Maßgeblichkeitsgrundsatz

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Mittelpunkt der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich steht die Steuerbilanz.
  • Grundlage dafür ist die Handelsbilanz.
  • Mit dem Maßgeblichkeitsgrundsatz werden die Werte der Handelsbilanz in die Steuerbilanz aufgenommen.
  • Es gilt also zunächst eine Handelsbilanz zu erstellen und daraus die Steuerbilanz abzuleiten.
  • Dafür gibt es sonderrechtliche Regelungen.

Inhaltsverzeichnis

1 Anwendung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes
2 Die Bedeutung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes
2.1 Verbindlichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz
2.2 Die Prinzipien für die Bilanzierung
3 Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften
4 Ausübung steuerrechtlicher Wahlrechte
4.1 Allgemeines
4.2 Ausweis in besonderen Verzeichnissen
4.3 Handelsrechtliche und steuerliche Wahlrechte
4.4 Steuerliche Teilwertabschreibung
5 Literaturhinweise
6 Verwandte Lexikonartikel

1. Anwendung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes

Bei Gewerbetreibenden ist für den Schluss des Wirtschaftsjahres das Betriebsvermögen anzusetzen (§ 4 Abs.1 Satz 1 EStG), das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Dies gilt zum einem im Hinblick auf die Bilanzierung dem

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  • Grunde nach (Bilanzierungsfähigkeit) als auch

  • grundsätzlich der Höhe nach (beachte insoweit den Bewertungsvorbehalt des § 5 Abs. 6 EStG).

Der so normierte Maßgeblichkeitsgrundsatz gilt für die bilanzierenden und alle freiwillig Buch führenden Gewerbetreibenden, die ihren Gewinn nach § 4 Abs.1 i.V.m. § 5 EStG durch Betriebsvermögensvergleich ermitteln. Steuerliche Wahlrechte können unabhängig von der handelsrechtlichen Bilanzierung ausgeübt werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG).

2. Die Bedeutung des Maßgeblichkeitsgrundsatzes

2.1. Verbindlichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz

Nach dem Wortlaut sind die geschriebenen (§§ 238 ff., 266 ff. HGB) und ungeschriebenen handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung für die steuerliche Gewinnermittlung heranzuziehen (maßgeblich). Über den Wortlaut des § 5 Abs. 1 EStG hinaus sind alle Normen des Handelsrechts für die steuerliche Gewinnermittlung maßgeblich unabhängig davon, ob eine Handelsbilanz im konkreten Fall überhaupt erstellt wird oder nicht (sog. materielle Maßgeblichkeit).

Die materielle Maßgeblichkeit wird durch steuerliche Wahlrechte wie der Übertragung stiller Reserven nach § 6b EStG (→ Rücklagenbildung nach § 6b und § 6c EStG) oder der → Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 6.6 EStR sowie der Inanspruchnahme von erhöhten Absetzungen (§§ 7h, 7i EStG) oder der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach § 7g EStG eingeschränkt.

2.2. Die Prinzipien für die Bilanzierung

Aus dem oben Genannten werden die folgenden Prinzipien für die Bilanzierung abgeleitet:

  • aus dem handelsrechtliches Aktivierungsgebot folgt ein steuerliches Aktivierungsgebot;

  • aus dem handelsrechtliches Passivierungsgebot folgt ein steuerliches Passivierungsgebot;

  • aus dem handelsrechtliches Aktivierungsverbot folgt ein steuerliches Aktivierungsverbot;

  • aus dem handelsrechtlichen Passivierungsverbot folgt ein steuerliches Passivierungsverbot.

Der BFH hat mit Beschluss vom 3.2.1969 (GrS 2/68, BStBl II 1969, 291) für die Wahlrechte des HGB gefolgert:

  • ein handelsrechtliches Aktivierungswahlrecht führt zu einem steuerlichen Aktivierungsgebot bzw.

  • ein handelsrechtliches Passivierungswahlrecht führt zu einem steuerlichen Passivierungsverbot.

Handelsrechtliche Wahlrechte, die ohne steuerliche Entsprechung sind, sind weiterhin nach den o.a. allgemeinen Grundsätzen auszuüben und zu beurteilen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bilden z.B. die selbst geschaffenen immateriellen Wirtschaftsgüter. Nach § 248 Abs. 2 Satz 1 HGB besteht für diese Vermögensgegenstände ein handelsrechtliches Aktivierungswahlrecht (Ausnahmen: Marken, Drucktitel etc.). Nach § 5 Abs. 2 EStG besteht jedoch für selbst geschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter ein steuerrechtliches Aktivierungsverbot.

3. Anwendung steuerrechtlicher Vorschriften

Nach § 5 Abs. 6 EStG sind die Vorschriften über die

  • Entnahmen (→ Entnahme),

  • Einlagen (§ 4 Abs. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 und 5 EStG → Einlage),

  • Zulässigkeit der Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 EStG),

  • nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4a und 5 EStG),

  • Bewertung (§ 6 EStG) (→ Bewertung von Wirtschaftsgütern) und

  • Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung (§ 7 EStG) (→ Abschreibung)

zu befolgen.

Das Handelsrecht wird insofern verdrängt. § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG regelt die Bewertung von Rückstellungen nicht abschließend, sondern durchbricht die nach dem Maßgeblichkeitsgrundsatz (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG) zu beachtende handelsrechtliche Bewertung (§ 253 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 2 HGB) nur dann, wenn die steuerrechtlichen Sonderbestimmungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a bis f EStG dazu führen, dass der handelsrechtliche Wertansatz (Höchstwert) unterschritten wird (BFH vom 11.10.2012, I R 66/11, BStBl II 2013, 676; vom 13.7.2017, IV R 34/14, BFH/NV 2017, 1426; vom 20.11.2019, XI R 46/17, BStBl II 2020, 195). Der Handelsbilanzwert für eine Rückstellung bildet auch nach Inkrafttreten des BilMoG gegenüber einem höheren steuerrechtlichen Rückstellungswert die Obergrenze.

Darüber hinaus enthält § 5 EStG folgende steuerliche Sondervorschriften, die einen entsprechenden handelsrechtlichen Ansatz ausschließen oder einschränken:

  • Aktivierungsverbot für nicht entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter (§ 5 Abs. 2 EStG); das handelsrechtliche Aktivierungswahlrecht aus § 248 Abs. 2 HGB findet steuerlich keine Anwendung;

  • Ansatz von Verbindlichkeiten oder Rückstellungen in Bezug auf Verpflichtungen, die im Falle künftiger Einnahmen oder Gewinne anfallen, erst in der Einnahme- oder Gewinnsituation (§ 5 Abs. 2a EStG);

  • Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte (§ 5 Abs. 3 EStG);

  • Rückstellungen für Dienstjubiläumszuwendungen (§ 5 Abs. 4 EStG);

  • Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften (§ 5 Abs. 4a EStG);

  • Rückstellungsverbot für Aufwendungen, die in künftigen Wirtschaftsjahren als Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu aktivieren sind (§ 5 Abs. 4b EStG);

  • Rechnungsabgrenzungsposten (§ 5 Abs. 5 EStG)

4. Ausübung steuerrechtlicher Wahlrechte

4.1. Allgemeines

Steuerrechtlich zugelassene Wahlrechte können in der Steuerbilanz unabhängig von der Handelsbilanz ausgeübt werden. Die Abkoppelung des Handelsrechts vom Steuerrecht führt immer dann zu einer Entfernung von der sog. Einheitsbilanz, wenn steuerliche Wahlrechte, die nicht mit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung im Einklang stehen, ausgeübt werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG).

4.2. Ausweis in besonderen Verzeichnissen

Die Ausübung steuerlicher Wahlrechte wird gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 EStG an die Voraussetzung geknüpft, dass die Wirtschaftsgüter, die nicht mit dem handelsrechtlich maßgeblichen Wert in der steuerlichen Gewinnermittlung ausgewiesen werden, in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufgenommen werden. Das Verzeichnis muss nach § 5 Abs. 1 Satz 3 EStG folgende Mindestangaben enthalten:

  • der Tag der Anschaffung/Herstellung,

  • die Anschaffungs- oder Herstellungskosten,

  • die Vorschrift des ausgeübten steuerlichen Wahlrechts,

  • die vorgenommene Abschreibung.

Eine besondere Form der Verzeichnisse ist nicht vorgeschrieben. Soweit die erforderlichen Angaben bereits im Anlagenverzeichnis enthalten sind, ist dies ausreichend. Dies gilt ebenso für das Verzeichnis für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG. Die Erstellung der Verzeichnisse kann auch nach Ablauf des Wirtschaftsjahres erfolgen, z.B. im Rahmen der Erstellung der Steuererklärung.

Da nur bei von den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung abweichenden Werten eine Aufnahme in das Verzeichnis gefordert wird, ist eine steuerfreie Rücklagenbildung nach § 6b EStG zunächst nicht aufzeichnungspflichtig. Erst der Übertrag der Rücklage nach § 6b EStG auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten löst die Aufzeichnungspflicht aus.

Wird das Verzeichnis nicht oder fehlerhaft geführt, so wird der Gewinn hinsichtlich des betreffenden Wirtschaftsguts durch die Finanzbehörde so ermittelt, als wäre das Wahlrecht nicht ausgeübt worden.

4.3. Handelsrechtliche und steuerliche Wahlrechte

Wahlrechte, die sowohl handelsrechtlich als auch steuerrechtlich bestehen, können aufgrund des § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz unterschiedlich ausgeübt werden (z.B. Verbrauchsfolgeverfahren nach § 256 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG).

4.4. Steuerliche Teilwertabschreibung

Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG können Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens mit dem niedrigeren Teilwert angesetzt werden, wenn dieser auf einer voraussichtlich dauernden Wertminderung beruht.

Demgegenüber sind in der Handelsbilanz gem. § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB bei Vermögensgegenständen des Anlagevermögens bei voraussichtlich dauernder Wertminderung außerplanmäßige Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit dem niedrigeren Wert anzusetzen, der ihnen am Abschlussstichtag beizulegen ist. Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens sind nach § 254 HGB Abschreibungen vorzunehmen, um diese mit einem niedrigeren Wert anzusetzen, der sich aus einem Börsen- oder Marktpreis am Abschlussstichtag ergibt.

Eine → Teilwertabschreibung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG stellt nach dem Wortlaut der Regelung (»kann«) ein steuerliches Wahlrecht dar. Steht einer verbindlichen handelsrechtlichen Vorschrift ein steuerrechtliches Wahlrecht gegenüber, wird das steuerrechtliche Wahlrecht durch die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz nicht eingeschränkt (vgl. § 5 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 EStG). Folglich kann die Teilwertabschreibung unabhängig von einer handelsrechtlichen außerplanmäßigen Abschreibung ausgeübt werden (vgl. BMF vom 12.3.2010, IV C 6 – S 2133/09/10001, BStBl I 2010, 239).

Beispiel:

Vermögensgegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens sind bei voraussichtlich dauernder Wertminderung außerplanmäßig abzuschreiben (§ 253 Abs. 3 Satz 3 und § 253 Abs. 4 HGB). Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 Satz 2 EStG kann bei einer voraussichtlich dauernden Wertminderung der Teilwert angesetzt werden. Die Vornahme einer außerplanmäßigen Abschreibung in der Handelsbilanz ist nicht zwingend in der Steuerbilanz durch eine Teilwertabschreibung nachzuvollziehen; der Steuerpflichtige kann auch darauf verzichten.

5. Literaturhinweise

Horschitz u.a., Bilanzsteuerrecht und Buchführung, 14. Aufl., 156 ff.

6. Verwandte Lexikonartikel

Abschreibung

Ansparrücklage

Betriebsvermögen

Bewertung von Wirtschaftsgütern

Bilanz

Gewinnermittlung

Rücklage für Ersatzbeschaffung

Rücklagenbildung nach § 6b und § 6c EStG

Rückstellungen

Teilwertabschreibung

Umlaufvermögen

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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