Leibrenten

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Leibrenten sind z.B. Altersrente, Erwerbsminderungs- und Berufsunfähigkeitsrente, Witwenrente, Waisenrente, Erziehungsrente und werden von den gesetzlichen Rentenversicherungen, landwirtschaftlichen Alterskassen oder berufsständigen Versorgungseinrichtungen gezahlt
  • Wie viele Steuern Sie tatsächlich auf ihre Rente zahlen müssen, hängt vom Jahr des Renteneintritts ab.
  • Der steuerpflichtige Teil der Rente beträgt bei Rentenbeginn in 2005 oder früher 50 Prozent. Mit jedem späteren Jahr des Renteneintritts steigt der steuerpflichtige Anteil um zwei Prozent. Bei einem Renteneintritt ab 2040 sind dann die gesetzlichen Renten zu 100 Prozent steuerpflichtig.

Inhaltsverzeichnis

1 Begriff der Rente und Erscheinungsformen
2 Ermittlung der Einkünfte aus Leibrenten i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG
2.1 Anwendungsbereich
2.2 Jahresbetrag der Rente:
2.3 Besteuerungsanteil der Rente
2.4 Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente
2.5 Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente
2.6 Behandlung von Rentennachzahlungen
2.7 Rückwirkende Rentenbewilligung
2.8 Einzelheiten zu den Erscheinungsformen der Leibrente i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG
2.8.1 Leibrenten und andere Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen
2.8.2 Leibrenten und andere Leistungen aus der landwirtschaftlichen Alterskasse
2.8.3 Leibrenten und andere Leistungen aus den berufsständischen Versorgungseinrichtungen
2.8.4 Leibrenten und andere Leistungen aus Rentenversicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b EStG
3 Unterscheidung: (Leib-)Rente und dauernde Last
3.1 Darstellung unterschiedlicher Rentenarten
3.1.1 Die Zeitrente
3.1.2 Die Leibrente (als Veräußerungs- bzw. Gegenleistungsleibrente)
3.1.3 Die steuerlichen Auswirkungen der verschiedenen Rentenarten (Lösung des Beispiels 1)
4 Die Leibrente bei der vorweggenommenen Erbfolge – Sonderrechtsinstitut: Wiederkehrende Versorgungszusagen anlässlich der vorweggenommenen Erbfolge
4.1 Der Begriff der Vermögensübertragung
4.2 Unentgeltlichkeit der Vermögensübertragung
4.3 Gegenstand der Vermögensübertragung i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG
4.4 Ausreichend Ertrag bringendes Vermögen
4.5 Die nachträgliche Umschichtung
5 Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge: Besteuerung des Veräußerers
6 Übertragung von Privatvermögen gegen wiederkehrende Leistungen auf Lebenszeit
6.1 Behandlung der Anschaffungskosten und des Zinsanteils beim Verpflichteten
6.2 Behandlung der Anschaffungskosten und des Zinsanteils beim Berechtigten
6.3 Beispiele
7 Literaturhinweise
8 Verwandte Lexikonartikel

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Eine mit dem Jahressteuergesetz 2022 (JStG 2022, verkündet BGBl I 2022, 2294) verkündete Gesetzesänderung betrifft den Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen. Bisher ist gesetzlich vorgesehen, dass diese Altersvorsorgeaufwendungen bis zu dem Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung (§ 10 Abs. 3 EStG) erstmals im Jahr 2025 zu 100 % als Sonderausgaben berücksichtigt werden können. Mit der Änderung wird der bisher ab dem Jahr 2025 vorgesehene vollständige Sonderausgabenabzug auf das Jahr 2023 vorgezogen.

Mit dem vollständigen Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG bereits ab dem Jahr 2023 wird auch die Übergangsregelung zum Ansatz der Rentenversicherungsbeiträge im Rahmen der Vorsorgepauschale gegenstandlos.

Eine weitere Änderung durch das JStG 2022 betrifft den Grundrentenzuschlag (zum 1.1.2021 eingeführter einkommensabhängiger Zuschlag zur Rente für langjährige Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung, vgl. Grundrentengesetz vom 12.8.2020 (BGBl I 2020, 1879). Mit dem neu eingefügten § 3 Nr. 14a EStG wird nun der Betrag der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der aufgrund des Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung nach SGB VI geleistet wird (Grundrentenzuschlag), steuerfrei gestellt. Die Steuerfreistellung ist rückwirkend bereits für den Veranlagungszeitraum 2021 anzuwenden (§ 52 Abs. 4 Satz 5 EStG). Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung haben bis zum letzten Tag des Monats Februar 2024 für das jeweilige Leistungsjahr eine insoweit korrigierte Rentenbezugsmitteilung an die Finanzverwaltung zu übermitteln (§ 52 Abs. 4 Satz 6 EStG). Entsprechend musste eine eigene Änderungsvorschrift geschaffen werden. Danach ist ein Einkommensteuerbescheid in dem Umfang zu ändern, der sich aus der korrigierten Rentenbezugsmitteilung ergibt (§ 52 Abs. 4 Satz 7 EStG). Das gilt auch, wenn der Einkommensteuerbescheid bereits bestandskräftig ist (§ 52 Abs. 4 Satz 8 EStG).

1. Begriff der Rente und Erscheinungsformen

Renten sind gleichbleibend wiederkehrende Bezüge in Geld (oder vergleichbaren Gegenleistungen in Geldeswert) als geschuldete Gegenleistung für einen privaten Gegenstand.

In der Form der (häufig synonym verwendeten) Leibrenten sind diese periodischen Bezüge grundsätzlich bis zum Ableben des Bezugsberechtigten zu zahlen.

Hauptfall der Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen sind die Einkünfte aus Leibrenten § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG, H 22.3 »Allgemeines« EStH.

Einzelheiten zur Besteuerung von Leibrenten ergeben sich aus dem BMF-Schreiben vom 19.8.2013, BStBl I 2013, 1087, Rz. 195 ff.); zuletzt geändert durch BMF vom 10.1.2022, BStBl I 2022, 36).

Begriff der Leibrente, s.a. H 22.3 »Begriff der Leibrente« EStH 2021, umfasst gleichbleibende Bezüge (jährliche Anpassungen als Inflationsausgleich oder Wertsicherung sind unschädlich) für die Dauer der Lebenszeit einer Bezugsperson, wobei die Zahlung in der Regel aufgrund eines (Renten-)Stammrechts, durch eigene Beitragsleistungen in die Rentenkasse oder durch ein privates Veräußerungsgeschäft (s.u. Gegenleistungsleibrente) entstanden ist.

Die Haupterscheinungsform der Leibrenten ist die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Deutschen Rentenversicherung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG.

Altersrenten werden im Regelfall ab Vollendung des 65. Lebensjahres bis zum Tod des Rentenberechtigten gezahlt. Die »Rente mit 67« gilt für alle, die 1964 oder später geboren wurden. (Anhebung des Rentenalters ab 2012).

2. Ermittlung der Einkünfte aus Leibrenten i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG

2.1. Anwendungsbereich

Unter § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG fallen alle Leistungen aus den betroffenen Versorgungseinrichtungen, unabhängig davon, ob es sich handelt um:

  • Leibrenten oder abgekürzte Leibrenten (= Teilrenten),

    z.B. Altersrente Erwerbsminderungsrente, Witwen- und Waisenrente, Erziehungsrente,

  • einmalige Leistungen

    (z.B. Sterbegeld, Abfindung von Kleinbetragsrenten),

  • vgl. BMF vom 19.8.2013, Rz. 195.

Mit Urteil vom 19.5.2021 bestätigt der BFH seine bisherige Auffassung, dass sowohl der zum 1.1.2005 eingeleitete Systemwechsel zur grundsätzlich vollen Einkommensteuerpflicht von Leibrenten und anderen Leistungen der Basisversorgung als auch die Grundsystematik der gesetzlichen Übergangsregelung verfassungsgemäß ist (BFH vom 19.5.2021, X R 33/19, BFH/NV 2021, 992, LEXinform 0952631).

Der BFH stellt weiterhin fest:

  • Einem Stpfl., der nachweisen kann, dass es in seinem konkreten Einzelfall zu einer doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen kommt, kann allerdings aus verfassungsrechtlichen Gründen ein Anspruch auf eine Milderung des Steuerzugriffs in der Rentenbezugsphase zustehen. Eine solche doppelte Besteuerung ist nicht gegeben, wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Altersvorsorgeaufwendungen. Die erforderliche Vergleichs- und Prognoserechnung ist auf der Grundlage des Nominalwertprinzips vorzunehmen.

  • Als steuerfrei bleibende Rentenzuflüsse sind in der Vergleichs- und Prognoserechnung die infolge der gesetzlichen Übergangsregelung zu beanspruchenden Rentenfreibeträge (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 EStG) für die Rente des Stpfl. sowie für eine etwaige Hinterbliebenenrente seines statistisch voraussichtlich länger lebenden Ehegatten anzusetzen. Weitere Beträge, die im Rahmen der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens des Rentners abziehbar sind oder steuerfrei gestellt werden, sind nicht einzubeziehen (z.B. Grundfreibetrag, Sonderausgabenabzug für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung, Beitragsanteile des Rentenversicherungsträgers zur Krankenversicherung der Rentner, Werbungskosten-Pauschbetrag, Sonderausgaben-Pauschbetrag).

  • Für die Ermittlung der in Veranlagungszeiträumen bis 2004 aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Altersvorsorgeaufwendungen sind die Beiträge zu den verschiedenen Sparten der gesetzlichen Sozialversicherung (einschließlich der ihnen gleichgestellten Teile der Vorsorgeaufwendungen nicht gesetzlich Versicherter) gleichrangig zu berücksichtigen. Alle anderen nach damaliger Rechtslage dem Grunde nach abziehbaren Vorsorgeaufwendungen werden im Rahmen der retrospektiv vorzunehmenden Prüfung, in welchem Umfang Altersvorsorgeaufwendungen in früheren Veranlagungszeiträumen als aus versteuertem Einkommen geleistet gelten, lediglich nachrangig berücksichtigt. In Fällen der Zusammenveranlagung von Eheleuten, die jeweils eigene Vorsorgeaufwendungen getragen haben, werden die gemeinsamen Sonderausgaben-Höchstbeträge im Verhältnis der vorrangig zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen beider Eheleute aufgeteilt. Eine Kürzung um Beitragsanteile, die nach der Finanzierungs- und Ausgabenstruktur der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung kalkulatorisch nicht auf die Leistung von Alters- oder Hinterbliebenenrenten entfallen, ist nicht vorzunehmen. BFH vom 19.5.2021, X R 33/19, LEXinform 0952631 und BFH Pressemitteilung vom 31.5.2021 (LEXinform 0460705).

Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (AdV-Verfahren) bestätigt der BFH seine o.g. Senatsurteile vom 19.5.2021, X R 33/19 und X R 20/19 und damit die Notwendigkeit einer Vergleichs- und Prognoserechnung auf Grundlage des Nominalwertprinzips, BFH Beschluss X B 53/21 (AdV) vom 24.8.2021 (LEXinform 4237871). Alternativen Berechnungsmethoden wie einem Vergleich des relativen Anteils von aus versteuerten Beiträgen erdienten Rente-Entgeltpunkten (§ 63 Abs. 2 SGB VI) mit dem gesetzlich angeordneten Steuerfreistellungsanteil der Rente erteilt er eine Abfuhr. Aus dem Leitsatz:

Eine verfassungsrechtlich unzulässige doppelte Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Alterseinkünften gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ist nach inzwischen ständiger höchstrichterlicher Rspr. jedenfalls dann nicht gegeben, wenn die Summe der voraussichtlichen steuerfrei bleibenden Rentenzuflüsse mindestens ebenso hoch ist wie die Summe der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Rentenbeiträge.

Um einer möglichen ab 2023 eintretenden unzulässigen doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber im Rahmen des JStG (s. Aktuelles) nun den vollen Sonderausgabenabzug für Altersvorsorgeaufwendungen vorgezogen.

2.2. Jahresbetrag der Rente:

Maßgebend ist der Bruttobetrag der Rente (Jahresbetrag der Rente). Eine Kürzung um die einbehaltenen eigenen Beiträge des Rentners zur Kranken- und Pflegeversicherung ist nicht zulässig, da Versicherungsleistungen zu den nicht abzugsfähigen Kosten der Lebensführung gem. § 12 Nr. 1 EStG gehören. Diese Beiträge sind jedoch als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG zu berücksichtigen. Steuerfreie Zuschüsse des Rentenversicherungsträgers zu den Krankenversicherungsbeiträgen nach § 3 Nr. 14 EStG gehören jedoch nicht zum Jahresbetrag der Rente.

Zum Jahresbetrag der Rente gehören auch die im Kj. zugeflossenen anderen Leistungen.

2.3. Besteuerungsanteil der Rente

Maßgebend für den prozentualen Besteuerungsanteil der Rente sind das Jahr des Rentenbeginns und der für dieses Jahr in der Tabelle aufgeführte Prozentsatz. Unter Beginn der Rente ist der Zeitpunkt zu verstehen, ab dem die Rente (ggf. nach rückwirkender Zubilligung) tatsächlich bewilligt wird (BMF vom 19.8.2013, Rz. 220).

Jahr des Rentenbeginns

Besteuerungsanteil in %

bis 2005

50

ab 2006

52

2007

54

Bis zum Jahr 2020 erhöht sich der steuerbare Anteil der Rente für jeden neu hinzukommenden Rentenjahrgang (Kohorte) jährlich um zwei Prozentpunkte, danach um einen Prozentpunkt. Folglich ist erstmalig für die Rentnerkohorte des Jahres 2040 die Leibrente in voller Höhe steuerpflichtig.

Jahr des Rentenbeginns

Besteuerungsanteil in %

2020

80

2021

81

2022

82

2039

99

2040

100

Das – für die Höhe des Besteuerungsanteils maßgebliche – »Jahr des Rentenbeginns« (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG) ist das Jahr, in dem der Rentenanspruch entstanden ist, also seine Voraussetzungen erfüllt sind, BFH vom 31.8.2022, X R 29/20, BFH/NV 2023, 180. Wird der Beginn des Renteneintritts auf Antrag des Rentenberechtigten zur Erlangung eines höheren Rentenanspruchs über das Erreichen der Regelaltersgrenze hinaus aufgeschoben, ist der Zeitpunkt maßgeblich, den der Rentenberechtigte in Übereinstimmung mit den entsprechenden Rechtsgrundlagen des für ihn geltenden Versorgungssystems als Beginn seiner aufgeschobenen Altersrente bestimmt.

Der erstmals für das Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, zu ermittelnde steuerfreie Teilbetrag der Rente hat für Folgejahre keine Bindungswirkung. Ein eventueller Fehler, der dem FA in einem bestandskräftig veranlagten Vorjahr bei der Ermittlung des steuerfreien Rententeilbetrags unterlaufen ist, ist daher nicht in die Folgejahre zu übernehmen (ebenfalls BFH vom 31.8.2022, X R 29/20, BFH/NV 2023, 180).

2.4. Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente

Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente ist der steuerfreie Teil der Rente. Dieser gilt ab dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 und 5 EStG; BMF vom 19.8.2013, Rz. 230 ff.). Bei Renten, die vor dem 1.1.2005 begonnen haben, ist der steuerfreie Teil der Rente des Jahres 2005 maßgebend.

Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des steuerfreien Teils der Rente ist der Jahresbetrag der Rente in dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt. Bei Renten mit Rentenbeginn vor dem 1.1.2005 ist der Jahresbetrag der Rente des Jahres 2005 maßgebend (BMF vom 19.8.2013, Rz. 231).

Regelmäßige Rentenanpassungen führen nicht zu einer Neuberechnung des steuerfreien Anteils der Rente (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG, BMF vom 19.8.2013, Rz. 217 und 232 ff.).

Hinweis zur neuen Mütterrente:

Ab dem 1.7.2014 wird Müttern oder Vätern für die Erziehungszeiten ihrer vor 1992 geborenen Kinder die sog. »Mütterrente« gezahlt. Hierbei handelt es sich um einen Teil der Leibrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Hierzu führt das FinMin Schleswig-Holstein mit Verfügung vom 10.11.2014, VI 307 – S 2255 – 152 Folgendes aus:

Bei dieser Rentenerhöhung handelt es sich nicht um eine regelmäßige Rentenanpassung, sondern um eine außerordentliche Neufestsetzung des Jahresbetrags der Rente. Der steuerfreie Teil der Rente ist daher neu zu berechnen. Deshalb ist der bisherige steuerfreie Teil der Rente um den steuerfreien Teil der »Mütterrente« zu erhöhen. Die »Mütterrente« wird mithin nicht in vollem Umfang in die Besteuerung mit einbezogen.

Beispiel 1:

Der Stpfl. X bezieht seit Jahren eine Altersrente aus der gesetzlichen Sozialversicherung. Im Jahr 2005 erhält er eine monatliche Altersrente i.H.v. 1 000 €.

Lösung:

Der Besteuerungsanteil der Tabelle in § 22 Abs. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG beträgt 50 %. Der Jahresbetrag der Rente beträgt 12 000 €.

Einkünfte im Jahr 2005:

Jahresbetrag der Rente

12 000 €

× 50 %

6 000 €

WK-Pauschbetrag § 9a Nr. 3 EStG

./. 102 €

Einkünfte

5 898 €

Es wird für die restliche Laufzeit der Rente ein Freibetrag von 6 000 € festgeschrieben.

Beispiel 2:

ArbN A geht im September 2012 in Rente, die monatliche Rente beträgt ab 1.9.2012 1 000 €. Zum 1.7.2013 erfolgt eine Rentenanpassung auf 1 100 € und zum 1.7.2014 auf 1 200 €.

Lösung:

2012:

Im Jahr 2012 gilt ein Besteuerungsanteil von 64 %. Der Rentner hat folgende Beträge zu versteuern:

4 × 1 000 €

4 000 €

× 64 %

2 560 €

WK-Pauschbetrag § 9a Nr. 3 EStG

./. 102 €

Einkünfte 2012

2 458 €

Im Jahr 2012 erfolgt keine Festschreibung des Rentenfreibetrages (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 4 und 5 EStG i.U.).

2013:

6 × 1 000 €

6 000 €

6 × 1 100 €

6 600 €

Summe

12 600 €

× 64 % Besteuerungsanteil

8 064 €

anzusetzen

8 064 €

WK-Pauschbetrag § 9a Nr. 3 EStG

./. 102 €

Einkünfte 2013

7 962 €

Der steuerfreie Teil der Rente wird ab dem Jahr 2013 festgeschrieben und beträgt 4 536 € (12 600 € ./. 8 064 €), § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 5 EStG.

2014:

6 × 1 100 €

6 600 €

6 × 1 200 €

7 200 €

Summe

13 800 €

13 800 €

festgeschriebener steuerfreier Teil der Rente

./. 4 536 €

WK-Pauschbetrag § 9a Nr. 3 EStG

./. 102 €

Einkünfte 2014

9 162 €

Für das Jahr 2014 werden u.a. folgende Daten von der Rentenversicherung übermittelt (RBM):

  • Beschreibung = Leibrente (Rentenart 1–4)

  • Rechtsgrundlage = § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG

  • Beginn der Rente = 1.9.2012

  • (Teil)Leistung = 13 800 €

  • Anpassungsbetrag = 1 200 €

2.5. Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente

Zur Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente siehe Rz. 232 ff. des BMF-Schreibens vom 19.8.2013 und das ausführliche Beispiel in Rz. 234.

Hinweis zur Witwen/r-Rente:

Das FG Köln hat in einem Urteil vom 23.10.2013 (Az.: 4 K 2322/10) entschieden, dass Veränderungen des Jahresbetrags einer Witwenrente aufgrund von Einkommensanrechnungen stets zu einer Neuberechnung des steuerfreien Teils der Rente führen. Derartige Veränderungen stellen keine regelmäßigen Anpassungen i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 7 EStG dar.

Die anschließende Revision des Klägers wurde vom BFH als unbegründet zurückgewiesen (BFH Urteil vom 17.11.2015, X R 53/13, BFH/NV 2016, 549). Danach gilt gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 5 EStG der steuerfreie Teil der Rente ab dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs. Es kommt auch dann stets auf die Verhältnisse des zweiten Rentenbezugsjahrs an, wenn bereits das erste Rentenbezugsjahr –wie im Urteilsfall– einen Zeitraum von vollen zwölf Monaten umfasst hat.

2.6. Behandlung von Rentennachzahlungen

Häufig werden Renten rückwirkend bewilligt und ausgezahlt. Bei der erstmaligen Rentenzahlung erfolgt dann auch die Auszahlung der zurückliegenden Rentenzeiträume. In diesem Zusammenhang führt die rückwirkende Auszahlung zu einer Zusammenballung von Zahlungen, die sowohl für das laufende Kalenderjahr als auch für das Vorjahr erfolgen. Die Zusammenballung bewirkt dabei regelmäßig eine erhöhte Steuerbelastung, da mit steigendem Einkommen auch die durchschnittliche Steuerbelastung steigt. Rentennachzahlungen stellen daher gem. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG außerordentliche Einkünfte dar, s.a. R 34.4 Abs. 1 Satz 2 EStR 2012. Für diese außerordentlichen Einkünfte gilt nach § 34 Abs. 1 EStG die sog. »Fünftelregelung«, in der Folge kann für Rentennachzahlungen eine Tarifermäßigung in Betracht kommen.

Nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG gilt eine Rentennachzahlung nur als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit, soweit sich die Nachzahlung über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.

Bei Rentennachzahlungen sind folgende zwei Fälle zu unterscheiden:

  • Nachzahlung erfolgt für mehrere Jahre/mind. zwei VZ und mehr als zwölf Monate

    = außerordentliche Einkünfte mit Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG;

  • Nachzahlung erfolgt für Zeiträume des laufenden Kalenderjahres

    = normale Einkünfte ohne Steuervergünstigung.

Rentennachzahlungen oder auch Rückzahlungen können in der Rentenbezugsmitteilung nach § 22a EStG gesondert ausgewiesen werden.

Beispiel 3:

X erhält im Jahr 2014 erstmals Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Laut Rentenbescheid vom August des Jahres 2014 wird die Rente erstmals zum 1.3.2014 bewilligt. Im September 2014 wird ihr die Rente für die Monate März bis September 2014 in einem Betrag überwiesen.

Handelt es sich vorliegend um außerordentliche Einkünfte?

Lösung:

Da die Nachzahlung für Monate des laufenden Kalenderjahres erfolgt, liegt keine Zusammenballung im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG vor. Die Rentennachzahlung wird regulär besteuert.

2.7. Rückwirkende Rentenbewilligung

Eine rückwirkende Bewilligung der Rente fällt häufig zusammen mit dem Wegfall von Sozial-leistungen, wie z.B. Kranken- oder Arbeitslosengeld. Durch die rückwirkende Rentenbewilligung fallen dann gleichzeitig auch die Ansprüche auf diese Lohnersatzleistungen weg. In der Regel wird der Rentenanspruch mit den bisher gezahlten Leistungen verrechnet (§ 107 Abs. 1 i.V.m. § 103 Abs. 1 SGB X). Die bisherigen Zahlungen gelten als Rentenzahlungen (Umwidmung). Diese Zahlungen sind nach der im Jahr des Zuflusses geltenden Fassung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG zu besteuern. Die umgewidmeten Beträge sind in die Rentenbezugsmitteilung aufzunehmen. Bereits erstellte Rentenbezugsmitteilungen sind vom Versicherungsträger zu berichtigen.

Da die bisherigen Zahlungen durch diese »Umwidmung« nicht mehr als Lohnersatzleistungen gelten, sondern als Rentenzahlungen, fällt der bisher angewendete Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG weg. In der Praxis werden die Einkommensteuerbescheide der Vorjahre regelmäßig bereits bestandskräftig sein. Die Bewilligung der Rente stellt aber ein Ereignis i.S.d. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar, welches auf die Vorjahre zurückwirkt. Somit sind auch bereits bestandskräftige Steuerbescheide änderbar, siehe auch R 32b Abs. 4 Nr. 3 EStR 2012.

2.8. Einzelheiten zu den Erscheinungsformen der Leibrente i.S.v. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG

2.8.1. Leibrenten und andere Leistungen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen

Leibrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen auch bei freiwilligem Eintritt in die Pflichtversicherung der Besteuerung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (BFH vom 24.8.2011, VIII R 23/08, BFH/NV 2012, 560). Allerdings ist die Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG zu prüfen (s.u.).

Erhält der Stpfl. unter Geltung des Alterseinkünftegesetzes von der Deutschen Rentenversicherung neben einer Rentennachzahlung für Vorjahre auch Zinsen nach § 44 Abs. 1 SGB I auf die Nachzahlung, so ist diese Zinszahlung nach einer Entscheidung des BFH als Kapitaleinnahme i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu erfassen (BFH Urteil vom 9.6.2015, VIII R 18/12, BFH/NV 2015, 1616). Mit BMF vom 4.7.2016 schließt sich die Verwaltung dieser Auffassung an und hat Rz. 196 des BMF-Schreibens vom 19.8.2013 geändert:

Zu den Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG gehören auch Zusatzleistungen und andere Leistungen. Dazu zählen nicht Zinsen auf Rentennachzahlungen. Diese gehören gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (BFH vom 9.6.2015, VIII R 18/12, BStBl II 2016, 523).

Nach der Entscheidung des Saarländischen FG vom 27.6.2011 (2 K 1599/09) unterliegt eine Erziehungsrente i.S.d. § 47 SGB VI mit dem Besteuerungsanteil nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG der ESt (s.a. BMF vom 19.8.2013, Rz. 195). Mit Urteil vom 19.8.2013 (X R 35/11, BFH/NV 2013, 1861) bestätigt der BFH die Rechtsauffassung des Saarländischen FG:

»Erziehungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung gehören zu den gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuernden Leibrenten und sonstigen Leistungen. Sie sind keine nicht steuerbaren Schadenersatz- oder Unterhaltsrenten gem. § 844 Abs. 2 BGB. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Einbeziehung der Erziehungsrenten in die Vorschrift des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG hat der BFH nicht. Zu den Leibrenten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen gehören alle in § 33 SGB VI aufgezählten Rentenarten, die durch die gesetzliche Rentenversicherung gewährt werden. Das sind neben den Renten wegen Alters (§ 33 Abs. 2, §§ 35 ff. SGB VI) oder wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 33 Abs. 3, §§ 43 ff. SGB VI) auch die Renten wegen Todes (§ 33 Abs. 4, §§ 46 ff. SGB VI). Zu diesen zählen gem. § 47 SGB VI auch die Erziehungsrenten.«

Mit Urteil vom 13.4.2011 (X R 33/09, BFH/NV 2011, 1496; s.a. BFH Urteil vom 13.4.2011, X R 54/09, BStBl II 2011, 910) hat der BFH entschieden, dass Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherungen nicht mit ihrem Ertragsanteil, sondern mit dem Besteuerungsanteil gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG zu besteuern sind. Erwerbsminderungsrenten der gesetzlichen Rentenversicherung gehören zu den Leibrenten und sonstigen Leistungen, die gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern sind. Daher bestimmt sich der Besteuerungsanteil der Rente nach der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG; § 55 Abs. 2 EStDV ist nicht anwendbar.

Sozialversicherungsrenten sind Leibrenten i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG. Solche Renten sind, wenn sie auf eine bestimmte Zeit beschränkt sind oder zu einem früheren Zeitpunkt als mit dem Tod des Versicherten enden, abgekürzte Leibrenten. Daran hat sich durch die Neuregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgrund des AltEinkG nichts geändert. Zu den Leibrenten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen gehören alle in § 33 SGB VI aufgezählten Rentenarten, die durch die gesetzliche Rentenversicherung gewährt werden, nämlich die Renten wegen Alters (§ 33 Abs. 2, §§ 35 ff. SGB VI), wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 33 Abs. 3, §§ 43 ff. SGB VI) sowie wegen Todes (§ 33 Abs. 4, §§ 46 ff. SGB VI).

Während die Erwerbsminderungsrenten als abgekürzte Leibrenten bis zum Inkrafttreten des AltEinkG nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 4 EStG a.F. i.V.m. § 55 Abs. 2 EStDV zu versteuern waren, fehlt der Neuregelung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG ein Hinweis auf eine Ertragsanteilsbesteuerung aufgrund der Rechtsverordnung, sodass auch die Erwerbsminderungsrenten – ebenso wie die anderen in § 33 SGB VI genannten Renten – mit dem Besteuerungsanteil gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern sind. Demgegenüber werden nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG die Leibrenten, »die nicht solche i.S.d. Doppelbuchst. aa sind«, mit dem in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 4 EStG bestimmten Ertragsanteil besteuert. Sind diese Renten abgekürzte Leibrenten, wird der Ertragsanteil durch eine Rechtsverordnung bestimmt (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 5 EStG). Diese Vorschrift bildet i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 3 EStG die Ermächtigungsgrundlage für die Regelung des § 55 Abs. 2 EStDV, in der die Ertragsanteile für abgekürzte Leibrenten festgelegt worden sind.

Die Neuregelung des Alterseinkünftegesetzes gilt auch für nachgezahlte Erwerbsminderungsrenten, die zwar bis zum 31.12.2004 entstanden, jedoch erst nach der Systemumstellung dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind (BFH Urteile vom 13.4.2011, X R 19/09, BFH/NV 2011, 1489, X R 1/10, BStBl II 2011, 915 und X R 17/10, BFH/NV 2011, 1501, Rz. 191 BMF-Schreiben v. 19.8.2013). Dies gilt entsprechend für eine Nachzahlung aus der landwirtschaftlichen Alterskasse und den berufsständischen Versorgungseinrichtungen. Es ist zu prüfen, ob § 34 Abs. 1 EStG Anwendung findet. Die Tarifermäßigung ist grundsätzlich auch auf Nachzahlungen von Renten i.S.d. § 22 Nr. 1 EStG anwendbar, soweit diese nicht auf den laufenden VZ entfallen (R 34.4 Abs. 1 EStR 2012).

Altersrente von internationalen Organisationen:

Von internationalen Organisationen gezahlte Altersbezüge sind nach deutschem Recht rechtsvergleichend zu qualifizieren. Renten der Vereinten Nationen sind Einkünfte aus Leibrenten der Basisversorgung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (Abgrenzung zu Pensionen der NATO), BFH Urteil vom 5.4.2017, X R 50/14, BFH/NV 2017, 1101 (LEXinform 0950225), Vorinstanz FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 20.5.2014, 15 K 1216/10, EFG 2015, 1278. Angesichts der Tatsache, dass immer mehr in Deutschland ansässige Bürger, die in den letzten Jahrzehnten in Dienste internationaler Organisationen eingetreten sind inzwischen bereits oder in naher Zukunft Altersbezüge aus dieser Tätigkeit beziehen werden, ist die Entscheidung richtungsweisend. Weitere Probleme sind damit im Bereich der Doppelbesteuerung absehbar.

Sachverhalt und Entscheidungsgründe:

Die Bediensteten (B) der Vereinten Nationen (VN) – aufgrund ihres Wohnsitzes in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig – bezog eine Altersversorgung, die über einen »United Nations Joint Staff Pension Fund« (UNJSPF) geregelt wurde. Während ihrer aktiven Beschäftigung zahlte die Klägerin ca. 7 % ihres Nettogehalts in den UNJSPF (insgesamt 97 627,91 $ bzw. 179 240,48 DM) ein. Die VN leisteten für sie einen Betrag in den UNJSPF, der ca. 14 % ihres Nettogehalts entsprach (insgesamt 195 255,82 $ bzw. 358 480,96 DM). Seit 1998 bezieht sie eine Rente, die sich im Streitjahr 2008 auf 38 785 € belief.

Die einkommensteuerrechtliche Behandlung ihrer Einkünfte richtet sich nach den Maßstäben des deutschen Rechts. Bezieht ein Steuerpflichtiger ausländische Einkünfte, die der deutschen Einkommensbesteuerung unterliegen, so ist bei der Anwendung des deutschen Steuerrechts stets eine rechtsvergleichende Qualifizierung der ausländischen Einkünfte nach deutschem Recht vorzunehmen. Dementsprechend ist bei Alterseinkünften im Wege rechtsvergleichender Betrachtung zu prüfen, welcher Einkunftsart sie zugehören und ggf. welchem Regelwerk innerhalb dieser Einkunftsart sie zu unterwerfen sind. Das bedeutet, dass ausländische oder, wie hier, internationale Alterseinkünfte strukturell und inhaltlich mit den jeweils bestimmenden Charakteristika der inländischen Alterssicherungssysteme abzugleichen sind. Vollkommene Übereinstimmung ist allerdings unwahrscheinlich und deshalb nicht erforderlich (vgl. BFH Urteil vom 26.11.2014, VIII R 38/10, BStBl II 2016, 657). Die Bestimmungen in 3.3 der »Staff Regulations of the United Nations« regeln im Einzelnen die von den Gehältern einzubehaltenden Abgaben. Diese ähneln der inländischen Einkommensteuer. Zum anderen stellt aber auch die Beitragsleistung der VN bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Gehaltsverwendung dar, da diese damit der Klägerin einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen den UNJSPF als Dritten verschafft haben. Der UNJSPF ist gegenüber den VN in einer Weise rechtlich verselbstständigt, dass ihm bei rechtsvergleichender Betrachtung Rechtsfähigkeit zukäme. Er ist daher in diesem Sinne »Dritter«. Die gegen den UNJSPF gerichteten Ruhegeldansprüche der Berechtigten sind schließlich auch nach Art. 27 bis 40 UNJSPF-Regulations unmittelbare und unentziehbare Ansprüche. Dem entspricht es, dass zwar die Beteiligten durchgehend vereinfachend von einer »VN-Rente« sprechen, tatsächlich aber, wie sich aus der entsprechenden Bescheinigung für das Streitjahr ergibt, der UNJSPF die Auszahlung vornimmt. Der BFH hat bei der Qualifikation ausländischer Renten entscheidend darauf abgestellt, ob die ausgezahlte Leistung in ihrem Kerngehalt den gemeinsamen und typischen Merkmalen der inländischen Leistung nach Maßgabe des Drei-Schichten-Modells entspricht. Die zur ersten Schicht gehörende Basisversorgung in diesem Sinne zeichnet sich dadurch aus, dass die Renten erst bei Erreichen einer bestimmten Altersgrenze oder bei Erwerbsunfähigkeit gezahlt werden und dass sie der Sicherung des Lebensunterhalts im Alter dienen. Das wird dadurch gewährleistet, dass die Ansprüche nicht beleihbar, nicht vererblich, nicht veräußerbar, nicht übertragbar und nicht kapitalisierbar sind. Nach diesen Maßstäben wäre die VN-Rente der Klägerin, wenn es sich um einen Teil inländischer Altersversorgung handelte, der Basisversorgung zuzuordnen und unterläge damit der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Die VN-Rente entspricht nach Art. 27 ff. UNJSPF-Regulations in allen inhaltlichen Merkmalen diesen Vorgaben. Im Rahmen der gebotenen rechtsvergleichenden Betrachtung steht die Rechtsgrundlage für die Beitragszahlungen auch einer gesetzlichen Anordnung gleich. Eine doppelte Besteuerung war im vorliegenden Fall nicht gegeben, da die steuerliche Belastung der Vorsorgeaufwendungen nicht höher ist als die steuerliche Entlastung der Altersbezüge, dabei gilt grundsätzlich das Nominalwertprinzip, denn bereits die steuerliche Entlastung der Rentenzuflüsse der Jahre 2008 bis 2014 war höher als die Summe der von der Klägerin aus ihrem Einkommen geleisteten Beiträge an den UNJSPF.

Steigerungsbeträge aus der Höherversicherung der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 269 Abs. 1 SGB VI sind als akzessorische Zusatzleistungen einer gesetzlichen Altersrente der Basisversorgung anzusehen und unterliegen daher der nachgelagerten Besteuerung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. Die Öffnungsklausel für eine zumindest teilweise Ertragsanteilsbesteuerung von Basisversorgungsrenten ist nach dem eindeutigen Wortlaut des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 Halbsatz 1 EStG nur auf Antrag des Stpfl. und nicht von Amts wegen anzuwenden. Zwar sind an einen Antrag keine hohen Anforderungen zu stellen. Finanzverwaltung und Schrifttum gehen deshalb zu Recht davon aus, dass die Öffnungsklausel auch formlos beantragt werden kann. Weder muss der Antrag bereits mit Abgabe der Einkommensteuererklärung gestellt werden noch muss er ausdrücklich auf Anwendung der Öffnungsklausel lauten; ein konkludenter Antrag genügt, vgl. BFH vom 19.5.2021, X R 20/19 (LEXinform 0952483), Rn. 39. S.a. BFH Pressemitteilung vom 31.5.2021 (LEXinform 0460706).

2.8.2. Leibrenten und andere Leistungen aus der landwirtschaftlichen Alterskasse

Die Renten wegen Alters, Erwerbsminderung und Todes nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte gehören zu den Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (BMF vom 19.8.20103, Rz. 200).

2.8.3. Leibrenten und andere Leistungen aus den berufsständischen Versorgungseinrichtungen

Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen werden nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG besteuert, unabhängig davon, ob die Beiträge als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStG berücksichtigt wurden. Die Besteuerung erfolgt auch dann nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG, wenn die berufsständische Versorgungseinrichtung keine den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbaren Leistungen erbringt.

Kinderzuschüsse, die eine berufsständische Versorgungseinrichtung ihren Mitgliedern zahlt, gehören zu den anderen Leistungen, die gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu besteuern sind. Daher bestimmt sich der Besteuerungsanteil der Kinderzuschüsse nach der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 3 EStG (BFH Urteil vom 31.8.2011, X R 11/10, BStBl II 2012, 312). Einer steuerfreien Behandlung dieser Kinderzuschüsse steht der eindeutige Wortlaut des § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG entgegen, nach dem lediglich die Kinderzuschüsse aus den gesetzlichen Rentenversicherungen steuerfrei sind. Für eine teleologische Extension der Vorschrift auf Kinderzuschüsse aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen ist kein Raum. Es liegt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung darin, dass nur die Kinderzuschüsse der gesetzlichen Rentenversicherung und nicht auch die der berufsständischen Versorgungseinrichtungen gem. § 3 Nr. 1 Buchst. b EStG steuerfrei sind.

Einmalige Leistungen (z.B. Kapitalauszahlungen, Sterbegeld, Abfindung von Kleinbetragsrenten) unterliegen ebenfalls der Besteuerung nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (BMF vom 19.8.2013, Rz. 202 bis 205).

Der BFH hat in seinem Urteil vom 23.10.2013 (X R 3/12, BFH/NV 2014, 95) entschieden, dass die auf der Neuregelung beruhende Steuerpflicht dem Sinn und Zweck der neugeregelten Alterseinkünftebesteuerung mit dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung entspricht und weder den Gleichheitssatz verletzt noch gegen das Rückwirkungsverbot verstößt.

Kapitalabfindungen, die von berufsständischen Versorgungswerken ihren Versicherten gewährt werden, sind steuerpflichtig, wenn sie ab dem 1.1.2005, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Alterseinkünftegesetzes, dem Stpfl. zugeflossen sind. Seitdem werden die einmaligen Leistungen ebenso wie die laufenden Renten der berufsständischen Versorgungswerke mit dem sog. Besteuerungsanteil, der im Jahr 2005 50 % betrug und der jährlich ansteigt, der Besteuerung unterworfen. Vor Inkrafttreten des Alterseinkünftegesetzes konnte die Kapitalleistung demgegenüber in den meisten Fällen steuerfrei vereinnahmt werden.

Im Streitfall hatte der Kläger im März 2009 eine einmalige Kapitalabfindung i.H.v. 350 000 € von seinem Versorgungswerk erhalten. Diese wurde vom FA mit dem Besteuerungsanteil von 58 % besteuert, während der Kläger der Auffassung war, die Abfindung sei nicht steuerbar.

Das FG und auch der BFH sahen dies anders. Die gesetzliche Neuregelung der Besteuerung der Alterseinkünfte sei ausdrücklich auch auf andere als lediglich laufende Rentenleistungen, und damit auch auf einmalige Zahlungen, anzuwenden, die nach dem 31.12.2004 zugeflossen seien. Für eine Einschränkung dieser Vorschrift bestehe keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit. Da aber für den Bereich der Basisversorgung lediglich Rentenzahlungen typisch sind und die Versorgungswerke nur Abfindungen zahlen dürfen, die auf vor 2005 bezahlten Beiträgen beruhen, hat der BFH eine atypische Zusammenballung von Einkünften bejaht und insoweit auf die Kapitalleistung die Fünftelregelung gem. § 34 EStG angewendet.

Hinweis zum Sterbegeld:

Zur Frage, ob das von einer Versorgungsanstalt gezahlte Sterbegeld als »andere Leistung« nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG zu versteuern oder, ob es sich um eine steuerfreie »zweckgebundene« Einmalzahlung handelt, hat der BFH mit Urteil vom 23.11.2016, X R 13/14, BFH/NV 2017, 445, entschieden, dass auch ein einmaliges Sterbegeld, das ein berufsständisches Versorgungswerk neben der laufenden Hinterbliebenenrente an den überlebenden Ehegatten des Mitglieds zahlt, als »andere Leistung« § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG mit dem Besteuerungsanteil der Einkommensteuer unterliegt. In Bezug auf das Sterbegeld ist der für »Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten« geltende ermäßigte Steuersatz nicht zu gewähren.

2.8.4. Leibrenten und andere Leistungen aus Rentenversicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b EStG

Leistungen aus Rentenversicherungen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b EStG unterliegen der nachgelagerten Besteuerung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG (BMF vom 19.8.2013, Rz. 206).

Für Leibrenten aus Rentenversicherungen, die nicht die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b Doppelbuchst. aa EStG erfüllen verbleibt es bei der Ertragsanteilsbesteuerung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG. Bei den gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG nur mit dem Ertragsanteil zu besteuernden Renten aus privaten Versicherungsverträgen außerhalb der Basisversorgung kann gegen das Verbot der doppelten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und späteren Alterseinkünften bereits aus systematischen Erwägungen nicht verstoßen werden, BFH Pressemitteilung vom 31.5.2021 (LEXinform 0460706) zum Urteil X R 20/19 vom 19.5.2021 (LEXinform 0952483)

Bei nach dem 31.12.2004 abgeschlossenen Rentenversicherungen, bei denen keine lebenslange Rentenzahlung vereinbart und erbracht wird, erfolgt die Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG.

3. Unterscheidung: (Leib-)Rente und dauernde Last

Die wichtigste Rechtsfolge bei einer Gegenleistungsleibrente ist die Aufteilung der periodischen Zahlungen in einen Zinsanteil und einen Tilgungsbetrag. Der Zinsanteil der Rente unterliegt dabei der Besteuerung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, wohingegen der Tilgungsanteil einer steuerlich unbeachtlichen Vermögensumschichtung entspricht. Eine ggf. vereinbarte Wertsicherungsklausel verändert nicht den Charakter der Rente, da der »innere« Wert der Rente gleich bleibt.

Bei dem Gegenbegriff zur Rente (→ Renten), i.S. einer dauernden Last, bei der keine gleichmäßig wiederkehrenden, sondern abänderbare Bezüge vorliegen, kann der Verpflichtete den vollen Betrag zum Betriebsausgaben- bzw. Sonderausgabenabzug bringen und die → dauernde Last wird umgekehrt beim Empfänger in voller Höhe besteuert.

Je nach dem Gegenstand der Übertragung, der sich im Privatvermögen oder im → Betriebsvermögen befinden kann, spricht man bei den Übertragungsvorgängen von privater oder betrieblicher Leibrentenvereinbarung. Schließlich existiert noch der Fall, dass eine komplette betriebliche Einheit (eine steuerfunktionale Einheit wie der Betrieb, Teilbetrieb u.Ä. des Steuerpflichtigen) gegen eine gleichwertige Rente übertragen wird. Hierfür hat sich der Ausdruck »betriebliche Veräußerungsleibrente« durchgesetzt.

3.1. Darstellung unterschiedlicher Rentenarten

3.1.1. Die Zeitrente

Unmittelbar mit der Kaufpreisrate vergleichbar ist die sog. Zeitrente, bei der das Zeitmoment (z.B. 20 Jahre) das einzige Merkmal für die Bemessung der Gegenleistung ist. Bei dieser wird ebenfalls der Zinsanteil (abgezinster Barwert) nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG besteuert und abgezogen.

Der Zinsanteil der Leibrente wird nach der gesetzlichen Fiktion des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG mit dem sog. »Ertragsanteil« erfasst. Die dabei zugrunde gelegte Tabelle basiert auf der Annahme einer fiktiven durchschnittlichen Lebenserwartung der männlichen Bevölkerung (Basis: Heubeck’sche Richttafeln 2005). Der Ertragsanteil wird dabei für die ganze Laufzeit zu Beginn der Rente festgelegt und bleibt unverändert.

Beispiel 1:

Z (65-jährig) veräußert sein Mietshaus gegen

  1. einen Kaufpreis i.H.v. 600 T€, der in 20 Jahresraten i.H.v. 30 T€ fällig gestellt wird;

  2. eine 20 Jahre anhaltende Verpflichtung des E zur monatlichen Rente i.H.v. 2 500 €;

  3. eine Rente auf Lebenszeit in monatlicher Höhe von 750 €;

  4. eine Monatsrente von 5 000 € bis zu seinem Ableben, maximal 10 Jahre;

  5. eine Monatsrente von 120 000 € bis zum Tode, mindestens 5 Jahre.

Wie wirken sich die Vereinbarungen für Z und E aus?

Neben den oben bereits in Kurzform dargestellten »klassischen (oder echten)« Leibrenten werden auch Höchstzeitrenten und Mindestzeitrenten vereinbart, die nicht mit den eigentlichen Zeitrenten zu verwechseln sind, sondern einen Unterfall der Leibrenten darstellten. Bei der Höchstzeitrente (oder abgekürzten Leibrente = Vereinbarung d) ist für die Berechnung nach § 55 Abs. 2 EStDV der ggf. niedrigere Ertragsanteil maßgebend. Für die Mindestzeitrente (Vereinbarung e), die u.U. dem Rechtsnachfolger zufließt, ist der höhere Ertragsanteil anzusetzen.

3.1.2. Die Leibrente (als Veräußerungs- bzw. Gegenleistungsleibrente)

Der steuerliche Begriff der Leibrente weicht vom zivilrechtlichen Begriff (§§ 759 ff. BGB) in seiner Bedeutung ab und setzt gleichbleibende Bezüge voraus, die für die Dauer der Lebenszeit einer Bezugsperson gezahlt werden (H 22.3 EStH 2021, s.a. BFH vom 15.7.1992, BStBl II 1992, 78). Erfolgt die Berechnung der Höhe der Leibrente auf Grundlage volatiler Größen wie z.B. Umsatz oder Gewinn eines Unternehmens, liegt keine Leibrente im o.g. Sinn vor, auch wenn die volatile Größe mit einem fixen Verteilungsschlüssel gekoppelt worden ist (s.a. BFH vom 25.11.1966, BStBl III 1967, 178).

Folgende Vereinbarungen schließen die Annahme einer Leibrente explizit nicht aus:

  • Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel oder einer Währungsklausel, die zur Anpassung der Kaufkraft an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse dienen soll, und

  • Beendigung der Leibrentenzahlung bei Erfüllung vor Zahlung festgelegter Voraussetzungen, z.B. Wiederverheiratung.

Nicht zur Begründung einer Leibrente ausreichend ist das Einräumen eines lebenslangen Wohnrechts und die Versorgung mit Elektrizität und Wärme.

3.1.3. Die steuerlichen Auswirkungen der verschiedenen Rentenarten (Lösung des Beispiels 1)

Lösung 1:

Fall a): Die Abgrenzung: Kaufpreisrate

Bei der Kaufpreisrate wird als Rentenbarwert der abgezinste Betrag gem. Anlage 9a (BewG) gebildet, hier mit: 30 T€ × 14,933 = 447 990 €.

Je nachdem, ob durch den Veräußerungsvorgang bei Z Steuerfolgen gem. § 23 EStG ausgelöst werden, handelt es sich bei Z um einen steuerbaren oder steuerirrelevanten Veräußerungsvorgang.

In der Folgezeit wird der jeweilige Rentenbarwert am Ende und zu Beginn des Jahres miteinander verglichen. Der Unterschiedsbetrag im Beispiel i.H.v. 6 180 € (447 990 € [30 000 € × 14,933 [vgl. Anlage 9a BewG bei einer Laufzeit von 30 Jahren]] ./. 441 810 € [30 000 € × 14,727 [vgl. Anlage 9a BewG bei einer Laufzeit von 29 Jahren]]) ist eine steuerlich unbeachtliche Tilgungsleistung; der sich in der Differenz zu der tatsächlichen jährlichen Rentenzahlung (30 000 € ./. 6 180 € = 23 820 €) ergebende Betrag stellt den steuerpflichtigen Zinsanteil i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar (vgl. BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 72). Dient das erworbene Objekt beim Veräußerer zur Einkünfteerzielung, ist der Zinsanteil als Werbungskosten (beachte ggf. die einschränkende Wirkung des § 20 Abs. 9 EStG hinsichtlich des Werbungskostenabzugs bei Einnahmen aus Kapitalvermögen) bzw. Betriebsausgaben beim Veräußerer zu berücksichtigen (BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 72, 79).

Beim Erwerber E repräsentiert der Rentenbarwert die → Anschaffungskosten des erworbenen Gegenstandes. Nutzt K das Objekt als Mietwohnhaus gem. § 21 EStG, dann wird der Rentenbarwert für Zwecke der Abschreibung entsprechend dem Aufteilungsverhältnis in einen Grund-und-Boden-Anteil und in einen Gebäudeanteil (= AfA-Bemessungsgrundlage) aufgeteilt.

Fall b): Zeitrenten

Eine Zeitrente (im Beispiel: 30 000 €/Jahr für 20 Jahre = 2 500 €/Monat) wird im Ergebnis wie eine Kaufpreisrate behandelt. Wie bei einer Kaufpreisrate ist auch hier die jährliche Barwertminderung als steuerirrelevanter Tilgungsanteil und die Differenz als steuerpflichtiger Zinsanteil zu erfassen.

Fall c): Leibrente

Der Berechtigte einer Leibrente hat den Ertragsanteil gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG zu versteuern. Der steuerpflichtige Ertragsanteil wird bei einem 65-Jährigen, der erstmals eine Rente erhält (Z), mit nunmehr 18 % der Jahresrente angesetzt. Für Z ergeben sich im ersten Jahr der Rentenzahlung steuerpflichtige Einkünfte gem. § 22 Nr. 1 EStG i.H.v. 1 620 € [Berechnung: aufgrund des 65-jährigen Lebensalters 18 % Ertragsanteil × (750 × 12)].

1 620 € (9 000 € × 18 %) ./. 102 € = 1 518 € gem. § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG.

Läge, z.B. durch den Bezug auf § 323 ZPO, eine dauernde Last vor, so hätte Z den vollen Betrag (abzüglich des Werbungskosten-Pauschbetrages nach § 9a EStG) zu versteuern.

Für den Fall wiederum, dass eine Wertsicherungsklausel vereinbart wurde, erhöht sich zwar die → Bemessungsgrundlage (Jahresrente), der einmal festgelegte Ertragsanteilprozentsatz bleibt aber bestehen (R 22.4 Abs. 1 Satz 3 EStR 2012). Grundsätzlich wird durch die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel die Annahme einer Leibrente nicht ausgeschlossen, da sie lediglich der Anpassung der Kaufkraft an geänderte Verhältnisse dient (H 22.3 EStH 2021).

Fall d): Höchstzeitrente

Bei einer Höchstzeitrente wird der Ertragsanteil gem. § 55 Abs. 2 EStDV nach der Lebenserwartung unter Berücksichtigung der zeitlichen Begrenzung ermittelt. Im vorliegenden Fall ergibt die Berechnung nach § 55 Abs. 2 EStDV, dass der sich aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG ergebende Ertragsanteil von 18 % niedriger ist als der nach § 55 Abs. 2 EStDV lt. Vorspalte errechnete Anteil von 23 %. Aus diesem Grund wird im Fall d der höhere Ertragsanteil bei der Besteuerung der Rente angesetzt.

Fall e): Mindestzeitrente

Bei einer Mindestzeitrente, die im Zweifel (Tod des Berechtigten) auch dem Rechtsnachfolger zusteht, ist entsprechend der höhere Ertragsanteil anzusetzen.

4. Die Leibrente bei der vorweggenommenen Erbfolge – Sonderrechtsinstitut: Wiederkehrende Versorgungszusagen anlässlich der vorweggenommenen Erbfolge

Die Modalität der wiederkehrenden Versorgungszusage erfreut sich wegen der fehlenden Beeinflussung des Zustandstatbestands (unentgeltlicher Übergang der Wirtschaftseinheit gem. § 6 Abs. 3 EStG) besonders großer Beliebtheit. Im Folgenden sollen anhand des Rentenerlasses des BMF (BMF vom 11.3.2010, IV C 3 – S 2221/09/10004, BStBl I 2010, 227) die Auswirkungen einer Vermögensübertragung i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge beleuchtet werden.

4.1. Der Begriff der Vermögensübertragung

Damit eine i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG begünstigte Versorgungsleistung angenommen werden kann, müssen für die Übertragung des Vermögens wiederkehrende Leistungen als Gegenleistung zur Vermögensübertragung vereinbart worden sein. Der Grundgedanke, der dieser Konstruktion zu Grunde liegt, ist, dass der übernehmende Rechtsträger mit dem übernommenen Vermögen Erträge erwirtschaftet, die zur Versorgung des Übergebers ausreichend sind. Diese Versorgungsleistungen sind weder als Veräußerungsentgelt auf Seiten des Übergebers noch als Anschaffungskosten auf Ebene des Übernehmers zu qualifizieren. Übernehmer eines Vermögens können sowohl fremde Dritte als auch Angehörige sein, zu denen auch erbberechtigte, jedoch vom Familienstamm entferntere Angehörige wie Schwiegerkinder, Neffen oder Nichten zählen.

4.2. Unentgeltlichkeit der Vermögensübertragung

Die Unentgeltlichkeit der Vermögensübertragung ist entscheidender Bestandteil der Vereinbarung zwischen Übergeber und Übernehmer des Vermögens. Erfolgt eine Übertragung zwischen Angehörigen, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass die Höhe der wiederkehrenden Leistungen korrekt den (Ertrags-) Wert des übernommenen Vermögens abbildet. Kann diese Vermutung wiederlegt werden, ist der Anwendungsbereich von § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG nicht eröffnet, sodass die Grundsätze über die einkommenssteuerrechtliche Behandlung wiederkehrender Leistungen im Austausch mit Gegenleistungen durch das Finanzamt angewendet werden.

Bei einer Vermögensübertragung zwischen fremden Dritten besteht die Gefahr der Erschütterung des Anscheinsbeweises grundsätzlich nur dann, wenn familienähnliche oder andere persönlich starke Beziehungen zwischen den Parteien vorliegen. In den sonstigen Fällen geht die Verwaltung davon aus, dass fremde Dritte die Übertragung des Vermögens nach kaufmännischen Motiven abgewogen haben.

4.3. Gegenstand der Vermögensübertragung i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG

Der Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG ist nur eröffnet, wenn eines der folgenden Wirtschaftsgüter übertragen werden soll:

  • eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft, die eine Tätigkeit i.S.d. §§ 13, 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder § 18 EStG ausübt,

    (Die Privilegierung der Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft scheidet somit aus. Es sollen lediglich Mitunternehmeranteile an originär gewerblich tätigen Personengesellschaften vom Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG umfasst werden. Dahingegen kann die Übertragung eines Mitunternehmeranteils an einer gewerblich infizierten Personengesellschaft unter Anwendung des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG erfolgen.)

  • eines Betriebs oder Teilbetriebs,

  • eines mindestens 50 % betragenden Anteils an einer GmbH, wenn der Übergeber als Geschäftsführer tätig gewesen ist und diese Tätigkeit durch den Übernehmer übernommen und fortgeführt wird.

    (Dies umfasst ebenfalls die Unternehmergesellschaft gem. § 5a GmbHG sowie die ausländischen Kapitalgesellschaften, die einer deutschen GmbH vergleichbar sind; für eine Aufzählung der vergleichbaren ausländischen Kapitalgesellschaften s. BMF vom 24.12.1999, BStBl I 1999, 1076, Tabelle 1: Rechtsformen internationaler Unternehmen (außer Osteuropa) und Tabelle 2: Rechtsformen osteuropäischer Unternehmen).

Beispiel 2 (nach BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 20):

Z ist zu 60 % an der XYZ-GmbH beteiligt. Er ist außerdem Geschäftsführer der Gesellschaft. Z überträgt seine GmbH-Beteiligung auf seine drei Söhne S1, S2 und S3. Jeder der drei Söhne erhält einen 20 % betragenden Anteil an der XYZ-GmbH und verpflichtet sich, wiederkehrende Leistungen i.H.v. 1 000 € monatlich an Z zu zahlen. S1 wird zudem als Nachfolger seines Vaters als Geschäftsführer berufen.

Variante: Z ist mit seinen Söhnen S1 und S2 unzufrieden und überträgt aus diesem Grund seinen 60 %igen GmbH-Anteil auf S3. Dieser wird ebenfalls als Geschäftsführer berufen. S3 verpflichtet sich im Gegenzug zu einer monatlichen Zahlung von 2 000 € an Z.

Lösung 2:

Die Übertragung der GmbH-Geschäftsanteile auf die Söhne S1, S2 und S3 ist keine Übertragung begünstigten Vermögens i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG. Zwar wurde in Summe ein Geschäftsanteil von mehr als 50 % übertragen; durch die Aufteilung des 60 %igen Anteils auf die drei Söhne liegt bei keinem der Söhne ein qualifizierender Anteil i.H.v. 50 % vor.

Variante: Hierbei handelt es sich um eine Übertragung begünstigten Vermögens, da mehr als 50 % des Anteils auf einen einzigen Sohn übertragen worden sind und dieser zum Geschäftsführer berufen worden ist.

4.4. Ausreichend Ertrag bringendes Vermögen

Bei einem Unternehmen besteht eine Vermutung für die Annahme einer ertragbringenden Wirtschaftseinheit. Bei der Ermittlung der Höhe der Erträge sind bei betrieblichen Übergabeeinheiten (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständige Arbeit (→ Einkünfte aus selbstständiger Arbeit)) Unternehmerlöhne nicht abzuziehen (Rz. 32 des BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227). Hinzugerechnet werden jedoch Absetzungen für Abschreibungen, Sonderabschreibungen sowie größere Erhaltungsaufwendungen, die unregelmäßig anfallen. Bei einer GmbH als Wirtschaftseinheit ist in dieser Frage (Genügen die Erträge für die wiederkehrende Leistung gem. Rz. 32 a.a.O. – zwischenzeitlich in Übereinstimmung mit dem BFH vom 21.7.2004 (BStBl II 2005, 133)) nicht auf die ausgeschütteten, sondern auf die ausschüttungsfähigen Gewinne abzustellen.

4.5. Die nachträgliche Umschichtung

Eine begünstigte Vermögensübertragung durch wiederkehrende Leistung liegt nicht mehr vor, wenn die übernehmende Person die Aufgabe des Betriebs erklärt bzw. das übernommene Vermögen dieser Person nicht mehr zugeordnet werden kann. Sofern ab diesem Zeitpunkt weiterhin wiederkehrende Leistungen zwischen Übergeber und Übernehmer gezahlt werden, sind diese als Unterhaltsleistungen zu qualifizieren und keine Sonderausgaben i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG. Für diese Zahlungen besteht hingegen ein Abzugsverbot gem. § 12 Nr. 2 EStG. Nach Auffassung des BFH sind diese gezahlten Leistungen beim Übergeber nicht steuerbar gem. § 22 Nr. 1a EStG (BFH Urteil vom 31.3.2004, X R 66/98, BStBl II 2005, 830). Neu gefasst wurde der § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG aufgrund des EuGH-Urteils vom 24.2.2015, C-559/13 »Grünewald«, BStBl II 2015, 1071. Künftig besteht auch für beschränkt Stpfl. die Möglichkeit, Versorgungsleistungen unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG zum Abzug zu bringen. Eine Übertragung des Vermögens im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge führt nicht zur Beendigung des Sachzusammenhangs zwischen wiederkehrender Leistung und Vermögensübertragung, wenn die Versorgungsleistung aus dem übertragenen Vermögen bzw. aus dem am übertragenen Vermögen bestehenden Nießbrauchsrecht bewirkt wird (vgl. Rz. 38, a.a.O.).

Beispiel 3 (vgl. Rz. 39, a.a.O.):

Der 65-jährige Vater V übergab seinen bislang als Einzelunternehmen geführten Betrieb im Jahre 2008 im Zusammenhang mit lebenslänglich zu erbringenden wiederkehrenden Leistungen von monatlich 5000 € an seinen Sohn S. Im Jahre 2028 überträgt S das Einzelunternehmen im Hinblick auf die Generationennachfolge an seinen Sohn, den Enkel E des V. S erhält hierfür von dem weiteren Vermögensübernehmer E lebenslang monatlich 10 000 €. Er bleibt aber weiterhin verpflichtet, an seinen inzwischen 85-jährigen Vater wiederkehrende Leistungen zu erbringen, die zwischenzeitlich in steuerlich anzuerkennender Weise auf 8 000 € monatlich angepasst wurden.

Lösung 3:

Die von S zu erbringenden Zahlungen an V bleiben auch im Jahre 2028 und in den folgenden Jahren Versorgungsleistungen und können von S als Sonderausgaben abgezogen werden. Korrespondierend muss V die von S erhaltenen wiederkehrenden Leistungen ebenso als sonstige Einkünfte versteuern, wie dies für S hinsichtlich der von E gezahlten Versorgungsleistungen der Fall ist.

Bei einer Teilübertragung von begünstigen Vermögen auf Dritte können die nach der Übertragung an den Übergeber gezahlten wiederkehrenden Leistungen als Versorgungsleistungen zu qualifizieren sein, wenn das restliche Vermögen ausreichend Erträge zur Finanzierung der wiederkehrenden Leistungen generiert und weiterhin ein begünstigtes Vermögen i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG vorliegt. Auch die vollständige Veräußerung des ursprünglich übertragenen Vermögens und die anschließende Anschaffung neuen Vermögens gefährden nicht den Versorgungscharakter der wiederkehrenden Leistung.

Bei der Feststellung »ausreichender Erträge« stellt das BMF auf die Höhe der Erträge im Jahr der Umschichtung sowie in den beiden darauf folgenden Jahren ab. Liegen in diesen beiden Jahren ausreichende Erträge vor, wird der Sonderausgabenabzug beim Übernehmer des Vermögens nicht durch das Finanzamt verwehrt werden.

5. Betriebsveräußerung gegen wiederkehrende Bezüge: Besteuerung des Veräußerers

Bei der vollentgeltlichen Veräußerung des Gewerbebetriebs (bzw. der Freiberufler-Praxis) gegen wiederkehrende Bezüge (Regelfall: Veräußerung gegen eine Leibrente; Sonderfall: Wirtschaftsüberlassungsverträge) gewährt die Verwaltung dem Veräußerer ein Wahlrecht zwischen der Sofortversteuerung und der sog. »Nach-und-Nach-Versteuerung« oder Zuflussbesteuerung (R 16 Abs. 11 EStR 2012. Er kann entweder den Rentenbarwert (§ 14 BewG i.V.m. Anlage 9) sofort versteuern oder die Rentenzahlungen als nachträgliche, laufende Einkünfte gem. §§ 15, 24 Nr. 2 EStG ab dem Zeitpunkt versteuern, wo diese den Buchwert der übernommenen WG zzgl. etwaiger Veräußerungskosten übersteigen.

Bei der Sofortversteuerung werden die laufenden Rentenzahlungen nach der Entstrickung mit dem Ertragsanteil gem. § 22 Nr. 1 Satz 3a EStG als sonstige Einkünfte versteuert.

Das Wahlrecht hat nach der BFH-Rspr. seine Berechtigung im Wagnischarakter der Vereinbarung (lebenslanger (!) Lauf der Rentenzahlung; BFH vom 7.11.1991, BStBl II 1992, 457). Dieses Wahlrecht kann aber nicht eingeräumt werden, wenn bei einer Veräußerungsleibrente zusätzlich die Höhe der Rente gewinn- oder umsatzabhängig vereinbart wird. Da bei dieser Vereinbarung zu viele Unsicherheitsfaktoren (Laufzeit und Höhe) zusammenkommen, hat der BFH (Beschluss vom 11.8.2011, VIII B 34/11, BFH/NV 2011, 2039) hier nur die Zuflussbesteuerung zugelassen. Nach ständiger Rspr. besteht das Wahlrecht anlässlich einer Veräußerung gegen Renten, Raten und sonstige wiederkehrende Bezüge nur, wenn diese wagnisbehaftet sind oder überwiegend Versorgungszwecken dienen. Im Streitfall hat das FG sein Urteil (FG Niedersachsen vom 1.2.2011, 8 K 194/08) kumulativ begründet, indem es sowohl auf das Fehlen einer mehr als zehn Jahre dauernden Rentenverpflichtung als auch auf den fehlenden Versorgungscharakter abgestellt hat.

Beispiel 4:

Die 65-jährige B veräußert ihre Boutique zum 1.1.12 gegen eine monatliche Leibrente i.H.v. 1 800 € (21 600 € jährlich). Der Rentenbarwert im Zeitpunkt der Veräußerung beträgt 150 000 €, zum Jahresende (31.12.12) ist er auf 120 T€ gesunken. Das Kapitalkonto der B beträgt alternativ

  1. 100 000 €,

  2. 30 000 €.

Die Erwerberin E hat alle WG übernommen.

Lösung 4 und Entscheidungsraster:

  1. Entscheidungsraster

  1. Sofortversteuerung

  1. Nach-und-nach-Versteuerung

  1. Variante 1, a): Entstrickung

  1. aa): Keine Entstrickung

6.

  1. Barwert

  1. 150 000 €

  1. 0

10.

  1. ./.

  1. Kapitalkonto

  1. 100 000 €

14.

15.

  1. =

17.

  1. 50 000 €

19.

20.

  1. ./.

  1. Freibetrag

  1. 45 000 €

24.

25.

  1. =

  1. Tarifbegünstigt

  1. 5 000 €

29.

30.

  1. Variante 1, b): Laufende Erfassung 02

  1. bb): Laufende Besteuerung

  1. (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG)

  1. (§§ 15, 24 Nr. 2 EStG)

35.

  1. 18 % von 21 600 €

  1. 3 888 €

  1. 12 × 1 800 € =

  1. 21 600 €

  1. ./.

  1. Werbungskosten-Pauschbetrag (§ 9a Nr. 3 EStG)

  1. 102 €

  1. Verrechnung mit Kapitalkonto

  1. 120 T€

  1. =

46.

  1. 3 786 €

  1. keine Versteuerung in 12 (erstmalige Versteuerung im Juni 18)

  1. Variante 2, a): Entstrickung

  1. aa): Keine Entstrickung

51.

  1. Barwert

  1. 150 000 €

54.

  1. ./.

  1. Kapitalkonto

  1. 30 000 €

58.

  1. =

60.

  1. 120 000 €

62.

  1. ./.

  1. Freibetrag

  1. 21 000 €

66.

  1. =

  1. Tarifbegünstigt

  1. 99 000 €

70.

  1. Variante 2, b): Laufende Erfassung 02

  1. bb): Laufende Besteuerung

  1. (s. oben)

  1. 3 786 €

  1. 21 600 € ./. 10 000 € =

  1. 11 600 €

77.

78.

  1. bereits in 02: (§§ 15, 24 Nr. 2 EStG)

80.

81.

82.

  1. ab 03: (§§ 15, 24 Nr. 2 EStG)

  1. 21 600 €

Wenn ein fester Barpreis und eine Rente zusammenfallen, dann räumt die Verwaltung (R 16 Abs. 11 Satz 8 EStR) trotzdem ein Wahlrecht ein, eliminiert dabei jedoch den bereits durch den Barpreis realisierten Teil des Veräußerungsgewinnes.

Die Überlegungen und Gestaltungsempfehlungen des Steuerberaters können sich ungleich schwieriger darstellen, wie nachfolgendes Beispiel 5 belegt:

Beispiel 5:

Die 69-jährige Alzheim (A) veräußert ihren Betrieb am 1.1.2015 gegen eine Barzahlung von 300 T€ und gegen eine lebenslängliche Rente mit einem – versicherungsmathematisch ermittelten – Barwert von 150 T€. Die Vereinbarung gilt angesichts des Buchwerts (250 T€) und der berechneten stillen Reserven als ausgewogen. Die Rente soll monatlich 1 000 € betragen. Welche Form der Besteuerung soll A wählen?

Lösung 5:

1. Sofortbesteuerung

a) Ermittlung des Veräußerungsgewinnes:

85.

  1. Barpreis

  1. 300 T€

  1. +

  1. Rentenbarwert

  1. 150 T€

  1. =

  1. Veräußerungspreis

  1. 450 T€

  1. ./.

  1. Buchwert

  1. ./. 250 T€

  1. =

  1. begünstigter Gewinn

  1. 180 T€

100.

  1. kein Freibetrag

  1. 0 €

103.

  1. tarifbegünstigt (§ 34 EStG)

  1. 180 T€

b) Folgebesteuerung (nunmehr laufende private Einkünfte):

Die monatliche Rente von 1 000 € wird sodann mit 30 % gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG besteuert (jährlicher Ertragsanteil: 3 600 €).

2. Zuflussbesteuerung

a) Ermittlung des Veräußerungsgewinnes (wegen des Barpreises):

106.

  1. Barpreis

  1. 300 T€

  1. ./.

  1. Buchwert

  1. ./. 250 T€

  1. =

  1. begünstigter Gewinn

  1. 50 T€

115.

  1. kein Freibetrag

  1. 45 T€

118.

  1. tarifbegünstigt (§ 34 EStG)

  1. 5 T€

b) Nach- und Nachbesteuerung:

Diese Art der Versteuerung setzt als Besteuerung des laufenden Gewinns erst ab dem Zeitpunkt ein, da der durch den → Veräußerungsgewinn verbleibende Buchwert noch nicht aufgebraucht ist. Dies ist jedoch sofort der Fall, sodass nachträgliche Betriebseinnahmen nach §§ 15, 24 Nr. 2 EStG (laufender Gewinn) i.H.v. 12 000 € versteuert werden.

3. Empfehlung

Die psychologisch sehr schwierige Empfehlung der Wahl zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung hängt allein von der persönlichen Lebenserwartung und der sonstigen Steuerlandschaft der A ab. Bei hoher Lebenserwartung ist die Sofortversteuerung (1.) zu empfehlen.

Abwandlung: Noch schwieriger ist die Empfehlung bei einer Abweichung im Sachverhalt dergestalt, dass bei ansonsten identischen Zahlungen nur ein fester Barpreis von 100 T€ bezahlt wird. In diesem Fall würde die Nach- und Nachversteuerung (ohne → Veräußerungsgewinn) erst dann einsetzen, wenn der relevante Buchwert von 150 T€ (250 T€ ./. 100 T€) verbraucht ist. Dies wäre bei einer jährlichen Rentenzahlung von 12 000 € nach zwölf Jahren und sechs Monaten der Fall.

Bezüglich der Auffassung des BMF hinsichtlich der nachträglichen Versteuerung von wiederkehrenden Bezügen lässt sich feststellen, dass gem. R 16 Abs. 11 Satz 7 EStR 2012 ein Gewinn erst entsteht, wenn der Kapitalanteil der wiederkehrenden Leistungen das steuerliche Kapitalkonto des Veräußerers zuzüglich Veräußerungskosten des Veräußerers übersteigt. Der in den wiederkehrenden Leistungen enthaltene Zinsanteil stellt bereits zum Zeitpunkt des Zuflusses nachträgliche Betriebseinnahmen dar; dieser muss aus den wiederkehrenden Leistungen herausgerechnet werden.

6. Übertragung von Privatvermögen gegen wiederkehrende Leistungen auf Lebenszeit

Auch bei der Übertragung von Privatvermögen gegen wiederkehrende Leistungen ist der Anwendungsbereich von Versorgungsleistungen gem. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG eröffnet. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um Versorgungsleistungen im Zusammenhang mit der Übertragung eines mindestens 50 % betragenden Anteils an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) handelt und der Übergeber als Geschäftsführer tätig war und der Übernehmer diese Tätigkeit nach der Übertragung übernimmt (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 Buchst. c EStG). Liegen Versorgungsleistungen vor, so kommt es insoweit zu einer unentgeltlichen Übertragung der Anteile an der GmbH und es liegt weder ein Veräußerungsentgelt noch Anschaffungskosten vor (BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 3 Satz 3). Der Verpflichtete kann die jährlichen Rentenzahlungen gem. § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG in voller Höhe als Sonderausgaben abziehen.

Damit ist die Möglichkeit der unentgeltlichen Übertragung von Privatvermögen gegen Versorgungsleistungen i.S.v. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG – mit Ausnahme des in § 10 Abs. 1a Nr. 2 Buchst. c EStG genannten Falles – ausgeschlossen.

Zur Beurteilung der steuerlichen Folgen entgeltlicher Übertragungen von Privatvermögen (soweit § 10 Abs. 1a Nr. 2 Buchst. c EStG nicht einschlägig ist) sind die Auswirkungen beim Verpflichteten und beim Berechtigten zu untersuchen:

6.1. Behandlung der Anschaffungskosten und des Zinsanteils beim Verpflichteten

Die Anschaffungskosten des zur Leibrente Verpflichteten sind gem. dem Barwert der Leibrente zu ermitteln. Sofern das erworbene WG zur Einkünfteerzielung (z.B. vermietetes Mehrfamilienhaus) verwendet wird, ist dieser Barwert Bemessungsgrundlage für die jährliche AfA. Der im Betrag der Leibrente enthaltene Tilgungsanteil kann nicht gesondert als Betriebsausgabe oder Werbungskosten abgesetzt werden. Der Zinsanteil ist analog zur Rentenbesteuerung gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb zu berechnen; gleichermaßen ist die Anwendung finanzmathematischer Grundsätze unter Berücksichtigung eines internen Zinsfußes von 5,5 % zulässig. Ein Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug (als z.B. Finanzierungskosten gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG) ist möglich.

6.2. Behandlung der Anschaffungskosten und des Zinsanteils beim Berechtigten

Der zur Leibrente Berechtigte erzielt für die Übertragung des Vermögens einen Veräußerungspreis in Höhe des zu ermittelnden Barwerts der wiederkehrenden Leistungen. Der Veräußerungspreis ist der Unterschiedsbetrag zwischen der Summe der jährlichen Zahlungen einerseits und dem ermittelten Zinsanteil andererseits. Ein Veräußerungsgewinn führt nur unter den Voraussetzungen des § 17, § 23, § 20 Abs. 2 EStG zu steuerpflichtigen Einkünften (s.a. BMF vom 13.1.1993, BStBl I 1993, 80 ber. 464 Rz. 23).

Der Zinsanteil gilt beim Berechtigten der Leibrente als Vergütung für die Stundung des Gesamtveräußerungspreises und muss auf die Laufzeit der Leibrente verteilt werden. Einkommensteuerlich führt der Zinsanteil zu Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG; der Ertragsanteil der Leibrente ist gem. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG durch den Berechtigten zu versteuern.

6.3. Beispiele

1. Übertragung eines Mietwohngrundstücks gegen Leibrente:

V ist Eigentümer eines Mietwohngrundstücks, das er sich vor fünf Jahren als Kapitalanlage gekauft hatte. Die Anschaffungskosten betrugen (inkl. Anschaffungsnebenkosten) 240 000 €, davon entfielen 80 000 € auf den Grund und Boden, der Rest entfällt auf das Gebäude (Baujahr 2001).

Zum 1.1.2018 übertrug V das Grundstück auf seinen Sohn S. Zum Zeitpunkt der Übertragung ist V 65 Jahre alt. Das Grundstück hatte einen Verkehrswert von 274 656 €. Als Gegenleistung hat S eine monatliche Leibrente i.H.v. 1 000 € an V zu zahlen.

Lösung:

Bei der Leibrente handelt es sich nicht um Versorgungsleistungen i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG, da keine begünstigte Wirtschaftseinheit (Buchst. a bis c sind nicht einschlägig) übertragen wird. Folglich gelten die Grundsätze über die Behandlung wiederkehrender Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung.

Steuerliche Behandlung bei V:

Es ist zu prüfen, ob eine (teil-)entgeltliche Vermögensübertragung gegen wiederkehrende Leistungen auf Lebenszeit vorliegt (BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 65 ff).

Soweit ein (teil-)entgeltlicher Vorgang gegeben ist, erfüllt V den Tatbestand des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG, da er das Grundstück insoweit innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung veräußert.

Liegt, wie hier, eine Vermögensübertragung auf Abkömmlinge vor, besteht eine Vermutung dafür, dass die Übertragung aus familiären Gründen, nicht aber im Wege eines Veräußerungsgeschäfts unter kaufmännischer Abwägung von Leistung und Gegenleistung erfolgt (BMF vom 13.1.1993, BStBl I 1993, 80 ber. 464, Rz. 5 Satz 2). Diese Vermutung kann nur in Ausnahmefällen widerlegt werden.

Es ist zu prüfen, inwieweit das Grundstück entgeltlich übertragen wurde. Hierfür ist der Wert des übertragenen Grundstücks mit dem Barwert der Leibrente zu vergleichen.

Barwert der Leibrente, BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 73, 69:

Der Jahresbetrag der Leibrente von 12 000 € ist mit dem Vervielfältiger (Männer, 65 Jahre) von 11,444 (hier VZ 2018, BMF vom 4.11.2019, BStBl I 2016, 1166) zu multiplizieren.

Der Barwert der Leibrente beträgt somit 12 000 € × 11,444 = 137 328 €.

Das Grundstück hat laut Sachverhalt einen Wert von 274 656 €.

Da der Wert des Grundstücks höher ist als das Entgelt, hat V das Grundstück teilentgeltlich übertragen. Bei einer teilentgeltlichen Übertragung von Privatvermögen gilt die Trennungstheorie (BMF vom 13.1.1993, BStBl I 1993, 80 ber. 464, Rz. 14). Der Vorgang ist in einen entgeltlichen Teil (hier 50 %) und einen unentgeltlichen Teil (50 %) aufzuteilen.

I. Entgeltlicher Teil

Behandlung der Leibrente bei V

a) Zinsanteil

Der in der Rentenzahlung enthaltene Zinsanteil gehört bei V zu den sonstigen Einkünften (vgl. BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 75). Der Zinsanteil entspricht dem Ertragsanteil des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG. Er beträgt aufgrund des Lebensalters von V (65 Jahre) jährlich 18 % von 12 000 € = 2 160 €.

Einnahmen bei V

2 160 €

WK-PB, § 9a Satz 1 Nr. 3 EStG

./. 102 €

Einkünfte § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG

2 058 €

b) Tilgungsanteil

Bei dem in den Rentenzahlungen enthaltenen Tilgungsanteil handelt es sich um eine Kaufpreiszahlung.

Ermittlung Veräußerungsgewinn, § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG:

Veräußerungspreis

137 328 €

abzgl. 50 % der AK von 240 000 €

./. 120 000 €

verringert um 50 % der AfA gem. § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG

(2 % von 160 000 € = 3 200 € × 5 Jahre = 16 000 €) : 2

+ 8 000 €

Veräußerungsgewinn

25 328 €

Der Veräußerungsgewinn ist erst im Zeitpunkt des Zuflusses (§ 11 Abs. 1 EStG) zu versteuern. Ein zu versteuernder Gewinn entsteht erstmals in dem Veranlagungszeitraum, in dem die Summe der Tilgungsanteile die um die AfA geminderten Anschaffungskosten übersteigt (BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 74). Im vorliegenden Fall ist dies der Fall, wenn die Summe der Tilgungsanteile den Betrag von 112 000 € übersteigt.

Der in 2018 zugeflossene Tilgungsanteil beträgt 12 000 € × 82 % = 9 840 €. In 2018 muss V folglich noch keinen Gewinn i.S.d. § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG versteuern.

_Volumen

Veräußerungsgewinn mit Zufluss

Anteilige geminderte AK

112 000 €

./. Tilgung (82 % von 12 000 €) = 9 840 €:

2018–2028 (11 Jahre)

108 240 €

2029 (12. Jahr)

3 760 €

6 080 €

2030

9 840 €

2031 max. bis zur Höhe des VG

9 408 €

Versteuert im VZ 2029–2031 (Kontrolle)

25 328 €

[Hinweis: Die Freigrenze des § 23 Abs. 3 Satz 5 EStG i.H.v. 600 € ist auf das Kj. bezogen und wird für einen in Raten oder Renten zufließenden Veräußerungsgewinn u.U. mehrfach gewährt.]

II. Unentgeltlicher Teil

Bezüglich des unentgeltlich übertragenen Teils sind die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG nicht erfüllt, da keine Veräußerung vorliegt. Bei einer eventuellen Veräußerung des Grundstücks durch S ist § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG zu beachten.

Steuerliche Behandlung bei S:

S erzielt mit der Vermietung des Grundstücks Einkünfte gem. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

I. Entgeltlicher Teil

Anschaffungskosten und AfA:

In Höhe des Barwerts der Leibrente (137 328 €, s.o.) liegen Anschaffungskosten für das übertragene Grundstück vor (BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 69). Diese sind, soweit sie auf das Gebäude entfallen (zu 2/3) ab dem Zeitpunkt der Anschaffung (1.1.2017) über die AfA als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG) abzugsfähig.

Hier: 137 328 € x 2/3 x 2 % (§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) = 1 832 €.

Auf den Zeitpunkt der Zahlung kommt es nicht an (vgl. § 9a EStDV).

Schuldzinsen:

Der in der Leibrente enthaltene Zinsanteil (2 160 €) stellt Werbungskosten gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG dar (BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 71, 72).

II. Unentgeltlicher Teil

Bezüglich des unentgeltlich erworbenen Teils (50 %) übernimmt S gem. § 11d Abs. 1 EStDV die AfA-Bemessungsgrundlage (160 000 € x 50 %) und das AfA-Volumen (144 000 € x 50 %) des V.

AfA = 80 000 € × 2 % = 1 600 €.

Ergebnis:

Es ergeben sich somit für den entgeltlich und den unentgeltlich erworbenen Teil unterschiedliche AfA-Beträge und AfA–Zeiträume.

Summe Werbungskosten des S:

AfA § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG (1 832 € + 1 600 €)

3 432 €

Zinsen § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG

2 160 €

Summe

5 592 €

2. Übertragung einer GmbH-Beteiligung gegen Leibrente:

Vater V (65. Lebensjahr vollendet) ist an der A-GmbH (Privatvermögen) zu 50 % beteiligt. V überträgt die Anteile mit Wirkung zum 1.7.2018 auf seinen Sohn S. Der Verkehrswert der übertragenen Anteile beträgt 300 000 €. S zahlt an V eine lebenslängliche monatliche Rente von 1 500 €. V hatte die Anteile im Jahr 2007 für 150 000 € erworben. Die Kosten der Übertragung trägt S. Mit der Übertragung übernimmt S auch die Geschäftsführung von V.

Lösung:

Zu prüfen ist, ob eine Veräußerung i.S.d. § 17 EStG vorliegt. Dies ist der Fall, wenn V seine Anteile entgeltlich auf S übertragen hat.

Im Zusammenhang mit der Übertragung der Anteile erhält V von S eine lebenslängliche Rente. Die Rente stellt kein Entgelt dar, da es sich um eine Versorgungsleistung i.S.d. § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c EStG handelt. Es wird ein 50 % betragender GmbH-Anteil übertragen und der Übergeber V war als Geschäftsführer tätig und der Übernehmer S übernimmt die Geschäftsführung. Die restlichen Voraussetzungen (insbes. ausreichende Ertragskraft – s.a. sog. Beweiserleichterung, BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 29) werden unterstellt.

Die Versorgungsleistungen dürfen jedoch gem. § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 1 EStG nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Einkünften stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben. Zu klären ist demnach, wie die Einkünfte aus der übertragenen Wirtschaftseinheit (GmbH-Anteile), also die Dividenden, steuerlich zu erfassen sind.

Dividenden unterliegen der Abgeltungsteuer (§ 43 Abs. 5 EStG) und sind gem. § 2 Abs. 5b EStG grundsätzlich nicht in die Veranlagung einzubeziehen. Auf Antrag des S können die Dividenden jedoch nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG in die Veranlagung (Tarif § 32a EStG) einbezogen werden. In diesem Fall ist allerdings das Teileinkünfteverfahren des § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG anzuwenden, sodass nur 60 % der Dividenden zu erfassen sind. Die Regelung des § 20 Abs. 9 EStG (Sparer-PB) findet keine Anwendung, § 32d Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 EStG.

Nach BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 49 Satz 2 stehen weder die §§ 3 Nr. 40 noch § 32d EStG der Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen als Sonderausgaben entgegen, so dass in beiden Fällen Versorgungsleistungen vorliegen.

Die Zahlungen des S an V stellen folglich Versorgungsleistungen und somit kein Entgelt dar. Es liegt keine Veräußerung i.S.d. § 17 EStG vor.

Ergebnis:

Der Anteil an der GmbH wurde unentgeltlich übertragen, es liegt weder Veräußerungsentgelt noch liegen Anschaffungskosten vor (BMF vom 11.3.2010, BStBl I 2010, 227, Rz. 3 Satz 3).

S kann die jährlichen Rentenzahlungen gem. § 10 Abs. 1a Nr. 2 Satz 2 Buchst. c i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG in voller Höhe als Sonderausgaben abziehen. Der Sonderausgabenabzug im Jahr 2018 beträgt somit 1 500 € × 6 = 9 000 €.

In gleicher Höhe hat V Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 1a EStG i.V.m. § 11 Abs. 1 EStG:

Rentenzahlungen 2018: 1 500 € × 6

9 000 €

./. WK-Pauschbetrag § 9a Satz 1 Nr. 3EStG

102 €

Einkünfte gem. § 22 Nr. 1a EStG

8 898 €

7. Literaturhinweise

Roth, Die aktuellen BMF-Schreiben zu Vorsorgeaufwendungen und Altersbezügen, privater und betrieblicher Altersversorgung, SteuK 2014, 115; Weber-Grellet, Rentenbesteuerung im Lichte der neueren BFH-Rechtsprechung – Bestandsaufnahme und Systematisierung, DStR 2012, 1253; Pauli, Kammerloher-Lis, Unternehmensnachfolge – Vorweggenommene Erbfolge gegen Versorgungsleistungen, Steuk 2011, 449; Reich, Die ertragssteuerliche Behandlung der Ausschlagung einer Erbschaft durch den Alleinerben gegen wiederkehrende Leistungen, DStR 2011, 2030; Geck, Übergabe von Mitunternehmeranteilen gegen Versorgungsleistungen: Gestaltungsüberlegungen hinsichtlich der Mitübertragung von Sonderbetriebsvermögen, DStR 2011, 1303, Eggert, Wahlrecht zwischen Sofort- und Zuflussbesteuerung, BBK Nr. 6 vom 17.3.2023, 269.

8. Verwandte Lexikonartikel

Betriebsveräußerung

Dauernde Last

Renten

Vorweggenommene Erbfolge

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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