Kinderfreibetrag

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Den Kinderfreibetrag können Sie beantragen, wenn:
    • das Kind das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder
    • das Kind das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat und sich zum Beispiel noch in der Ausbildung / im Studium oder einem Freiwilligendienst befindet.
  • Der Kinderfreibetrag ist eine Steuererleichterung und kann in der Steuererklärung berücksichtigt werden.
  • Sie können nicht Kindergeld erhalten und den Freibetrag geltend machen. Das Finanzamt prüft mit der Günstigerprüfung, ob für Sie Kindergeld oder der Kinderfreibetrag günstiger ist.

Inhaltsverzeichnis

1 Wirkung des Familienleistungsausgleichs
2 Freibeträge i.S.d. § 32 Abs. 6 EStG
2.1 Allgemeines
2.2 Persönlicher Anwendungsbereich
2.3 Besondere Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Freibeträge
2.3.1 Kinder i.S.d. § 32 EStG
2.3.2 Verdoppelung der Freibeträge
2.3.3 Freibeträge für nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Kinder
3 Zeitanteilige Berücksichtigung
4 Übertragung des Kinderfreibetrages
4.1 Allgemeines zur Übertragung des Kinderfreibetrages
4.2 Erfüllung der Unterhaltspflicht
4.2.1 Die gesetzliche Unterhaltspflicht
4.2.1.1 Allgemeiner Überblick
4.2.1.2 Unterscheidung in Betreuungs- und Barunterhalt
4.2.2 Wesentliche Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung
4.3 Nichterfüllung der konkreten Unterhaltsverpflichtung
4.4 Ermittlung der wesentlichen Unterhaltsverpflichtung
4.5 Verfahrensablauf
5 Übertragung des Betreuungsfreibetrages
6 Übertragung der Freibeträge auf die Stief- und Großelternteile
7 Übertragung des Behinderten-Pauschbetrages
8 Freibeträge für Kinder bei Lebenspartnerschaften
9 Kinderbedingte Vergünstigungen
10 Verfassungsmäßigkeit der Freibeträge
11 Literaturhinweise
12 Verwandte Lexikonartikel

1. Wirkung des Familienleistungsausgleichs

Nach den in § 31 EStG niedergelegten Grundsätzen des Familienleistungsausgleichs (→ Familienleistungsausgleich) wird das als Steuervergütung gewährte → Kindergeld mit dem tariflichen Kinderfreibetrag und dem Betreuungsfreibetrag des § 32 Abs. 6 EStG in der Weise verknüpft (§ 31 Satz 4 EStG), dass die für den Stpfl. günstigere Lösung bei der ESt-Veranlagung von Amts wegen berücksichtigt wird. S. dazu die Erläuterungen der »Günstigerrechnung« unter → Familienleistungsausgleich sowie R 31 Abs. 1 EStR.

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Zur Abdeckung des sächlichen Existenzminimums des Kindes wird bei der Veranlagung zur Einkommensteuer der Eltern für jedes zu berücksichtigende Kind grds. ein sog. Kinderfreibetrag vom Einkommen abgezogen.

Ab dem VZ 2004 ist bei der Prüfung der Frage, ob der Abzug der Kinderfreibeträge für den Steuerpflichtigen vorteilhafter ist als das Kindergeld, nicht auf das (tatsächlich) gezahlte Kindergeld, sondern auf den Anspruch auf Kindergeld abzustellen. Das gilt, so der BFH mit Urteil vom 15.3.2012 (III R 82/09 BStBl II 2013, 226), auch dann, wenn ein Kindergeldantrag trotz des materiell-rechtlichen Bestehens des Anspruchs rechtswidrig, aber bestandskräftig abgelehnt worden ist. Der Kindergeld-Ablehnungsbescheid der Familienkasse entfalte somit für das Besteuerungsverfahren keine Tatbestandswirkung. Die Tatbestandswirkung eines Verwaltungsaktes führt dazu, dass dieser in einem ressortfremden Verwaltungsverfahren als gegeben hinzunehmen und nicht etwa darauf hin zu überprüfen ist, ob er dem materiellen Recht entspricht. Die Familienkassen seien jedoch im Verhältnis zu den Finanzämtern keine ressortfremden Behörden, so der BFH. Der BFH hat somit klargestellt, dass die Entkoppelung des Steuerfestsetzungsverfahrens vom Kindergeldfestsetzungsverfahren auch eine Tatbestandswirkung der Entscheidungen der Familienkassen für die Steuerfestsetzung ausschließt. Über die im Rahmen der Günstigerprüfung maßgebliche Frage, ob ein Anspruch auf Kindergeld besteht, entscheidet das FA in eigener Zuständigkeit und ohne Bindung an das Vorliegen oder den Inhalt einer Entscheidung der Familienkasse. Dies hat zur Folge, dass der Stpfl. kein Wahlrecht hat, ob er das Kindergeld oder die Kinderfreibeträge beantragt. Selbst wenn der Stpfl. aufgrund der Höhe seiner Einkünfte bereits davon ausgehen kann, dass die Kinderfreibeträge für ihn auf jeden Fall günstiger sind als das Kindergeld, darf er die Beantragung des Kindergelds nicht unterlassen.

Das Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG) sieht u.a. die Ergänzung von § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG dahingehend vor, dass die Übertragung des Kinderfreibetrags stets auch zur Übertragung des BEA-Freibetrags führt.; vgl. Gesetzgeber, Änderungsgesetz vom 2.6.2021, BGBl I 2021, 1259 (LEXinform 0457938). Infolge der Rspr. des BFH vom 22.4.2020, III R 61/18 wird einem alleinerziehenden Elternteil der halbe BEA-Freibetrag für das volljährige Kind verwehrt, obwohl er die Unterhaltslasten des Kindes allein trägt. Dadurch wird dem alleinerziehenden Elternteil die verfassungsrechtlich notwendige Steuerfreistellung der (hälftigen) Bedarfe für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung vorenthalten. § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG ist deshalb um die Aussage ergänzt worden, dass die Übertragung des Kinderfreibetrags stets auch zur Übertragung des BEA-Freibetrags führt. Damit ist die bisherige Verwaltungsauffassung gesetzlich festgeschrieben worden.

2. Freibeträge i.S.d. § 32 Abs. 6 EStG

2.1. Allgemeines

Durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung vom 16.8.2001 (BGBl I 2001, 2074) wurde ab dem Kj. 2002 § 32 Abs. 6 EStG neu geregelt. Der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum (Kinderfreibetrag) beträgt 1 824 €, der Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsfreibetrag beträgt 1 080 €. Durch das FamLeistG vom 22.12.2008 (BGBl I 2008, 2955) wird der Kinderfreibetrag ab 2009 von bisher 1 824 € auf 1 932 € erhöht. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009 (BGBl I 2009, 3950) wird der Kinderfreibetrag von 1 932 € auf 2 184 € und der Betreuungsfreibetrag von 1 080 € auf 1 320 € angehoben.

Mit dem Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags vom 16.7.2015 (s.a. BR-Drucks. 281/15, BGBl I 2015, 1202) wurde u.a. der Kinderfreibetrag von 2 184 € auf 2 256 €, rückwirkend zum 1.1.2015, angehoben.

Das BMF hat den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anhebung des Grundfreibetrages, des Kinderfreibetrages, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags veröffentlicht. Für 2015 ist eine Erhöhung des Grundfreibetrags auf 8 472 €, für 2016 auf 8 652 € vorgesehen.

Der Bundestag hat am 18.6.2015 dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags (BT-Drs. 18/4649, 18/5011) in der vom Finanzausschuss geänderten Fassung (BT-Drs. 18/5244) zugestimmt. Damit wird rückwirkend zum 1.1.2015 der steuerliche Grundfreibetrag (aktuell 8 354 €) um 118 € auf 8 472 € erhöht. Ab dem 1.1.2016 ist eine Anhebung um weitere 180 € auf dann 8 652 € vorgesehen.

In den Jahren 2017 und 2018 erfolgte eine weitere Anhebung des Freibetrags auf 2 358 € (2017) und auf 2 394 € (2018).

Im Kalenderjahr 2019 beträgt der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum 2 490 €, für das Kalenderjahr 2020 2 586 €.

Im Kj. 2021 beträgt der Freibetrag für das sächliche Existenzminimum 2 730 €.

Der BdSt lässt prüfen, ob die Kinderfreibeträge im Jahr 2014 zu niedrig waren. Dazu unterstützt der Verband das Gerichtsverfahren eines Familienvaters vor dem BFH (Az.: III R 13/17). Der Kläger ist ein verheirateter Familienvater mit zwei Kindern. Das FA berücksichtigte bei der Einkommensteuererklärung 2014 lediglich den Kinderfreibetrag i.H.v. 2 184 €. Der Vater verlangt, den im Existenzminimumbericht ausgewiesenen höheren Kinderfreibetrag heranzuziehen. Das FG München hat argumentiert, dass neben dem sächlichen Kinderfreibetrag auch der Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung zu berücksichtigen sei. In der Gesamtschau werde dadurch der zu geringe Kinderfreibetrag ausgeglichen. Hiergegen wurde Revision eingelegt.

Das FG Niedersachsen hält die Freibeträge für Kinder im Kalenderjahr 2014 für zu niedrig und somit verfassungswidrig. Das vorlegende Gericht setzt deshalb das Verfahren aus und holt gem. Art. 100 Abs. 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ein; vgl. FG Niedersachsen Urteil vom 2.12.2016, 7 K 83/16 (Az. vor dem Bundesverfassungsgericht: 2 BvL 3/17). Das Bundesverfassungsgericht wird sich mit der folgenden Rechtsfrage auseinandersetzen müssen: Verletzt die Bestimmung der Höhe des Kinderfreibetrages in § 32 Abs. 6 EStG für den Veranlagungszeitraum 2014 Art. 3 Abs. 1 und Art. 6 GG sowie Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. dem Sozialstaatsgebot des Art. 20 Abs. 1 GG?

Kalenderjahr

Höhe des Jahres-Kinderfreibetrages (für ein Kind)

Höhe des Jahres-Kinderfreibetrages für zusammenveranlagte Eltern

2015

2 256 €

4 512 €

2016

2 304 €

4 608 €

2017

2 358 €

4 716 €

2018

2 394 €

4 788 €

2019

2 490 €

4 980 €

2020

2 586 €

5 172 €

2021

2 730 €

5 460 €

Überblick über die Höhe der Freibeträge

2.2. Persönlicher Anwendungsbereich

Nach § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG ist § 32 EStG nur auf unbeschränkt Stpfl. anzuwenden. Eine Berücksichtigung der Freibeträge i.S.d. § 32 Abs. 6 EStG außerhalb des Zeitraums der unbeschränkten Stpfl. der Eltern ist – auch in den Fällen des § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG – nicht möglich (R 32.3 Satz 3 EStR). Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nach § 32 Abs. 6 EStG nicht vorliegen (Dauer der beschränkten Stpfl.), ermäßigen sich die jeweiligen Beträge um ein Zwölftel (§ 32 Abs. 6 Satz 5 EStG).

Unter den Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG können beschränkt Stpfl. auf Antrag als unbeschränkt Stpfl. behandelt werden. Für diesen Personenkreis sind die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG zu berücksichtigen (→ Familienbezogene Einkommensteuervergünstigungen des § 1a EStG).

Besteht nur für einen Teil des Kj. eine unbeschränkte Steuerpflicht, für den anderen Teil gar keine Stpfl., so wird ein Kinderfreibetrag nur für den Teil der unbeschränkten Stpfl. gewährt (BFH Urteil vom 14.10.2003, VIII R 111/01, BFH/NV 2004, 331). Für den Fall, dass keine unbeschränkte, sondern nur eine beschränkte Steuerpflicht besteht, ist in § 50 Abs. 1 Satz 5 EStG angeordnet, dass u.a. auch § 32 EStG nicht anzuwenden ist. Dies muss dann erst recht für Monate gelten, in denen überhaupt keine inländische Steuerpflicht bestanden hat.

2.3. Besondere Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Freibeträge

2.3.1. Kinder i.S.d. § 32 EStG

Die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG werden für jedes zu berücksichtigende Kind des Stpfl. vom Einkommen abgezogen, wenn nach der Vergleichsrechnung die Freibeträge günstiger als das entsprechende Kindergeld sind. Kinder sind unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 bis Abs. 5 EStG zu berücksichtigen. S. dazu unter → Kinder, → Einkünfte und Bezüge von Kindern, → Nichteheliche Lebensgemeinschaften, → Pflegekind, → Kindesunterhalt.

Beispiel 1 (VZ 2020):

Beate war mit Albert verheiratet. Aus dieser Ehe stammen die Kinder Sascha und Martin. Nachdem Beate ein Kind von Klaus bekommt (Michael), wird diese Ehe geschieden. Da Klaus sich nicht um das Kind kümmert, heiratet Beate den Paul. Aus dieser Ehe stammt Thomas. Auch diese Ehe wird wieder geschieden. Nach der Scheidung von Beate und Paul ist Paul mit Ursula verheiratet. Aus dieser Ehe stammen die Kinder Marion und Juliane. Aus ihrer ersten Ehe hat Ursula bereits zwei Kinder. Knut und Jakob. Der Vater dieser Kinder ist Willi. Alle Kinder sind minderjährig und leben im Haushalt der Mutter. Die Kinder stammen von folgenden Personen ab:

Kinder

Beate

Albert

Klaus

Paul (verheiratet mit) Ursula

Willi

Sascha (17 Jahre)

x

x

Martin (15 Jahre)

x

x

Michael (13 Jahre)

x

x

Knut (17 Jahre)

x

x

Jakob (15 Jahre)

x

x

Thomas (11 Jahre)

x

x

Marion (8 Jahre)

x

x

Juliane (5 Jahre)

x

x

Lösung 1:

S.a. das Beispiel unter → Kindesunterhalt.

Alle im Sachverhalt aufgeführten Kinder sind für die Freibeträge des § 32 Abs. 6 EStG zu berücksichtigen, da sie das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben (§ 32 Abs. 3 EStG). Im Einzelnen sind die Freibeträge für die Kinder (für den VZ 2020) wie folgt zu gewähren:

Sascha und Martin:

Eheleute Beate und Albert

nach der Scheidung

Zusammenveranlagung

(§ 32 Abs. 6 Satz 2 EStG: Die Freibeträge sind zu verdoppeln.)

keine Zusammenveranlagung

Kinder-

freibetrag (in €)

Betreuungs-

freibetrag (in €)

Kinderfreibetrag (in €)

Betreuungsfreibetrag (in €)

Kinderfreibetrag (in €)

Betreuungsfreibetrag (in €)

Kinder

Beate

Albert

Beate

Albert

Beate

Albert

Beate

Albert

Sascha

5 172

2 640

2 586

2 586

1 320

1 320

2 586

2 586

1 320

1 320

Martin

5 172

2 640

2 586

2 586

1 320

1 320

2 586

2 586

1 320

1 320

Michael:

Beate

Klaus

Beate

Klaus

Kind

Kinderfreibetrag (in €)

Betreuungsfreibetrag (in €)

Michael

2 586

2 586

1 320

1 320

Knut und Jakob:

Eheleute Ursula und Willi

nach der Scheidung

Zusammenveranlagung

(§ 32 Abs. 6 Satz 2 EStG: Die Freibeträge sind zu verdoppeln.)

keine Zusammenveranlagung

Kinder-

freibetrag (in €)

Betreuungs-

freibetrag (in €)

Kinderfreibetrag (in €)

Betreuungsfreibetrag (in €)

Kinderfreibetrag (in €)

Betreuungsfreibetrag (in €)

Kinder

Ursula

Willi

Ursula

Willi

Ursula

Willi

Ursula

Willi

Knut

5 172

2 640

2 586

2 586

1 320

1 320

2 586

2 586

1 320

1 320

Jakob

5 172

2 640

2 586

2 586

1 320

1 320

2 586

2 586

1 320

1 320

Thomas:

Eheleute Beate und Paul

Nach der Scheidung

Zusammenveranlagung

(§ 32 Abs. 6 Satz 2 EStG: Die Freibeträge sind zu verdoppeln.)

keine Zusammenveranlagung

Kinderfreibetrag (in €)

Betreuungsfreibetrag (in €)

Kinderfreibetrag (in €)

Betreuungsfreibetrag (in €)

Kinderfreibetrag (in €)

Betreuungsfreibetrag (in €)

Kinder

Beate

Paul

Beate

Paul

Beate

Paul

Beate

Paul

Sascha

5 172

2 640

2 586

2 586

1 320

1 320

2 586

2 586

1 320

1 320

Martin

5 172

2 640

2 586

2 586

1 320

1 320

2 586

2 586

1 320

1 320

Marion und Juliane:

Eheleute Ursula und Paul

Zusammenveranlagung

(§ 32 Abs. 6 Satz 2 EStG: Die Freibeträge sind zu verdoppeln.)

keine Zusammenveranlagung

Kinderfreibetrag (in €)

Betreuungsfreibetrag (in €)

Kinderfreibetrag (in €)

Betreuungsfreibetrag (in €)

Kinder

Ursula

Paul

Ursula

Paul

Marion

5 172

2 640

2 586

2 586

1 320

1 320

Juliane

5 172

2 640

2 586

2 586

1 320

1 320

2.3.2. Verdoppelung der Freibeträge

Unter folgenden Voraussetzungen sind die Beträge zu verdoppeln (s.a. R 32.12 EStR):

  • bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b EStG zusammen zur ESt veranlagt werden, wenn das Kind zu beiden Ehegatten in einem Kindschaftsverhältnis steht;

  • wenn der andere Elternteil verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist;

  • der Aufenthalt des anderen Elternteils nicht zu ermitteln ist;

  • der Vater des Kindes amtlich nicht feststellbar ist;

  • wenn der Stpfl. allein das Kind angenommen hat oder das Kind nur zu ihm in einem Pflegekindschaftsverhältnis steht;

  • wenn der Wohnsitz oder Aufenthaltsort des anderen Elternteils nicht zu ermitteln ist, der Vater des Kindes ist amtlich nicht feststellbar, diese Regelung ist auch anzuwenden, wenn eine Mutter den Behörden den Namen des Vaters nicht bekannt gibt.

2.3.3. Freibeträge für nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Kinder

Für Kinder, die nicht nach § 1 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, werden gem. § 32 Abs. 6 Satz 4 EStG die Freibeträge nur gekürzt berücksichtigt. Die Kürzung erfolgt nach Maßgabe der Verhältnisse des Wohnsitzstaates. Maßgeblich für die Kürzung ist die Ländergruppeneinteilung (BMF vom 11.11.2020, BStBl I 2020, 1212). Mit Schreiben vom 11.11.2020 gibt das BMF die Ländergruppeneinteilung ab VZ 2021 bekannt.

Beispiel 2:

A ist Staatsangehöriger

  1. von Belgien,

  2. von Portugal,

  3. der Türkei,

  4. von Albanien.

Er wohnt dort mit seinem minderjährigen Kind und bezieht ausschließlich Einkünfte, die nach dem DBA in Deutschland zu besteuern sind, z.B. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. A ist geschieden; die Mutter des Kindes wohnt in dem jeweiligen Staat.

Lösung 2:

A hat inländische Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. Er ist auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln.

Bei dem unbeschränkt Stpfl. A ist das Kind im Ausland wie folgt zu berücksichtigen. Da der andere Elternteil nicht unbeschränkt Stpfl. ist, sind die Beträge i.S.d. § 32 Abs. 6 EStG nach § 32 Abs. 6 Satz 2 und 3 EStG zu verdoppeln. Für die verdoppelten Beträge ist die Ländergruppeneinteilung anzuwenden.

Verdoppelte Beträge

Belgien

(in voller Höhe)

Portugal

(mit 3/4)

Türkei

(mit 1/2)

Albanien

(mit 1/4)

Kinder-

freibetrag

Betreuungs-

freibetrag

Kinder-

freibetrag

Betreuungs-

freibetrag

Kinder-

freibetrag

Betreuungs-

freibetrag

Kinder-

freibetrag

Betreuungs-

freibetrag

Kinder-

freibetrag

Betreuungs-

freibetrag

3 648 €

2 160 €

3 648 €

2 160 €

2 736 €

1 620 €

1 824 €

1 080 €

912 €

615 €

Kinderbetreuungskosten und Betreuungsfreibetrag ab 2009 nach dem FamLeistG:

3 864 €

2 160 €

3 864 €

2 160 €

2 898 €

1 620 €

1 932 €

1 080 €

966 €

615 €

Kinderbetreuungskosten und Betreuungsfreibetrag ab 2010 nach dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz:

4 368 €

2 640 €

4 368 €

2 640 €

3 276 €

1 980 €

2 184 €

1 320 €

1 092 €

660 €

Kinderfreibeträge ab 2015

4 512 €

2 640 €

4 512 €

2 640 €

3 384 €

1 980 €

2 256 €

1 320 €

1 128 €

660 €

Kinderfreibeträge ab 2017

4 716 €

2 640 €

4 716 €

2 640 €

3 537 €

1 980 €

2 358 €

1 320 €

1 179 €

660 €

Kinderfreibetrag 2019

4 980 €

2 640 €

4 980 €

2 640 €

3 735 €

1 980 €

2 490 €

1 320 €

1 245 €

660 €

Kinderfreibetrag 2020

5 172 €

2 640 €

5 172 €

2 640 €

3 879 €

1 980 €

2 586 €

1 320 €

1 293 €

660 €

Beispiel 3:

Sachverhalt s. Beispiel 2. A ist verheiratet.

Lösung 3:

Belgien und Portugal

Da A Staatsangehöriger eines EU-/EWR-Staates ist, kommt für die Ehefrau § 1a EStG zur Anwendung. Voraussetzung für die Anwendung des § 1a EStG für die Ehefrau ist, dass diese ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines EU-/EWR-Staates hat (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG). Da nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG beide Ehegatten als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gelten, ist für diese die Ehegattenveranlagung nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG durchzuführen.

Für das Kind im Ausland erhalten die Eheleute die verdoppelten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG, wenn sie die Zusammenveranlagung wählen. Für Portugal sind diese Freibeträge mit 3/4 anzusetzen.

Ohne Anwendung des § 1a EStG erhält A die in Lösung 1 aufgeführten Freibeträge. Für A ist eine Einzelveranlagung durchzuführen.

Türkei, Albanien

Da A nicht Staatsangehöriger eines EU-/EWR-Staates ist, kommt § 1a EStG für die Ehefrau nicht zur Anwendung. Für A ist eine Einzelveranlagung durchzuführen. Für das Kind im Ausland erhält A die in Lösung 1 aufgeführten Freibeträge.

Beispiel 4:

B (Deutscher) ist verheiratet und wohnt zusammen mit seiner Ehefrau und dem gemeinsamen Kind in der Schweiz. Er bezieht ausschließlich inländische Einkünfte, die nach dem DBA in Deutschland zu versteuern sind.

Lösung 4:

B ist auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Für B sind ebenfalls die Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 EStG erfüllt. Die Ehefrau kann jedoch nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG nicht als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, da sie nicht in einem EU/EWR-Staat wohnt. Für B ist auf Antrag eine Einzelveranlagung durchzuführen. Für das Kind in der Schweiz erhält B die verdoppelten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Satz 2 und 3 EStG. Nach dem Ländergruppenerlass werden die Freibeträge in voller Höhe gewährt.

Beispiel 5:

C (Deutscher) ist verheiratet und wohnt zusammen mit seiner Ehefrau (Türkin) und dem gemeinsamen Kind in Frankreich. Er bezieht ausschließlich inländische Einkünfte, die nach dem DBA in Deutschland zu versteuern sind.

Lösung 5:

C ist auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln. Nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG ist die Ehefrau ebenfalls als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln, da sie ihren Wohnsitz in einem EU/EWR-Staat hat. Anders als beim Stpfl. C selbst ist die Staatsangehörigkeit des Ehegatten ohne Bedeutung; es ist nur auf den Wohnsitz im EU-/EWR-Staat abzustellen. Auf Antrag werden die Ehegatten zusammen veranlagt, so dass die Splittingtabelle angewendet werden kann.

Für das Kind in Frankreich erhalten die Eheleute die verdoppelten Freibeträge nach § 32 Abs. 6 Satz 2 EStG, wenn sie die Zusammenveranlagung wählen. Für Frankreich sind diese Freibeträge voll anzusetzen.

3. Zeitanteilige Berücksichtigung

Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen für einen Freibetrag nicht vorliegen, ermäßigen sich die Beträge um ein Zwölftel (§ 32 Abs. 6 Satz 5 EStG).

Kalenderjahr

Monatsbetrag des Kinderfreibetrages für z.B. getrennt lebende Elternteile (Halbteilungsgrundsatz)

Monatsbetrag des Kinderfreibetrages für zusammenveranlagte Ehegatten

2017

196,50 €

393 €

2018

199,50 €

399 €

2019

207,50 €

415 €

2020

215,50 €

431 €

2021

227,50 €

455 €

4. Übertragung des Kinderfreibetrages

4.1. Allgemeines zur Übertragung des Kinderfreibetrages

Nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG kann auf Antrag eines Elternteils der Kinderfreibetrag des anderen Elternteils auf ihn übertragen werden, wenn er, nicht jedoch der andere Elternteil, seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr im Wesentlichen nachkommt. Der Elternteil, in dessen Obhut sich ein minderjähriges Kind befindet, erfüllt seine Unterhaltsverpflichtung in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB). Eine Übertragung ist danach nur möglich, wenn für beide Elternteile im Veranlagungszeitraum eine Unterhaltspflicht bestanden hat. Ist ein Elternteil nicht zur Leistung von Unterhalt verpflichtet, können die ihm zustehenden Freibeträge nicht auf den anderen Elternteil übertragen werden (s.a. OFD Frankfurt a.M. vom 1.4.2014 – S 2282 A – 8 – St 223).

Ab dem Veranlagungszeitraum 2012 ist eine Übertragung der Kinderfreibeträge zusätzlich zu den bisherigen Voraussetzungen auch möglich, wenn der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht gegenüber dem Kind unterhaltspflichtig ist (§ 32 Abs. 6 Satz 6 und 7 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011). Eine Unterhaltspflicht besteht für den anderen Elternteil dann nicht, wenn er mangels ausreichender eigener Mittel nicht leistungsfähig ist (§ 1603 Abs. 1 BGB). Freiwillige Leistungen des nicht leistungsfähigen Elternteils können die Übertragung nicht verhindern. Eine Übertragung scheidet für solche Kalendermonate aus, für die Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt werden. Auf die Höhe der Unterhaltsleistungen kommt es nicht an. Nachzahlungen sind auf die Kalendermonate zu verteilen, für die sie bestimmt sind. Die Übertragung des Kinderfreibetrags führt stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf.

Das Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung der Kapitalertragsteuer (Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz – AbzStEntModG) sieht u.a. die Ergänzung von § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG dahingehend vor, dass die Übertragung des Kinderfreibetrags stets auch zur Übertragung des BEA-Freibetrags führt.; vgl. Gesetzgeber, Änderungsgesetz vom 2.6.2021, BGBl I 2021, 1259 (LEXinform 0457938).

4.2. Erfüllung der Unterhaltspflicht

4.2.1. Die gesetzliche Unterhaltspflicht

4.2.1.1. Allgemeiner Überblick

Die gesetzliche Unterhaltspflicht regeln die §§ 1601 ff. BGB. Danach sind Verwandte gerader Linie gesetzlich verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Unterhaltsberechtigt sind somit Kinder gegenüber ihren Eltern. Voraussetzung ist allerdings, dass das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. So kann ein minderjähriges unverheiratetes Kind von seinen Eltern, auch wenn es Vermögen hat, die Gewährung von Unterhalt insoweit verlangen, als die Einkünfte seines Vermögens und der Ertrag seiner Arbeit zum Unterhalt nicht ausreichen. Ein Elternteil ist dann nicht unterhaltspflichtig, wenn er bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.

4.2.1.2. Unterscheidung in Betreuungs- und Barunterhalt

Das Zivilrecht unterscheidet zwischen:

Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs. 3 BGB)

Barunterhalt

Der Elternteil, der ein minderjähriges Kind betreut, erfüllt seine Verpflichtung, zum Unterhalt des Kindes beizutragen, in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes. Den minderjährigen unverheirateten Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB).

Bei Volljährigkeit ist in der Regel nur Barunterhalt zu gewähren.

Abb.: Zivilrechtliche Unterhaltsleistungen

4.2.2. Wesentliche Erfüllung der Unterhaltsverpflichtung

Ein Elternteil kommt seiner Barunterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind im Wesentlichen nach, wenn er sie mindestens zu 75 % erfüllt. Der Elternteil, in dessen Obhut das Kind sich befindet, erfüllt seine Unterhaltsverpflichtung in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes. Diese Verwaltungsauffassung hat der BFH mit Urteil vom 12.4.2000 (VI R 148/97, BFH/NV 2000, 1194) bestätigt. Zum Kindesunterhalt s.a. → Kindesunterhalt. Der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, erfüllt seine Unterhaltsverpflichtung in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes (§ 1606 Abs. 3 BGB). Die Voraussetzungen für die Übertragung auf die Barunterhalt leistende Kindesmutter sind nicht erfüllt, wenn der unterhaltsverpflichtete Kindesvater durch Aufnahme des Kindes in seinen Haushalt sog. Betreuungsunterhalt leistet, der dem Barunterhalt rechtlich gleichwertig ist. Dabei kommt es in solchen Fällen des geleisteten Betreuungsunterhalts nicht auf das Merkmal der fehlenden Leistungsfähigkeit des Kindesvaters an.

4.3. Nichterfüllung der konkreten Unterhaltsverpflichtung

Die Übertragung des (halben) Kinderfreibetrages von dem einen Elternteil auf den anderen Elternteil setzt voraus, dass der Elternteil, dessen Kinderfreibetrag auf den anderen übertragen werden soll, konkret unterhaltspflichtig ist und dieser Unterhaltspflicht nur ungenügend nachkommt. Ab dem Veranlagungszeitraum 2012 ist eine Übertragung der Kinderfreibeträge zusätzlich zu den bisherigen Voraussetzungen auch möglich, wenn der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht gegenüber dem Kind unterhaltspflichtig ist (§ 32 Abs. 6 Satz 6 und 7 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011). Ob im Fall der Übertragung des Kinderfreibetrags bei volljährigen Kindern ohne vorherigen Antrag automatisch die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf erfolgt, ist Gegenstand eines Revisionsverfahrens; vgl. Schleswig-Holsteinisches FG Urteil vom 8.6.2018, 2 K 46/17; Revision beim BFH unter III R 61/18. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 22.4.2020, III R 61/18 wie folgt: Für ein über 18 Jahre altes Kind ist eine Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden einfachen BEA-Freibetrages nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht vorgesehen. Offen ist, wie die Finanzverwaltung oder der Gesetzgeber auf die Rspr. reagieren. Gegenwärtig können sich jedoch getrenntlebende Elternteile auf diese Rspr. berufen.

Leben nicht miteinander verheiratete Eltern zusammen mit einem gemeinsamen minderjährigen Kind in einem gemeinsamen Haushalt, kann nicht allein deshalb, weil ein betreuender Elternteil keinen oder nur einen geringen Beitrag zum (gemeinsamen) Haushaltseinkommen leistet, davon ausgegangen werden, dass dieser Elternteil i.S.d. § 32 Abs. 6 Satz 6 Alt. 1 EStG seiner Unterhaltspflicht nicht im Wesentlichen nachkommt; vgl. BFH vom 15.12.2021, III R 24/20.

4.4. Ermittlung der wesentlichen Unterhaltsverpflichtung

Maßgebend ist nicht der abstrakte Unterhaltsbedarf des Kindes, sondern die konkrete Höhe der Unterhaltsverpflichtung der Eltern, die sich in erster Linie aus gerichtlichen Titeln oder sonstigen Vereinbarungen ergibt und im Übrigen nach § 1603 BGB zu ermitteln ist (R 32.13 Abs. 1 EStR). Auch die Düsseldorfer Tabelle kann einen Anhaltspunkt über die Höhe der Barunterhaltsverpflichtung geben (→ Kindesunterhalt):

Kommt ein Elternteil seiner Unterhaltsverpflichtung nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit nach, so darf der ihm zustehende Kinderfreibetrag auch dann nicht auf den anderen Elternteil übertragen werden, wenn sein Beitrag zum Unterhaltsbedarf des Kindes verhältnismäßig geringfügig ist (BFH Urteil vom 12.4.2000, VI R 148/97, BFH/NV 2000, 1194 und BFH Urteil vom 25.7.1997, VI R 113/95 BStBl II 1998, 433 und H 32.13 [Konkrete Unterhaltsverpflichtung] EStH).

Allein der Umstand, dass ein sorgeberechtigter Elternteil, der sein minderjähriges Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat, für sich und sein Kind Leistungen nach dem SGB II bezieht, rechtfertigt nicht die Übertragung des diesem für sein Kind zustehenden Kinderfreibetrags und des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf den anderen Elternteil, der den Barunterhalt für das gemeinsame Kind leistet; vgl. BFH Urteil vom 15.6.2016, III R 18/15, BStBl II 2016, 893.

4.5. Verfahrensablauf

Wird die Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden Kinderfreibetrags beantragt, weil dieser seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind für das Kalenderjahr nicht im Wesentlichen nachgekommen ist oder mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist, muss der Antragsteller die Voraussetzungen dafür darlegen; eine Übertragung des dem anderen Elternteil zustehenden Kinderfreibetrags scheidet für Zeiträume aus, in denen Unterhaltsleistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz gezahlt worden sind. Dem betreuenden Elternteil ist auf Antrag der dem anderen Elternteil, in dessen Wohnung das minderjährige Kind nicht gemeldet ist, zustehende Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf zu übertragen. Die Übertragung scheidet aus, wenn der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, der Übertragung widerspricht, weil er Kinderbetreuungskosten trägt (z.B., weil er als barunterhaltsverpflichteter Elternteil ganz oder teilweise für einen sich aus Kindergartenbeiträgen ergebenden Mehrbedarf des Kindes aufkommt) oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut (z. B., wenn eine außergerichtliche Vereinbarung über einen regelmäßigen Umgang an Wochenenden und in den Ferien vorliegt). Die Voraussetzungen für die Übertragung sind monatsweise zu prüfen. In Zweifelsfällen ist dem anderen Elternteil Gelegenheit zu geben, sich zu dem Sachverhalt zu äußern. In dem Kalenderjahr, in dem das Kind das 18. Lebensjahr vollendet, ist eine Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf nur für den Teil des Kalenderjahres möglich, in dem das Kind noch minderjährig ist. Werden die Freibeträge für Kinder bei einer Veranlagung auf den Stpfl. übertragen, teilt das Finanzamt dies dem für den anderen Elternteil zuständigen Finanzamt mit. Ist der andere Elternteil bereits veranlagt, ist die Änderung der Steuerfestsetzung, sofern sie nicht nach § 164 Abs. 2 Satz 1 oder § 165 Abs. 2 AO vorgenommen werden kann, nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO durchzuführen. Beantragt der andere Elternteil eine Herabsetzung der gegen ihn festgesetzten Steuer mit der Begründung, die Voraussetzungen für die Übertragung der Freibeträge für Kinder auf den Stpfl. lägen nicht vor, ist der Stpfl. unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 und 5 AO zu dem Verfahren hinzuzuziehen. Obsiegt der andere Elternteil, kommt die Änderung der Steuerfestsetzung beim Stpfl. nach § 174 Abs. 4 AO in Betracht. Die Übertragung des Kinderfreibetrages führt immer auch zur Übertragung des Freibetrages für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf sowie zum Verlust aller anderen kindbedingten Steuerentlastungen (→ Kindervergünstigungen).

Zu einem sich anschließenden Einspruchsverfahren ist der jeweils andere Elternteil hinzuzuziehen. Die Hinzuziehung kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn der Einspruch offensichtlich unzulässig ist, z.B. wegen Fristversäumnis. Die beabsichtigte Hinzuziehung ist zunächst dem Einspruchsführer mitzuteilen und erst auszusprechen, wenn dieser daraufhin den Einspruch nicht zurücknimmt.

Im Schriftverkehr mit dem Hinzugezogenen und bei Zustellung der Einspruchsentscheidung an diesen ist darauf zu achten, dass dem Hinzugezogenen nur solche Angaben über die steuerlichen Verhältnisse des Einspruchsführers mitgeteilt werden, die unmittelbar mit der Übertragung der Freibeträge für Kinder zusammenhängen. Insbesondere darf die für den Hinzugezogenen bestimmte Ausfertigung der Einspruchsentscheidung weder Steuerbeträge noch Hinweise auf etwaige andere Streitpunkte des Einspruchsverfahrens enthalten.

5. Übertragung des Betreuungsfreibetrages

Nach § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG kann der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf bei minderjährigen Kindern auch abweichend vom Kinderfreibetrag von einem Elternteil auf den anderen Elternteil übertragen werden. Der Betreuungsfreibetrag wird von dem Elternteil, in dessen Wohnung das Kind nicht gemeldet ist, auf den anderen Elternteil, in dessen Wohnung das Kind gemeldet ist, übertragen. Dieser andere Elternteil muss die Übertragung beantragen.

Insgesamt kommt eine Übertragung des Betreuungsfreibetrags auf den anderen Elternteil daher grundsätzlich nicht in Betracht,

  • wenn das Kind in den Wohnungen beider Elternteile gemeldet ist,

  • in der gemeinsamen Wohnung der Eltern gemeldet ist,

  • in keiner Wohnung eines Elternteils gemeldet ist oder

  • in der Wohnung nur eines Elternteils gemeldet ist und dieser die Übertragung nicht beantragt.

Allein der Antrag ist entscheidend für eine zwangsweise Übertragung. Die Übertragung hängt nicht davon ab, dass der andere Elternteil seine Unterhaltspflicht verletzt oder der Übertragung zugestimmt hat (BFH Urteil vom 18.5.2006, III R 71/04, BStBl II 2008, 352). Die Übertragung ist nur für Monate möglich, in denen das Kind noch minderjährig ist.

Der BFH hat mit Urteil vom 27.10.2011 (III R 42/07) entschieden, dass die Übertragung des Freibetrages für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf auf den Elternteil, bei dem das Kind gemeldet ist, nicht gegen das Grundgesetz verstößt, und bejahte somit die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift. Der Gesetzgeber dürfe typisierend davon ausgehen, dass das Kind in dem Haushalt des Elternteils, bei dem es gemeldet ist, umfassend betreut wird. Da dieser Elternteil in der Regel einen höheren Betreuungsaufwand habe als der andere, sei es sachgerecht, den Betreuungsfreibetrag auf Antrag ausschließlich dem Elternteil, bei dem das Kind allein gemeldet ist, zu gewähren.

Es ist verfassungsrechtlich unbedenklich, dass bei getrennt lebenden Eltern für die Übertragung der Freibeträge für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf für minderjährige Kinder nach § 32 Abs. 6 Satz 6, Halbsatz 2 EStG 2007 auf die melderechtlichen Verhältnisse abzustellen ist; vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 12.8.2014, 9 K 9267/13.

Die Regelungen für die Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf eines Kindes sind durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 angepasst worden. Ab dem Veranlagungszeitraum 2012 ist die Meldung des minderjährigen Kindes in der Wohnung des betreuenden Elternteils nicht mehr alleinige Voraussetzung für die Übertragung. Nach neuer Rechtslage kann der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, der Übertragung widersprechen, wenn er Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind regelmäßig in einem nicht unwesentlichen Umfang betreut (§ 32 Abs. 6 Satz 9 EStG).

Diesbezüglich (Umfang der Betreuung) ist ein Revisionsverfahren vor dem BFH (III R 2/16) anhängig (zuvor FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 4.12.2015, 4 K 1624/15): Abweichend von der früheren Rechtslage kann ab dem VZ 2012 der Elternteil, bei dem das Kind nicht gemeldet ist, der beantragten Übertragung seines Freibetrags auf den anderen Elternteil widersprechen, wenn er – in nicht unwesentlichen Umfang – Kinderbetreuungskosten trägt oder das Kind betreut. Bei der Frage, ob die Schwelle der Unwesentlichkeit überschritten ist, ist eine wertende Betrachtung vorzunehmen. Ein Erfordernis gleich hoher Betreuungsanteile der Eltern sieht das Gesetz ebenso wenig vor wie eine Untergrenze von 25 %. Im anschließenden Revisionsverfahren, BFH Urteil vom 8.11.2017, III R 2/16, entschied der BFH, dass der Übertragung des BEA-Freibetrags nach § 32 Abs. 6 Satz 8 EStG auf den anderen Elternteil nach § 32 Abs. 6 Satz 9 Alt. 2 EStG der Elternteil, bei dem das minderjährige Kind nicht gemeldet ist, regelmäßig erfolgreich widersprechen kann, wenn er das Kind nach einem üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge mit einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10 % betreut.

Eine Übertragung von Kinderfreibeträgen ist in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht möglich; vgl. FG Hamburg vom 16.10.2018, 3 K 58/18. Ob ein Elternteil seiner Unterhaltspflicht im Wesentlichen nachkommt, richtet sich nicht nach dem gesamten Unterhaltsbedarf des Kindes, sondern nach der individuellen Unterhaltspflicht des betreffenden Elternteils. Lebt das Kind mit seinen nicht verheirateten Eltern, die beide berufstätig sind, in einem gemeinsamen Haushalt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Eltern das Kind gemeinsam betreuen und anteilig entsprechend ihren Einkommensverhältnissen zum Barunterhalt des Kindes beitragen und ihre jeweilige Unterhaltspflicht damit erfüllen.

Das Niedersächsische FG nimmt mit seinem Urteil vom 19.2.2020, 9 K 20/19 Stellung zu der Übertragung des Freibetrages für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf: Nach der Rspr. des BFH kann das Merkmal einer regelmäßigen Betreuung insbesondere dann als erfüllt angesehen werden, wenn sich ein minderjähriges Kind entsprechend eines – üblicherweise für einen längeren Zeitraum im Voraus festgelegten – weitgehend gleichmäßigen Betreuungsrhythmus tatsächlich in der vereinbarten Abfolge bei dem Elternteil, bei dem es nicht gemeldet ist, aufhält. Bei einem zeitlichen Betreuungsanteil von jährlich durchschnittlich 10 % ist im Regelfall das Merkmal einer Betreuung in einem »nicht unwesentlichen Umfang« als erfüllt anzusehen, wobei weitere Indizien in diesem Fall im Übrigen regelmäßig vernachlässigt werden können.

Als Kinderbetreuungskosten gelten nicht nur Aufwendungen für Dienstleistungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG, sondern alle Aufwendungen für die Betreuung, Erziehung oder Ausbildung des Kindes bis zur Vollendung seines 18. Lebensjahres. Hierzu zählen beispielsweise Aufwendungen für die regelmäßige Unterbringung an Wochenenden. Maßgebend für eine regelmäßige Betreuung in einem nicht unwesentlichen Umfang ist ein nicht nur gelegentlicher Umgang mit dem Kind, der erkennen lässt, dass der Elternteil die Betreuung mit einer gewissen Nachhaltigkeit wahrnimmt, d.h. fortdauernd und immer wieder in Kontakt zum Kind steht. Bei lediglich kurzzeitigem, anlassbezogenem Kontakt, beispielsweise zum Geburtstag, zu Weihnachten und zu Ostern, liegt eine Betreuung in unwesentlichem Umfang vor. Von einem nicht unwesentlichen Umfang der Betreuung eines Kindes ist typischerweise auszugehen, wenn eine gerichtliche oder außergerichtliche Vereinbarung über einen regelmäßigen Umgang an Wochenenden und in den Ferien vorgelegt wird. Widerspricht der andere Elternteil der Übertragung des Freibetrags, so hat das Finanzamt zu prüfen, ob dieser Einrede für das weitere Verfahren Bedeutung zukommt. Die Entscheidung hierüber wird nicht in einem eigenen Verwaltungsakt getroffen, sondern im jeweiligen Einkommensteuerbescheid.

Es ist ausreichend, wenn der Stpfl. der Übertragung durch Einspruch gegen seinen eigenen Steuerbescheid mit dem Ziel widerspricht, dass bei ihm der Freibetrag neu oder wieder angesetzt wird. Ist diese widersprechende Einrede sachlich gerechtfertigt, so ist der Steuerbescheid desjenigen Elternteils, auf dessen Antrag zunächst der Freibetrag übertragen wurde, nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern (vgl. BMF vom 28.6.2013, BStBl I 2013, 845).

Beispiel:

Die Eltern des zehnjährigen Kindes sind geschieden und leben in getrennten Haushalten. Das Kind ist bei der Mutter gemeldet. Der Vater erfüllt seine Unterhaltsverpflichtung und trägt Kinderbetreuungskosten. Die Mutter beantragt die Übertragung sämtlicher Freibeträge.

Lösung:

Eine Übertragung des Kinderfreibetrags scheidet aus, da der Vater seiner Unterhaltsverpflichtung nachkommt. Da das Kind minderjährig ist und bei der Mutter gemeldet ist, ist grundsätzlich die Übertragung der Freibeträge für die Betreuung, Erziehung und Ausbildung des Kindes möglich und bis VZ 2011 auch zulässig. Ab VZ 2012 besitzt der Vater allerdings ein Vetorecht und kann der Übertragung widersprechen, da er Kinderbetreuungskosten trägt.

Dem Gesetzeswortlaut entsprechend ist das FG Münster mit Urteil vom 20.9.2013, Az. 4 K 4588/11 E der Auffassung, dass bei volljährigen Kindern eine Übertragung des Freibetrages für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf – unabhängig von der Übertragung des Kinderfreibetrags – nicht möglich ist, und zwar auch dann nicht, wenn eine der Elternteile keine Unterhaltsaufwendungen trägt. Die Übertragung des Kinderfreibetrags führt entgegen R 32.13 Abs. 4 Satz 2 EStR nicht stets auch zur Übertragung des Freibetrags für Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf. Denn bei volljährigen Kindern ist eine Übertragung dieses Freibetrags gesetzlich nicht vorgesehen.

Die fehlende Möglichkeit für nicht zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eltern, den (halben) Kinderfreibetrag einvernehmlich auf einen Elternteil zu übertragen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Lebens- und Erziehungsgemeinschaften, die keine gesetzlich verfasste Gemeinschaft des Erwerbs und Verbrauchs sind, haben keinen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gleichbehandlung mit zusammenveranlagten Ehegatten, auch nicht hinsichtlich der steuerlichen Entlastung wegen eines unterhaltberechtigten Kindes; vgl. BFH Beschluss vom 24.7.2014, III B 28/13.

Eine Übertragung der auf den anderen Elternteil entfallenden Kinderfreibeträge kommt nicht in Betracht, wenn beide Elternteile unter derselben Adresse gemeldet sind, da in diesem Fall davon ausgegangen werden kann, dass beide Elternteile ihrer auch in Pflege und Erziehung des Kindes bestehenden Unterhaltspflicht nachkommen; vgl. FG Nürnberg vom 8.8.2019, 3 K 504/19. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 15.12.2021, III R 24/20 wie folgt: Bei einer funktionierenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann im Hinblick auf die Übertragung des Kinderfreibetrags nach § 32 Abs. 6 Satz 6 EStG grds. davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Verteilung der Unterhaltsleistungen zwischen den Elternteilen für im Haushalt lebende minderjährige Kinder (in Form von Natural-, Bar- und Betreuungsunterhalt) dem Willen des allein sorgeberechtigten Elternteils oder der gemeinsam sorgeberechtigten Elternteile entspricht.

6. Übertragung der Freibeträge auf die Stief- und Großelternteile

Nach § 32 Abs. 6 Satz 10 EStG ist die Übertragung auf Stiefelternteile und Großeltern möglich. Diese müssen entweder die Übertragung beantragen oder die Eltern bzw. der Elternteil muss der Übertragung zustimmen. Voraussetzung für eine Übertragung ist weiterhin, dass das Kind in den Haushalt der Großeltern (des Großelternteils) oder in den Haushalt des Stiefelternteils aufgenommen ist. Der Kinderfreibetrag und der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf können jedoch nur einheitlich übertragen werden. Die einvernehmliche Übertragung auf einen Stiefelternteil oder Großelternteil kann nur für künftige Kalenderjahre widerrufen werden (§ 32 Abs. 6 Satz 11 EStG).

Ein »Stiefelternteil« kann eine Stiefmutter oder ein Stiefvater sein. Die vorstehenden Begriffe oder der Begriff »Stiefkind« werden im BGB nicht verwendet (s. aber § 1371 Abs. 4 BGB). Der BFH hat als »Stiefkind« das Kind des Ehepartners angesehen (BFH Urteil vom 31.1.1973, II R 10/68, BStBl II 1973, 454). Dies entspricht auch dem allgemeinen Sprachgebrauch, wonach unter Stiefmutter die zweite Frau des Vaters und unter Stiefvater der zweite Mann der Mutter und unter einem Stiefkind der Sohn oder die Tochter des Ehepartners verstanden wird. Danach kann »Stiefelternteil« nur der Ehegatte eines Elternteils sein. Für das Kind der Partnerin einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft kann kein Kinderfreibetrag berücksichtigt werden (BFH Urteil vom 20.4.2004 VIII R 88/00, BFH/NV 2004, 1103).

Die Übertragung der Freibeträge auf einen Stief- oder Großelternteil, die nach altem Recht nur bei einer Haushaltsaufnahme des Kindes möglich war, wurde mit Steuervereinfachungsgesetz 2011 ab dem Veranlagungszeitraum 2012 um die Fälle erweitert, in denen eine konkrete Unterhaltspflicht der Großeltern gegenüber ihrem Enkelkind besteht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Eltern nicht leistungsfähig sind. Dass die Großeltern tatsächlich Unterhalt leisten, ist in geeigneter Weise nachzuweisen. Die Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt der Großeltern ist also nicht mehr zwingende Voraussetzung. Bei einer Haushaltsaufnahme des Enkelkindes erübrigt sich allerdings der Nachweis der Unterhaltsleistungen.

Unter Haushaltsaufnahme ist das örtlich gebundene Zusammenleben in einer gemeinsamen Wohnung zu verstehen. Das Kind muss in diesem Haushalt seine persönliche Versorgung und Betreuung finden und sich nicht nur zeitweise aufhalten. Ein Kind, das sich z.B. wechselweise im Haushalt der leiblichen Eltern und der Großeltern aufhält, ist nicht in den Haushalt der Großeltern aufgenommen.

Eine Übertragung auf einen Großelternteil, der das Kind nicht in seinen Haushalt aufgenommen hat, ist nur möglich, wenn dieser einer konkreten Unterhaltsverpflichtung unterliegt. Dies ist insbes. dann der Fall, wenn die Eltern des Kindes nicht leistungsfähig sind. Die Tatsache, dass der die Übertragung beantragende Großelternteil die Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinem Enkelkind erfüllt, ist in geeigneter Weise – zum Beispiel durch Vorlage von Zahlungsbelegen – nachzuweisen. Bei einer Haushaltsaufnahme erübrigt sich der Nachweis.

7. Übertragung des Behinderten-Pauschbetrages

Steht der Behinderten-Pauschbetrag oder der Hinterbliebenen-Pauschbetrag einem Kind zu, für das der Steuerpflichtige einen Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 EStG oder auf Kindergeld hat, wird der Pauschbetrag auf Antrag auf den Steuerpflichtigen übertragen, wenn ihn das Kind nicht in Anspruch nimmt. Der Pauschbetrag wird auf die Elternteile je zur Hälfte aufgeteilt, es sei denn, der Kinderfreibetrag wurde auf den anderen Elternteil übertragen.

Bei einer Übertragung des Kinderfreibetrags ist stets der volle Behinderten-Pauschbetrag oder der volle Hinterbliebenen-Pauschbetrag zu übertragen. Eine Übertragung des vollen Pauschbetrags erfolgt auch dann, wenn der Kinderfreibetrag nur für einen Teil des Kalenderjahres übertragen wird.

8. Freibeträge für Kinder bei Lebenspartnerschaften

Mit Schreiben vom 17.1.2014 (BStBl I 2014, 109) nimmt das BMF Stellung zu den Freibeträgen für Kinder bei Lebenspartnerschaften:

Hat ein Lebenspartner das leibliche Kind seines Lebenspartners adoptiert, besteht zu beiden Lebenspartnern ein Kindschaftsverhältnis. Demzufolge erhalten beide Lebenspartner jeweils die Freibeträge für Kinder; im Fall der Zusammenveranlagung haben die Lebenspartner einen Anspruch auf die verdoppelten Freibeträge (§ 32 Abs. 6 Satz 2 EStG).

Hat ein Lebenspartner ein fremdes Kind adoptiert, besteht ein Kindschaftsverhältnis nur zu diesem Lebenspartner (Adoptiv-Elternteil). In diesem Fall erhält dieser Lebenspartner sowohl bei Einzel- als auch bei Zusammenveranlagung die verdoppelten Freibeträge für Kinder (§ 32 Abs. 6 Satz 3 Nr. 2 EStG).

Ist ein Lebenspartner leiblicher Elternteil eines Kindes, das sein Lebenspartner nicht adoptiert hat, besteht ein Kindschaftsverhältnis nur zum leiblichen Elternteil. Dieser Elternteil erhält als leiblicher Elternteil in folgenden Fällen ebenfalls die verdoppelten Freibeträge für Kinder:

  • Der andere Elternteil des Kindes ist verstorben oder nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

  • Der Wohnsitz des anderen Elternteils ist nicht ermittelbar.

  • Der Vater des Kindes ist amtlich nicht feststellbar; das ist auch dann der Fall, wenn unter Nutzung fortpflanzungsmedizinischer Verfahren der biologische Vater anonym bleibt.

Besteht eine Unterhaltspflicht eines anderen Elternteils, beispielsweise wenn eine Vaterschaft anerkannt oder gerichtlich festgestellt wurde, erfolgt keine Verdoppelung der Freibeträge bei den Lebenspartnern.

Bei einer bestehenden Unterhaltspflicht kann der Kinderfreibetrag nur dann vom anderen Elternteil auf den in einer Lebenspartnerschaft lebenden leiblichen Elternteil übertragen werden, wenn dieser, nicht aber der andere Elternteil seiner Unterhaltsverpflichtung im Wesentlichen nachgekommen ist oder wenn der andere Elternteil mangels Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig ist (§ 32 Absatz 6 Satz 6 EStG).

Auf Antrag können die Freibeträge für Kinder auf einen Stiefelternteil übertragen werden, wenn dieser das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 32 Abs. 6 Satz 10 EStG). Das gilt auch für Lebenspartner eines Elternteils.

9. Kinderbedingte Vergünstigungen

Voraussetzung für viele kinderbedingte Vergünstigungen ist, dass der Stpfl. für ein Kind einen Kinderfreibetrag, einen Betreuungsfreibetrag oder → Kindergeld erhält. Zu den damit im Zusammenhang stehenden Vergünstigungen s. → Kindervergünstigungen.

10. Verfassungsmäßigkeit der Freibeträge

Die in den Veranlagungszeiträumen 2000 bis 2004 bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten zu berücksichtigenden Grundfreibeträge (§ 32a EStG) und Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) begegnen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken; vgl. BFH vom 27.7.2017, III R 1/09.

11. Literaturhinweise

Aktuelle Entwicklungen beim Kindergeld und bei der steuerlichen Berücksichtigung von Kindern, NWB 2013, 1560; Hörster, Abzugsteuerentlastungsmodernisierungsgesetz, NWB 23/2021, 1652.

12. Verwandte Lexikonartikel

Einkünfte und Bezüge von Kindern

Familienleistungsausgleich

Kinder

Kinderbetreuungskosten

Kindergeld

Kindervergünstigungen

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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