Leistung

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Umsatzsteuergesetz gebraucht den Begriff "Leistung" als Oberbegriff für Lieferungen und sonstige Leistungen.
  • Es enthält aber keine Definition des Begriffs "Leistung". Leistung ist alles, was Gegenstand eines Rechtsverkehrs sein kann.
  • Die Definition des Begriffs erfolgt durch die Rechtsprechung. Die Voraussetzungen für eine Leistung sind:
    • mindestens 2 Beteiligte (Leistender und Leistungsempfänger),
    • der Leistungswille beim Leistungsgeber. Dieser Wille wird z. B. durch einen Kaufvertrag zum Ausdruck gebracht;
    • die Herbeiführung eines Nutzens beim Leistungsempfänger, z. B. Eigentumsübertragung an einem Gegenstand auf den Erwerber;
    • keine reine Geldzahlung.

Inhaltsverzeichnis

1 Gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen
2 Zivilrechtlicher Leistungsbegriff
3 Leistung als Oberbegriff
4 Leistung als Teil des Leistungsaustauschs
5 Wirtschaftliche Betrachtungsweise
5.1 Leistung und Gegenleistung im wechselseitigem Zusammenhang
5.2 Leistungen im Rechtssinne
5.3 Dauerleistungen sowie Teilleistungen
5.3.1 Grundsätzliches
5.3.2 Anwendung der befristeten Umsatzsteuersatzsenkungen wegen Corona
5.4 Einheitlichkeit der Leistung
5.4.1 Grundsätzliches zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistungen
5.4.2 Verpflegung von Hotelgästen
5.4.2.1 Aufteilungsgebot
5.4.2.2 Coronabedingte Steuersatzänderungen
5.4.3 Mailing-Spendensammelaktion
5.4.4 Akquirieren von Neukunden
5.4.5 Bücher und E-Books
5.4.6 Pflanzenlieferung und Einpflanzen der Pflanzen
5.4.7 Herstellung von Mischfutter
5.4.8 Futterherstellung und automatische Verfütterung
5.4.9 Stromlieferung neben steuerfreier Vermietung
5.4.10 Supermarkt-Rabattmodell
6 Literaturhinweis
7 Verwandte Lexikonartikel

1. Gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen

Im Gegensatz zum deutschen UStG verwendet das Gemeinschaftsrecht den Begriff der Leistung nicht ausdrücklich in den MwStSystRL. Das deutsche UStG umschreibt in § 3 Abs. 9 UStG die sonstigen Leistungen mit Leistungen, die keine Lieferungen sind. Das Gemeinschaftsrecht definiert den Begriff der Dienstleistung in Art. 24 Abs. 1 MwStSystRL als Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist.

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Sowohl gemeinschaftsrechtlich als auch nach nationalem UStG wird der Leistungsbegriff zur Definition des Steueranwendungsbereichs verwandt. Nach Art. 2 Abs. 1 MwStSystRL unterliegen der Mehrwertsteuer u.a.

  1. Lieferungen von Gegenständen, die ein Stpfl. als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaates gegen Entgelt tätigt;

  2. ……

  3. Dienstleistungen, die ein Stpfl. als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaates gegen Entgelt erbringt …

Den Steueranwendungsbereich regelt das nationale UStG in § 1 Abs. 1 UStG (s.u.).

2. Zivilrechtlicher Leistungsbegriff

Der Leistungsbegriff ist ein Begriff aus dem Schuldverhältnis i.S.d. § 241 Abs. 1 BGB: Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. Das Schuldverhältnis, auf Grund dessen eine Leistung gefordert werden kann, kommt häufig durch Rechtsgeschäft zustande. Nach § 311 Abs. 1 BGB ist dafür ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich.

Die einzelnen Schuldverhältnisse können sich aus folgenden Verträgen ergeben:

  • Kauf und Tausch (§§ 433–480 BGB),

  • Teilzeit-Wohnrechtsverträge (§§ 481–487 BGB),

  • Darlehensvertrag, Finanzierungshilfen und Ratenlieferungsvertrag (§§ 488–507 BGB),

  • Schenkung (§§ 516–534),

  • Mietvertrag, Pachtvertrag (§§ 535–597 BGB),

  • Leihe (§§ 598–606 BGB),

  • Sachdarlehensvertrag (§§ 607–609 BGB),

  • Dienstvertrag (§§ 611–630 BGB),

  • Werkvertrag und ähnliche Verträge (§§ 631–651y BGB),

  • Maklervertrag (§§ 652–655),

  • Vermittlung von Verbraucherdarlehensverträgen und entgeltlichen Finanzierungshilfen (§§ 655a–655e BGB),

  • Heiratsvermittlung (§ 656 BGB),

  • Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser (§§ 656a–656d BGB i.d.F. des Gesetzes über die Verteilung der Maklerkosten bei der Vermittlung von Kaufverträgen über Wohnungen und Einfamilienhäuser vom 12.6.2020, BGBl I 2020, 1245),

  • Auslobung (§§ 657–661a),

  • Geschäftsbesorgungsvertrag (§§ 662–676i BGB).

3. Leistung als Oberbegriff

Das Zivilrecht verwendet den Leistungsbegriff als Oberbegriff für Lieferungen und sonstige Leistungen. In § 241a Abs. 1 BGB werden unbestellte Leistungen als Lieferungen und sonstige Leistungen definiert.

Das UStG teilt die Leistungen eines Unternehmers in zwei Kategorien (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG):

Die Einordnung, ob es sich bei einem Umsatz, um eine → Lieferung oder sonstige Leistung (→ Sonstige Leistung) handelt, ist insbes. für die Bestimmung des Leistungsorts von besonderer Bedeutung (s.a. Langer, NWB 2011, 122). Aber auch bei der Anwendung des Steuersatzes ist die Unterscheidung wichtig, da z.B. bei Restaurationsumsätzen der ermäßigte Steuersatz nur bei Lieferungen von Lebensmitteln anzuwenden ist; die Bewirtungsleistung als sonstige Leistung unterliegt dagegen dem Regelsteuersatz (→ Restaurationsumsätze).

Der BFH hat durch Urteil vom 19.5.2010 (XI R 6/09, BStBl II 2011, 831) entschieden, dass ein Unternehmer, der auf einem deutschen Flughafen in einer Wechselstube in- und ausländische Banknoten und Münzen im Rahmen von Sortengeschäften an- und verkauft, keine Lieferungen, sondern sonstige Leistungen (Dienstleistungen) ausführt.

Die Klärung der Rechtsfrage war erforderlich, weil davon der von dem Betreiber der Wechselstube begehrte anteilige Vorsteuerabzug (§ 15 UStG) abhing. Zwar ist der Geldwechsel im Inland unabhängig davon steuerfrei, ob es sich um eine Lieferung oder sonstige Leistung handelt (§ 4 Nr. 8 Buchst. b UStG). Für steuerfreie Umsätze scheidet grundsätzlich ein Vorsteuerabzug aus. Ein Ausschluss des Vorsteuerabzugs tritt aber nicht ein für Umsätze im Ausland, die steuerfrei wären, wenn sie im Inland ausgeführt worden wären (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b UStG, → Vorsteuerabzug). Nach § 3a Abs. 3 Satz 3 UStG befindet sich der Ort bestimmter Dienstleistungen, zu denen auch der Geldtausch gehört, im Ausland, wenn der Empfänger kein Unternehmer ist und seinen Wohnsitz in einem sog. Drittlandsgebiet hat (→ Sonstige Leistung).

Im Streitfall hatte das Finanzamt den anteiligen Vorsteuerabzug abgelehnt mit der Begründung, bei dem Geldwechsel handele es sich um eine im Inland erbrachte steuerfreie Lieferung der Wechselstube, sodass der Vorsteuerabzug ausgeschlossen sei.

Der BFH vertrat dagegen ebenso wie das FG die Ansicht, bei dem Geldtausch handele es sich nicht um eine Lieferung, sondern um eine Dienstleistung. Dementsprechend war der Vorsteuerabzug insoweit nicht ausgeschlossen.

Der BFH entschied außerdem, dass für den Nachweis des Wohnsitzes des Kunden im Drittlandsgebiet nicht die für Ausfuhrlieferungen geltenden Buch- und Belegnachweise zu erbringen seien. Im konkreten Fall hatte der Betreiber der Wechselstube die Kunden nach ihrem Herkunftsland befragt und darüber Aufzeichnungen geführt. Das FG hatte diese Aufzeichnungen für plausibel gehalten und der BFH hat dies nicht beanstandet (Pressemitteilung des BFH Nr. 84/10 vom 29.9.2010, LEXinform 0435724; s.a. Langer, NWB 2011, 122).

4. Leistung als Teil des Leistungsaustauschs

Eine Leistung fällt u.a. dann unter das UStG (steuerbar), wenn sie »ausgeführt« wird (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG). Auslösendes Moment der umsatzsteuerrechtlichen Leistung ist das (sachenrechtliche) Erfüllungsgeschäft und nicht das (schuldrechtliche) Verpflichtungsgeschäft.

Auch sachenrechtliche Verträge, wie z.B. das Nießbrauchsrecht (§§ 1030 ff. BGB) oder das Erbbaurecht, können Leistungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sein.

Eine Leistung kann auch durch ein einseitiges Rechtsgeschäft herbeigeführt werden, z.B. bei der Auslobung.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 UStG entfällt die Steuerbarkeit nicht, wenn der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird oder nach gesetzlicher Vorschrift als ausgeführt gilt.

Es spielt keine Rolle, ob das der Leistung zugrunde liegende Rechtsverhältnis rechtsgültig oder wegen gesetzwidrigen oder unsittlichen Inhalts ungültig oder ob es einklagbar ist.

Beispiel 1:

Ein Filialleiter einer Gebrauchtwarenhandlung entwendet fortgesetzt Waren seines Geschäftsherrn und veräußert sie in seinem Bekanntenkreis. Einen Teil verkauft er an einen Trödler, der sie in Kenntnis des Sachverhalts in seinem Laden weiterveräußert.

Lösung 1:

Sowohl der Filialleiter als auch der Trödler bewirken Leistungen.

5. Wirtschaftliche Betrachtungsweise

5.1. Leistung und Gegenleistung im wechselseitigem Zusammenhang

Für die Annahme eines Leistungsaustausches (→ Leistungsaustausch) müssen Leistung und Gegenleistung in einem wechselseitigen Zusammenhang stehen. Ein Leistungsaustausch kann nur zu Stande kommen, wenn sich die Leistung auf den Erhalt einer Gegenleistung richtet und damit die gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung auslöst, sodass schließlich die wechselseitig erbrachten Leistungen miteinander innerlich verbunden sind (Abschn. 1.1 Abs. 1 Sätze 2 und 3 UStAE).

Gibt ein Unternehmer einen Gutschein in Umlauf, der dessen Besitzer berechtigt, eine Leistung des Unternehmers kostenlos in Anspruch zu nehmen (→ Gutscheine), liegt in der Regel kein entgeltlicher Leistungsaustausch vor (BFH Urteil vom 19.11.2014, V R 55/13, BStBl II 2015, 944; s.a. Anmerkung vom 5.2.2015, LEXinform 0946580).

Mit Urteil vom 30.8.2017 (XI R 37/14, BStBl II 2019, 336) nimmt der BFH zur Verknüpfung der Teilnahme an einem Wettbewerb oder Gewinnspielen und den dabei erzielten Gewinnen Stellung. Danach erbringt ein »Berufspokerspieler« keine Leistung im Rahmen eines Leistungsaustausches »gegen Entgelt« i.S.v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn er an Spielen fremder Veranstalter teilnimmt und ausschließlich im Falle der erfolgreichen Teilnahme Preisgelder oder Spielgewinne erhält.

Mit Schreiben vom 27.5.2019 (BStBl I 2019, 512) nimmt das BMF zur umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung von platzierungsabhängigen Preisgeldern Stellung und passt den UStAE an die geänderte BFH-Rspr. entsprechend an (s.a. Oldiges, NWB 31/2019, 2271).

Platzierungsabhängige Preisgelder des Veranstalters stellen kein Entgelt für die Teilnahme an einem Wettbewerb dar, da sie nicht für die Teilnahme gezahlt werden, sondern für die Erzielung eines bestimmten Wettbewerbsergebnisses (Abschn. 1.1 Abs. 24 Satz 3 UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 27.5.2019).

Nach dem BFH-Urteil vom 10.6.2020 (XI R 25/18, BFH/NV 2020, 1388, LEXinform 0952229) sind Preisgelder, die ein Reiter im Falle einer erfolgreichen Teilnahme an einem Turnier (vom Veranstalter oder vom Eigentümer des Pferdes) erhält, kein Entgelt für eine steuerbare Leistung des Reiters.

Beachte:

Unter dem Az. C-713/21 ist beim EuGH folgende Vorlagefrage des BFH vom 27.7.2021 (V R 40/20, BFH/NV 2022, 92, LEXinform 4239141) anhängig: »Erbringt der Inhaber eines Ausbildungsstalls für Turnierpferde an den Pferdeeigentümer eine einheitliche Leistung, die aus Unterbringung, Training und Turnierteilnahme von Pferden besteht, auch insoweit gegen Entgelt, als der Pferdeeigentümer diese Leistung durch hälftige Abtretung des ihm bei einer erfolgreichen Turnierteilnahme zustehenden Anspruchs auf Preisgeld vergütet?« (s. → Leistungsaustausch unter dem Gliederungspunkt »Preisgelder«).

5.2. Leistungen im Rechtssinne

Der Leistungsaustausch umfasst alles, was Gegenstand eines Rechtsverkehrs sein kann. Leistungen im Rechtssinne unterliegen aber nur insoweit der USt, als sie auch Leistungen im wirtschaftlichen Sinne sind, d.h. Leistungen, bei denen ein über die reine Entgeltsentrichtung hinausgehendes eigenes wirtschaftliches Interesse des Entrichtenden verfolgt wird. Die bloße Entgeltsentrichtung, insbes. die Geldzahlung oder Überweisung, ist keine Leistung im wirtschaftlichen Sinne (Abschn. 1.1 Abs. 3 UStAE).

5.3. Dauerleistungen sowie Teilleistungen

5.3.1. Grundsätzliches

Dauerleistungen sind Leistungen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Bei den Dauerleistungen kann es sich sowohl um sonstige Leistungen (z.B. Vermietungen, Leasing, Wartungen, Überwachungen, laufende Finanz- und Lohnbuchführung) als auch um die Gesamtheit mehrerer Lieferungen (z.B. von Baumaterial oder Zeitungs-Abo) handeln. Für Dauerleistungen werden unterschiedliche Zeiträume (z.B. 1/2 Jahr, 1 Jahr, 1 Kalenderjahr, 5 Jahre) oder keine zeitliche Begrenzung vereinbart (s.a. BMF vom 30.6.2020, BStBl I 2020, 584, Rz. 23 und 24).

Dauerleistungen werden ausgeführt:

  1. im Falle einer sonstigen Leistung an dem Tag, an dem der vereinbarte Leistungszeitraum endet (Abschnitt 13.1 Abs. 3 UStAE),

  2. im Falle wiederkehrender Lieferungen – ausgenommen Lieferungen von elektrischem Strom, Gas, Wasser, Abwasser, Kälte und Wärme – am Tag jeder einzelnen Lieferung (Abschnitt 13.1 Abs. 2 UStAE).

Abschlagszahlungen, die für Dauerleistungen geleistet werden, sind grundsätzlich keine Teilleistungen i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 und 3 UStG. Für die Anzahlungen entsteht die USt mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt vereinnahmt worden ist (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG).

Eine Leistung ist in Teilen geschuldet, wenn für bestimmte Teile das Entgelt gesondert vereinbart wird (s.a. Abschn. 13.4 Satz 2 UStAE). Teilleistungen sind auch dann anzuerkennen, wenn in einer Rechnung neben dem Gesamtentgelt der auf einen kürzeren Leistungsabschnitt entfallende Teilbetrag angegeben wird und es dem Leistungsempfänger überlassen bleibt, das Gesamtentgelt oder die Teilentgelte zu entrichten (BMF vom 30.6.2020, BStBl I 2020, 584, Rz. 25; s.a. die Beispiele 1 bis 5 zu Abschn. 13.4 UStAE).

5.3.2. Anwendung der befristeten Umsatzsteuersatzsenkungen wegen Corona

Mit einem Zweiten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) vom 29.6.2020 (BGBl I 2020, 1512) werden die Umsatzsteuersätze befristet vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 von 19 % auf 16 % und von 7 % auf 5 % gesenkt. Das BMF nimmt mit Schreiben vom 30.6.2020 (BStBl I 2020, 584) sowie vom 4.11.2020 (BStBl I 2020, 1129) zur befristeten Absenkung des allgemeinen und ermäßigten Steuersatzes zum 1.7.2020 Stellung (→ Umsatzsteuersatzänderungen in der Corona-Krise).

5.4. Einheitlichkeit der Leistung

5.4.1. Grundsätzliches zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistungen

Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. z.B. EuGH Urteil vom 25.2.1999, C-349/96, LEXinform 0133986) und des BFH (BFH Urteil vom 9.6.2005, V R 50/02, BStBl II 2006, 98) ist zum einen jede Leistung in der Regel als eigene, selbstständige Leistung zu betrachten, zum anderen darf eine wirtschaftlich einheitliche Leistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Daher ist das Wesen des fraglichen Umsatzes aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu ermitteln, um festzustellen, ob der Stpfl. dem Verbraucher mehrere selbstständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt. Eine einheitliche Leistung liegt insbes. dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen (s.a. BFH Urteil vom 15.10.2009, XI R 52/06, BStBl II 2010, 869).

Der EuGH hat mit Urteil vom 18.1.2018 (C-463/16, DStR 2018, 246, LEXinform 0651545) entschieden, dass für eine einheitliche Leistung, welche sich aus mehreren Bestandteilen zusammensetzt, ein und derselbe Mehrwertsteuersatz anzuwenden ist, auch wenn der Preis jedes Bestandteils bestimmbar ist (s.a. Anmerkung vom 18.1.2018, LEXinform 0401967 sowie Grambeck, NWB 21/2018, 1514).

Sachverhalt:

Stadion Amsterdam ist eine Gesellschaft, die einen Mehrzweckgebäudekomplex namens Arena, bestehend aus einem Stadion mit den dazugehörigen Einrichtungen, betreibt. Das Museum des Fußballclubs AFC Ajax befindet sich ebenfalls darin. Stadion Amsterdam vermietet das Stadion an Dritte zur Abhaltung von Sportwettkämpfen und gelegentlich für den Auftritt von ausübenden Künstlern. Es wurde ebenso die Möglichkeit geboten, entgeltliche Besichtigungstouren, bestehend aus einem geführten Stadionrundgang und einem nicht geführten Museumsbesuch, zu buchen. Gestritten wird darum, ob eine einheitliche Leistung, die aus zwei separaten Bestandteilen (hier: Stadionrundgang und Museumsbesuch) besteht, für die bei getrennter Erbringung unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gälten, nach den für diese Bestandteile geltenden Steuersätzen zu besteuern ist, wenn der Preis jedes Bestandteils bestimmt werden kann.

Entscheidungsgründe:

Der EuGH betont zunächst, dass bei einem Umsatz, der verschiedene Einzelleistungen und Handlungen umfasst, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist, um zu bestimmen, ob dieser Umsatz für Zwecke der Mehrwertsteuer zwei oder mehr getrennte Leistungen oder eine einheitliche Leistung umfasst. Jeder Umsatz ist i.d.R. als eigene, selbstständige Leistung zu betrachten, aber ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, darf im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Eine einheitliche Leistung liegt dann vor, wenn zwei oder mehr Einzelleistungen des Stpfl. für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Eine einheitliche Leistung liegt auch dann vor, wenn ein oder mehrere Teile als die Hauptleistung, andere Teile aber als Nebenleistungen anzusehen sind, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Insbes. ist eine Leistung in diesem Sinne als Nebenleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Im streitgegenständlichen Fall ist hiernach von einer einheitlichen Leistung auszugehen. Beide Bestandteile dieser einheitlichen Leistung dürfen nicht zu unterschiedlichen Mehrwertsteuersätzen besteuert werden; vielmehr ist dem Umsatz ein- und derselbe Mehrwertsteuersatz zugrunde zu legen. Denn andernfalls käme es zu einer künstlichen Aufspaltung der Leistung, was die Funktionalität des Mehrwertsteuersystems beeinträchtigen könnte. Dies gilt selbst für den Fall, dass es möglich ist, den Preis für jeden einzelnen Bestandteil der einheitlichen Leistung zu bestimmen.

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass der Museumsbesuch der Nebenbestandteil ist. Somit unterliegt das gesamte Entgelt dem Regelsteuersatz.

5.4.2. Verpflegung von Hotelgästen

5.4.2.1. Aufteilungsgebot

Mit Urteil vom 15.1.2009 (V R 9/06, BStBl II 2010, 433) hat der BFH entschieden, dass es sich bei der Verpflegung von Hotelgästen um eine Nebenleistung zur Übernachtung handelt, die als Teil der Gesamtleistung am Ort des Hotels nach § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG steuerbar ist (→ Restaurationsumsätze). Nach den Grundsätzen des BMF-Schreibens vom 4.5.2010 (BStBl I 2010, 490) war diese Aussage nicht über den Einzelfall hinaus anzuwenden.

Mit Schreiben vom 9.12.2014 (BStBl I 2014, 1620) teilt das BMF nun mit, dass an der bisher vertretenen Rechtsauffassung nicht mehr festgehalten wird und hebt gleichzeitig das BMF-Schreiben vom 4.5.2010 auf.

Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG ermäßigt sich die Steuer für Umsätze aus der Vermietung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereithält. Die Steuerermäßigung gilt nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn es sich um Nebenleistungen zur Beherbergung handelt und diese mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind (sog. Aufteilungsgebot, Abschnitt 12.16 Abs. 8 Satz 1 UStAE). Der Grundsatz, dass die (unselbstständige) Nebenleistung das Schicksal der Hauptleistung teilt, wird von dem Aufteilungsgebot verdrängt. Denn das gesetzlich normierte Aufteilungsgebot für einheitliche Leistungen geht den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistung vor (BFH Urteil vom 24.4.2013, XI R 3/11, BStBl II 2014, 86; Abschn. 12.16 Abs. 8 Satz 2 und 3 UStAE; s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 83/2013 vom 4.12.2013, LEXinform 0440999).

Danach unterliegen nur die unmittelbar der Vermietung (Beherbergung) dienenden Leistungen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Verpflegungsleistungen gehören nicht dazu; sie sind dem allgemeinen Steuersatz zu unterwerfen. Das gilt auch dann, wenn die Übernachtungs- und Verpflegungsleistungen zu einem Pauschalpreis angeboten werden. Auf die Regelungen in Abschn. 12.16 Abs. 11 und 12 UStAE zur Aufteilung eines pauschalen Gesamtpreises in derartigen Fällen wird hingewiesen.

Anmerkung:

Ob das Aufteilungsgebot des Abschn. 12.16 Abs. 8 UStAE (BFH vom 24.4.2013, XI R 3/11, BStBl II 2014, 86) nach der o.g. EuGH-Entscheidung vom 18.1.2018 (C-463/16, DStR 2018, 246, LEXinform 0651545) weiter Bestand haben wird, kann angezweifelt werden. Allerdings ist zu beachten, dass im EuGH-Urteil »Stadion Amsterdam« die beiden Leistungsbestandteile – Stadionführung und Museumsbesuch – zwangsweise miteinander verbunden sind. Im Hotel ist es aber anders. Im Hotel kann man übernachten, ohne zu frühstücken. Es könnte deshalb doch beim Aufteilungsgebot des BFH-Urteils vom 24.4.2013 (XI R 3/11, BStBl II 2014, 86; Abschn. 12.16 Abs. 8 Satz 2 und 3 UStAE) bleiben.

5.4.2.2. Coronabedingte Steuersatzänderungen

Mit Art. 1 Nr. 1 des Corona-Steuerhilfegesetzes vom 19.6.2020 (BGBl I 2020, 1385) wird in § 12 Abs. 2 eine neue Nr. 15 angefügt. Danach ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.7.2021 erbrachten Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen, mit Ausnahme der Abgabe von Getränken (→ Umsatzsteuersatzänderungen in der Corona-Krise).

Mit Art. 3 des Dritten Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Drittes Corona-Steuerhilfegesetz) vom 10.3.2021 (BGBl I 2021, 330) wird in § 12 Abs. 2 Nr. 15 die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf Restaurant- und Verpflegungsleistungen bis zum 31.12.2022 verlängert (BT-Drs. 19/26544).

Mit einem Zweiten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) vom 29.6.2020 (BGBl I 2020, 1512) werden die Umsatzsteuersätze befristet vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 von 19 % auf 16 % und von 7 % auf 5 % gesenkt.

Das BMF nimmt mit Schreiben vom 30.6.2020 (BStBl I 2020, 584) zur befristeten Absenkung des allgemeinen und ermäßigten Steuersatzes zum 1.7.2020 Stellung.

Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 4.11.2020 (BStBl I 2020, 1129) weitere Hinweise und Vereinfachungsregelungen zu den Steuersatzsenkungen – aber auch bereits zu den Steuersatzerhöhungen ab 1.1.2021 – veröffentlicht.

Beachte:

Zur befristeten Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen zum 1.7.2020 nimmt das BMF mit Schreiben vom 2.7.2020 (BStBl I 2020, 610) Stellung. Dabei wird in Abschn. 10.1 UStAE ein neuer Abs. 12 angefügt und in Abschn. 12.16 Abs. 12 UStAE Satz 2 neu gefasst.

Abschn. 10.1 Abs. 12 UStAE lautet: »Für die befristete Anwendung der ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Restaurations- und Verpflegungsleistungen mit Ausnahme der Abgabe von Getränken ist es nicht zu beanstanden, wenn zur Aufteilung des Gesamtkaufpreises von sogenannten Kombiangeboten aus Speisen inklusive Getränken (z.B. Buffet, All-Inclusive-Angeboten) der auf die Getränke entfallende Entgeltanteil mit 30 % des Pauschalpreises angesetzt wird.«

Nach der Neufassung des Satzes 2 des Abschn. 12.16 Abs. 12 UStAE wird es ebenfalls nicht beanstandet, wenn der auf diese Leistungen (Ansatz eines Sammelpostens) entfallende Entgeltanteil mit 15 % – statt bisher 20 % – des Pauschalpreises angesetzt wird.

Für Unternehmer, die Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen sowie Beherbergungs- und Frühstücksleistungen ausführen, gelten folgende Steuersätze (→ Restaurationsumsätze, → Umsatzsteuersatzänderungen in der Corona-Krise):

Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen

Mehrwertsteuersätze

ausgeführt

19 %

16 %

7 %

5 %

bis 30.6.2020

X

ab 1.7.2020

X

ab 1.1.2021

X

ab 1.1.2023

X

Getränke

bis 30.6.2020

X

ab 1.7.2020

X

ab 1.1.2021

X

Beherbergungsleistungen / Übernachtungen

bis 30.6.2020

X

ab 1.7.2020

X

ab 1.1.2021

X

Beherbergungsleistungen / Frühstück (Aufteilungsgebot Abschn. 12.16 Abs. 8 UStAE)

bis 30.6.2020

X

ab 1.7.2020

X

ab 1.1.2021

X

ab 1.7.2023

X

5.4.3. Mailing-Spendensammelaktion

Leistungen, die im Zusammenhang mit einer sog. Mailing-Aktion erbracht werden, sind nach dem Urteil des BFH vom 15.10.2009 (XI R 52/06, BStBl II 2010, 869) Bestandteil einer einheitlichen Leistung und unterliegen insgesamt dem Regelsteuersatz. In dem vom BFH entschiedenen Fall war die umsatzsteuerliche Behandlung von Leistungen streitig, die im Zusammenhang mit der Planung, Herstellung und Distribution von Serienbriefen an potenzielle Spender zum Zwecke der Information und des Spendensammelns (sog. Mailing) standen. Die Klägerin, eine im Inland ansässige GmbH, erbrachte diese Leistungen an gemeinnützige Organisationen in Italien. Der BFH entschied, dass die zu einer Mailing-Aktion gehörenden einzelnen Leistungen der Klägerin jeweils als eine einheitliche Leistung zu beurteilen seien, und weiter, dass es sich hierbei gem. § 3 Abs. 9 UStG um eine sonstige Leistung handele. Er folgte damit der Klägerin nicht, die der Auffassung war, es handele sich im Wesentlichen nur um die Lieferung von Informationsschriften. Da die Dienstleistungen gem. § 3a Abs. 1 UStG von dem Ort ausgeführt wurden, von dem aus die Klägerin ihr Unternehmen betrieben hat, lag deren Leistungsort im Inland, mit der Folge, dass sie im Inland steuerbar und steuerpflichtig waren.

5.4.4. Akquirieren von Neukunden

Zur Kundenwerbung durch einen Altkunden als eigenständige Leistung hat das FG München den im Beispiel 2 geschilderten Sachverhalt entschieden.

Beispiel 2:

Der Sachverhalt und die Lösung sind dem rkr. Urteil des FG München vom 2.2.2011 (3 K 1504/08, EFG 2011, 1282, LEXinform 5011760) entnommen.

Unternehmer U betreibt einen Versandhandel. In seinen Werbeprospekten wird jedem Kunden (Altkunden) für die Nennung der Adresse eines neuen Kunden ein Zahlungsabzug von 3 € – mithin eine Prämie oder Werbegutschrift – versprochen. Voraussetzung für den Erhalt dieser Prämie ist, dass dieser Neukunde eine Bestellung aufgibt und bezahlt. Die dem Altkunden zugesagte Prämie kann nicht ausbezahlt werden, sondern erst im Rahmen einer weiteren Bestellung des Altkunden von dem aus dieser Bestellung geschuldeten Betrag in Abzug gebracht werden.

Fraglich ist, ob die »Werbeprämie« eine Erlösminderung oder eine eigenständige Leistung darstellt.

Lösung 2:

Unternehmer U hat durch einen Versandhandel steuerpflichtige Lieferungen an seine Abnehmer erbracht. Dabei ist der zu versteuernde Umsatz bei Lieferungen gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG nach dem Entgelt zu bemessen. Entgelt ist alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der leistende Unternehmer vom Leistungsempfänger oder einem anderen als dem Leistungsempfänger für die Leistung erhält oder erhalten soll, jedoch abzüglich der für diese Leistung gesetzlich geschuldeten USt (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Das ist vorliegend für die Leistungen des U der Rechnungsbetrag der jeweiligen Lieferung. Die von U bestimmten Altkunden gutgeschriebene – mithin mit dem Wert der Neubestellung verrechnete – Prämie von 3 € mindert dieses Entgelt nicht i.S.d. § 17 UStG, weil der Gewährung dieser Prämien ein eigenständiger Leistungsaustausch zwischen den Altkunden und U zu Grunde lag.

Die Leistung des jeweiligen Altkunden besteht in der Nennung der Adresse eines potenziellen Neukunden. Diese Leistung wird im Hinblick auf die zu erwartende Prämie erbracht, diese wiederum wird von U versprochen, um zu dieser Leistung – der Nennung der Adressen potenzieller neuer Kunden – anzuspornen. Beide Leistungen stehen daher in einem ursächlichen Zusammenhang. Dieser Leistungsaustausch geht auch nicht im zusätzlichen Leistungsverhältnis der Belieferung sowohl des Alt- als auch des Neuabonnenten auf mit der Folge, dass er seine Selbstständigkeit verliert. Er ergänzt weder die Belieferung als Nebenleistung noch wird er üblicherweise mit ihr zusammen ausgeführt. Die Leistung der Altkunden besteht in der Vermittlung der zusätzlichen Belieferungsmöglichkeit neuer Kunden, die für U einen nicht unerheblichen wirtschaftlichen Wert begründet. Sie stellt daher eine gesonderte Leistung dar.

5.4.5. Bücher und E-Books

Nach den EuGH-Urteilen vom 5.3.2015 (C-479/13 und C-502/13, LEXinform 0589499 und LEXinform 5213299) darf auf die Lieferung von E-Books – anders als Büchern aus Papier – kein ermäßigter Mehrwertsteuersatz angewendet werden. Der Gerichtshof stellt fest, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie die Möglichkeit ausschließt, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf »elektronisch erbrachte Dienstleistungen« anzuwenden. Nach Ansicht des Gerichtshofs stellt die Lieferung elektronischer Bücher eine solche Dienstleistung dar. Der Gerichtshof verwirft das Argument, wonach die Lieferung elektronischer Bücher eine Lieferung von Gegenständen (und nicht eine Dienstleistung) darstelle. Denn allein der physische Träger, der das Lesen elektronischer Bücher erlaubt, kann als ein »körperlicher Gegenstand« angesehen werden, aber die Lieferung elektronischer Bücher schließt einen solchen Träger nicht ein.

Es ist darauf hinzuweisen, dass Anhang III zu Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL in Nr. 6 in der Kategorie der Dienstleistungen, auf die ermäßigte Mehrwertsteuersätze angewandt werden können, ausdrücklich die »Lieferung von Büchern auf jeglichen physischen Trägern« nennt. Somit ergibt sich aus dem Wortlaut dieser Nummer, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz auf den Vorgang der Lieferung eines Buchs, das sich auf einem physischen Träger befindet, anzuwenden ist.

Hinweis:

Mit Urteil vom 7.3.2017 (C-390/15, UR 2017, 393, LEXinform 0651511) bestätigt der EuGH die Gültigkeit von Anhang III Nr. 6 i.V.m. Art. 98 Abs. 2 der MwStSystRL, wonach u.a. Bücher, die auf Datenträgern zur Verfügung gestellt werden, dem ermäßigten Steuersatz und Bücher, die per Download verkauft werden, dem Regelsteuersatz unterliegen (s.a. Anmerkung vom 18.4.2017, LEXinform 0948647).

Am 6.11.2018 hat der Rat die Richtlinie (EU) 2018/1713 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften (ABl. EU Nr. L 286, 20) angenommen.

Art. 98 Abs. 2 Unterabs. 2 MwStSystRL erhält danach folgende Fassung: »Die ermäßigten Steuersätze sind nicht anwendbar auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen mit Ausnahme der unter Anhang III Nr. 6 fallenden Dienstleistungen.«

Anhang III Nummer 6 erhält folgende Fassung:

»6. Lieferung von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften auf physischen Trägern, auf elektronischem Weg oder beidem, einschließlich des Verleihs durch Büchereien (einschließlich Broschüren, Prospekte und ähnlicher Drucksachen, Bilder-, Zeichen- oder Malbücher für Kinder, Notenhefte oder Manuskripte, Landkarten und hydrografischer oder sonstiger Karten), mit Ausnahme von Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen, und mit Ausnahme von Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen«.

Die Richtlinie gestattet es den Mitgliedstaaten, auf elektronische Veröffentlichungen ebenfalls den ermäßigten Mehrwertsteuersatz anzuwenden.

Durch das Gesetz zur steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (JStG 2019) vom 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) wurde in § 12 Abs. 2 UStG eine neue Nr. 14 eingefügt. Danach ist nach § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG neu begünstigt »die Überlassung der in Nr. 49 Buchst. a bis e und Nr. 50 der Anlage 2 bezeichneten Erzeugnisse in elektronischer Form, unabhängig davon, ob das Erzeugnis auch auf einem physischen Träger angeboten wird, mit Ausnahme der Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen aus Videoinhalten oder hörbarer Musik bestehen. Ebenfalls ausgenommen sind Erzeugnisse, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien oder Hinweispflichten nach § 15 Abs. 1 bis 3 und 6 des Jugendschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung bestehen, sowie Veröffentlichungen, die vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken, einschließlich Reisewerbung, dienen. Begünstigt ist auch die Bereitstellung eines Zugangs zu Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten«.

5.4.6. Pflanzenlieferung und Einpflanzen der Pflanzen

Zur Einheitlichkeit der Leistung und zum Steuersatz bei der Lieferung von Pflanzen und den damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Leistungen hat der BFH mit Urteil vom 25.6.2009 (V R 25/07, BStBl II 2010, 239) entschieden, dass die (dem ermäßigten Steuersatz unterliegende) Lieferung der Pflanzen und das (dem Regelsteuersatz unterliegende) Einpflanzen umsatzsteuerrechtlich jeweils selbstständige Leistungen sein können. Etwas anderes gilt jedoch, wenn unter Verwendung von Pflanzen auf der Grundlage eines Gesamtkonzepts etwas selbstständiges »Drittes« i.S.e. gärtnerischen Anlage geschaffen wird (BFH Urteil vom 25.6.2009, V R 25/07, BStBl II 2010, 239, Rz 23).

Nach dem BFH-Urteil vom 14.2.2019 (V R 22/17, BStBl II 2019, 350) bildet die Lieferung von Pflanzen mit den damit im Zusammenhang stehenden Gartenbauarbeiten eine einheitliche komplexe Leistung, wenn auf der Grundlage eines Gesamtkonzepts etwas selbstständiges Drittes (Gartenanlage) geschaffen wird. Die komplexe Leistung des Erstellens einer Gartenanlage unterliegt nicht dem ermäßigten, sondern dem Regelsteuersatz.

5.4.7. Herstellung von Mischfutter

Das FG Nürnberg hat mit Urteil vom 16.10.2018 (2 K 703/18, EFG 2018, 2066, LEXinform 5021610) zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung einer mobilen Mahl- und Mischtätigkeit unter Beifügung von Zutaten Stellung genommen. Mit Urteil vom 26.9.2019 (V R 36/18, BFH/NV 2020, 112, LEXinform 0952067) hat der BFH die Rechtsausführungen des FG Nürnberg bestätigt.

Beispiel 3:

Der Sachverhalt und die Lösung sind dem Urteil des FG Nürnberg vom 16.10.2018 (2 K 703/18, EFG 2018, 2066, LEXinform 5021610) entnommen.

Unternehmer U betreibt u.a. einen Mahl- und Mischbetrieb für Tierfutter als Einzelunternehmen. Mit seiner mobilen Mahl- und Mischanlage bearbeitet er auf landwirtschaftlichen Betrieben das von den Landwirten bereitgestellte Getreide. In der überwiegenden Anzahl der Fälle wird von U im Rahmen des Mahl- und Mischvorgangs selbst mitgebrachtes Raps- oder Sojaöl und Zusatzstoffe entsprechend dem Auftrag und den Bedürfnissen des jeweiligen Landwirts dem Getreide beigemischt.

Im Einzelnen führt U vier verschiedene Leistungen aus, dies sind:

  1. die reine Mahl- und Mischtätigkeit von Getreide ohne Beifügung weiterer Zutaten;

  2. die Mahl- und Mischtätigkeit nur unter Beifügung von Raps- und Sojaöl (Pflanzenöl) nach den individuellen Vorgaben der Bauern;

  3. die Mahl- und Mischtätigkeit unter Beifügung (i.d.R. neben Pflanzenölen) von Mineralfutter und/oder andere Zusatzstoffe nach den individuellen Vorgaben der Bauern;

  4. der reine Verkauf von Futterzusätzen.

Fraglich ist, ob es sich um einheitliche Leistungen und dabei um Lieferungen oder sonstige Leistungen handelt und inwieweit die Leistungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen.

Lösung 3:

Bei Anwendung der Grundsätze hinsichtlich der Aufteilung der Leistung in Haupt- und Nebenleistung unterliegen die von U im Rahmen seiner Tätigkeit erbrachten vier verschiedenen Leistungen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung einer unterschiedlichen umsatzsteuerrechtlichen Einordnung.

Zunächst ist die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der ersten und vierten Fallgruppe – also die reine Mahl- und Mischleistung ohne Beifügung von Zutaten und der reine Verkauf von Futterzusätzen – unstreitig. Die reine Mahl- und Mischtätigkeit unterliegt als sonstige Leistung dem Regelsteuersatz und der Verkauf von Tierfutterzusätzen unterliegt als Lieferung dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. der Anlage 2 Nr. 37 zu § 12 UStG.

Bei den Leistungen der zweiten und der dritten Fallgruppe – also der Mahl- und Mischleistung unter der bloßen Beifügung von Pflanzenöl oder unter der Beifügung weiterer Zusatzstoffe – hat U keine einheitliche Leistung, sondern zwei getrennte Leistungen erbracht, von denen die Lieferung von Futteröl und/oder Mineralfutter dem ermäßigten Steuersatz unterliegen kann.

Hinweis:

Im Gegensatz dazu hatte das FG München mit rkr. Urteil vom 6.7.2016 (3 K 1211/13, EFG 2016, 1654, LEXinform 5019373) die Leistungen der zweiten und dritten Fallgruppe als jeweils einheitliche Leistung angesehen, weil U zwei Handlungen vornimmt, die so eng miteinander verbunden seien, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bildeten, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers sei weder die Abgabe des Pflanzenöls, der Mineral- und Zusatzstoffe noch das Mahlen und Mischen jeweils als eine eigene, selbständige Leistung anzusehen, jedenfalls soweit diese Zutaten im Rahmen des Mischvorgangs beigefügt wurden.

Fortsetzung der Lösung:

Der BFH stimmt der Rechtsauffassung des FG Nürnberg zu, dass das Mahlen und die Zugabe der Zusatzstoffe keinen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Weder die Zugabe von Futteröl noch die Zugabe von Mineralfutter dienen allein dazu, das Mahlen zu ermöglichen oder zu erleichtern. Dies wäre namentlich dann der Fall, wenn die Zugabe des Futteröls ausschließlich oder vorrangig dazu diente, den beim Mahlen oder Quetschen entstehenden Staub zu binden und dadurch das Mahlen oder Quetschen zu erleichtern (vgl. FG München vom 6.7.2016, 3 K 1211/13, EFG 2016, 1654, Rz 26 f.). Das zunächst verwendete Öl und das später verwendete Rapsöl sollten gleichermaßen vor allem den Nährstoffgehalt des Endprodukts erhöhen. Die Staubbindung ist lediglich ein Nebeneffekt, der zudem vorrangig die spätere Eignung als Futtermittel betrifft, nicht den Mahl- oder Quetschvorgang als solchen. Dies liegt schon deswegen nahe, weil Unternehmer U das Öl erst in einem weiteren Arbeitsschritt nach dem Mahlen oder Quetschen zugibt, nicht schon davor oder währenddessen.

Unter den konkreten Umständen des Urteilsfalls lassen sich mit dem Schroten/Quetschen, der Zugabe von Futteröl und/oder Mineralfutter und dem Mischen mehrere aufeinander folgende Einzelschritte abgrenzen, von denen das Schroten/Quetschen und das Mischen eine sonstige Leistung, die Zugabe von Futteröl und/oder Mineralfutter zum Schrot eine Lieferung sind. Dass diese Prozesse teilweise nebeneinander laufen, dient lediglich der Zeitersparnis.

Die Zugabe von Futteröl und/oder Mineralstoffen beruht insbesondere nicht auf einem vom Unternehmer U im Voraus getroffenen Arrangement, sondern auf den individuellen Vorgaben der Leistungsempfänger. Die Leistungsempfänger lassen das Futter für ihre Tiere nach eigenen Vorstellungen mischen und können selbst entscheiden, in welchem Umfang sie Dienstleistung und Lieferung in Anspruch nehmen, ohne dabei auf Sachkunde des U zurückzugreifen. Die Dienstleistung des U ist weitgehend standardisiert und nicht auf die konkrete Zusammensetzung des Futters abgestimmt.

Hinweis:

Das FG München hatte in seinem rkr. Urteil vom 6.7.2016 (3 K 1211/13, EFG 2016, 1654, LEXinform 5019373) entschieden, dass es sich bei der dritten Fallgruppe um eine Werklieferung handeln könnte. Das Lieferelement der einheitlichen Leistungen übersteige das Dienstleistungselement hier dann, wenn bei der Mahl- und Mischtätigkeit wesensbestimmende Futtermittelzusätze beigefügt wurden; in diesen Fällen läge jeweils eine Werklieferung vor.

Bei diesen einheitlichen Leistungen des U handele es sich dann um Werklieferungen i.S.d. § 3 Abs. 4 Satz 1 UStG, wenn er bei dem Mahlen und Mischen des von den Kunden (Landwirten) beigestellten Getreides eigene wesensbestimmende Stoffe untergemischt hatte. Nur bei einer solchen »wesensbestimmenden Hinzugabe« geben die Lieferungen von Mineral- und Zusatzstoffen an die Kunden der einheitlichen Leistung das »Gepräge«, da durch deren Zugabe das von den Kunden bestellte Tiermischfuttermittel entstünde.

Entscheidungserheblich sei deshalb, in welchen konkreten Fällen davon ausgegangen werden kann, dass die Beifügung von Mineral- und Zusatzstoffen an die Kunden wesensbestimmend für diese Leistungen als Werklieferung wären.

Zu einer sachgerechten Beurteilung der Frage, ob die beigefügten Materialien des U als wesensbestimmende Zutaten den einheitlichen Leistungen ein eigenes Gepräge gegeben hätten und es sich deshalb um Werklieferungen handele, sei jeweils darauf abzustellen, ob der Wert der beigefügten Zutaten – mithin der Nettopreis der Lieferung – den Nettopreis der reinen Mahl- und Mischtätigkeit – mithin den der Dienstleistung – überschritten habe, denn nur dann überwiegen die Lieferungselemente die der jeweiligen sonstigen Leistung. Dies entspräche auch der Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 3.8 Abs. 6 Satz 6 UStAE zu den vergleichbaren Abgrenzungsfragen bei der Qualifizierung einer Reparaturleistung als Werklieferung.

Bei einem Abstellen auf den Wert der einzelnen Bestandteile der Leistungen des U müssten daher von dem Nettogesamtentgelt für seine Leistung im jeweiligen Fall mehr als 50 % auf die hinzugegebenen Zutaten entfallen. Nur in den Fällen, in denen der Nettopreis der von U hinzugefügten Zutaten mehr als 50 % des Nettogesamtentgelts betrüge, könne hier demnach von einer einheitlichen Leistung im Form einer Werklieferung ausgegangen werden; nur dann würden die Lieferungselemente der einheitlichen Leistung die gleichfalls vorhandenen Dienstleistungselemente überwiegen. In diesen Fällen sei dann der ermäßigte Steuersatz auf die gesamte Leistung anzuwenden.

Fortsetzung der Lösung:

Der BFH stimmt der Rechtsauffassung des FG Nürnberg zu, dass das Verhältnis der Preise für das Schroten/Quetschen einerseits, Futteröl und/oder Mineralfutter andererseits der Annahme zweier eigenständiger Leistungen nicht entgegensteht. Dieses Verhältnis hängt von der konkreten Dosierung von Futteröl und Mineralfutter im Einzelfall ab. Aus der Stichprobe der von U vorgelegten Ausgangsrechnungen ergibt sich, dass der auf Futteröl und/oder Mineralfutter entfallende Entgeltanteil insbes. in den Fällen, in denen U nur Futteröl, nicht aber Mineralfutter zusetzt, überwiegend unter 50 %, zumeist aber deutlich über 10 % liegt und daher typischerweise nicht völlig unerheblich ist. Einen starren Grenzwert hält das FG und BFH insofern für nicht sachgerecht. Das Verhältnis der Entgeltbestandteile könnte dann allein den Ausschlag geben, was es gerade nicht tun soll. Zudem könnten sich im Umfeld eines solchen Grenzwerts steuerliche Fehlanreize ergeben, wenn eine höhere Dosierung von Futteröl und Mineralfutter zu einer niedrigeren Besteuerung führen könnte (s.a. Anmerkung vom 3.1.2020, LEXinform 0889062).

5.4.8. Futterherstellung und automatische Verfütterung

Mit Urteil vom 25.2.2021 (5 K 3446/18, EFG 2021, 886, LEXinform 5023741, Revision eingelegt, Az. BFH: XI R 9/21, LEXinform 0953568) hat das FG Münster entschieden, dass es sich bei Flüssigfutterleistungen, die über eine einheitliche Futtermittelzentrale an andere Unternehmer erfolgen, nicht um Lieferungen, sondern um dem Regelsteuersatz unterliegende Futtermanagement-Dienstleistungen handelt. Die Steuerermäßigungsvorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 Nr. 37 UStG kommt nicht zur Anwendung, weil diese Vorschrift Lieferungen von zubereitetem Futter betrifft. Die Fütterungsleistung des Klägers sei nicht in eine Futterlieferung einerseits und eine Futtermanagement-Dienstleistung andererseits aufteilbar gewesen. Die Futterherstellung und automatische Verfütterung stellten vielmehr ein Leistungsbündel mit überwiegendem Dienstleistungsanteil dar (s.a. Anmerkung vom 21.7.2021, LEXinform 0887460).

5.4.9. Stromlieferung neben steuerfreier Vermietung

Auch wenn Strom über eine Photovoltaikanlage vom Vermieter erzeugt und an die Mieter geliefert wird, handelt es sich dabei im Regelfall nicht um eine unselbstständige Nebenleistung der (steuerfreien) Vermietung. Entscheidend ist, dass der Mieter die Möglichkeit hat, den Stromanbieter frei zu wählen (Niedersächsisches FG vom 25.2.2021, 11 K 201/19, EFG 2021, 883, LEXinform 5023776, Revision eingelegt, Az. BFH: XI R 8/21, LEXinform 0953428). Das beklage FA versagte den Abzug mit der Begründung, dass die Stromlieferung eine unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Vermietung sei (Hinweis auf Abschn. 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE; s.a. Niedersächsisches FG Mitteilung vom 17.3.2021, LEXinform 0460295).

5.4.10. Supermarkt-Rabattmodell

Mit Urteil vom 18.12.2019 (XI R 21/18, BStBl II 2020, 723) hat der BFH entschieden, dass die entgeltliche Einräumung einer Berechtigung zum verbilligten Warenbezug (in Form einer »Mitgliedschaft«) umsatzsteuerrechtlich eine selbständige Leistung und nicht nur eine Nebenleistung zum späteren Warenverkauf darstellt. Auch wenn der Supermarkt Waren verkauft, die sowohl dem Regelsteuersatz (19 %) als auch dem ermäßigten Steuersatz (7 %) unterliegen, ist auf den Mitgliedsbeitrag der Regelsteuersatz anzuwenden.

Entscheidungssachverhalt:

Die Klägerin betrieb mehrere Bio-Supermärkte in einer deutschen Großstadt unter einer gemeinsamen Dachmarke. In den Märkten konnten Kunden entweder die Waren zum Normalpreis oder verbilligt als »Mitglied« einkaufen. Für die »Mitgliedschaft« zahlten die Kunden einen monatlichen festen Beitrag (je nach Einkommen und Familienstand zwischen ca. 10 € und ca. 20 €).

Die Klägerin ging davon aus, dass der Mitgliedsbeitrag ein Entgelt für die späteren Warenverkäufe sei. Die Einräumung der Rabattberechtigung sei als notwendiger Zwischenschritt des Warenverkaufs anzusehen und damit eine Nebenleistung. Da die rabattierten Warenlieferungen zu über 81 % dem ermäßigten Steuersatz unterlagen (z.B. für Lebensmittelverkäufe), teilte die Klägerin auch die Mitgliedsbeiträge entsprechend nach beiden Steuersätzen auf. FA und FG hingegen gingen davon aus, dass die eingeräumte Rabattberechtigung als selbständige Leistung in vollem Umfang dem Regelsteuersatz unterliege.

Entscheidungsgründe des BFH:

Soweit die Zahlung für die Bereitschaft der Klägerin gezahlt worden sei, Waren verbilligt zu liefern, habe die Klägerin eine selbständige Leistung erbracht, an der die Kunden ein gesondertes Interesse gehabt hätten. Ein monatlicher pauschaler Mitgliedsbeitrag sei insbesondere keine Anzahlung auf künftige Warenlieferungen, da das »Ob und Wie« der künftigen Lieferungen bei Abschluss der »Mitgliedschaft« nicht hinreichend bestimmt sei.

Fazit:

Das Urteil des BFH hat wirtschaftlich zur Folge, dass sich die Kosten des Supermarktbetreibers für das von ihm angebotene Rabattmodell erhöhen. Der Verbraucher ist nicht unmittelbar betroffen. Keine Aussage hat der BFH zu anderen Rabatt-Modellen getroffen, bei denen z.B. der Mitgliedsbeitrag vom Umsatz des Kunden abhängt oder mit dem Kaufpreis der Waren verrechnet wird. Auch musste der BFH nicht entscheiden, ob der Fall anders zu beurteilen gewesen wäre, wenn sich der Rabatt nur auf Waren bezogen hätte, die dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegen (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 24/2020 vom 22.5.2020, LEXinform 0456640).

6. Literaturhinweis

Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer, Loseblatt; Lange, Umsatzbesteuerung von Leistungsbündeln – Mehrheit von Leistungen oder einheitliche Leistung? –, UR 2009, 289; Langer, BFH qualifiziert Umtausch von Zahlungsmitteln als sonstige Leistung, NWB 2011, 122; von Streit, Wie einheitlich sind einheitliche Leistungen noch?, UR 2012, 293; von Streit, Einheitliche Umsätze und »Aufteilungsgebot« – BFH-Urteil zu Frühstück und Übernachtung, UStB 2014, 19; Grambeck, Einheitlicher Steuersatz für einheitliche Leistungen, NWB 21/2018, 1514; Sterzinger, Gesetzliche Steueraufteilungsgebote und der Grundsatz der Einheitlichkeit einer Leistung, UStB 7/2019, 214.

7. Verwandte Lexikonartikel

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Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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