapitalauszahlung nach Beginn der Auszahlungsphase der Rentenversicherung, ist bei der Ermittlung des Unterschiedsbetrages zu berücksichtigen, dass in den bis zum Zeitpunkt der Auszahlung geleisteten Rentenzahlungen anteilige Versicherungsbeiträge enthalten sind. Diese ergeben sich in pauschalierender Form aus der Differenz zwischen dem bisher ausgezahlten Rentenbetrag und dem für diese Rentenzahlung anzusetzenden Ertragsanteil. Der so ermittelte Betrag ist bei der Berechnung des Unterschiedsbetrages nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG als bereits verbrauchte Beiträge zu berücksichtigen.

Zur Berechnung des Unterschiedsbetrages zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge bei (Teil-)Auszahlungen des Zeitwertes von Rentenversicherungen nach Beginn der Rentenzahlung nimmt das BMF-Schreiben vom 18.6.2013 (BStBl I 2013, 768) in Ergänzung des BMF-Schreibens vom 1.10.2009 (BStBl I 2009, 1172) Stellung.

Beispiel 2:

Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht, Ansparphase 20 Jahre, gezahlte Beiträge insgesamt 20 000 €, Zeitwert der Versicherung zum Ende der Ansparphase: 30 000 €, Ausübung des Kapitalwahlrechts i.H.v. 15 000 €, Verrentung des Restkapitals führt zu einer monatlichen garantierten Rente von 100 €.

Lösung 2:

Zeitwert der Versicherung zum Ende der Ansparphase:

30 000 €

Teilauszahlung von 50 % des Zeitwerts der Versicherung

15 000 €

Summe der auf die Versicherung entrichteten Beiträge

20 000 €

bei Beginn der Rente vollendetes Lebensjahr des Rentenberechtigten

65

Ertragsanteil der Rente in Prozent

18

Monatliche Rente

100 €

Dauer des Rentenbezugs bis zur Teilauszahlung in Monaten

60

Summe der Rentenzahlungen

6 000 €

Kumulierter Ertragsanteil auf die Rentenzahlungen

1 080 €

S.a. das Beispiel im BMF-Schreiben vom 18.6.2013 (BStBl I 2013, 768).

Die anteilig entrichteten Beiträge sind dabei wie folgt zu ermitteln:

Versicherungsleistung × (Summe der auf die Versicherung entrichteten Beiträge ./. Differenz aus Rentenzahlungen bis zum Auszahlungszeitpunkt und kumuliertem Ertragsanteil auf die Rentenzahlungen)

Zeitwert der Versicherung zum Auszahlungszeitpunkt

Anteilig entrichtete Beiträge:

15 000 € × (20 000 € ./. 4 920 €)

=

7 540 €

30 000 €

Berechnung des Unterschiedsbetrages:

Teilauszahlung

15 000 €

./. anteilig entrichtete Beiträge

./. 7 540 €

Ertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG

7 460 €

Zu den nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerpflichtigen Renten- und Kapitalversicherungen zählen nur solche, die einen Sparanteil enthalten.

Es liegt kein Versicherungsvertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG vor, wenn der Vertrag keine nennenswerte Risikotragung enthält. Keine Versicherungsverträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind

  • Kapitalisierungsgeschäfte. Die Besteuerung richtet sich nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

  • Reine Risikoversicherungen, z.B. Risikolebensversicherung, Unfallversicherung ohne garantierte Beitragsrückzahlung, Berufsunfähigkeitsversicherung, Erwerbsunfähigkeitsversicherung, Pflegeversicherung.

Die Ermittlung des Ertrags nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG ist nur anzuwenden, wenn der Stpfl. die Versicherung im Privatvermögen hält. Gehört der Versicherungsvertrag zu dem Betriebsvermögen des Stpfl., sind die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften anzuwenden. Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge im Erlebensfall (s.u.).

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) wird ab dem VZ 2009 durch § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG eine Übermaßbesteuerung bei einem Stpfl. verhindert, der den Anspruch auf eine Versicherungsleistung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG vom ursprünglichen Rechtsinhaber entgeltlich erworben hat. Aufgrund der auf den Sparanteil im Versicherungsbeitrag aufgelaufenen Erträge sind die Anschaffungskosten typischerweise höher als die bis zum Erwerbszeitpunkt entrichteten Beiträge. Nach der Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG hat der Erwerber nur die Erträge zu versteuern, die in der Zeit entstanden sind, in der er Inhaber des Anspruchs auf die Versicherungsleistung war. Die beim Veräußerer des Anspruchs aufgelaufenen Erträge werden durch § 20 Abs. 2 Nr. 6 EStG erfasst.

Die im Beitrag enthaltenen Anteile zur Absicherung des charakteristischen Hauptrisikos (Todesfallrisiko bei einer Lebensversicherung, Unfallrisiko sowie das Risiko der Beitragsrückzahlung im Todesfall bei einer Unfallversicherung mit Beitragsrückzahlung) mindern den steuerpflichtigen Ertrag. Für die Berechnung des Unterschiedsbetrags ist es grundsätzlich unerheblich, wer die Versicherungsbeiträge aufgewendet hat. Auch Beiträge, die nicht der Stpfl. aufgewendet hat, mindern den steuerpflichtigen Ertrag.

Wird die Versicherungsleistung nach Vollendung des 60. (ab 1.1.2012 des 62.) Lebensjahres des Stpfl. und nach Ablauf von zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt, ist die Hälfte des Unterschiedsbetrags anzusetzen.

Zur Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG s. § 52 Abs. 36 EStG und BMF vom 1.10.2009, BStBl I 2009, 1172, Rz. 88 f.

Ab dem Kj. 2009 (Unternehmensteuerreformgesetz 2009) wird die Hälfte der Erträge mit der tariflichen ESt und nicht mit dem gesonderten Steuertarif von 25 % versteuert (Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 2 EStG).

Die KapESt wird nach § 43 Abs. 1 Nr. 4 EStG in voller Höhe erhoben und nicht nur vom hälftigen Anteil. Die hälftige Steuerbefreiung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG kann nur bei der ESt-Veranlagung beantragt werden. Die Anrechnung der gesamten KapESt nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG dürfte regelmäßig zu einer Erstattung durch das FA führen.

Sind die Erträge aus der Lebensversicherung in vollem Umfang steuerpflichtig – z.B. Auszahlung vor dem 60. (62.) Lebensjahr – unterliegen die Erträge grundsätzlich der Abgeltungsteuer von 25 % nach § 32d Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 5 EStG.

Nach dem JStG 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) wird durch die Neuregelung der Sätze 5 und 6 in § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 eingeschränkt. Unter den Voraussetzungen des Satzes 5 entfällt die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG gänzlich. Dabei richtet sich die Besteuerung nach den für das jeweilige Anlagegut geltenden Regelungen (z.B. bei Zinsen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, bei Dividenden nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und bei Investmentfondserträgen nach den Vorschriften des Investmentsteuergesetzes).

Durch die Regelungen in Satz 6 werden neue steuerliche Mindeststandards für die Anforderungen an die Risikoleistung aus einer Kapitallebensversicherung gesetzt. Sofern diese kumulativ nicht erfüllt sind, ist die Steuerbegünstigung des Satzes 2 nicht anzuwenden, d.h. diese Verträge sind von einer nur hälftigen Versteuerung der Erträge ausgeschlossen. Näheres zur Neuregelung durch das JStG 2009 s. unter → Lebensversicherung.

Die Bemessungsgrundlage ist wie folgt zu ermitteln (BMF vom 1.10.2099, BStBl I 2009, 1172, Rz. 54 ff.):

Versicherungsleistung (Ablaufleistung; BMF vom 1.10.2009, BStBl I 2009, 1172, Rz. 55)

./.

Summe der auf die Versicherungsleistung entrichteten Beiträge (BMF vom 1.10.2009, BStBl I 2009, 1172, Rz. 56)

=

Unterschiedsbetrag als Bemessungsgrundlage

Zum negativen Unterschiedsbetrag s. BMF vom 1.10.2009, BStBl I 2009, 1172, Rz. 60.

Versicherungsleistung ist grundsätzlich der Gesamtbetrag der zugeflossenen Geldleistungen. In der Versicherungsleistung enthalten sind

  • die angesammelten Sparanteile,

  • die garantierte Verzinsung der Sparanteile und

  • Überschüsse aus dem Kapitalanlage-, dem Risiko- und Kostenergebnis.

Die Summe der entrichteten Beiträge sind die Geldleistungen (Prämien), die aufgrund des Versicherungsvertrages erbracht wurden. Hierzu gehören auch

  • die Ausfertigungsgebühr,

  • die Abschlussgebühr und

  • die Versicherungssteuer.

Zur Berücksichtigung von Provisionen s. BMF vom 1.10.2009, BStBl I 2009, 1172, Rz. 56.

Der Versicherungsbeitrag setzt sich zusammen aus dem

  • Kostenanteil (Beitragsteil insbes. für Verwaltungsaufgaben des Unternehmens, Abschlusskosten, Inkassokosten), dem

  • Risikoanteil (Beitragsanteil für Leistungen bei Eintritt eines charakteristischen Hauptrisikos: Tod bei Lebensversicherungen, Unfall oder Beitragsrückzahlung im Todesfall bei Unfallversicherungen mit garantierter Beitragsrückzahlung) und dem

  • Sparanteil (Beitragsanteil, der für die Finanzierung einer Erlebensfall-Leistung verwendet wird).

Der Unterschiedsbetrag ist Bemessungsgrundlage für den Kapitalertragsteuerabzug nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 EStG. Im Fall des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 EStG ist der halbe Unterschiedsbetrag maßgeblich.

§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG (in der für das Jahr 2010 geltenden Fassung) findet beim Rückkauf einer Sterbegeldversicherung auch auf negative Unterschiedsbeträge zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge Anwendung, BFH Urteil vom 14.3.2017, VIII R 25/14 (LEXinform 0934693). Wie im Urteilsfall kann der Rückkauf einer Sterbegeldversicherung somit auch zu negativen Einnahmen/Einkünften aus Kapitalvermögen führen.

Sachverhalt und Entscheidungsgründe:

Die Klägerin schloss im Jahr 2005 eine Sterbegeldversicherung ab. Im Todesfall sollte ihr Ehemann, der Kläger, ein Sterbegeld i.H.v. 3 705 € zuzüglich einer nicht garantierten Bonusleistung i.H.v. 1 296 € erhalten. Ein Teil der Bonusleistung sollte durch Gewinnanteile aus den angelegten Monatsbeiträgen aufgebaut werden. Die Klägerin zahlte hierfür ab dem 1.6.2005 monatliche Beiträge i.H.v. 16,36 €. Die Beitragspflicht endete am 31.5.2020. Der Kläger schloss im Jahr 2007 ebenfalls eine Sterbegeldversicherung ab. Am 31.8.2010 kündigten die Kläger ihre Sterbegeldversicherungen. Das Versicherungsunternehmen bescheinigte den Klägern die Differenz zwischen den eingezahlten Beiträgen (1 599,66 € bzw. 1 327,95 €) und den Rückkaufwerten (1 203,60 € bzw. 683,29 €) als Verluste aus Kapitalvermögen i.H.v. 396,06 € für die Klägerin und 644,66 € für den Kläger. Der Beklagte und Revisionskläger (FA) erkannte diese Verluste im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr wegen fehlender Überschusserzielungsabsicht nicht als negative Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG an.

Der Ansicht des FA, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses eine Überschusserzielungsabsicht wegen des vornehmlichen Zwecks der Sterbegeldversicherung ausscheide, da bei Abschluss einer Sterbegeldversicherung zu Lebzeiten keine Zahlungen und damit auch keine Erzielung steuerpflichtiger Einkünfte geplant war, folgte der BFH in seiner Entscheidung nicht.

Der BFH urteilte wie folgt:

Das FG (FG Nürnberg Urteil vom 11.2.2014, 1 K 1465/13, EFG 2014, 1671) ging zutreffend davon aus, dass § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG die von der Klägerin abgeschlossene Sterbegeldversicherung erfasst. Nach dieser Vorschrift gehört bei Kapitalversicherungen mit Sparanteil, deren Vertrag nach dem 31.12.2004 abgeschlossen worden ist, der Unterschiedsbetrag zwischen der Versicherungsleistung und der Summe der auf sie entrichteten Beiträge zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Weitere Voraussetzung ist, dass die Versicherungsleistung im Erlebensfall oder im Zuge des Rückkaufs des Vertrags angefallen ist, d.h. die Zahlung der Versicherungsleistung im Todesfall ist – mit Ausnahme der im Streitfall nicht einschlägigen Fälle des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 7 und 8 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) – nicht steuerbar. Die von der Klägerin im Jahr 2005 abgeschlossene Sterbegeldversicherung ist zwar keine klassische Kapitalversicherung mit Sparanteil, da sie keine Zahlung der angesparten Beträge im Erlebensfall, sondern nur eine Zahlung im Todesfall vorsieht. Trotzdem umfassen die Beiträge zur Sterbegeldversicherung nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) nicht nur Verwaltungskosten- und Risikoanteile, sondern auch Sparanteile, die von der Versicherungsgesellschaft angelegt worden sind und der Ansammlung von Gewinnanteilen dienten. Dies reicht für die Qualifizierung als Kapitalversicherung mit Sparanteil aus (vgl. auch BMF vom 1.10.2099, BStBl I 2009, 1172, Rz. 30). Die Tatsache, dass sich für die Klägerin aus dem Rückkauf ein negativer Unterschiedsbetrag ergibt, steht dem nicht entgegen. Denn weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus einer historischen, systematischen oder teleologischen Auslegung ist ableitbar, dass die Vorschrift nur positive Unterschiedsbeträge erfassen soll. Vielmehr zeigt die Verwendung des neutralen Begriffs »Unterschiedsbetrag«, dass grundsätzlich sowohl positive als auch negative Differenzbeträge steuerlich zu erfassen sind (im Ergebnis auch Jochum in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 20 Rz. C/6 40).

1.1.6. Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG

1.1.6.1. Grundsätzliches zu Kapitalforderungen

Kapitalforderung ist jede auf Geldleistung gerichtete Forderung ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs. Eine Kapitalforderung kann vertraglich oder gesetzlich, öffentlich oder privatrechtlich begründet sein. Kapitalforderungen, die nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 oder Nr. 8, § 21 (Mietzinsen) oder § 22 Nr. 1 EStG (Ertragsanteil der Renten, → Sonstige Einkünfte) fallen, werden zinsmäßig von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst (s.a. → Beteiligungsveräußerung; → Vorweggenommene Erbfolge). Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören grundsätzlich alle Vermögensmehrungen, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für eine Kapitalnutzung sind. S.a. BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 6 bis 8a.

Von der Deutschen Rentenversicherung im Zusammenhang mit Rentennachzahlungen gezahlte Zinsen gem. § 44 SGB I unterliegen auch nach Änderung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG durch das AltEinKG der Steuerpflicht nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, BFH vom 9.6.2015, VIII R 18/12, BStBl II 2016, 523, s.a. BMF vom 4.7.2016, BStBl I 2016, 645 und BMF vom 19.8.2013, BStBl I 2013, 1087, Rn 196.

Zinsen sind alle laufzeitabhängigen Nutzungsvergütungen für die Kapitalüberlassung, jedes wirtschaftliche Nutzungsentgelt, unabhängig von der Bezeichnung, Ausgestaltung, Zahlungsart und Berechnungsgrundlage. Es werden nicht nur vereinbarte Zinsansprüche erfasst. Unerheblich ist es, ob der Kapitalüberlassung ein Darlehensvertrag oder ein anderer Rechtsgrund zugrunde liegt (BFH Urteil vom 24.5.2011, VIII R 3/09, BStBl II 2012, 254). Erfasst werden auch Steuererstattungszinsen gem. § 233a AO, diese sind explizit in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 erwähnt, siehe auch Tz. 1.1.6.5. Aufgrund der Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG und der Änderung des § 10 Nr. 2 KStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402) können Zinsen auf Steuernachforderungen gem. § 233 a AO mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1999 nicht mehr steuermindernd geltend gemacht werden. Demgegenüber führen Zinsen auf Steuererstattungen gem. § 233a AO beim Gläubiger zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG oder i.V.m. § 20 Abs. 8 EStG zu Einkünften anderer Art. Diese unterschiedliche steuerliche Behandlung von Zinsen führt regelmäßig nicht zu einer sachlichen Unbilligkeit. Es handelt sich vielmehr um eine bewusste gesetzgeberische Entscheidung, die konsequent daran anknüpft, dass private Schuldzinsen nicht abzugsfähig, Guthabenzinsen aber stpfl. sind. Die Regelung kann jedoch in Einzelfällen zu einem sachlich unbilligen Ergebnis führen, wenn – bezogen auf die Steuerbemessungsgrundlage der Einkommen- oder Körperschaftsteuer – sowohl Steuernachforderungen als auch Steuererstattungen gegenüber demselben Stpfl. auf ein und demselben Ereignis beruhen. Ein solches Ereignis stellt bei den Gewinneinkünften insbes. Verschiebungen aufgrund einer Betriebsprüfung dar (z.B. Erhöhung des Warenbestandes eines Jahres/Erhöhung des Wareneinsatzes im Folgejahr). Aus Gründen sachlicher Härte sind auf Antrag Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO nach § 163 AO nicht in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen, soweit ihnen nicht abziehbare Nachzahlungszinsen gegenüberstehen, die auf ein und demselben Ereignis beruhen. Dabei sind die Erstattungszinsen und die diesen gegenüberstehenden Nachzahlungszinsen auf den Betrag der jeweils tatsächlich festgelegten Zinsen begrenzt. Der Antrag ist bei dem für die Personensteuer örtlich zuständigen FA zu stellen, BMF vom 16.3.2021, IV C 1 – S 2252/19/10012 :011, BStBl I 2021, 353 (LEXinform 7012665). Im Schreiben vom 16.3.2021 zur ertragsteuerlichen Erfassung der Zinsen auf Steuernachforderungen und Steuererstattungen gem. § 233a AO nimmt das BMF Stellung und veröffentlicht eine Billigkeitsregelung, dort finden sich auch vier Berechnungsbeispiele.

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) wird ab dem VZ 2009 die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erweitert. Künftig werden alle laufenden Erträge aus reinen Spekulationsanlagen (Vorrisikozertifikate) erfasst. Weiterhin fallen unter Nr. 7 zukünftig auch sonstige Kapitalforderungen, bei denen sowohl die Höhe des Entgelts als auch die Höhe der Rückzahlungen von einem ungewissen Ereignis abhängen. Erfasst werden nunmehr Kapitalforderungen, deren volle oder teilweise Rückzahlung weder rechtlich noch faktisch garantiert wird. Hingegen sind laufende Kapitalerträge aus BIP-gebundenen Wertpapieren gem. § 52a Abs. 8 Satz 1 i.V.m. § 52a Abs. 10 Satz 8 EStG nach dem 31.12.2008 nicht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. stpfl., wenn die Wertpapiere vor dem 15.3.2007 erworben wurden, vgl. BFH Beschluss vom 28.5.2019, VIII R 7/16, BStBl II 2019, 610 (LEXinform 0950816).

Erträge, die nach Rückzahlung, Einlösung oder Veräußerung realisiert werden, unterliegen der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG.

1.1.6.2. Kaufpreisraten

Kaufpreisraten, deren Laufzeit länger als ein Jahr beträgt und die zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig werden, werden auch ohne Vereinbarung von Zinsen abgezinst. Ergibt sich der Zinssatz nicht aus einer Vereinbarung, sind 5,5 % anzusetzen.

Auch bei der teilentgeltlichen Übertragung eines Grundstücks und Gebäudes des Privatvermögens gegen eine Veräußerungszeitrente fließen dem Veräußerer von Beginn an stpfl. Zinseinkünfte gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu, soweit die Rentenzahlungen nicht auf den Unterschiedsbetrag zwischen dem Barwert der Rentenforderung zu Beginn und zum Ende des Streitjahres (sog. Tilgungsanteil) entfallen (BFH vom 14.7.2020, VIII R 3/17, BStBl II 2020, 813, LEXinform 0951314). Übertragen Eltern einem Kind einen Vermögensgegenstand (hier: ein Grundstück samt aufstehendem Gebäude) gegen auf festbestimmte Zeit zu zahlende wiederkehrende Leistungen (sog. Zeitrente), handelt es sich um ein entgeltliches Veräußerungs- und Anschaffungsgeschäft. Dies gilt auch, wenn der Barwert der wiederkehrenden Leistungen im Übertragungszeitpunkt unterhalb des Verkehrswerts des übertragenen Vermögensgegenstands liegt (teilentgeltliche Übertragung, vgl. BFH vom 31.8.1994, X R 44/93, BFHE 176, 19, BStBl II 1996, 676). Die empfangenen Rentenzahlungen aus einer Veräußerungszeitrente sind beim Berechtigten (hier: den Klägern) vom Beginn des Bezugs an in einen (hier: gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht steuerbaren) Tilgungsanteil und in einen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG stpfl. Zinsanteil aufzuteilen. Dass ein steuerbarer Zinsanteil in den laufenden Rentenzahlungen einer Veräußerungsrente ab der ersten Rate enthalten ist, folgt aus der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit und damit gebotenen Gleichbehandlung mit der Übertragung von Vermögen gegen Kaufpreisraten. Auch bei der Übertragung eines Vermögensgegenstands gegen eine Veräußerungszeitrente ist davon auszugehen, dass das Rentenstammrecht einen bestimmten Barwert besitzt, der sich durch Abzinsung der Summe aller noch ausstehenden Teilbeträge ergibt. Wirtschaftlich gesehen ist in jedem Teilbetrag (Rentenbetrag), gleichgültig, wie sein Tilgungsanteil steuerlich zu behandeln ist, daher stets auch ein Zinsanteil enthalten, der sich nach der Höhe des jeweiligen, allmählich geringer werdenden Barwerts der Rentenforderung bemisst. Einzelheiten siehe → Private Veräußerungsgeschäfte unter Tz. 3.9 »Veräußerung gegen wiederkehrende Leistungen«.

1.1.6.3. Kapitalertrag wegen eines Pflichtteilsverzichts

Zahlungen der Eltern an ihr Kind im Gegenzug für dessen Pflichtteilsverzicht sind nicht einkommensteuerbar (BFH Urteil vom 9.2.2010, VIII R 43/06, BStBl II 2010, 818). Verzichtet ein Kind gegenüber seinen Eltern auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es im Gegenzug dafür von den Eltern wiederkehrende Zahlungen, so liegt darin kein entgeltlicher Leistungsaustausch und keine Kapitalüberlassung des Kindes an die Eltern, sodass in den wiederkehrenden Zahlungen auch kein einkommensteuerbarer Zinsanteil enthalten ist.

Das Gericht unterscheidet danach, ob der Verzicht vor oder nach Eintritt des Erbfalls erfolgt. Bei einem Verzicht davor handelt es sich nicht um eine Überlassung von Kapital. Die geleisteten Zahlungen enthalten keinen Ertrag aus Kapitalforderungen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Erfolge der Verzicht aber danach und erhält der Verzichtende wiederkehrende Leistungen von den anderen Erben, sind die Zahlungen steuerbar. In einem solchen Fall ist das Merkmal der Überlassung von Kapital zur Nutzung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG jedenfalls dann erfüllt, wenn der Bedachte rechtlich befugt ist, den niedrigeren Barwert im Rahmen seines Pflichtteilsanspruchs geltend zu machen.

Verzichtet ein Kind gegenüber seinen Eltern hingegen auf künftige Pflichtteilsansprüche und erhält es dafür einen fälligen Zahlungsanspruch, so führt die Verzinsung dieses Zahlungsanspruchs zu stpfl. Kapitalerträgen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, so der BFH in seinem Urteil vom 6.8.2019, VIII R 22/17, BStBl II 2020, 92 (LEXinform 0951700). In der Begründung wird insbes. darauf hingewiesen, dass das o.g. Urteil vom 9.2.2010, VIII R 43/06, BStBl II 2010, 818 sowie das BFH-Urteil vom 9.2.2010, VIII R 35/07, BFH/NV 2010, 1793, zu keiner anderen Beurteilung führen. Aus diesen BFH-Urteilen könne nicht der Schluss gezogen werden, dass, wenn schon wiederkehrende Zahlungen keinen steuerbaren Zinsanteil enthalten, dies bei einer Einmalzahlung erst recht gelten müsse. Entscheidend ist, dass die Klägerin durch den Verzicht auf ihren Pflichtteil einen fälligen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung erhalten hat, den sie erst in einem zweiten Schritt gestundet hat. Hierdurch wurden die Eltern von ihrer Verpflichtung zur Auszahlung befreit, sodass eine Kreditgewährung vorliegt. Die hierfür gezahlten Zinsen unterliegen der Besteuerung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

1.1.6.4. Gutschriften aus Schneeballsystemen

Nach dem BFH-Urteil vom 28.10.2008 (VIII R 36/04, BStBl II 2009, 190) kann die Gutschrift von »(Schein-)Renditen« bei einem Schneeballsystem zu Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG führen. Gegen das Urteil wurde unter dem Az. 2 BvR 2525/08 Verfassungsbeschwerde eingelegt (LEXinform 0179563). S.a. Hermann, NWB direkt 49/2008 vom 1.12.2008, 1–2. Mit Beschluss des BVerfG vom 9.7.2009 (2 BvR 2525/08, LEXinform 0179563) wurde die Verfassungsbeschwerde nicht angenommen.

Der BFH hat Folgendes entschieden: Stellt ein Kapitalanleger einem Unternehmer unter Gewährung einer Erfolgsbeteiligung von 30 % Geldbeträge zur Verfügung, die der Unternehmer an Brokerfirmen für Börsentermingeschäfte oder an Fonds weiterleiten soll, so kann eine solche Vereinbarung eine typische stille Gesellschaft i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG begründen. Für die Annahme einer stillen Gesellschaft kommt es darauf an, was die Vertragsparteien wirtschaftlich gewollt haben und ob der unter Heranziehung aller Umstände zu ermittelnde Vertragswille auf die Merkmale einer stillen Gesellschaft gerichtet ist. Auch Renditen aus Gutschriften aus sog. »Schneeballsystemen« können zu Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG führen, wenn der Unternehmer bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen »Renditen« fähig gewesen wäre (Bestätigung der Rechtsprechung). Es kommt nicht darauf an, ob der Initiator eines Schneeballsystems bei einem etwaigen Auszahlungsbegehren eines Anlegers im Stande gewesen wäre, seine sämtlichen Verbindlichkeiten auf einmal auszuzahlen. Ein Missverhältnis zwischen den tatsächlich zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln und den tatsächlich bestehenden Forderungen ändert daran nichts (Bestätigung der Rechtsprechung; s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 107/08 vom 28.10.2008, LEXinform 0174723; s.u. zu § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG). Nach einem BFH-Urteil vom 16.3.2010 (VIII R 4/07, BStBl II 2014, 147, LEXinform 0588075) unterliegen Gutschriften aus Schneeballsystemen bereits dann der Einkommensteuer, wenn der Betreiber des Systems im Zeitpunkt der Gutschrift zur Auszahlung bereit und in der Lage gewesen wäre. Aus der Ablehnung eines sofortigen Auszahlungswunsches und Verhandlungen über andere Zahlungsmodalitäten kann allerdings auf fehlende Zahlungsbereitschaft geschlossen werden. Damit hat der BFH seine Rechtsprechung zum Zufluss von sog. »(Schein-)Renditen« aus betrügerischen Schneeballsystemen einerseits bestätigt, andererseits aber auch eingegrenzt (s.a. BFH Urteil vom 28.10.2008, VIII R 36/04, BStBl II 2009, 190, s.o. zu § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG).

Im Streitfall hatten sich Ehegatten mit mehr als 100 000 € an einer Geldanlage beteiligt, die sich letztlich als sog. Schneeballsystem entpuppte. In den Streitjahren erhielt das Ehepaar aus der Anlage tatsächliche Auszahlungen (Zinsen) i.H.v. ca. 95 000 € sowie lediglich gutgeschriebene und sofort wieder angelegte Erträge i.H.v. 88 000 €.

Die tatsächlich ausgezahlten Zinsen von ca. 95 000 € sind nach Auffassung des BFH den Ehegatten zugeflossen und von ihnen als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern. Grundsätzlich gilt das auch für die stehengelassenen, d.h. wieder angelegten (Schein-)Renditen. Der BFH hält daran fest, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen selbst dann vorliegen, wenn ein Anleger aus dem Kapital anderer getäuschter Anleger (oder gar aus seinem eigenen Anlagekapital) eine »Scheinrendite« erhält. Ob die »Scheinrendite« dem Anleger zugeflossen ist, hängt lediglich davon ab, ob im konkreten Einzelfall eine Auszahlung hätte erreicht werden können. Hingegen kommt es nicht darauf an, ob der Schuldner (hypothetische) Zahlungen an alle Anleger hätte leisten können (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 60/10 vom 7.7.2010, LEXinform 0435501). S.a. die Pressemitteilung des Finanzministeriums Rheinland-Pfalz vom 6.5.2010 (LEXinform 0435216).

Mit Urteil vom 11.2.2014 (VIII R 25/12, BStBl II 2014, 461) hat der BFH diese Rspr. bestätigt und nicht nur die gezahlten Zinsen der Besteuerung unterworfen, sondern auch Zinsgutschriften oder die Wiederanlage als mögliche die Besteuerung auslösende Thematik behandelt. In einer ähnlichen Thematik, zur Frage, ob die Gutschrift von (Schein-) Renditen im Rahmen eines Schneeballsystems zu einer den Zufluss bewirkenden Novation sah das FG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 28.11.2013, 6 K 1503/11 (rkr.) entgegen der Ansicht des FG des Saarlandes (1 K 1680/10), dass in den sog. CTS-Anlagefällen vom Vorliegen einer stillen Gesellschaft auszugehen sei. Dabei unterliegen alle gutgeschriebenen Renditen der Besteuerung, auch wenn es sich hierbei nur um Scheinrenditen handelt.

Mit Urteil vom 13.3.2013 (10 K 2820/12, EFG 2013, 1391, LEXinform 5015205, bestätigt durch BFH vom 2.4.2014, VIII R 38/13, BStBl II 2014, 698) schließt sich das FG Köln der Rechtsprechung des BFH in seinem Urteil vom 16.3.2010 (VIII R 4/07, BStBl II 2014, 147, LEXinform 0588075) an. Ein Zufluss kann durch eine gesonderte Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger bewirkt werden, dass der Betrag fortan aus einem anderen Rechtsgrund geschuldet sein soll. Von einem Zufluss des aufgrund der Altforderung geschuldeten Betrags i.S.v. § 11 Abs. 1 EStG kann in derartigen Fällen der Schuldumwandlung (Novation) nach der Rechtsprechung des BFH allerdings nur dann ausgegangen werden, wenn sich die Novation als Folge der Ausübung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht des Gläubigers (Stpfl.) über den Gegenstand der Altforderung darstellt, also auf einem freien Entschluss des Gläubigers beruht. Für die Beantwortung der Frage, ob dies zutrifft, kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, in wessen Interesse die Novation lag. Lag sie im alleinigen oder überwiegenden Interesse des Gläubigers, indiziert dies dessen Verfügungsmacht über den Gegenstand der Altforderung. Bleibt die Schuld hingegen im Interesse des Schuldners bestehen, liegt wirtschaftlich gesehen trotz Novation lediglich eine Stundung der ursprünglichen Schuld vor. Dem Gläubiger, dem eher an einer Auszahlung gelegen wäre, ist nichts zugeflossen (s.a. FG München Urteil vom 25.4.2013, 5 K 1782/10, LEXinform 5015026, rkr).

Gutschriften aus Schneeballsystemen führen zu Einnahmen aus KapVerm, wenn der Betreiber des Schneeballsystems bei entsprechendem Verlangen des Anlegers zur Auszahlung der gutgeschriebenen Beträge leistungsbereit und leistungsfähig gewesen wäre (Bestätigung der Rspr.). An der Leistungsbereitschaft des Betreibers des Schneeballsystems kann es fehlen, wenn er auf einen Auszahlungswunsch des Anlegers hin eine sofortige Auszahlung ablehnt und stattdessen über anderweitige Zahlungsmodalitäten verhandelt. Einer solchen Verweigerung oder Verschleppung der Auszahlung steht es nicht gleich, wenn der Betreiber des Schneeballsystems den Anlegern die Wiederanlage nahelegt, um den Zusammenbruch des Schneeballsystems zu verhindern, die vom Anleger angeforderten Teilbeträge jedoch auszahlt, BFH vom 11.2.2014, VIII R 25/12, BStBl II 2014, 461.

Mit Beschluss (BFH vom 5.10.2017, VIII R 13/14, BFH/NV 2018, 27 (NV)) bestätigt der BFH die Steuerpflicht der Scheinrenditen (Vorinstanz: FG Köln vom 19.3.2014, 14 K 2824/13, EFG 2014, 1096).

1.1.6.5. Erstattungszinsen

Zinsen auf die Erstattung von Steuerbeträgen (Erstattungszinsen) gehörten bisher zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG), auch wenn die Kapitalüberlassung nicht Folge einer freiwilligen Kapitalüberlassung ist (FG Düsseldorf Urteil vom 16.12.2002, 7 K 6126/01 E, DStRE 11/2003, 664, rkr. und BFH Urteil vom 8.11.2005, VIII R 105/03, BFH/NV 2006, 527). Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung geändert und entschieden, dass vom FA geleistete Zinsen auf ESt-Erstattungen (§ 233a AO) nicht zu versteuern sind (BFH Urteil vom 15.6.2010, VIII R 33/07, BStBl II 2011, 503).

Im Streitfall machte ein Stpfl., der aufgrund desselben ESt-Bescheids nicht abziehbare Nachzahlungszinsen an das FA zu leisten und zugleich vom FA bezogene Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen zu versteuern hatte, in erster Linie geltend, das in § 12 Nr. 3 EStG geregelte Abzugsverbot für Nachzahlungszinsen sei verfassungswidrig.

Der BFH hat dieses gesetzliche Abzugsverbot als verfassungsgemäß bestätigt, aber die Beurteilung von Erstattungszinsen teilweise geändert. Erstattungszinsen wurden bisher in jedem Fall als steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen angesehen. Der Stpfl. überlasse dem FA mit der letztlich nicht geschuldeten (und deshalb später zu erstattenden) Steuerzahlung Kapital zur Nutzung und erhalte dafür als Gegenleistung vom FA die Erstattungszinsen. An dieser Rechtsprechung hält der BFH im Grundsatz zwar fest. Das gilt jedoch nicht, wenn die Steuer wie hier die ESt und darauf entfallende Nachzahlungszinsen gem. § 12 Nr. 3 EStG vom Abzug als Betriebsausgaben oder Werbungskosten ausgeschlossen und damit dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen sind, mit der Folge, dass die Steuererstattung beim Stpfl. nicht zu Einnahmen führt. Diese gesetzliche Wertung strahlt auf die damit zusammenhängenden Zinsen in der Weise aus, dass Erstattungszinsen ebenfalls nicht steuerbar sind (Pressemitteilung des BFH Nr. 78/2010 vom 8.9.2010, LEXinform 0435664).

Nach dem JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) wird die Steuerpflicht für Erstattungszinsen wiederhergestellt. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG sind Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO Erträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 EStG. Nach § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG ist die Neuregelung in allen Fällen anzuwenden, in denen die ESt noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3549, 29) handelt es sich nicht um eine Verletzung des Vertrauensschutzes, da bis zur Entscheidung des BFH vom 15.6.2010 (VIII R 33/07, BStBl II 2011, 503) die Steuerbarkeit von Erstattungszinsen nicht strittig war. Mit Vfg. vom 12.1.2011 (S 2252 – 1081, LEXinform 5233191) nimmt die OFD Rheinland zur Versteuerung von Nachzahlungszinsen Stellung. Mit dem JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768, am 14.12.2010 in Kraft getreten) erfolgte eine gesetzliche Klarstellung und Festschreibung der früheren Rechtsprechung, wonach Erstattungszinsen nach § 233a AO zu den Einkünften aus sonstigen Kapitalforderungen gehören (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG). Diese Klarstellung gilt rückwirkend in allen offenen Fällen (§ 52a Abs. 8 EStG). Nachzahlungszinsen, die vom Stpfl. an das FA zu zahlen sind, können nach wie vor nicht steuerlich geltend gemacht werden. Zur steuerlichen Behandlung von Erstattungszinsen s. aber auch die Vfg. der OFD Magdeburg vom 25.3.2014 (S 2252 – 117 – St 214, StEK EStG § 20 Nr. 405). Die OFD gibt dabei einen Überblick über anhängige Verfahren.

Das FG Münster hat mit seinem Urteil vom 16.12.2010 (5 K 3626/03 E, LEXinform 0436089) entschieden, dass die rückwirkend angeordnete Besteuerung der Zinsen verfassungsgemäß sei. Der BFH bestätigte das FG-Urteil (BFH Urteil vom 12.11.2013, VIII R 1/11, BFH/NV 2014, 830), hiergegen wurde jedoch Verfassungsbeschwerde erhoben (BVerfG – 2 BvR 482/14 anhängig).

Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Erstattungszinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen bestätigte der BFH in einem weiteren Revisionsverfahren die Verfassungsmäßigkeit – auch im Hinblick auf ihre rückwirkende Geltung, BFH vom 12.11.2013, VIII R 36/10, BStBl II 2014, 168.

Nachzahlungs- und Aussetzungszinsen gehören nach § 10 Nr. 2 KStG zu den nicht abziehbaren Aufwendungen und mindern deshalb auch nicht die Bemessungsgrundlage der KSt. Zinsen auf erstattete KSt-Zahlungen (sog. Erstattungszinsen) erhöhen das Einkommen der Kapitalgesellschaften. Die geänderte Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 15.6.2010, VIII R 33/07, BStBl II 2011, 503), nach der – für die Rechtslage vor Inkrafttreten des JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) – auf die Festsetzung von ESt entfallende Erstattungszinsen nicht der ESt unterliegen, ist auf die Einkommensermittlung von Kapitalgesellschaften, die über keine außerbetriebliche Sphäre verfügen, nicht übertragbar (BFH Beschluss vom 15.2.2012, I B 97/11, BStBl II 2012, 697, LEXinform 5013273). Wegen der Steuerpflicht von Erstattungszinsen bei Kapitalgesellschaften eingelegte Verfassungsbeschwerden wurden nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG Beschluss vom 12.5.2015, 2 BvR 1608/12 und 2 BvR 1407/12.

Wie oben dargestellt entschied der BFH mit Urteil vom 12.11.2013 (VIII R 1/11), dass die Regelung in § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG i.d.F. des JStG 2010 – auch im Hinblick auf ihre rückwirkende Geltung – nicht gegen Verfassungsrecht verstößt und dass Erstattungszinsen keine außerordentlichen Einkünfte i.S.d. § 34 EStG darstellen. Über die gegen dieses Urteil eingereichte Verfassungsbeschwerde wurde bislang noch nicht entschieden (Az. BVerfG: 2 BvR 482/14 anhängig).

1.1.6.6. Negativzinsen

Da aufgrund der anhaltenden Niedrigzinsphase zunehmend Kreditinstitute dazu übergehen Negativzinsen zu erheben, stellt sich die Frage der Ermittlung der Höhe der stpfl. Zinsen. Siehe hierzu BMF vom 19.5.2022, IV C 1 – S 2252/19/10003 :009, BStBl I 2022, 742, Rn. 129a:

»Behält ein Kreditinstitut negative Einlagezinsen für die Überlassung von Kapital ein, stellen diese negativen Einlagezinsen keine Zinsen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar, da sie nicht vom Kapitalnehmer an den Kapitalgeber als Entgelt für die Überlassung von Kapital gezahlt werden. Wirtschaftlich gesehen handelt es sich vielmehr um eine Art Verwahr- und Einlagegebühr, die bei den Einkünften aus Kapitalvermögen als Werbungskosten vom Sparer-Pauschbetrag gem. § 20 Absatz 9 Satz 1 EStG erfasst sind.

Bei Anlageprodukten mit gestaffelten Zinskomponenten (»Staffelzinsen«) ist die Gesamtverzinsung im Zeitpunkt des Zuflusses zu betrachten. Ist die Gesamtverzinsung positiv, so handelt es sich insgesamt um Einnahmen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Eine negative Gesamtverzinsung ist hingegen stets insgesamt als Verwahr- oder Einlagegebühr zu behandeln.

Beispiel:

Die Zinskonditionen für ein Anlageprodukt (Tagesgeld) sind wir folgt ausgestaltet:

  • von 0,00 € bis 500 000,00 € positiver Zins (0,1 % p. a.)

  • von 500 000,01 € bis 1 000 000,00 € keine Verzinsung

  • ab 1 000 000,01 € negativer Zins (- 0,05 % p. a.)

Es werden 1 500 000,00 € vom 1.1. bis 31.3. angelegt. Die Zinsgutschrift erfolgt am 31.3.

Lösung:

Auf den ersten Teilbetrag in Höhe von 500 000,00 € entfällt ein positiver Zins i.H.v. 125,00 € (500 000,00 € × 0,1 % × 3 Monate). Auf den zweiten Teilbetrag (500 000,01 € bis 1 000 000,00 €) entfällt kein Zins. Auf den dritten Teilbetrag (1 000 000,01 € bis 1 500 000,00 €) entfällt ein negativer Zins in Höhe von – 62,50 € (500 000,00 € × 0,05 % × 3 Monate). Der Besteuerung ist der positive Saldo aus den Zinsen der drei Guthabenbereiche in Höhe von 62,50 € zugrunde zu legen (125,00 € + 0,00 € – 62,50 €).«

1.1.6.7. Einkünfteerzielungsabsicht bei Verzugs- und Prozesszinsen

Verzugszinsen nach § 286 Abs. 1 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB wie auch Prozesszinsen (§ 291 BGB) sind Kapitalerträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG (BFH Urteile vom 29.9.1981, VIII R 39/79, BStBl II 1982, 113; vom 25.10.1994, VIII R 79/91, BStBl II 1995, 121). Diese Einordnung erfährt eine Einschränkung, wenn die verzinsliche Forderung den Tatbestand der Einkünfteerzielung nach einer anderen Einkunftsart des EStG erfüllt, gegenüber der die Einkünfte aus Kapitalvermögen subsidiär sind (vgl. § 20 Abs. 8 EStG). Das Konkurrenzverhältnis zwischen den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5, § 20 EStG) und den sonstigen Einkünften i.S.v. § 22 Nr. 3 EStG ist im Sinne einer Subsidiarität der sonstigen Einkünfte geregelt (§ 22 Nr. 3 Satz 1 EStG; Umkehrschluss aus § 20 Abs. 8 EStG)

Die Steuerbarkeit der Verzugs- und Prozesszinsen ist darin begründet, dass zu den Einkünften aus Kapitalvermögen grundsätzlich alle Vermögensmehrungen gehören, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für eine Kapitalnutzung sind. Unerheblich ist es, ob der Überlassung von Kapital ein Darlehensvertrag oder ein anderer Rechtsgrund zugrunde liegt. Auch eine vom Schuldner erzwungene Kapitalüberlassung kann zu Einnahmen aus Kapitalvermögen führen (BFH Urteil vom 13.11.2007, VIII R 36/05, BStBl II 2008, 292; BFH Beschluss vom 30.6.2009, VIII B 8/09, BFH/NV 2009, 1977). Verzugszinsen stellen danach aus ertragsteuerlicher Sicht keinen Schadensersatz für die Verletzung privater Güter dar, sondern sind Entgelt für die unfreiwillige Vorenthaltung des dem Stpfl. zustehenden Kapitals (BFH Urteil vom 24.5.2011, VIII R 3/09, BStBl II 2012, 254).

Zinsen sind jedoch dann nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen, wenn ihnen hohe Zinsaufwendungen gegenüberstehen, sodass der Stpfl. insoweit keinen Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben erzielen kann. Im Ergebnis hat sich dadurch seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht erhöht.

Schuldzinsen sind bei der Einkünfteermittlung als Werbungskosten abzuziehen, soweit sie mit der betreffenden Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). In dem vom BFH mit Urteil vom 24.5.2011 (VIII R 3/09, BStBl II 2012, 254) entschiedenen Fall bestand ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Kapitalerträgen in Gestalt von Verzugszinsen und den vom Kläger geleisteten Schuldzinsen. Bei einer erzwungenen Kapitalüberlassung reicht es zur Begründung des erforderlichen wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen der Kreditaufnahme und späteren Zinseinnahmen aus, wenn das Darlehen zu dem Zweck aufgenommen und verwendet worden ist, um die (letztlich nicht gerechtfertigte) Forderung zu erfüllen (vgl. auch BFH Beschluss vom 30.6.2009, VIII B 8/09, BFH/NV 2009, 1977). In derartigen Fällen erfordert die Abzugsfähigkeit keine besondere subjektive Bestimmung der Schuldzinsen für Zwecke der Erzielung von Verzugszinsen. Da es bei einer erzwungenen Kapitalüberlassung hinsichtlich der deswegen an den Überlassenden gezahlten Zinsen nur auf den objektiven Tatbestand einer Steigerung der Leistungsfähigkeit ankommt und eine diesbezügliche Einkünfteerzielungsabsicht des Stpfl. nicht erforderlich ist (BFH Urteil vom 8.11.2005, VIII R 105/03, BFH/NV 2006, 527), sind auch die mit dieser Einkünfteerzielung zusammenhängenden Aufwendungen anhand des objektiven Tatbestands zu ermitteln. Subjektiv wird insoweit nur das Bewusstsein vorausgesetzt, dass eine Zahlung geleistet werden muss und dass dafür Fremdmittel eingesetzt werden sollen. Es ist folglich nicht rückschauend zu prüfen, ob der Kläger subjektiv einen Zusammenhang zwischen den Schuldzinsen und möglicherweise künftig anfallenden (höheren oder niedrigeren) Zinseinnahmen hergestellt hat.

Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Schuldzinsen für die Fremdfinanzierung außerhalb des Streitjahrs beim Kläger abgeflossen sind. Ob aus einer Tätigkeit überhaupt Einkünfte gemäß § 2 EStG zu erzielen sind, ist grundsätzlich für die gesamte Dauer der betreffenden Tätigkeit zu prüfen, d.h. es ist der Totalgewinn zu ermitteln oder – wie im Streitfall bei Überschusseinkünften – zu prüfen, ob auf Dauer nachhaltige Überschüsse erzielt werden können (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.6.1984, GrS 4/82, BStBl II 1984, 751).

Da Einkünfte aus einer erzwungenen Kapitalüberlassung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG keine subjektive Einkünfteerzielungsabsicht des Stpfl. voraussetzen, sondern allein die objektive Steigerung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sind für die Prüfung, ob eine erzwungene Kapitalüberlassung überhaupt zu nachhaltigen Einkünften führen kann, die miteinander wirtschaftlich zusammenhängenden Einnahmen (hier: Verzugszinsen) und Ausgaben (hier: Schuldzinsen) ohne Rücksicht auf das Zufluss- und Abflussprinzip (§§ 8, 11 EStG) gegenüberzustellen.

Die Rechtfertigung einer solchen Beurteilung ergibt sich im Streitfall überdies aus Folgendem: Ob derjenige, der einen Zivilprozess wegen eines Anspruchs im Privatvermögen führt, Verzugs- oder Prozesszinsen zugesprochen bekommt und ob diese ihm auch tatsächlich zufließen, stellt sich naturgemäß erst am Ende des Prozesses heraus. Vorher lässt sich folglich nicht beurteilen, ob insoweit eine Einnahme erzielt und daran anknüpfend der Tatbestand der Einkünfteerzielung objektiv verwirklicht wird. Die Frage, ob ein objektiver Zusammenhang zwischen Zinseinnahmen und einem diesbezüglichen Finanzierungsaufwand des Stpfl. besteht und ob sich insgesamt ein Einnahmenüberschuss ergibt, kann erst dann beantwortet werden, wenn die Zinseinnahmen zugeflossen sind.

1.1.7. Diskontbeträge nach § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören Diskonterträge von Wechseln und Anweisungen einschließlich der Schatzwechsel. Der Diskontierung von Wechseln liegt ein Kreditgeschäft zugrunde; als Diskontgeber treten i.d.R. Banken auf (Schmidt/Levedag, 41. Aufl. 2022, EStG § 20 Rn. 125)

1.1.8. Einnahmen aus Leistungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der KSt befreiten Körperschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 KStG, die Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind. Es handelt sich dabei um die Verteilung des wirtschaftlichen Überschusses (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG); nach dem JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) werden nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG auch Leistungen erfasst, die von vergleichbaren ausländischen Körperschaften stammen; die bisherige Fassung erfasste nur Leistungen inländischer sonstiger Körperschaften (z.B. Stiftungen).

Können die Leistungsempfänger einer Stiftung unmittelbar oder mittelbar Einfluss auf das Ausschüttungsverhalten der Stiftung nehmen, handelt es sich bei den Leistungen um Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG (BFH Urteil vom 3.11.2010, I R 98/09, BStBl II 2011, 417; Anmerkung vom 3.3.2011, LEXinform 0940362).

§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG a.F. (Streitjahr 2005) erfasst nicht unterschiedslos alle wiederkehrenden oder einmaligen Zahlungen einer Stiftung, die von den beschlussfassenden Stiftungsgremien aus den Erträgen der Stiftung an den Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge während des Bestehens der Stiftung oder anlässlich ihrer Auflösung ausgekehrt werden (entgegen BMF), BFH Urteil vom 28.2.2018, VIII R 30/15, BFH/NV 2018, 857 (LEXinform 0950560). Nach § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen Einnahmen aus Leistungen einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 KStG, die Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG wirtschaftlich vergleichbar sind, soweit sie nicht bereits zu den Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören; Nr. 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Unabhängig von der Frage, ob die Stellung des Leistungsempfängers wirtschaftlich derjenigen eines Anteilseigners entspricht, fehlt es bereits dem Grunde nach an einer wirtschaftlichen Vergleichbarkeit mit Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn – wie im Streitfall – nach der Auflösung einer Stiftung das Liquidationsendvermögen an den ausschließlich Anfallberechtigten gezahlt wird.

1.1.9. Einnahmen aus Leistungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 10

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören Leistungen eines nicht von der KSt befreiten Betriebs gewerblicher Art i.S.d. § 4 KStG. Das BMF-Schreiben vom 11.9.2002 (BStBl I 2002, 935) nimmt zur Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 10 EStG Stellung (Betriebe gewerblicher Art als Schuldner der Kapitalerträge). Mit BMF-Schreiben vom 8.8.2005 (BStBl I 2005, 831) werden die Rz. 23 und 24 des BMF-Schreibens vom 11.9.2002 (BStBl I 2002, 935) neu gefasst.

Ab VZ 2014 siehe BMF vom 9.1.2015, BStBl I 2015, 111, ab VZ 2018 siehe BMF vom 28.1.2019, BStBl I 2019, 97.

1.1.10. Stillhalterprämien

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) wird ab dem VZ 2009 § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG neu eingefügt. Zukünftig unterliegt die Stillhalterprämie der Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG, statt wie bisher nach § 22 Nr. 3 EStG (→ Einkünfte aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG).

Aufwendungen für die den Stillhalterprämien zugehörigen Glattstellungsgeschäfte mindern nach § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG – in Ausnahme zu § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG (sog. Abflussprinzip) – die Einnahmen in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Stillhalterprämien vereinnahmt wurden. Es handelt sich insoweit um ein rückwirkendes Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, vgl. BFH vom 2.8.2022, VIII R 27/21, BFH/NV 2022, 1242 (LEXinform 0953828). Ergibt sich dabei für das einzelne Stillhalter-/Glattstellungsgeschäft ein Verlust (eine negative Differenz), ist dieser abzugsfähig und unterliegt nicht dem Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 EStG.

1.2. Einkünfte aus § 20 Abs. 2 EStG

1.2.1. Anteilserwerb vor dem 1.1.2009

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören:

  • sonstige Entgelte nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (ab 2009 § 20 Abs. 3 EStG);

  • Einkünfte aus der Veräußerung von Dividendenscheinen und sonstigen Ansprüchen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG;

  • Einkünfte aus der Veräußerung von Zinsscheinen und Zinsforderungen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG;

  • Stückzinsen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG;

  • Veräußerung abgezinster oder aufgezinster Schuldverschreibungen und Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. a EStG;

  • getrennte Veräußerung von Schuldverschreibungen und Zinsscheinen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. b EStG;

  • Veräußerung von Schuldverschreibungen ohne Stückzinsberechnung oder bei ungewisser Zinszahlung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. c EStG;

  • Veräußerung von Schuldverschreibungen mit variabler Verzinsung oder variablen Zinszahlungszeiträumen nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Buchst. d EStG.

1.2.2. Anteilserwerb nach dem 31.12.2008

1.2.2.1. Allgemeines

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) wird ab dem VZ 2009 § 20 Abs. 2 EStG neu gefasst. Neben den Einnahmen aus den in § 20 Abs. 1 EStG angeführten Kapitalanlagen werden zukünftig auch die Wertzuwächse, die dem Stpfl. durch die Veräußerung der Kapitalanlagen – unabhängig von der Haltedauer dieser Anlagen im Privatvermögen – oder nach dem Abschluss eines Kapitalüberlassungsvertrages zufließen, der ESt unterworfen. Um zu gewährleisten, dass die die Kapitalerträge auszahlenden Stellen – vor allem die Kreditinstitute – den Steuerabzug vom Kapitalertrag nach § 43 EStG vornehmen können, bedarf es einer Aufzählung der einzelnen für den Steuerabzug maßgebenden Geschäftsvorfälle.

1.2.2.2. Veräußerungsgeschäfte

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören:

  • Die Veräußerungen der Anteile an Körperschaften (AG, GmbH), die von einem Stpfl. in seinem Privatvermögen gehalten werden, unabhängig von der bisher geltenden Veräußerungsfrist von zwölf Monaten (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG). Eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ist weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig (entgegen BMF vom 18.1.2016, IV C 1-S 2252/08/10004, BStBl I 2016, 85, Rz 59). Es steht grundsätzlich im Belieben des Stpfl., ob, wann und mit welchem Ertrag er Wertpapiere erwirbt und wieder veräußert (vgl. BFH Urteil vom 25.8.2009, IX R 55/07, BFH/NV 2010, 387, Rz. 13). Dadurch macht der Stpfl. lediglich von gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch, missbraucht diese aber nicht, BFH Urteil vom 12.6.2018, VIII R 32/16, BStBl II 2019, 221. Das BMF hat daraufhin sein Schreiben zu Einzelfragen zur Abgeltungsteuer ergänzt (BMF vom 10.5.2019, IV C 1 – S 2252/08/10004 :026). Rz. 59 im aktuellen Schreiben, BMF vom 16.5.2022, BStBl I 2022, 742 zum Veräußerungsbegriff (§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG) lautet nun: »§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG stellt klar, dass als Veräußerung neben der entgeltlichen Übertragung des – zumindest wirtschaftlichen – Eigentums auch die Abtretung einer Forderung, die vorzeitige oder vertragsmäßige Rückzahlung einer Kapitalforderung oder die Endeinlösung einer Forderung oder eines Wertpapiers anzusehen ist. Entsprechendes gilt für die verdeckte Einlage von Wirtschaftsgütern i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG in eine Kapitalgesellschaft. Die Sicherungsabtretung ist keine Veräußerung im Sinne dieser Vorschrift. Eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ist weder von der Höhe der Gegenleistung noch von der Höhe der anfallenden Veräußerungskosten abhängig (BFH vom 12.6.2018 VIII R 32/16, BStBl. 2019 II S. 221).«

  • Veräußerungen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b EStG (wie bisher).

  • Wertzuwächse aus Termingeschäften (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG und BMF vom 16.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 9 ff.). Nach der bisherigen Regelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG war der Wertzuwachs bei einem Termingeschäft lediglich steuerbar, wenn der Zeitraum zwischen dem Erwerb und der Beendigung des Rechts zwölf Monate betrug. Kommt es bei Knock-out-Zertifikaten zum Eintritt des Knock-out-Ereignisses, können die Anschaffungskosten dieser Zertifikate nach der ab 1.1.2009 geltenden Rechtslage im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen als Verlust berücksichtigt werden, ohne dass es auf die Einordnung als Termingeschäft ankommt, BFH Urteil vom 20.11.2018, VIII R 37/15 (LEXinform 0950557) und BFH Pressemitteilung vom 13.3.2019 (LEXinform 0449500). Liegt ein Termingeschäft vor, ist der Verlust gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG i.V.m. § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG zu berücksichtigen. Sollten die Voraussetzungen eines Termingeschäfts dagegen nicht erfüllt sein, folgt die steuerliche Anerkennung des Verlusts aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Satz 1 EStG. Der Eintritt des Knock-out-Ereignisses stellt in diesem Fall eine (automatische) »Einlösung« i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG dar.

  • Wertzuwächse, die aufgrund der Abtretung von Forderungen aus einem partiarischen Darlehen oder bei Beendigung der Laufzeit des Darlehens zufließen, sind ebenso steuerbar wie die Veräußerung einer stillen Beteiligung (→ Stille Gesellschaft) an Gesellschaftsfremde sowie das Auseinandersetzungsguthaben, welches einem stillen Gesellschafter bei der Auflösung der Gesellschaft zufließt (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 1 Nr. 4 EStG).

    Sind Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen, ist für Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG ab 2009 der gesonderte Steuertarif von 25 % nicht anzuwenden (Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG; s.u. und → Abgeltungsteuer);

  • Die Übertragungen von Hypotheken, Grundschulden sowie Rentenschulden (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 1 Nr. 5 EStG).

  • Die Gewinne aus Veräußerungen von Ansprüchen auf Lebensversicherungsleistungen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 1 Nr. 6 EStG). Die Versicherungsunternehmen haben die Finanzbehörden über Verkäufe zu informieren. Die Möglichkeit des Berechtigten einer Lebensversicherung, deren Versicherungsleistung von der Wertentwicklung eines Anlagestocks abhängt, aus mehreren standardisierten Anlagestrategien zu wählen, begründet allein keine mittelbare Dispositionsbefugnis i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG, BFH Urteil vom 26.3.2019, VIII R 36/15, BStBl II 2019, 399 (LEXinform 0950558). Bereits das FG war davon ausgegangen, dass kein vermögensverwaltender Versicherungsvertrag i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 5 EStG vorliegt. Die Erträge aus dem Anlagestock sind daher im Streitjahr nicht der Klägerin zuzurechnen und von dieser nicht zu versteuern.

    Auch Verluste aus der Veräußerung einer fondsgebundenen Lebensversicherung sind bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen. Ein Ausschluss dieser Verluste wegen einer fehlenden Einkünfteerzielungsabsicht kommt nicht in Betracht, BFH Urteil vom 14.3.2017, VIII R 38/15 (LEXinform 0950604). Die mit der Abgeltungsteuer als Schedule (also i.S.v. Anhang oder »geplante«) eingeführten Besonderheiten der Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) bedingen eine tatsächliche Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht (so auch BMF vom 16.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 125). Sie gilt auch hinsichtlich von Verlusten aus der Veräußerung einer Lebensversicherung. Den Verlust machte der Kläger als negative Einkünfte aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG geltend. Die Veräußerung der Ansprüche aus der fondsgebundenen Lebensversicherung erfüllt die Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 EStG. Gemäß § 20 Abs. 4 EStG ergibt sich daraus ein Verlust. Im Streitfall fehlen relevante Anhaltspunkte für eine Widerlegung der Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht des Klägers.

    Gewinne aus Veräußerungen von sonstigen Kapitalforderungen jeder Art (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 EStG; BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 48 ff.). Auch der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG. Von einem Forderungsausfall ist erst dann auszugehen, wenn endgültig feststeht, dass keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür in der Regel nicht aus, BFH vom 24.10.2017, VIII R 13/15, BStBl II 2020, 831. Für die Berücksichtigung des Verlusts aus dem Ausfall einer privaten Kapitalforderung muss endgültig feststehen, dass der Schuldner keine (weiteren) Zahlungen mehr leisten wird. Bei insolvenzfreier Auflösung einer KapGes als Forderungsschuldnerin kann davon regelmäßig erst bei Abschluss der Liquidation ausgegangen werden, sofern sich nicht aus besonderen Umständen ausnahmsweise etwas anderes ergibt (BFH vom 27.10.2020, IX R 5/20; veröffentlicht am 17.6.2021).

    Der BFH hat mit Urteil vom 14.1.2020 (IX R 9/18, LEXinform 0951923) auch zur Berücksichtigung eines Verlusts aus dem Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen geurteilt: Auf Kapitalerträge aus Kapitalforderungen, die zum Zeitpunkt des vor dem 1.1.2009 erfolgten Erwerbs zwar Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der am 31.12.2008 anzuwendenden Fassung (EStG a.F.), aber nicht Kapitalforderungen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F. (sog. Finanzinnovationen) sind, ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG i.d.F. des UntStRefG 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) nicht anzuwenden. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG ist nur auf Sachverhalte anwendbar, für die der Anwendungsbereich der durch das UntStRefG 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) neu eingeführten Veräußerungstatbestände in § 20 Abs. 2 Satz 1 EStG eröffnet ist. Die bis zum Senatsurteil vom 11.7.2017 (IX R 36/15, BFHE 258, 427, BStBl II 2019, 208) anerkannten Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen sind weiter anzuwenden, wenn der Gesellschafter eine eigenkapitalersetzende Finanzierungshilfe bis zum 27.9.2017 geleistet hatte oder wenn eine Finanzierungshilfe des Gesellschafters bis zu diesem Tag eigenkapitalersetzend geworden war und er keinen Antrag auf Anwendung der Neuregelung in § 17 Abs. 2a EStG i.V.m. § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) gestellt hat.

    Mit der Ergänzung des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG i.d.F. des JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) – jetzt in § 52 Abs. 28 Satz 16 Halbsatz 2 EStG verortet – wurde klargestellt, dass die besonders in Rechnung gestellten und vereinnahmten Stückzinsen auch dann als Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG zu versteuern sind, wenn der Veräußerungserlös für die vor dem 1.1.2009 erworbenen festverzinslichen Wertpapiere nicht steuerbar ist. Da die Kreditinstitute in diesen Fällen in den Kj. 2009 und 2010 keinen Steuereinbehalt auf derartige Stückzinsen vorgenommen haben, sind die Erträge in der ESt-Veranlagung für 2009 und 2010 gem. § 32d Abs. 3 EStG zu berücksichtigen. Um den betroffenen Stpfl. die Angaben der Stückzinsen im Steuerveranlagungsverfahren zu erleichtern, haben die Kreditinstitute hierzu gem. § 45a Abs. 2 EStG eine gesonderte Steuerbescheinigung zu erteilen (vgl. Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf eines JStG 2010 vom 28.10.2010, BT-Drs. 17/3549, 8). Die Ausstellung derartiger Steuerbescheinigungen regelt das BMF-Schreiben vom 16.12.2010 (BStBl I 2011, 78). S.a. Anmerkung vom 10.2.2011 unter LEXinform 0940308.

    Auch Stückzinsen aus sog. Altanleihen, d.h. aus vor dem 1.1.2009 erworbenen festverzinslichen Wertpapieren, sind zu versteuern. Dies hat das FG Münster mit Urteil vom 2.8.2012 (2 K 3644/10 E, EFG 2012, 2284, LEXinform 3500073, rkr.) entschieden (s.a. Anmerkung vom 18.10.2012, LEXinform 0943210). Im Streitfall hatte die Klägerin im Januar 2008 festverzinsliche Wertpapiere erworben. Sie verkaufte die Papiere im Februar 2009 und erhielt hierfür – neben dem Kurswert – auch sog. Stückzinsen i.H.v. 1 947,67 €. Diese Vergütung für den Zinsertrag der Papiere, der auf die Zeit von Beginn des Zinszahlungszeitraums bis zum Verkauf entfällt, sah das FA als steuerpflichtig an. Die Klägerin war hingegen der Auffassung, dass die Stückzinsen für die Altanleihen aufgrund einer Gesetzesänderung im Zusammenhang mit der Einführung der sog. Abgeltungsteuer im Jahr 2009 nicht steuerpflichtig seien. Der BFH hat nun mit zwei Urteilen vom 7.5.2019 – VIII R 22/15 (BStBl II 2019, 576) und VIII R 31/15 (BStBl II 2019, 577) zu § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 entschieden, dass Stückzinsen als Teil des Gewinns aus der Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG nach der Einführung der Abgeltungsteuer auch dann zu besteuern sind, wenn die der Veräußerung zugrundeliegende Forderung vor dem 1.1.2009 erworben wurde. Die Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 7 Halbsatz 2 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (nunmehr § 52 Abs. 28 Satz 16 Halbsatz 2 EStG) führt nicht zu einer echten Rückwirkung hinsichtlich der Besteuerung von Stückzinsen im Veranlagungszeitraum 2009, da sie lediglich die bereits bestehende Rechtslage klarstellt. Die Änderung der Übergangsregelung hat, wie vom Gesetzgeber beabsichtigt (BT-Drs. 17/2249, 64, und BT-Drs. 17/3549, 6), lediglich deklaratorische Bedeutung, da Stückzinsen unabhängig davon, wann die veräußerte Kapitalforderung erworben wurde, stets der Besteuerung unterlagen. Die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Verbots rückwirkender Gesetze sind daher nicht anwendbar (vgl. BVerfG vom 17.12.2013, 1 BvL 5/08, BVerfGE 135, 1, DStR 2014, 520 Rn. 44 f.).

    Bis zur Einführung der Abgeltungsteuer im Jahr 2009 waren Stückzinsen gem. § 20 Abs. 2 Nr. 3 EStG beim Verkäufer als Zinsertrag zu versteuern. Diese Regelung ist jedoch seit dem 1.1.2009 nicht mehr anwendbar. Seit Einführung der Abgeltungsteuer sind Stückzinsen vielmehr als Teil des Veräußerungserlöses (§ 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG) anzusehen und als solcher steuerbar. Allerdings sieht die Übergangsregelung des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG in der Fassung des JStG 2009 vor, dass die neuen Vorschriften über die generelle Steuerpflicht von Veräußerungsgewinnen – die nunmehr auch die Stückzinsen umfassen – nicht für Papiere gelten sollen, die vor dem 1.1.2009 angeschafft worden waren. Für diese Anlagen sollten die bisherigen Regeln, wonach Kursgewinne aus Wertpapieren im Privatvermögen außerhalb der einjährigen Spekulationsfrist (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F.) steuerfrei waren, bestehen bleiben. Hieraus folgerte die Klägerin – und wie sie viele andere Steuerpflichtige, Berater und Experten –, dass auch in 2009 vereinnahmte Stückzinsen aus vor dem 1.1.2009 angeschafften Anleihen nicht der Besteuerung unterliegen.

    Diese Auffassung teilt das FG Münster nicht. Aus dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG folge, dass Stückzinsen aus Altanleihen nicht von der Besteuerung auszunehmen seien. Die Gesetzesmaterialien belegten zwar, dass der Gesetzgeber die ursprünglich steuerfreien Kursgewinne aus vor dem 1.1.2009 erworbenen Kapitalforderungen weiterhin steuerfrei stellen wollte, jedoch ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass er darüber hinaus auch die ursprünglich steuerpflichtigen Stückzinsen von der Besteuerung habe ausnehmen wollen. Dies habe er zudem zeitnah im JStG 2010 klargestellt (Pressemitteilung des FG Münster Nr. 16/2012 vom 15.10.2012, LEXinform 0438589).

    Sind Gläubiger und Schuldner einander nahestehende Personen, ist für Kapitalerträge i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG ab 2009 der gesonderte Steuertarif von 25 % nicht anzuwenden (Ausschlusstatbestand des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG; s.u. und → Abgeltungsteuer);

    Gewinne aus der Einlösung von XETRA-Gold Inhaberschuldverschreibungen sind nach Auffassung des FG Münster (Urteil vom 14.3.2014, 12 K 3284/13 E, EFG 2014, 1101 Nr. 13, rkr.) weder eine Veräußerung i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG noch eine sonstige Kapitalforderung i.S.d. Norm, sodass für diese Wertpapiere (weiterhin) die alte Frist des § 23 EStG maßgebend für die Prüfung der Steuerpflicht ist.

  • Der Gewinn aus der Veräußerung an der Börse gehandelter Inhaberschuldverschreibungen, die einen Anspruch gegen die Emittentin auf Lieferung physischen Goldes verbrieften und den aktuellen Goldpreis abbildeten (z.B. »Gold Bullion Securities«), ist jedenfalls dann nicht nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 1 Nr. 7 EStG steuerpflichtig, wenn die Emittentin verpflichtet ist, das ihr zur Verfügung gestellte Kapital nahezu vollständig zum Erwerb von Gold einzusetzen, vgl. BFH Pressemitteilung vom 15.10.2020 (LEXinform 0457389) zum Urteil VIII R 7/17 vom 16.6.2020 (LEXinform 0951447). Dies gilt auch dann, wenn nach den Emissionsbedingungen der Inhaber bei der Kündigung der Schuldverschreibungen statt der Lieferung des verbrieften Goldes die Auszahlung des Erlöses aus dem Verkauf des für ihn hinterlegten Goldes verlangen kann. Auch in diesem Fall wird primär eine Sachleistung geschuldet (entgegen BMF vom 18.1.2016, IV C 1-S 2252/08/10004:017, BStBl I 2016, 85, Rz. 57)

  • Der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einem Fonds nach schweizerischem Recht, der sein Kapital allein in physischem Gold anlegt, unterliegt gem. § 19 Abs. 3 Satz 1 InvStG 2004 der Besteuerung nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Abs. 4 EStG (BFH vom 12.4.2021, VIII R 15/18, BStBl II 2021, 913, LEXinform 0951900). Bei dem Gold-ETF handelte es sich nach dem Verkaufsprospekt der Bank um einen Anlagefonds schweizerischen Rechts. Anlageziel des Fonds war es, die Wertentwicklung des Edelmetalls Gold abzubilden. Aus diesem Grund investierte der Fonds ausschließlich in physisches Gold. Anlagen in andere Werte waren nicht vorgesehen. Die Anteile waren jederzeit an der Börse frei veräußerbar.

  • Gewinne aus der Übertragung oder Aufgabe einer die Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG vermittelnden Rechtsposition (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 EStG). Betroffen sind Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Vereine oder Stiftungen.

§ 20 Abs. 2 Satz 2 EStG stellt klar, dass als Veräußerung neben der entgeltlichen Übertragung des Eigentums auch die Abtretung einer Forderung, die vorzeitige oder vertragsmäßige Rückzahlung einer Kapitalforderung oder die Endeinlösung einer Forderung oder eines Wertpapiers anzusehen ist. Entsprechendes gilt für die verdeckte Einlage von WG i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG in eine Kapitalgesellschaft. Mit dieser Regelung wird eine vollständige steuerliche Erfassung aller Wertzuwächse im Zusammenhang mit Kapitalanlagen erreicht (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 59 ff.). Der Verzicht des Gesellschafters auf den nicht werthaltigen Teil seiner Forderung gegen die KapGes steht einer Abtretung gleich und führt nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 EStG steuerlich zu berücksichtigenden Forderungsausfall, BFH Pressemitteilung vom 14.11.2019 (LEXinform 0450605) zum Urteil VIII R 18/16 vom 6.8.2019 (LEXinform 0951011).

Nach § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG gilt die Anschaffung oder Veräußerung einer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung an einer Personengesellschaft als Anschaffung oder Veräußerung der anteiligen WG (→ Abgeltungsteuer – ABC der Kapitalanlagen – Veräußerungsbegriff und Veräußerungsvorgänge bei Personengesellschaften; BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 72 ff.). Bei nicht gewerblichen und nicht gewerblich geprägten Personengesellschaften sind die Einkünfte nach den Grundsätzen der Überschusseinkunftsarten zu ermitteln, gesondert festzustellen und den nicht betrieblich beteiligten Gesellschaftern anteilig zuzurechnen (→ Personengesellschaften). S.a. → Beteiligungen an vermögensverwaltenden Personengesellschaften sowie → Zebragesellschaften. Allerdings hat nun der BFH in seinem Urteil vom 20.11.2019 entschieden, dass Kapitaleinkünfte gem. § 20 Abs. 2 EStG, die nach Anschaffung einer Kapitalanlage durch eine vermögensverwaltende GbR aufgrund einer Anteilsveräußerung durch einen Gesellschafter gem. § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG entstehen, nicht gemäß §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO gemeinschaftlich erzielt werden. Kapitaleinkünfte, die aufgrund einer Anteilsveräußerung gem. § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG entstehen und keinem abgeltenden Kapitalertragsteuerabzug gem. § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG unterliegen, sind gem. § 32d Abs. 3 Satz 1 EStG vom Gesellschafter zu erklären; über das Vorliegen und die Höhe dieser Einkünfte ist abschließend im Rahmen der Veranlagung zu entscheiden, BFH Urteil vom 20.11.2018, VIII R 39/15, BStBl II 2019, 239 (LEXinform 0950700).

Durch § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG wird erreicht, dass die Veräußerung eines Gesamthandanteils an einer Personengesellschaft, die WG – z.B. Wertpapiere i.S.d. § 20 EStG – hält, zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehört, um eine ansonsten auftretende Besteuerungslücke zu schließen. Denn Anteile an Personengesellschaften, deren Gesamthandvermögen nur aus WG i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG besteht (z.B. in einer GbR gehaltene Beteiligungen), gehören nicht zu den WG i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG. Vielmehr ist der Gesamthandanteil selbst ein WG i.S.d. § 23 EStG, sodass für dieses die Veräußerungsfrist des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gilt (→ Private Veräußerungsgeschäfte). Ohne die Regelung des Satzes 3 bestünde die Möglichkeit, über eine Personengesellschaft den Wertzuwachs der in § 20 Abs. 2 EStG angeführten WG außerhalb der Veräußerungsfrist steuerfrei zu veräußern. § 20 Abs. 2 Satz 3 EStG ist dann anzuwenden, wenn eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an einer Personengesellschaft vorliegt.

Hat ein Stpfl. eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung an einer Personengesellschaft erworben und veräußert, so sind die Voraussetzungen des Satzes 3 nur insoweit erfüllt, als die WG anteilig auf den Stpfl. entfallen. Satz 3 findet allerdings auch Anwendung, wenn sich im Gesamthandvermögen der Personengesellschaften neben den WG i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG andere WG befinden. Die Regelung des Satzes 3 gilt auch, wenn die WG von einer Personengesellschaft angeschafft und die Beteiligung an dieser Personengesellschaft vom Gesellschafter veräußert wird.

Abb.: Veräußerung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft

1.2.2.3. Übergangsregelung für Veräußerungsgewinne

Die Abgeltungsteuer wurde mit Wirkung zum 1.1.2009 eingeführt. Dieses Datum kennzeichnet demnach den Wechsel zweier »Besteuerungszeitalter«. Hinsichtlich der Erfassung der Veräußerungsgewinne ist die Übergangsregelung hingegen nicht allein anhand dieses Datums festzumachen.

Zwar besteht der Grundsatz, dass für vor dem 1.1.2009 angeschaffte Wertpapiere weiterhin das alte Recht anzuwenden ist. Dies gilt auch für private Kapitalforderungen (z.B. eine private Darlehensforderung, Gesellschafterforderung, vgl. BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rn. 58). Hiervon gibt es jedoch eine Reihe von Ausnahmen.

Die besondere Stellung der sog. Finanzinnovationen in diesem Zusammenhang gebietet es, zunächst in einem Exkurs die Grundstruktur dieser Wertpapiere darzustellen.

Mit mehreren Urteilen hat der BFH zu Fragen der Besteuerung von Finanzinnovationen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG a.F., nun § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) Stellung bezogen. In seinen Urteilen vom 20.11.2006 (BStBl II 2007, 555 zu Reverse Floatern) und 13.12.2006 (BStBl II 2007, 560 zu Fremdwährungsanleihen, BStBl II 2007, 568 zu Argentinien-Anleihen und BStBl II 2007, 562 zu DAX-Zertifikat mit Rückzahlungsgarantie) hat er den Anwendungsbereich der Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion eingegrenzt. Danach kommt es nicht zu einer Besteuerung nach der Emissions- oder Marktrendite eines Wertpapiers, wenn bei dem Wertpapier keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und eine Unterscheidung zwischen steuerpflichtigem Nutzungsentgelt und steuerfreiem Kursgewinn ohne großen Aufwand möglich ist. Außerdem hat der BFH am 11.7.2006 (BStBl II 2007, 553) entschieden, dass Gleitzins-Schuldverschreibungen grundsätzlich eine Emissionsrendite haben und dass § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG dem Stpfl. kein Wahlrecht zum Ansatz der Marktrendite gibt. Nach dem BMF-Schreiben vom 18.7.2007 IV B 8-S 2252/0 (BStBl I 2007, 548) soll die BFH-Rspr. aus Vereinfachungsgründen bei der Erhebung der KapESt grundsätzlich keine Anwendung finden. Die BFH-Urteile seien vielmehr erst i.R.d. Veranlagung des StPfl. zu beachten. Hiervon ausgenommen sind lediglich Reverse Floater und Down-Rating-Anleihen, sofern die Emissionsbedingungen der Anleihe den Emissionsbedingungen, die den BFH-Urteilen zugrunde liegen, entsprechen und deshalb durch den Emittenten bei WM-Datenservice eine Umschlüsselung veranlasst worden ist. Aus demselben Schreiben ist ersichtlich, dass aus verwaltungsökonomischen Gründen den Angaben des Stpfl. zur Höhe der Erträge aus den Finanzinnovationen gefolgt werden kann, obwohl kein Wahlrecht mehr zwischen Emissionsrendite und Marktrendite besteht. In geeigneten Fällen (erhebliche steuerliche Auswirkungen oder Erklärung eines Verlustes unter Anwendung der Marktrendite) kann der Stpfl. aufgefordert werden, die Emissionsrendite nachzuweisen bzw. – bei mit den BFH-Urteilen vergleichbaren Sachverhalten – die Berücksichtigung des Verlustes versagt werden.

Im BFH-Urteil vom 4.12.2007 (BStBl II 2008, 563: Verkauf von Euro-Zertifikaten) hat der BFH erstmalig die Marktrendite in einen steuerpflichtigen und in einen nicht steuerbaren Teil (= Überschuss, soweit der Stpfl. das eindeutig definierbare Risiko eines Kapitalausfalls eingegangen ist) aufgespalten. Das BMF hat am 17.6.2008 (BStBl I 2008, 715) klargestellt, dass das Urteil bei der KapESt und im Investmentsteuerrecht keine Anwendung findet. Nach dem Urteil vom 17.12.2013 (LEXinform 0929263) sind hingegen Kursverluste aus der Veräußerung von Hybridanleihen mit gestuften Zinsversprechen ohne Laufzeitbegrenzung, die keine Emissionsrendite aufweisen, nicht gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG a.F. zu erfassen, da diese Vorschrift auf Wertpapiere, bei denen keine Vermengung zwischen Ertrags- und Vermögensebene besteht und bei denen eine Unterscheidung zwischen Nutzungsentgelt und Kursgewinn ohne größeren Aufwand möglich ist, keine Anwendung findet.

Da Finanzinnovationen im zuvor beschriebenen Sinne bereits vor der Einführung der Abgeltungsteuer unabhängig von der Haltedauer im Fall der Veräußerung bzw. Rückzahlung steuerverstrickt waren, gibt es hier keine Übergangsregelung, d.h. vor dem 1.1.2009 erworbene Finanzinnovationen lösen immer eine Ermittlung des Veräußerungsgewinnes aus. Neu ist jedoch, dass der Gewinn auch hier nach § 20 Abs. 4 EStG ermittelt wird.

Bereits bei der Frage der Definition der Finanzinnovationen ergeben sich jedoch Probleme. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Satz 5 EStG a.F. stellten rentenähnliche Genussscheine und Gewinnobligationen bisher ausdrücklich keine Finanzinnovationen dar. Nach Rn. 319 des BMF-Schreibens vom 19.5.2022 (BStBl I 2022, 742) sollten diese Wertpapiere jedoch von § 52a Abs. 10 Satz 6 EStG erfasst werden. Dies hatte zur Folge, dass die Wertpapiere im Ergebnis wie Finanzinnovationen zu behandeln sind, mit der Folge, dass auch vor dem 1.1.2009 angeschaffte Papiere dieser Kategorien steuerverstrickt sind. Nachdem der BFH mit Urteil vom 12.12.2012 (I R 27/12) der Auffassung des BMF widersprochen hat und obligationsähnliche Genussscheine, die vor dem 1.1.2009 erworben wurden, vom KapESt-Abzug ausgenommen hat, wendet das BMF (BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rn. 319) die Rspr. des BFH im Besteuerungsverfahren an (s.a. vorhergehendes Schreiben vom 12.9.2013, das das Schreiben vom 9.10.2012, BStBl I 2012, 953 geändert hat; Gewährung des Bestandsschutzes für obligationsähnliche Genussrechte und Gewinnobligationen).

  • Erwerb nach dem 31.12.2008: Fall des § 20 Abs. 2 EStG (Abgeltungsteuer).

Auch bei der Besteuerung von gehaltenen Beteiligungen an Investmentfonds ergeben sich Besonderheiten: Zunächst ist das sog. Fondsprivileg zum 1.1.2009 weggefallen. Von den Fonds aus Wertpapierverkäufen von ab dem 1.1.2009 gekauften Kapitalanlagen erzielte Gewinne können nicht mehr steuerfrei an die Anteilseigner ausgeschüttet werden. Gewinne aus bis zum 31.12.2008 angeschafften Papieren können hingegen weiterhin steuerfrei ausgeschüttet werden. Zudem gilt auch bei Fonds teilweise ein eingeschränkter Bestandsschutz (vgl. § 18 Abs. 2a und b InvStG). Hierbei sind zwei Fälle zu unterscheiden:

  1. Werden Anteile an inländischen Spezial-Sondervermögen, inländischen Spezial-Investment-Aktiengesellschaften oder ausländischen Spezial-Investmentvermögen oder Anteile an anderen Investmentvermögen gehalten, bei denen durch Gesetz, Satzung, Gesellschaftsvertrag oder Vertragsbedingungen die Beteiligung natürlicher Personen von der Sachkunde des Anlegers abhängig oder für die Beteiligung eine Mindestanlagesumme von 100 000 € oder mehr vorgeschrieben ist, ist der Bestandsschutz eingeschränkt, wenn die Anteile nach dem 9.11.2007 erworben wurden. Dies hat zur Folge, dass Gewinne aus der Veräußerung dieser Anteile auch nach Ablauf der Jahresfrist des § 23 EStG a.F. stpfl. sind. Der Veräußerungsgewinn ist jedoch nach Maßgabe des § 18 Abs. 2a InvStG beschränkt.

  2. Werden Anteile an Publikums-Investmentvermögen, deren Anlagepolitik auf die Erzielung einer Geldmarktrendite ausgerichtet ist und deren Termingeschäfts- und Wertpapierveräußerungsgewinne die ordentlichen Erträge übersteigen, gehalten, gilt folgende Regelung: Werden die Fondsanteile vor dem 19.9.2008 erworben, gilt ein temporärer Bestandsschutz bis zum 10.1.2011. Alle Wertzuwächse nach diesem Datum sind stpfl. (unabhängig von der Haltedauer). Werden die Anteile nach dem 18.9.2008 erworben, unterliegen alle Wertzuwächse ab dem Kaufdatum der Steuerpflicht.

Abschließend sei noch auf die Bestimmung hinsichtlich des Anschaffungszeitpunkts angedienter Wertpapiere in der Übergangszeit hingewiesen. Nach bisheriger Rechtslage gelten bei Umtausch- oder Aktienanleihen die Aktien zu dem Zeitpunkt als angeschafft, in dem die entsprechenden Ausübungsrechte (Umtauschanleihe) ausgeübt werden oder nach den Emissionsbedingungen der Anleihe feststeht, dass es zur Lieferung kommt (Aktienanleihe; hierzu auch BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rn. 318). Damit ist für die erhaltenen Aktien weiterhin § 23 EStG a.F. anzuwenden, auch wenn die Aktien, die als noch in 2008 angeschafft gelten, dem Stpfl. erst in 2009 zugehen. Der Stpfl. erzielt aus der Anleihe – durch den Bezug der Aktien – Einkünfte i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. In diesen Fällen findet § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG keine Anwendung.

1.2.2.4. Ermittlung des Veräußerungsgewinns

§ 20 Abs. 4 EStG bestimmt die Steuerbemessungsgrundlage für die Veräußerungsfälle des § 20 Abs. 2 EStG (BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 85 bis 99).

Der Gewinn i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG ist wie folgt zu ermitteln:

Einnahmen aus der Veräußerung

./.

Aufwendungen, die im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Veräußerungsgeschäft stehen

./.

Anschaffungskosten

=

Gewinn/Verlust

S. dazu die vergleichbaren Regelungen in den §§ 17 und 23 EStG (→ Beteiligungsveräußerung, → Private Veräußerungsgeschäfte).

Zu beachten ist, dass auch der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der privaten Vermögenssphäre nach Einführung der Abgeltungsteuer zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7, Satz 2, Abs. 4 EStG führt, BFH vom 24.10.2017, VIII R 13/15. Durch den endgültigen Verlust betragen im Ergebnis die Einnahmen null, während durch den Abzug der »Anschaffungskosten« bzw. den Nennwert der Kapitalforderung und etwaiger weiterer Aufwendungen ein Verlust realisiert wird. Dieser Forderungsausfall ist erst dann »realisiert«, wenn endgültig feststeht, dass keine weiteren Rückzahlungen mehr erfolgen werden. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners reicht hierfür i.d.R. jedoch nicht aus.

Bei nicht in Euro getätigten Geschäften sind die Einnahmen im Zeitpunkt der Veräußerung und die Anschaffungskosten im Zeitpunkt der Anschaffung in Euro umzurechnen.

Zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns in den Fällen der verdeckten Einlage s. § 20 Abs. 4 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 2 EStG.

Ist das WG i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG vor seiner Veräußerung durch eine Entnahme oder Betriebsaufgabe in das Privatvermögen überführt worden, tritt an die Stelle der Anschaffungskosten der nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 oder § 16 Abs. 3 EStG angesetzte Wert (§ 20 Abs. 4 Satz 3 EStG).

Durch das JStG 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) werden in § 20 Abs. 4a EStG besondere Regelungen für Ertragsermittlungen der dort genannten Kapitalmaßnahmen getroffen (BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 100 ff.). Es handelt sich dabei um Erträge, die nicht als Geldzahlungen, sondern insbes. in Form von Anteilen an Kapitalgesellschaften zufließen. Sinn und Zweck des § 20 Abs. 4a EStG ist es, die Abgeltungsteuer für Stpfl. und Quellensteuerabzugsverpflichtete, insbes. für Kreditinstitute, noch praktikabler auszugestalten.

Werden Anteile an einer Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung gegen Anteile an einer anderen Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung getauscht und wird der Tausch auf Grund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen vollzogen, die von den beteiligten Unternehmen ausgehen, treten abweichend von § 20 Abs. 2 Satz 1 und § 13 Abs. 2 UmwStG die übernommenen Anteile steuerlich an die Stelle der bisherigen Anteile, wenn das Recht der Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist. Die bisher im Rahmen des JStG 2009 eingeführte Steuerneutralität der Kapitalmaßnahmen erstreckte sich lediglich auf Auslandsbeteiligungen. Durch das JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) wird § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG rückwirkend ab 1.1.2009 (§ 52a Abs. 10 Satz 10 EStG) geändert. Die Steuerneutralität bei Kapitalmaßnahmen wird auf Inlandsbeteiligungen ausgeweitet.

Grundregel des § 20 Abs. 4a EStG ist es, dass bei den angeführten Kapitalmaßnahmen – abweichend von § 20 Abs. 4 EStG – der Gewinn mit 0 € angesetzt wird und die übernommenen Anteile an die Stelle der bisherigen Anteile treten. Dadurch bleiben die steuerlichen Reserven dauerhaft verstrickt und werden bei einer zukünftigen Veräußerung gegen Geldzahlung realisiert.

Die entsprechenden Tauschvorgänge müssen auf Maßnahmen beruhen, die von den beteiligten Unternehmen ausgehen. Denn der Grundsatz, dass der Tausch steuerlich zu einem Veräußerungs- und entsprechend zu einem Anschaffungsvorgang führt (§ 6 Abs. 6 Satz 1 EStG), findet weiterhin Anwendung. Entsprechende gesellschaftsrechtliche Maßnahmen sind insbes. Verschmelzungs- oder Aufspaltungsbeschlüsse oder Übernahmeangebote anderer Gesellschaften.

§ 20 Abs. 4a Satz 2 EStG stellt klar, dass in Fällen, in denen ein übernehmendes Unternehmen neben eigenen Anteilen als weitere Gegenleistung auch eine Barkomponente anbietet, diese Zahlung als Ertrag steuerpflichtig zu behandeln und dem KapESt-Abzug zu unterwerfen ist. Es bleibt aber an der Grundaussage des Satzes 1, dass die Anschaffungskosten der hingegebenen Anteile auch in diesem Fall auf die neuen Anteile zu übertragen sind.

Der durch das JStG 2009 eingefügte § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG hat das Ziel, dass bei Andienungsrechten (z.B. Umtausch- oder Aktienanleihen), bei denen statt Rückgabe des Nominalbetrags Aktien oder andere Wertpapiere an den Inhaber der Anleihe geleistet werden, die Übertragung der Aktien sich nicht steuerlich auswirkt. Allein die spätere Veräußerung der Aktien wird für die Festsetzung der ESt und für den Quellensteuerabzug durch die Kreditinstitute relevant. Damit ist die Besteuerung dieser Finanzinstrumente an die Besteuerung der Wandelanleihe (vgl. § 221 des AktG) angeglichen, bei der bereits nach den geltenden Grundsätzen durch die Wandlung weder ein Kapitalertrag aus der Anleihe noch ein privater Veräußerungsgewinn durch Tausch der Anleihe in Aktien besteht. Durch das JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) wird der Wortlaut des § 20 Abs. 4a Satz 3 EStG geändert und ist erstmals für Wertpapiere anzuwenden, die nach dem 31.12.2009 geliefert wurden, sofern für die Lieferung § 20 Abs. 4 EStG anzuwenden ist (§ 52a Abs. 10 Satz 11 EStG). Durch die Änderung wird der Anwendungsbereich ausgeweitet, sodass insbes. auch Vollrisikozertifikate mit Andienungsrecht, sofern die Regelungen zur Abgeltungsteuer bei ihnen Anwendung finden, erfasst werden. Vollrisikozertifikate sind Schuldverschreibungen, bei denen die Wertentwicklung von der Entwicklung eines Basiswerts, z.B. eines Indexes oder eines Aktienkorbs, abhängig ist und bei denen sowohl die Rückzahlung des Kapitals als auch die Erzielung von Erträgen unsicher sind. Die Voraussetzungen des bisherigen Satzes 3 für eine Steuerneutralität waren in diesen Fällen bisher nicht gegeben bzw. nicht eindeutig.

Nach § 20 Abs. 8 Satz 2 EStG wird deutlich, dass § 20 Abs. 4a EStG nur in den Fällen Anwendung findet, in denen die Anteile im Privatvermögen gehalten werden und der Anteilseigner nicht zu mindestens 1 % i.S.d. § 17 EStG beteiligt ist.

§ 20 Abs. 4a

Betroffene Maßnahme

Erläuterungen

Satz 1 und 2

Anteilstausch (BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rn. 100 bis 102)

Bei Tausch von Anteilen auf Grund gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen (von den beteiligten Unternehmen ausgehend) ist ein steuerneutraler Anteilstausch möglich (Übernahme der bisherigen AK für die neue Beteiligung), wenn das deutsche Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Durch das JStG 2010 wurde dies auf inländische Kapitalmaßnahmen ausgeweitet. Erhält der Stpfl. zusätzlich zu den Anteilen eine Gegenleistung, gilt diese als (laufender) Beteiligungsertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Satz 3

Umtausch von Kapitalforderungen in Wertpapiere (BMF Rn. 103–107 mit Übergangs-regelung)

Die Anleihe gilt als zu AK veräußert. Zugleich ist das Entgelt für den Forderungserwerb als Anschaffungskosten der erhaltenen Wertpapiere anzusetzen. Wird eine zusätzliche Gegenleistung erbracht (z.B. Ausgleich von Bruchstücken), so sind dies laufende Kapitaleinkünfte. Durch das JStG 2010 werden nun auch sog. Vollrisikozertifikate mit Aktienandienungswahlrecht erfasst. Dies gilt jedoch wegen § 52a Abs. 10 Satz 11 EStG nur für nach dem 31.12.2009 gelieferte (angediente) Wertpapiere.

Satz 4

Kapitalerhöhung gegen Einlage (BMF Rn. 108–110)

AK zugeteilter Bezugsrechte werden mit 0 € eingebucht. Die Bezugsrechte gelten im Zeitpunkt des Erwerbes der Altanteile als angeschafft (Übergang). Ein steuerlich relevanter Vorgang entsteht nur noch, wenn bei Veräußerung von Altanteilen die alte Frist des § 23 EStG a.F. noch gegriffen hat. Die Ausübung des Bezugsrechts ist nicht als Veräußerung des Bezugsrechts anzusehen. Übt der Stpfl. das Bezugsrecht aus, wird die junge Aktie zu diesem Zeitpunkt angeschafft. Der Wert des Bezugsrechts ist als Anschaffungskosten der jungen Aktien mit 0 € anzusetzen und daher nicht von Bedeutung.

Satz 5

Zuteilen von Anteilen ohne Gegenleistung (BMF Rn. 111 ff.)

Relevante Bereiche sind:

  • Bonus-Aktien,

  • Anteilsübertragung/Spin-off.

Sofern die Ermittlung der Erträge nicht möglich ist, sind die Einkünfte aus dem Bezug und die AK mit 0 € anzusetzen. Von dieser Vermutung ist bei ausländischen Sachverhalten in der Regel auszugehen. Dies gilt nicht, wenn dem Anleger nach ausländischem Recht (z.B. Niederlande) ein Wahlrecht zwischen Dividende und Freianteilen zusteht. Bei inländischen Sachverhalten ist davon auszugehen, dass die Erträge durch entsprechende Angaben des Emittenten zu ermitteln sein werden. Bei unklaren Sachverhalten ist § 20 Abs. 4a Satz 5 EStG ebenfalls anwendbar (BMF Rn. 116).

Satz 7

Erweiterung des Anwendungsbereiches auf Abspaltungen (s. auch BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 101, 115)

Hinweis:

Die Regelung des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG ist nicht nur auf inländische Abspaltungen i.S.d. § 123 Abs. 2 UmwG, sondern auch auf ausländische Vorgänge anwendbar, wenn diese »ihrem Wesen nach« einer inländischen Abspaltung entsprechen. Dies ist wiederum der Fall, wenn die »wesentlichen Strukturmerkmale« einer Abspaltung i.S.d. § 123 Abs. 2 UmwG erfüllt sind (vgl. BFH vom 1.7.2021, VIII R 9/19, BStBl II 2022, 359). Drittstaatenabspaltungen, die einer inländischen Abspaltung i.S.d. § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar sind, fallen bis zum Inkrafttreten des § 20 Abs. 4a Satz 7 EStG bei unionsrechtskonformer Auslegung in den Anwendungsbereich des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG (BFH vom 19.10.2021, VIII R 7/20, LEXinform 0952779).

Abb.: Zusammenfassende Übersicht über § 20 Abs. 4a EStG

Der für die Anwendung des § 20 Abs. 4a EStG maßgebliche Zeitpunkt ist nach Satz 6, soweit es auf die steuerliche Wirksamkeit einer Kapitalmaßnahme ankommt, der Zeitpunkt der Einbuchung in das Depot des Stpfl.

Zur weiteren Anwendung des § 20 Abs. 4a EStG s. → Abgeltungsteuer, ABC der Kapitalanlagen – Aktienanleihen.

Bei der Besteuerung eines im Inland stpfl. Aktieninhabers einer US-amerikanischen KapGes findet § 20 Abs. 4a EStG bei einem aufgrund einer Verschmelzung erfolgten Tausch der Aktien mit Spitzen- und Barausgleich keine Anwendung, wenn bei rechtsvergleichender Betrachtung die Verschmelzung aufgrund der hohen Barzahlungen nicht einmal hypothetisch in den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Abs. 3 Nr. 5 UmwStG fallen könnte. Der gesamte Vorgang ist danach als Tausch gegen die Gewährung eines Mischentgelts nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 EStG zu besteuern, BFH vom 14.2.2022, VIII R 44/18, LEXinform 0952216.

1.3. Besondere Entgelte und Vorteile

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören auch besondere Entgelte und Vorteile, die neben den in den Abs. 1 und 2 des § 20 EStG bezeichneten Einnahmen oder an deren Stelle gewährt werden. § 20 Abs. 3 EStG enthält keinen selbstständigen Besteuerungstatbestand, sondern nur eine Klarstellung des Umfangs der Einnahmen.

Erhalten Anleger Entschädigungszahlungen für Verluste, die auf Grund von Beratungsfehlern im Zusammenhang mit einer Wertpapier-Kapitalanlage geleistet werden, sind diese Zahlungen besondere Entgelte und Vorteile i.S.d. § 20 Abs. 3 i.V.m. § 20 Abs. 1 oder 2 EStG, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zu einer konkreten einzelnen Transaktion besteht, bei der ein konkreter Verlust entstanden ist oder ein steuerpflichtiger Gewinn vermindert wird. Dies gilt auch dann, wenn die Zahlung ohne eine rechtliche Verpflichtung erfolgt, und im Übrigen auch bei Entschädigungszahlungen für künftig zu erwartende Schäden (BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 83).

1.4. Korrekturen beim Kapitalertragsteuerabzug

Durch das JStG 2010 vom 8.12.2010 (BGBl I 2010, 1768) wird § 20 Abs. 3a EStG neu in das Gesetz eingefügt. Die Einfügung steht im Zusammenhang mit der Neuregelung des § 43a Abs. 3 Satz 7 EStG (→ Kapitalertragsteuer). Die Abgeltungsteuer ist darauf angelegt, beim privaten Kapitalanleger die Veranlagung von Kapitaleinkünften, soweit sie vom KapESt-Abzug erfasst werden, weitestgehend entbehrlich zu machen. Dieser gewünschte administrative Entlastungseffekt macht es erforderlich, dass auch bei Aufdeckung von Fehlern bei der KapESt-Ermittlung die Kontinuität des »Veranlagungsverfahrens beim Kreditinstitut« nicht unterbrochen wird. Mit Ablauf des Kj. tritt auch im Rahmen der Abgeltungsteuer eine Zäsur ein, weil Verlustverrechnungen nach § 43a Abs. 3 Satz 2 EStG zeitraumbezogen nur innerhalb des Kj. erfolgen können, nicht ausgeglichene Verlustsalden nur in Folgejahre vorgetragen oder aber bescheinigt werden können. Über die im Kj. abgeführte KapESt, SolZ und ggf. KiSt erhält der Kunde auf Verlangen eine Steuerbescheinigung (zum Kirchensteuerabzug s. → Abgeltungsteuer, ABC – Kirchensteuer –). Mit diesen Zäsuren zum Kalenderjahresende wäre es nicht vereinbar, wenn bei Änderungen der KapESt-Bemessungsgrundlage, die sich auf inländische und ausländische Geschäftsvorfälle in einem früheren Kj. beziehen, jeweils eine rückwirkende Korrektur erfolgen müsste. Die auszahlende Stelle kann daher materielle Fehler beim KapESt-Abzug grundsätzlich nur mit Wirkung für die Zukunft berücksichtigen. Eine solche Regelung ist für den KapESt-Abzug als solchem unverzichtbar und bedarf – zur Vermeidung von Veranlagungsfällen – einer entsprechenden materiellrechtlichen Absicherung.

§ 20 Abs. 3a Satz 1 EStG regelt daher, dass die Korrekturen, die die auszahlende Stelle nach § 43a Abs. 3 Satz 7 EStG vorgenommen hat, materiellrechtlich nicht rückwirkend, sondern erst im Jahr der Vornahme der Korrektur wirksam werden (Zufluss oder Abfluss). Weist der Stpfl. durch eine Bescheinigung der auszahlenden Stelle nach, dass sie die Korrektur nicht vorgenommen hat und auch nicht vornehmen wird, kann der Stpfl. die Korrektur nach § 32d Abs. 4 und Abs. 6 EStG (→ Abgeltungsteuer) geltend machen (§ 20 Abs. 3a Satz 2 EStG). § 20 Abs. 3a Satz 2 EStG soll verhindern, dass Korrekturen doppelt berücksichtigt werden; zum einen von der auszahlenden Stelle, zum anderen auf Antrag des Stpfl. im Rahmen der Veranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG. Der eingefügte § 20 Abs. 3a EStG ist nach § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG erstmals für den Veranlagungszeitraum 2009 anzuwenden.

Hinweis:

Bei der Frage der Überprüfung und ggf. nachträglichen Anrechnung von KapESt auf die Einkommensteuer stellt sich die Frage, ob die Anwendung der Korrekturvorschrift § 173 Abs. 1 AO (bei neuen Tatsachen) möglich ist. Während die bisher unberücksichtigten Kapitalerträge – isoliert – steuererhöhend wirken, so kommt es bei erstmaliger Anrechnung von KapESt – isoliert – ggf. zu einer Minderung der Steuerlast. In den Vergleich, ob die nachträglich bekannt gewordene Tatsache der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen zu einer höheren (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder einer niedrigeren (§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO) Steuer führt, ist im Rahmen der Günstigerprüfung gem. § 32d Abs. 6 EStG nicht nur die festgesetzte Einkommensteuer, sondern auch die durch den Abzug vom Kapitalertrag abgegoltene Einkommensteuer einzubeziehen (BFH vom 25.3.2021, VIII R 7/18, LEXinform 0951865).

1.5. Verfassungsmäßigkeit der Einkünfte aus Kapitalvermögen

Die Allgemeinverfügung (→ Allgemeinverfügung, Erledigung von Massenanträgen und -einsprüchen) der obersten Finanzbehörden der Länder vom 22.7.2008 zur Zurückweisung der wegen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen eingelegten Einsprüche und gestellten Änderungsanträge wurde am 18.8.2008 im BStBl I 2008, 746 veröffentlicht.

2. Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und der Summe der Einkünfte

2.1. Rechtslage bis 31.12.2008

Bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen ist nach Abzug der → Werbungskosten (→ GmbH-Gesellschafter, → Halbeinkünfteverfahren) ggf. des Werbungskostenpauschbetrages nach § 9a Satz 1 Nr. 2 EStG ein Sparerfreibetrag von 1 370 € abzuziehen (§ 20 Abs. 4 EStG bis einschließlich Kj. 2006). Ehegatten, die zusammenveranlagt werden, wird ein gemeinsamer Sparerfreibetrag von 2 740 € gewährt (bis einschließlich Kj. 2006). Der Sparerfreibetrag ist sowohl bei der Ermittlung der inländischen als auch bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Maßstab für die Aufteilung ist das Verhältnis der ausländischen zu den inländischen Einkünften aus Kapitalvermögen (BFH Urteil vom 16.5.2001, I R 102/00, BStBl II 2001, 710).

Durch das Steueränderungsgesetz 2007 vom 19.7.2006 (BGBl I 2006, 1652) wird der Sparerfreibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG) von bisher 1 370 € bei Ledigen auf 750 € herabgesetzt. Bei zusammenveranlagten Eheleuten wird der Sparerfreibetrag von 2 740 € auf 1 500 € herabgesetzt.

Zur Aufteilung von Werbungskosten bei Einkünften aus Kapitalvermögen, die teilweise dem → Halbeinkünfteverfahren unterliegen (§ 3c Abs. 2 EStG) s. BMF vom 12.6.2002 (BStBl I 2002, 647).

Die positiven oder negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen bilden zusammen mit den anderen Einkünften die Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG).

2.2. Rechtslage ab 1.1.2009

Der bisherige Abs. 4 des § 20 EStG wird Abs. 9 und wie folgt geändert:

Der bisherige Sparer-Freibetrag von 750 € und der bisherige Werbungskostenpauschbetrag von 51 € gehen in einem einheitlichen Sparer-Pauschbetrag von 801 € auf. Der Ansatz der tatsächlichen Werbungskosten ist grundsätzlich ausgeschlossen. Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten wird der gemeinsame Sparer-Pauschbetrag auf 1 602 € verdoppelt.

Im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2022 (BGBl I 2022, 2294) wurde der Sparer-Pauschbetrag ab 1.1.2023 auf 1 000 €, im Fall der Zusammenveranlagung auf 2 000 € angehoben.

Bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ist infolge des beschränkten und pauschalierten Werbungskostenabzugs regelmäßig von einer Einkunftserzielungsabsicht auszugehen (BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742cum, Rz. 125).

Aufwendungen im Zusammenhang mit der Konto- und Depotführung werden häufig erst nach dem Zehn-Tage-Zeitraum des § 11 EStG den Konten belastet. Nach einer Vfg. der OFD Rheinland vom 16.6.2009 (Kurzinformation ESt Nr. 037/2009) wird dieser Zehn-Tage-Zeitraum bis zum 31.1.2009 verlängert, damit Aufwendungen noch dem Veranlagungszeitraum 2008 zugeordnet werden können (so auch BMF vom 22.12.2009, LEXinform 5232475, Rz. 322 und 323). Hintergrund dafür ist, dass ab dem 1.1.2009 Werbungskosten nur noch pauschal i.H.d. Sparer-Pauschbetrages zu berücksichtigen sind (§ 20 Abs. 9 EStG).

Das Werbungskostenabzugsverbot des § 20 Abs. 9 Satz 1 EStG findet auch dann Anwendung, wenn Ausgaben, die nach dem 31.12.2008 getätigt wurden, mit Kapitalerträgen zusammenhängen, die bereits vor dem 1.1.2009 zugeflossen sind, vgl. BFH Urteil vom 2.12.2014, VIII R 34/13, BStBl II 2015, 387 sowie BFH Urteil vom 28.2.2018, VIII R 41/15 (LEXinform 0950603). Dies gelte auch bei der sog. »Günstigerprüfung« nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG.

Zum Werbungskostenabzug bei Anwendung der Abgeltungsteuer s. die Erläuterungen unter → Abgeltungsteuer. Die dort dargestellte Abgeltungswirkung nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG tritt auch dann ein, wenn die bei der Auszahlung der Kapitalerträge einbehaltene Kapitalertragsteuer nicht beim FA angemeldet und abgeführt wird und kein die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs ausschließender Fall nach § 43 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 2, Satz 2 oder Satz 3 EStG vorliegt, vgl. BFH Pressemitteilung vom 14.5.2021 (LEXinform 0460622) zum Urteil VIII R 17/17 vom 29.9.2020 (LEXinform 0951561) sowie BFH VIII R 3/20 (LEXinform 0952687) und VIII R 42/18 (LEXinform 0952215) beide vom 27.10.2020.

Die Einnahmen bzw. die Einkünfte aus Kapitalvermögen setzen sich wie folgt zusammen:

Abb.: Einkünfte aus Kapitalvermögen im Veranlagungsschema

Bei vielen Stpfl. dürfte mit dem KapESt-Abzug durch die Bank (→ Kapitalertragsteuer) die Besteuerung privater Kapitaleinkünfte künftig erledigt sein. Die so besteuerten Einkünfte werden nicht mehr in die ESt-Erklärung einbezogen.

Betriebliche Kapitaleinkünfte unterliegen weiterhin der tariflichen ESt. Hier ist das Teileinkünfteverfahren anzuwenden (§ 3 Nr. 40 EStG).

Beispiel 3:

Der Gewerbetreibende G hält seit Jahren Aktien im Betriebsvermögen. Am 11.11.2009 erhält er eine Bruttodividende i.H.v. 2 000 €.

Lösung 3:

Da die Dividende nach dem 31.12.2008 zufließt, ist die Regelung über den Steuerabzug nach dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 anzuwenden. Nach § 20 Abs. 8 EStG stellen die Dividenden betriebliche Einkünfte i.S.d. § 15 EStG dar. Die Abgeltungswirkung der KapESt ist nach § 43 Abs. 5 Satz 2 EStG genauso wenig anzuwenden wie der gesonderte Steuertarif von 25 % (§ 32d Abs. 1 Satz 1 EStG).

Gem. § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG ist das Teileinkünfteverfahren anzuwenden. Damit sind 1 200 € (60 % von 2 000 €) als Gewinn aus Gewerbebetrieb mit der tariflichen ESt des § 32a EStG zu versteuern. Die einbehaltene KapESt von 25 % (500 €) ist gem. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG bei der Veranlagung anzurechnen.

Beispiel 4:

Privatmann P (Zusammenveranlagung) hält seit Jahren Aktien im Privatvermögen, die er über einen Kredit finanziert hat. Die Schuldzinsen betragen im Kj. 08 und 09 jeweils 20 000 €. Die Bruttodividende beträgt in diesen Jahren jeweils 50 000 €. Weitere Einkünfte erzielt P nicht.

Lösung 4:

Erläuterungen

2008

2009

§ 32d EStG

Verzicht auf die Anwendung des § 32d Abs. 1 EStG (Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG)

Bruttodividende

50 000 €

50 000 €

50 000 €

Halbeinkünfteverfahren § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG

25 000 €

Nach § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG ist ab 2009 das Teileinkünfteverfahren nur noch bei Gewinneinkünften möglich.

Zinsaufwand

20 000 €

– *

Ab 2009 ist bei Anwendung des gesonderten Steuertarifs kein Werbungskostenabzug möglich (s. aber die Rechtsprechung dazu unter → Abgeltungsteuer).

§ 3c Abs. 2 EStG

./. 10 000 €

Sparer-Freibetrag (§ 20 Abs. 4 EStG)

./. 1 500 €

Sparer-Pauschbetrag (§ 20 Abs. 9 EStG)

1 602 €

1 602 €

Einkünfte

13 500 €

48 398 €

48 398 €

§ 32a Abs. 5 EStG. Splittingtarif

0 €

7 874 €

§ 43a Abs. 1 i.V.m. § 43 Abs. 5 EStG: 25 %. Die ESt ist mit dem Steuerabzug abgegolten.

12 099 €

Nach der Günstigerprüfung des § 32d Abs. 6 EStG führt die Versteuerung nach der tariflichen ESt zu einem günstigeren Ergebnis.

Die KapESt i.H.v. 12 099 € ist nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG anzurechnen.

Die Nichtberücksichtigung der tatsächlichen Werbungskosten ab dem Kj. 2009 ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dies gilt insbes. auch bei Anwendung der Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG, BFH, Urteil vom 28.1.2015, VIII R 13/13, BStBl II 2015, 393.

Nach § 2 Abs. 2 EStG tritt der Sparer-Pauschbetrag des § 20 Abs. 9 EStG vorbehaltlich der Regelung des § 32d Abs. 2 EStG an die Stelle der §§ 9 und 9a EStG. Nach der Regierungsbegründung (BT-Drs. 16/4841, 57) ist der Ansatz der tatsächlichen Werbungskosten grundsätzlich ausgeschlossen. Dabei wird sowohl eine Typisierung hinsichtlich der Höhe der Werbungskosten in den unteren Einkommensgruppen vorgenommen, als auch berücksichtigt, dass mit einem relativ niedrigen Proportionalsteuersatz von 25 % die Werbungskosten in den oberen Einkommensgruppen mit abgegolten werden.

Beispiel 5:

Erläuterungen

Aktienverkauf 11.9.2009

Aktien 2008

Aktien 2009

Aktienerwerb 11.11.2008 100 Stück zu 5 000 € Anschaffungskosten

5 000 €

Nach § 52a Abs. 10 Satz 1 EStG ist § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG weiterhin anzuwenden. Da die Veräußerung innerhalb der einjährigen Veräußerungsfrist stattfand, ist der Veräußerungsgewinn steuerpflichtig.

Erträge aus Veräußerungen von Anteilen, die nach dem 31.12.2008 erworben wurden, fallen unter § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (§ 52a Abs. 10 Satz 1 EStG). Vom Gewinn hat die Bank gem. § 43 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG 25 % KapESt zzgl. 5,5 % SolZ einzubehalten.

Aktienerwerb 11.1.2009 100 Stück zu 5 000 € Anschaffungskosten

5 000 €

Das Halbeinkünfteverfahren findet keine Anwendung.

Gem. § 43 Abs. 5 EStG hat die KapESt abgeltende Wirkung.

Verkauf 11.9.2009 aller 200 Aktien für 25 000 €; anteiliger Veräußerungserlös (25 000 € : 200 × 100 =)

12 500 €

12 500 €

Der Veräußerungserlös ist nach § 3 Nr. 40 Buchst. j EStG nur zur Hälfte steuerpflichtig.

6 250 €

Die Anschaffungskosten dürfen nach § 3c Abs. 2 EStG auch nur zur Hälfte berücksichtigt werden.

./. 2 500 €

Steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn (Einkünfte nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG)

3 750 €

Ein KapESt-Abzug findet nicht statt.

Steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn (Einkünfte nach § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG)

7 500 €

KapESt-Abzug 25 % von 7 500 € = 1 875 € zzgl. 5,5 % SolZ = 103,12 €.

2.3. Berücksichtigung der Einkünfte aus Kapitalvermögen für andere Zwecke

Nach § 2 Abs. 5a EStG werden die Einkünfte aus Kapitalvermögen, die nach § 32d Abs. 1 und § 43 Abs. 5 EStG der Abgeltungsteuer unterliegen, der Summe der Einkünfte bzw. dem Gesamtbetrag der Einkünfte, dem Einkommen bzw. dem zu versteuernden Einkommen hinzugerechnet – je nachdem, welcher Begriff für außersteuerliche Zwecke von Bedeutung ist. Bisher wurde schon der steuerfreie Teil des Halbeinkünfteverfahrens hinzugerechnet (→ Außersteuerliche Einkunftsermittlung). Ab 2012 sind die abziehbaren Kinderbetreuungskosten i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG abzurechnen.

Nach § 2 Abs. 5b Satz 2 EStG letztmalige Anwendung auf VZ 2011 sind die abgegoltenen Einkünfte aus Kapitalvermögen auch für einkommensteuerrechtliche Zwecke bei den o.g. Begriffen in folgenden Fällen hinzuzurechnen:

  • bei der Berechnung des Spendenhöchstbetrages gem. § 10b Abs. 1 EStG (→ Spendenabzug), wenn der Stpfl. dies beantragt;

  • bei der Ermittlung der Einkünfte und Bezüge eines Kindes i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG (→ Einkünfte und Bezüge von Kindern);

  • wenn das Verfahren nach § 32d EStG nicht anzuwenden ist (§ 32d Abs. 2 und 6 EStG; → Abgeltungsteuer);

  • bei der Ermittlung der zumutbaren Belastung gem. § 33 Abs. 3 EStG (→ Außergewöhnliche Belastungen);

  • bei der Ermittlung der eigenen Einkünfte und Bezüge der unterhaltenen Person i.S.d.§ 33a Abs. 1 Satz 4 EStG (→ Unterhaltsaufwendungen);

  • bei der Berechnung der eigenen Einkünfte und Bezüge eines Kindes für die Gewährung des Ausbildungsfreibetrages i.S.d. § 33a Abs. 2 Satz 2 EStG (→ Ausbildungsfreibetrag).

§ 2 Abs. 5b Satz 2 EStG wurde durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1.11.2011 (BGBl I 2011, 2131) aufgehoben.

Im Ergebnis werden die abgeltend besteuerten Kapitalerträge nicht mehr bei der Berechnung der zumutbaren Belastung sowie des Höchstbetrages beim Spendenabzug berücksichtigt. Insoweit entfällt künftig die Notwendigkeit, abgeltend besteuerte Kapitalerträge nur für diese Zwecke in der Einkommensteuererklärung anzugeben. Auch wenn die Einkünfte- und Bezügegrenze des § 32 Abs. 4 EStG bei volljährigen Kindern ab 1.1.2012 entfallen ist (→ Einkünfte und Bezüge von Kindern), sind die Kapitaleinkünfte aber weiterhin als Bezüge einer unterhaltsberechtigten Person nach § 33a Abs. 1 EStG zu berücksichtigen. Der Sparer-Pauschbetrag ist dabei nicht als Bezug anzusetzen.

Da der in § 2 Abs. 5b Satz 1 EStG verankerte Grundsatz nur für abgeltend besteuerte Kapitalerträge greift, werden Kapitalerträge i.S.d. § 32d Abs. 2 und 6 EStG wie bisher i.R.d. übrigen steuerlichen Vorschriften einbezogen und unterliegen somit der Regelbesteuerung. Die Angaben zu diesen Erträgen liegen i.R.d. Einkommensteuererklärung vor. Diese Kapitaleinkünfte sind nach § 2 Abs. 5b und § 33a Abs. 1 EStG als Einkünfte der unterhaltsberechtigten Person anzusetzen.

3. Verlustverrechnung

§ 20 Abs. 6 EStG enthält die Reglungen zur Verlustverrechnung im Zusammenhang mit Verlusten aus Kapitalvermögen (BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 118 bis 123).

Die Verluste sind in unterschiedliche Verlustverrechnungstöpfe und in Verlustverrechnungskreise zu gliedern.

Gewinne und Verluste aus Kapitalvermögen sind zu versteuern nach

§ 32d EStG: gesonderter Tarif von 25 %

§ 32a EStG: Grund- oder Splittingtarif, wenn § 32d EStG keine Anwendung findet:

mit KapESt-Abzug

ohne KapESt-Abzug

§ 32d Abs. 2 Nr. 1 bis 3 EStG

auf Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG

Gewinne und Verluste aus Aktienverkäufen

andere Gewinne und Verluste

andere Gewinne und Verluste (z.B. Veräußerungen von GmbH-Anteilen)

andere Gewinne und Verluste

Gewinne und Verluste aus Aktienverkäufen

andere Gewinne und Verluste

Verlustverrechnung durch das Kreditinstitut.

Zunächst Verlustverrechnung durch das Kreditinstitut, dann

Verlustverrechnung durch das FA im Rahmen der ESt-Veranlagung.

§ 43a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG: Verluste aus Aktienverkäufen dürfen nur mit Gewinnen aus solchen ausglichen werden.*

Nach § 43a Abs. 3 Satz 2 EStG gleicht das Kreditinstitut negative Erträge mit positiven Erträgen aus.

§ 20 Abs. 6 Satz 2 EStG: Verluste dürfen nur mit Gewinnen aus Kapitalvermögen ausgeglichen werden.

Die von den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen über Verlustausgleich und Verlustabzug abweichende Regelung des § 20 Abs. 6 EStG findet keine Anwendung (s. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Satz 2, Nr. 2 Satz 2 und Nr. 3 Satz 2 EStG).

Die von den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Regelungen über Verlustausgleich und Verlustabzug abweichende Regelung des § 20 Abs. 6 EStG findet weiterhin Anwendung (s. § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG und Schlotter in Littmann/Bitz/Pust, ESt § 32d Rz. 50, LEXinform 0812321).

Sondertopf 1 (Bank)

Topf 1 (Bank)

Topf 2 (FA)

Verbleibende Verluste

können nur dann im Rahmen der Veranlagung weiter berücksichtigt werden, wenn der Antrag nach § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG gestellt wird.

Zur Verlustverrechnung zwischen den einzelnen Töpfen s. Abb. Verlustverrechnung bei Einkünften aus Kapitalvermögen V.

Verluste aus Kapitalvermögen dürfen nicht mit Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden und auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Es findet kein vertikaler, sondern ein »interner« – horizontaler – Verlustausgleich bzw. Verlustabzug statt (§ 20 Abs. 6 Satz 2 EStG).

Die Verluste nach dem horizontalen Verlustausgleich können mit den anderen Einkünften im Wege des vertikalen Verlustausgleichs ausgeglichen werden.

Es gilt weiterhin § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG.

Abb.: Verlustverrechnung bei Einkünften aus Kapitalvermögen I

Es bleibt also festzuhalten, dass lediglich in den Fällen des § 32d Abs. 2 EStG (→ Abgeltungsteuer) die Verlustabzugsbegrenzung des § 20 Abs. 6 i.V.m. § 43a Abs. 3 EStG nicht zu beachten ist.

Hinweis:

In die Verlustabzugsbegrenzung des § 20 Abs. 6 EStG sind die Altverluste aus Veräußerungen der WG i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG, die bisher unter § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 EStG fielen, mit einer Übergangsregelung bis zum Veranlagungszeitraum 2013 zu berücksichtigen (Altverluste bis 2008; BMF vom 18.1.2016, BStBl I 2016, 85, Rz. 118, 130 und 131).

Einnahmen aus Stillhaltergeschäften, die bisher von § 22 Nr. 3 EStG erfasst wurden (→ Einkünfte aus Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG), rechnen ab dem 1.1.2009 zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG). Sofern die für Stillhaltergeschäfte auf Einkünfte aus § 22 Nr. 3 EStG begrenzte Verlustverrechnung weiter gilt, kann es vorkommen, dass bis zum 31.12.2008 noch nicht ausgeglichene Verluste aus Stillhaltergeschäften insgesamt steuerlich unberücksichtigt bleiben. Entsprechend der Übergangsregelung für Altverluste aus privaten Veräußerungsgeschäften gem. § 23 EStG können nach der Regelung durch das JStG 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) nunmehr Altverluste aus Stillhaltergeschäften übergangsweise – für fünf Jahre – mit Einkünften aus § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG verrechnet werden. Damit wird gewährleistet, dass Stpfl. Verluste aus Stillhaltergeschäften nach den nunmehr geltenden Regelungen für die Übergangszeit verrechnen dürfen, obwohl die Einnahmen aus Stillhaltergeschäften zukünftig nicht mehr von § 22 Nr. 3 EStG erfasst werden. Die Änderung ist nach § 52a Abs. 10a EStG letztmals für den VZ 2013 anzuwenden (s.a. BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 118).

Für die Verlustverrechnung in den Verlustverrechnungskreisen ist in der Veranlagung nachfolgende Reihenfolge zu berücksichtigen: (BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 118):

  1. Aktienveräußerungsgewinne/-verluste i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG aus dem aktuellen Jahr; Aktienveräußerungsverluste i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG aus dem aktuellen Jahr dürfen nur mit Aktienveräußerungsgewinnen verrechnet werden.

  2. Gewinne/Verluste aus Termingeschäften aus dem aktuellen Jahr (die nach dem 31.12.2020 entstanden sind); Verluste aus Termingeschäften i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG aus dem aktuellen Jahr (die nach dem 31.12.2020 entstanden sind) dürfen bis zur Höhe von 20 000 € und nur mit Gewinnen aus Termingeschäften und Einkünften aus Stillhalterprämien verrechnet werden.

  3. Verluste i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG aus dem aktuellen Jahr (die nach dem 31.12.2019 entstanden sind) dürfen bis zur Höhe von 20 000 € mit Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden.

  4. Sonstige Kapitalerträge/Verluste aus dem aktuellen Jahr; sonstige negative Einkünfte aus dem aktuellen Jahr i.S.d. § 20 EStG dürfen mit positiven Einkünften i.S.d. § 20 EStG verrechnet werden.

  5. Verlustvorträge i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG aus Aktienveräußerungen i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG dürfen nur mit nach Verrechnung gem. Ziffer 1, 3 und 4 verbleibenden Aktienveräußerungsgewinnen verrechnet werden.

  6. Verlustvorträge i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG aus Termingeschäften i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG (die nach dem 31.12.2020 entstanden sind) dürfen nur mit nach Verrechnung gem. Ziffer 2 bis 4 verbleibenden Gewinnen aus Termingeschäften und mit Einkünften aus Stillhalterprämien nur bis zur Höhe von 20 000 € verrechnet werden.

  7. Verlustvorträge i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG aus Verlusten i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG (die nach dem 31.12.2019 entstanden sind) dürfen nur mit nach Verrechnung gem. Ziffer 1 bis 6 verbleibenden Einkünften aus Kapitalvermögen und nur bis zur Höhe von 20 000 € verrechnet werden.

  8. Sonstige Verlustvorträge i.S.d. § 20 Abs. 6 Satz 3 EStG dürfen mit positiven Einkünften nach Verrechnung gem. Ziffer 1 bis 7 i.S.d. § 20 EStG verrechnet werden.

Die Verlustverrechnung kann nicht auf Teilbeträge beschränkt werden.

Um im Rahmen der Veranlagung eine institutsübergreifende Verrechnung von Aktienveräußerungsverlusten mit Aktienveräußerungsgewinnen zu erreichen, hat der Stpfl. von dem jeweils depotführenden Kreditinstitut eine Steuerbescheinigung i.S.d. § 45a Abs. 2 EStG einzureichen, in der »davon: Gewinn aus Aktienveräußerungen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG (Zeile 8 Anlage KAP)« und im nachrichtlichen Teil der »Gewinn aus Aktienveräußerungen i.S.d. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG vor Verrechnung mit sonstigen Verlusten i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG« aufgeführt werden. Für die Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2018 bestehen keine Bedenken, wenn der Stpfl. die Aktienveräußerungsgewinne und die bereits mit Verlusten verrechneten Aktienveräußerungsgewinne durch geeignete Unterlagen nachweist (BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 119).

§ 32d EStG: Gesonderter Tarif von 25 %

mit KapESt-Abzug

ohne KapESt-Abzug

Gewinne und Verluste aus Aktienverkäufen

andere Gewinne und Verluste

andere Gewinne und Verluste

Altverluste bis 2008

(§ 23 EStG a.F.)

Sondertopf 1 (Bank)

Topf 1 (Bank)

Topf 2 (FA)

Altverluste

Verlustverrechnung durch das Kreditinstitut.

Verlustverrechnung durch das Kreditinstitut.

Verlustverrechnung durch das Finanzamt.

Verlustverrechnung durch das Finanzamt.

Abb.: Verlustverrechnung bei Einkünften aus Kapitalvermögen II

Abb.: Verlustverrechnung bei Einkünften aus Kapitalvermögen III

Die Verlustverrechnung bei der Bank funktioniert nur, soweit die Verluste und Gewinne bei der gleichen Depotbank angefallen sind. Wenn die Verluste bei der einen Bank und die Gewinne bei der anderen Bank angefallen sind, können sie nicht bei der Einbehaltung der KapESt berücksichtigt werden. Ein Verlustausgleich ist nur im Rahmen der Antragsveranlagung nach § 32d Abs. 4 EStG möglich.

Nach der Verlustverrechnung der Bank können verbleiben

Gewinn I

Aktiensondertopf 1 (Bank)

Gewinn II

Topf 1 (Bank)

Verlust I

Aktiensondertopf 1 (Bank)

Verlust II

Topf 1 (Bank)

Der Stpfl. kann nach § 32d Abs. 4 EStG mit der ESt-Erklärung für die Kapitalerträge, die der KapESt unterlegen haben, eine Steuerfestsetzung i.S.d. § 32d Abs. 3 Satz 2 EStG beantragen. Dabei sind die Gewinne I und II zunächst mit Verlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften nach Maßgabe des § 23 Abs. 3 Sätze 9 und 10 EStG (Altverluste) zu verrechnen. Diese Verlustverrechnung zwischen Verlusten aus § 23 EStG a.F. und positiven Einkünften aus Kapitalvermögen n.F. ist letztmals für den VZ 2013 anzuwenden (§ 52a Abs. 11 Satz 10 EStG). Erst danach sind die Gewinne mit Verlusten aus Topf 2 des FA zu verrechnen.

Eine Verrechnung mit Gewinnen aus Topf 2 ist grundsätzlich nicht möglich. Nach § 43a Abs. 3 Satz 3 EStG ist der nicht ausgeglichene Verlust auf das nächste Kj. zu übertragen.

Das Kreditinstitut hat auf Verlangen des Gläubigers der Kapitalerträge über die Höhe eines nicht ausgeglichenen Verlusts eine Bescheinigung nach amtlich vorgeschriebenem Muster zu erteilen (§ 43a Abs. 3 Satz 4 EStG). Es handelt sich dabei um einen unwiderruflichen Antrag, der bis zum 15.12. des laufenden Kj. beim Kreditinstitut zugehen muss. Als Folge davon entfällt der Verlustübertrag auf das nächste Kj. und der Verlust wechselt in die Töpfe des FA.

Verluste aus Kapitalvermögen, die der KapESt unterliegen, dürfen nur verrechnet werden, wenn eine Bescheinigung i.S.d. § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG vorliegt (§ 20 Abs. 6 Satz 6 EStG).

Abb.: Verlustverrechnung bei Einkünften aus Kapitalvermögen IV

Topf 1 nach Verlustverrechnung der Bank

Topf 2

Altverluste

andere Einkünfte

Einkünfte/Verrechnung mit …

Einkünfte/Verrechnung mit …

Einkünfte/Verrechnung mit …

Einkünfte/Verrechnung mit …

positiven Einkünften und Verlusten/Altverlusten, dann mit Verlusten aus Topf 2

Altverlust/positiven Einkünften Topf 2

Negative Summe/keine Verrechnung mit Einkünften aus Kapitalvermögen möglich, da diese nach § 2 Abs. 5b EStG nicht in die Summe der Einkünfte einzubeziehen sind.

positiven Einkünften und Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG/Altverlust danach Verlust aus Topf 2

Verlust/positiven Einkünften Topf 1

Altverlust/positiven Einkünften Topf 1

positiven Einkünften und Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG/Verlust aus Topf 2

Verlust/s. positive Einkünfte Topf 1

Kein Altverlust vorhanden.

positiven Einkünften und § 32d Abs. 2 EStG (§ 20 Abs. 6 EStG findet keine Anwendung) /Verlust Topf 2 (horizontaler Verlustausgleich), dann Verlust andere Einkünfte

Verlust (§ 20 Abs. 6 EStG ist anwendbar) / positiven Einkünften Topf 1

Verlust/positiven Einkünften Topf 1

positiven Einkünften und § 32d Abs. 2 EStG (§ 20 Abs. 6 EStG findet keine Anwendung) /Verlust andere Einkünfte

positiven Einkünften (§ 20 Abs. 6 EStG ist anwendbar)/ Altverlust (§ 20 Abs. 6 Satz 1 EStG); s. andere Einkünfte

Altverlust/Topf 2

Verlust/positiven Einkünften Topf 1; keine Verrechnung mit positiven Einkünften Topf 2 zulässig (§ 20 Abs. 6 Satz 2 EStG), es sei denn Verzicht auf Anwendung des § 32d EStG nach § 32d Abs. 6 EStG.

Verlust/keine Verrechnung, da Übertrag auf nächstes Kj. (§ 43a Abs. 3 Satz 3 EStG).

positiven Einkünften/Altverlusten

Altverlust/Topf 2

Verlust und Bescheinigung nach § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG/positive Einkünfte Topf 2, wenn Antrag nach § 32d Abs. 4 EStG gestellt.

positiven Einkünften/s. Topf 1

Kein Altverlust vorhanden.

Verlust/s. andere Einkünfte

Verlust/s. andere Einkünfte

Verlust/keine Verrechnung mit anderen Einkünften zulässig

positiver Summe/Verlust aus Topf 2, wenn Antrag auf Veranlagung i.S.d. § 32d Abs. 6 EStG gestellt.

Eine Verrechnung mit Verlust aus Topf 1 ist zusätzlich möglich, wenn der Antrag nach § 43a Abs. 3 Satz 4 EStG gestellt wird.

positiven Einkünften/s. Topf 2

positiven Einkünften/negativer Summe der anderen Einkünfte, wenn Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG gestellt wurde; § 20 Abs. 6 EStG ist nicht anwendbar.

positiven Einkünften/s. andere Einkünfte

Negative Summe/keine Verrechnung mit Altverlusten zulässig

Abb.: Verlustverrechnung bei Einkünften aus Kapitalvermögen V

Verluste, die im laufenden Veranlagungszeitraum nicht nach § 20 Abs. 6 EStG ausgeglichen werden können, sind nach § 20 Abs. 6 Sätze 4 und 5 EStG i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG gesondert festzustellen. Die gesondert festgestellten Verluste werden in die folgenden Veranlagungszeiträume vorgetragen und dort entsprechend den Regelungen des § 20 Abs. 6 EStG verrechnet.

Sondertopf 1 (Bank)

Topf 1 (Bank)

Topf 2 (FA)

Altverluste

Verlustverrechnung durch das Kreditinstitut

Verlustverrechnung durch das Kreditinstitut

Verlustverrechnung durch das Finanzamt

Verlustverrechnung durch das Finanzamt

Übertrag auf das nächste Jahr durch das Kreditinstitut gem. § 43a Abs. 3 Satz 3 EStG.

Übertrag auf das nächste Jahr durch das Kreditinstitut gem. § 43a Abs. 3 Satz 3 EStG.

Gesonderte Feststellung durch das FA nach § 20 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG.

Gesonderte Feststellung des Veräußerungsverlustes nach § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG.

Abb.: Gesonderte Feststellung der Verluste aus Kapitalvermögen

Mit am 29.11.2017 veröffentlichtem Urteil (BFH Urteil vom 29.8.2017, VIII R 23/15, LEXinform 0950346) hat der BFH entschieden, dass § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG der depotübergreifenden Verrechnung von Altverlusten i.S.d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (EStG a.F.) bei der (Antrags-)Veranlagung gem. § 32d Abs. 4 EStG nicht entgegen steht, da die depotbezogenen unterjährigen Verlustverrechnungen der auszahlenden Stelle i.S.d. § 43a Abs. 3 EStG zwar vorrangig, aber nicht endgültig sind. Die depotübergreifende Verrechnung von Altverlusten i.S.d. § 23 EStG a.F. ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten. Auch die Regelung des § 20 Abs. 6 Satz 6 EStG steht der Verlustverrechnung nicht entgegen. Diese Rspr. wurde in BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 118 übernommen.

Hinsichtlich der vorrangigen Verrechnung von Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften steht § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG der Verrechnung von Altverlusten i.S.d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (EStG a.F.) mit positiven Kapitaleinkünften i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG bei der (Antrags-)Veranlagung gem. § 32d Abs. 4 EStG nicht entgegen, da die depotbezogene unterjährige Verlustverrechnung der auszahlenden Stelle i.S.d. § 43a Abs. 3 EStG zwar zeitlich vorrangig, aber nicht endgültig ist, BFH vom 3.12.2019, VIII R 8/16, BStBl II 2020, 383, LEXinform 0950885 (Anschluss an Senatsurteil vom 29.8.2017, VIII R 23/15, BFHE 259, 336, BStBl II 2019, 54, Rz 11 ff.).

Beispiel:

Der Stpfl. erzielte aus einem Depot bei der A-Bank und aus einem Depot bei der B-Bank Kapitaleinkünfte i.S.d. § 20 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) in folgender Höhe:

Depot A-Bank

Depot B-Bank

Summe

Erträge nach § 20 Abs. 1 EStG

137 899 €

30 836 €

168 735 €

Positive Erträge nach § 20 Abs. 2 EStG (Veräußerung von Kapitalanlagen ohne Aktien)

11 109 €

194 840 €

205 949 €

Verluste nach § 20 Abs. 2 EStG (sonst. Verluste ohne Aktien)

./. 141 466 €

Nach der Erträgnisaufstellung der A-Bank erzielte der Stpfl. Kapitalerträge in Höhe von insgesamt 149 007 € und nach der Erträgnisaufstellung der B-Bank nach der Verlustverrechnung innerhalb des Depots Kapitalerträge i.H.v. 84 209 €. Außerdem erzielte der Kläger aus einem privaten Darlehen Kapitaleinkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.H.v. 545 €.

In der Anlage KAP seiner Einkommensteuererklärung für 2010 erklärte der Kläger Kapitalerträge i.H.v. insgesamt 233 217 €, darin enthalten Gewinne aus Kapitalerträgen i.S.d. § 20 Abs. 2 EStG (ohne Aktiengewinne) i.H.v. 95.318 €. Er stellte den Antrag auf Überprüfung des Steuereinbehalts gem. § 32d Abs. 4 EStG. Außerdem beantragte er die Verrechnung von sog. Altverlusten aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S.d. § 23 EStG in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung (EStG a.F.). Diese waren in dem Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2009 vom 20.3.2012 in Höhe von über 1,28 Mio. € festgestellt worden.

Lösung:

Die laufenden Verluste nach § 20 Abs. 2 EStG (141 466 €) ohne Depotbegrenzung mit den laufenden Erträgen nach § 20 Abs. 1 EStG (168 735 € + 545 € = 169 280 €) verrechenbar, sodass letztlich noch 27 814 € an positiven Kapitalerträgen i.S.d. § 20 Abs. 1 EStG verbleiben. Die laufenden Erträge nach § 20 Abs. 2 EStG (205 949 €) sind mit »Altverlusten« (Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den 31.12.2009 vom 20.3.2012) vollständig verrechenbar. Nach Abzug des Sparer-Pauschbetrags (801 €) ergeben sich Kapitalerträge i.S.d. § 32 Abs. 1 EStG von 27 013 €.

Verluste aus Kapitalvermögen, die bei der Veranlagung der tariflichen ESt und nicht der Abgeltungsteuer unterliegen (§ 32d Abs. 2 EStG), unterliegen nicht der Abzugsbeschränkung des § 20 Abs. 6 EStG, sondern sind nach den allgemeinen Grundsätzen horizontal und vertikal zu verrechnen. Dabei unterliegen nicht ausgeglichene negative Einkünfte dem Verlustabzug des § 10d EStG und sind gem. § 10d Abs. 4 EStG gesondert festzustellen. Zur gemeinsamen Verlustverrechnung bei Ehegatten s. → Kapitalertragsteuer.

Allerdings ist die Änderung eines Bescheides über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages gem. § 20 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. § 10d Abs. 4 EStG ausgeschlossen, wenn der (nacherklärte) Verlust bei der Ermittlung der der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünfte in der bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung nicht berücksichtigt worden ist, da eine Änderung des Einkommensteuerbescheides nach Maßgabe der Änderungsvorschriften der AO ausgeschlossen ist und auch die Voraussetzungen des § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG nicht vorliegen (vgl. BFH Urteil vom 9.5.2017, VIII R 40/15, LEXinform 0950699). Um eine Feststellung bzw. Änderung des Verlustvortrages zu erreichen, ist es folglich zwingend erforderlich, zunächst verfahrensrechtlich gegen den jeweiligen Einkommensteuerbescheid vorzugehen.

Mit Urteil vom 30.11.2016, VIII R 11/14 entschied der BFH, dass im Falle eines Antrages gem. § 32d Abs. 6 EStG negative Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem gesonderten Tarif des § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, mit positiven tariflich besteuerten Einkünften aus Kapitalvermögen verrechnet werden können. Die Rspr. wurde übernommen in, Rz. 119a BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742. Verluste aus Kapitaleinkünften, die nach § 32d Abs. 1 EStG dem besonderen Steuersatz unterliegen, dürfen nicht mit positiven Erträgen aus Kapitaleinkünften, die der tariflichen Steuer nach § 32d Abs. 2 EStG unterliegen, verrechnet werden. Dies gilt nicht, wenn ein Antrag nach § 32d Abs. 6 EStG gestellt wurde (Günstigerprüfung) und sämtliche Kapitalerträge der tariflichen Einkommensteuer zu unterwerfen sind (BFH vom 30.11.2016, VIII R 11/14, BStBl II 2017, 443, und vom 29.8.2017, VIII R 5/15, BStBl II 2018, 66). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen erklärt werden.

Ein Abzug des Sparer-Pauschbetrags gem. § 20 Abs. 9 EStG von Einkünften aus Kapitalvermögen, die gem. § 32d Abs. 2 EStG tariflich besteuert werden, ist jedoch ausgeschlossen. Im Streitfall erzielte der Kläger unter anderem Zinsen aus einem privaten Darlehen. Dieses ordnete das Finanzamt als »Darlehen zwischen nahestehenden Personen« ein, sodass die Zinsen nach dem progressiven Regeltarif gem. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG zu besteuern waren. Daneben erzielte der Kläger negative Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem gesonderten Steuertarif gem. § 32d Abs. 1 EStG unterlagen. Das Finanzamt lehnte die Verrechnung dieser Kapitaleinkünfte im Wege der Günstigerprüfung ab. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG blieb erfolglos. Der BFH gab der Klage statt verwies den Streitfall jedoch zurück an das FG, da fraglich war, ob die abgeltend zu besteuernden negativen Einkünfte aus Kapitalvermögen und die positiven regelbesteuerten Einkünfte aus Kapitalvermögen dem Grunde und der Höhe zutreffend ermittelt wurden.

4. Anwendung des § 15b EStG

Durch das Jahressteuergesetz 2007 (BGBl I 2006, 2878) wird durch die Neuregelung des § 20 Abs. 2b EStG die in § 15b EStG (→ Steuerstundungsmodelle) enthaltene Verlustverrechnungsbeschränkung zur Vermeidung von Umgehungsgestaltungen auf sämtliche Einkünfte aus Kapitalvermögen ausgedehnt. Nach § 52 Abs. 37d EStG ist die Änderung erstmals für den VZ 2006 anzuwenden. Mit dem Unternehmensteuerreformgesetz 2008 vom 14.8.2007 (BGBl I 2007, 1912) wird § 20 Abs. 2b zu Abs. 7.

Gemäß § 15b Abs. 1 EStG dürfen Verluste im Zusammenhang mit einem Steuerstundungsmodell nur mit Einkünften, die der Steuerpflichtige in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben Einkunftsquelle erzielt, verrechnet werden.

Hohe (negative) Zwischengewinne beim Erwerb von Anteilen an einem Investmentfonds führen nicht ohne Weiteres zur Annahme eines Steuerstundungsmodells i.S.d. § 20 Abs. 2b Satz 1 (s.o. jetzt § 20 Abs. 7 EStG) i.V.m. § 15b EStG. Eine Einschränkung der Verlustverrechnung folgt auch nicht aus § 20 Abs. 2b Satz 2 EStG, wenn der Steuerpflichtige positive Einkünfte aus den Fondsanteilen erzielt, die dem progressiven Einkommensteuertarif gemäß § 32a EStG unterliegen (BFH Urteil vom 28.6.2017, VIII R 57/14). Im Streitfall verweigert das FA die Saldierung von gezahlten (negativen) Zwischengewinnen i.H.v. 178 106 € mit positiven Kapitalerträgen aus Fonds (113 114,26 €) und weiteren Kapitalerträgen (16 370,47 €). Der Zwischengewinn ist nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 4 InvStG das Entgelt für die dem Anleger noch nicht zugeflossenen oder als zugeflossen geltenden Zinserträge, zinsähnlichen Erträge und Ansprüche des Investmentvermögens. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 InvStG gehört der Zwischengewinn zu den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn es sich nicht um Betriebseinnahmen des Anlegers, Leistungen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG oder Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 5 EStG handelt. Diese Regelung gilt für sämtliche Anleger von Investmentfonds und damit auch für Privatanleger. Selbst wenn negative Zwischengewinne beim Erwerb eines Investmentanteils zu einem Verlust i.S.d. § 15b EStG führen könnten, findet das Verlustverrechnungsverbot im vorliegenden Fall keine Anwendung. Nach BFH Urteil vom 17.1.2017, VIII R 7/13, BStBl II 2017, 700 reicht hierfür nicht aus, dass eine (in Fachkreisen) bekannte Gestaltungsidee mit dem Ziel einer sofortigen Verlustverrechnung aufgegriffen wird. Als Steuerstundungsmodell i.S.d. § 15b EStG kann nur die Erstellung einer umfassenden und regelmäßig an mehrere Interessenten gerichteten Investitionskonzeption angesehen werden.

Näheres s. → Steuerstundungsmodelle.

Hinweis:

Die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an einem Investmentfonds gezahlten Zwischengewinne sind auch hinsichtlich geleisteter Ertragsausgleichsbeträge negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2004 in der im Streitjahr 2008 anzuwendenden Fassung. BFH vom 4.8.2020, VIII R 13/17, BStBl II 2021, 148 (LEXinform 0951699). Der Kläger erwarb im Dezember 2008 Anteile an einem luxemburgischen Investmentfonds. Den im Anteilskaufpreis enthaltenen Zwischengewinn des Fonds i.H.v. rund 46 Mio. € machte er als negative Einnahmen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen steuermindernd geltend. Der bei Rückgabe der Fondsanteile im Jahr 2009 vereinnahmte Zwischengewinn blieb infolge eines hohen negativen Progressionsvorbehalts ohne steuerliche Auswirkung. Bereits das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass die bei Erwerb der Fondsanteile gezahlten Zwischengewinne negative Einnahmen i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers sind. Zwischengewinne führen beim privaten Kapitalanleger, der seinen Anteil veräußert oder zurückgibt, zu Einkünften aus Kapitalvermögen i.S.d. § 1 Abs. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 InvStG.

5. Auskunftserteilung nach der Zinsinformationsverordnung

Aufgrund der Ermächtigung in § 45e EStG wurde am 26.1.2004 die Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2003/48/EG des Rates vom 3.6.2003 im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen (Zinsinformationsverordnung – ZIV – BGBl I 2004, 128) erlassen und bereits mit der Ersten Verordnung zur Änderung der ZIV vom 22.6.2005 (BGBl I 2005, 1692) geändert. Nach § 17 Satz 2 ZIV tritt die Verordnung ab dem 1.7.2005 in Kraft (BGBl I 2005, 1695). Das BMF hat mit Schreiben vom 6.1.2005 (BStBl I 2005, 29) ein Einführungsschreiben zur Zinsinformationsverordnung erlassen, das mit BMF-Schreiben vom 13.6.2005 (BStBl I 2005, 716), vom 12.10.2005 (IV C 1 – S 2402 a – 46/05, ohne Fundstelle, zitiert in der Vfg. der OFD Rheinland vom 5.1.2006, S 2402 a – 100 – St 2, DB 2006, 188) und vom 27.1.2006 (BStBl I 2006, 439) geändert wurde.

Das BMF hat ein neueres, umfangreiches Anwendungsschreiben zur Zinsinformationsverordnung erlassen (BMF vom 30.1.2008, BStBl I 2008, 320) und die o.g. BMF-Schreiben aufgehoben. Das Schreiben vom 30.1.2008 (BStBl I 2008, 320) wurde in der Folge aufgehoben für Steuertatbestände, die nach dem 31.12.2017 verwirklicht wurden, da es nicht in der Positivliste des BMF vom 18.3.2019, BStBl I 2019, 270 enthalten ist. Die Anwendung bleibt unberührt für vor dem 1.1.2018 verwirklichte Steuertatbestände. Die Aufhebung bedeutet keine Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung der Verwaltung, sondern dient der Bereinigung der Weisungslage. Sie hat deklaratorischen Charakter, soweit dieses BMF-Schreiben bereits aus anderen Gründen keine Rechtswirkung mehr entfaltet.

Die Zinsrichtlinie soll die effektive Besteuerung von Zinserträgen natürlicher Personen im Gebiet der EU sicherstellen. Die Regelung beschränkt sich aber auf grenzüberschreitende Zinszahlungen und lässt die innerstaatlichen Regelungen über die Besteuerung von Zinserträgen unberührt.

Die OFD Rheinland hat eine Kurzinformation zur Quellensteuererhebung nach §§ 11 ff. ZIV herausgegeben (Vfg. vom 23.4.2008, o.Az., DStR 2008, 1435). Nach der EU-Zinsrichtlinie, die durch die Zinsinformationsverordnung (ZIV) in deutsches Recht umgesetzt wurde, erfolgt grundsätzlich ein Informationsaustausch über grenzüberschreitende Zinszahlungen an natürliche Personen.

Statt der Auskunftserteilung nach Deutschland kann für eine Übergangszeit von den in den Mitgliedstaaten Belgien, Luxemburg und Österreich niedergelassenen Zahlstellen ein Steuerabzug (Quellensteuer) vorgenommen werden. Auch bestimmte Drittstaaten bzw. abhängige oder assoziierte Gebiete behalten entsprechende EU-Quellensteuer ein (Anlage IV zum überholten BMF-Schreiben vom 30.1.2008, BStBl I 2008, 320).

Die Quellensteuer beläuft sich

  • in den ersten drei Jahren nach Inkrafttreten der Zinsrichtlinie (1.7.2005–30.6.2008) auf 15 %,

  • in den darauffolgenden drei Jahren (1.7.2008–30.6.2011) auf 20 %,

  • und anschließend auf 35 % der Zinserträge.

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass nicht immer der volle Zinsertrag der Quellensteuer unterliegt. Dies entspricht einem Kompromiss auf europäischer Ebene, wonach es den Staaten freigestellt ist, die Zinserträge zeitanteilig abzugrenzen.

Beispiel 6:

Zinsertrag 1.1. bis 31.12.2005: 1 200 €.

Lösung 6:

Im Quellensteuerstaat werden lediglich 6/12 dieser Zinsen dem Steuerabzug unterworfen, da der Quellensteuerabzug erst ab dem 1.7.2005 gilt.

Entsprechende Fälle können auch bei unterschiedlichen Steuersätzen innerhalb eines Zinszahlungszeitraums (vgl. oben) eintreten.

Hinweis:

Die EU-Quellensteuer ist nach § 14 Abs. 2 ZIV in voller Höhe auf die ESt anzurechnen und wird in der Anlage KAP (Kz. 54.67) eingetragen. Demgegenüber ist die »normale« ausländische Quellensteuer nur im Rahmen des § 34c EStG anrechenbar bzw. abzugsfähig (Anlage AUS).

Das BMF hat mit Schreiben vom 30.1.2008 (BStBl I 2008, 320) folgende Hinweise gegeben:

Die Quellensteuer nach der ZIV muss nicht nach einem vorgeschriebenen Muster bescheinigt werden. Daher sind zur Anrechnung der Steuer alle Bescheinigungen (wie z.B. Erträgnisaufstellungen) ausreichend, aus denen sich jeweils

  • der Name und die Anschrift der Zahlstelle und des wirtschaftlichen Eigentümers, sowie

  • die Höhe der Quellensteuer (einschließlich Währung),

  • des Zahltags und

  • der Kontonummer(n) oder einer Beschreibung der Forderung ergeben.

Es muss sich weiterhin aus dem Dokument eindeutig entnehmen lassen, dass es sich um eine Quellensteuer aufgrund der Zinsrichtlinie oder entsprechender völkerrechtlicher Abkommen (EU-Quellensteuer) und nicht um eine nationale Quellensteuer (z.B. Schweizer Verrechnungssteuer) handelt.

Beachte:

Die EU-Zinsrichtlinie ist zum 1.1.2016 aufgehoben. Weitere Informationen hierzu sind der Richtlinie (EU) 2015/2060 DES RATES vom 10.11.2015 zur Aufhebung der Richtlinie 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen zu entnehmen. Der letzte Datenaustausch erfolgte – entsprechend der vorgenannten Aufhebungsrichtlinie – im Kalenderjahr 2016. Zu beachten ist die Sonderregelung für Österreich. Österreich wendet die Zinsrichtlinie grundsätzlich bis zum 31.12.2016 an und setzt deshalb auch die Quellensteuerzahlungen bis zu diesem Zeitpunkt fort. Wie alle anderen Mitgliedstaaten – außer Österreich – wendet auch Deutschland die EU-Zinsrichtlinie entsprechend der o.g. Aufhebungsrichtlinie an; insofern werden für den Meldezeitraum 2016 keine Informationen im Rahmen der EU-Zinsrichtlinie nach Österreich übermittelt.

6. Verhältnis zu anderen Einkünften

§ 20 Abs. 8 EStG ab 2009 enthält eine Konkurrenznorm, wenn der Tatbestand des § 20 EStG und einer anderen Einkunftsart erfüllt ist. § 20 Abs. 8 EStG konstruiert dabei einen Vorrang der anderen Einkünfte.

Die Abgeltungsteuer des § 32d Abs. 1 EStG gilt nicht für Kapitalerträge, die unter § 20 Abs. 8 EStG fallen (BMF vom 19.5.2022, BStBl I 2022, 742, Rz. 124).

7. Schätzung von Einkünften aus Kapitalvermögen

Werden vom Stpfl. keine konkret nachprüfbaren Tatsachen benannt, wo hohe Geldbeträge, die nicht alsbald benötigt werden, aufbewahrt worden sind, spricht eine allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass diese zins- und ertragbringend angelegt werden, sodass das FA berechtigt ist, die Höhe der Kapitaleinkünfte zu schätzen. Die Höhe der geschätzten Einkünfte aus Kapitalvermögen ist nicht zu beanstanden, wenn der zu Grunde gelegte Zinssatz sich an der durchschnittlichen Umlaufrendite orientiert und ein derartiger Zinssatz in etwa dem entspricht, der in den Streitjahren im Durchschnitt erzielt worden ist (rechtskräftiges Urteil des FG Baden-Württemberg vom 26.11.2010, 10 K 43/10, EFG 2011, 804, LEXinform 5011366). Das FG Berlin-Brandenburg sieht jedoch die Finanzbehören in der Pflicht, da diese für die Verwirklichung der gesetzlichen Tatbestände der Einnahmeerzielung die objektive Beweislast tragen. Zwar spricht eine allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass hohe Geldbeträge, wenn sie nicht alsbald benötigt werden, zins- und ertragbringend angelegt werden. Dies allein begründet aber im Allgemeinen noch keine Schätzungsbefugnis des FA für den Ansatz von Kapitaleinkünften. Hinzukommen müssen vielmehr weitere Umstände, die nahelegen, dass derartige Beträge tatsächlich zinsbringend angelegt worden sind. Es besteht keine Verpflichtung eines Stpfl. nachzuweisen, dass er im Ausland kein Konto unterhält (FG Berlin-Brandenburg vom 20.4.2016, 14 K 14207/15, DStRE 2017, 1138).

8. Literaturhinweise

Gemmel u.a., Die Abgeltungsteuer – Ein neues System der Besteuerung von Kapitaleinkünften und Veräußerungsgewinnen, NWB Fach 3, 14695; Ebner, Abgeltungsteuer und Investmentfonds, NWB Fach 3, 14709; Kobarg, Die Besteuerung von Optionsgeschäften im Privatvermögen, Steuer & Studium 2008, 124; Glasenapp, Die Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen, BB 2008, 360; Wenzel, Ist der Sparer-Pauschbetrag verfassungswidrig?, DStR 2009, 1182; Worgulla, Stille Gesellschaften, partiarische Darlehen und Unterbeteiligungen – Abgrenzung und steuerliche Besonderheiten im Regime der Abgeltungsteuer –, NWB 2010, 3182; Löbe, Steuerpflicht von Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO, NWB 2010, 4109; Eggers, Werbungskostenabzugsverbot bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, NWB 2011, 646; Gunsenheimer, Einkünfte aus Kapitalvermögen, Steuer & Studium 2012, 408, Preißer/Bressler, Die Steuerberaterprüfung, Prüfung 2018, Band 1, Teil A, Kapitel II 2.

9. Verwandte Lexikonartikel

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Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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