Rücklage für Ersatzbeschaffung

Stand: 28. März 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Wirtschaftlicher Hintergrund
2 Voraussetzungen gem. R 6.6 Abs. 1 EStR
3 Buchungstechnische Umsetzung der Übertragung stiller Reserven
4 Unterschiede zwischen R 6.6 EStR und § 6b EStG
5 Mehrentschädigung
6 Beschädigung
7 Unterschiedliche Wertansätze in Handels- und Steuerbilanz
8 Keine Rücklage für Ersatzbeschaffung bei Entnahmen und Einlagen
9 Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
10 Gewinnschätzung
11 Umsatzsteuer und Vorsteuer
12 Literaturhinweise
13 Verwandte Lexikonartikel

1. Wirtschaftlicher Hintergrund

Die Versteuerung unfreiwillig aufgedeckter stiller Reserven kann zu unbilligen Ergebnissen führen.

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Beispiel 1:

A ist Inhaber eines Handwerksbetriebs in Rülzheim. Zum Betriebsvermögen gehört das Betriebsgrundstück, das mit einem Bürogebäude und einer Scheune bebaut ist. In der im Januar 01 fertig gestellten Scheune (HK: 30 000 €) befindet sich der im Juli 13 angeschaffte Lieferwagen des A, den dieser ausschließlich betrieblich nutzt. Am 15.5.20 kommt es bei einem starken Gewitter zu einem Blitzeinschlag, dem Scheune und Lieferwagen zum Opfer fallen. Am 2.6.20 erklärt sich die Feuerversicherung schriftlich bereit, den Schaden auszugleichen und für die Scheune 40 000 € sowie für den Lieferwagen 12 000 € zu zahlen. Der Zahlungseingang erfolgt auf dem betrieblichen Bankkonto des A am 15.6.20. Am 19.10.20 erwirbt A einen neuen Lieferwagen (Nutzungsdauer: 6 Jahre) für 42 000 € zzgl. 7 980 € USt (Zahlung am gleichen Tag per Banküberweisung). Am 29.11.20 wird die neue Scheune fertiggestellt (HK 50 000 € zzgl. 9 000 USt). Welche Verbuchungen sind vorzunehmen ohne Anwendung des R 6.6 EStR? Welche Gewinnauswirkung ergeben sich insgesamt?

Lösung 1:

1. AfA Scheune (Jahr 20) für die Zeit bis zum Ausscheiden aus dem BV:

Buchwert [= BW] Scheune zum 31.12.19 =

30 000 € × (1 ./. 0,03 × 19) =

12 900 €

AfA 20 (R 7.4 Abs. 8 EStR) =

30 000 € × 0,03 × 5/12 =

375 €

BW Scheune zum Schadenszeitpunkt =

30 000 € × (1 ./. 0,03 × 19 5/12) =

12 525 €

Gewinnauswirkung

AfA

375 €

an

Gebäude

375 €

./. 375 €

2. Verbuchung Schadensereignis 15.4.20:

a. Lieferwagen

AfaA

1 €

an

Fuhrpark

1 €

./. 1 €

b. Scheune

AfaA

12 525 €

an

Gebäude

12 525 €

./. 12 525 €

3. Schreiben der Versicherung 2.6.20:

Forderung

52 000 €

an

sonstiger betrieblicher Ertrag

52 000 €

+ 52 000 €

4. Geldeingang Versicherung 15.6.20:

Bank

52 000 €

an

Forderung

52 000 €

0 €

5. Ersatzbeschaffungen:

Fuhrpark

42 000 €

an

Bank

49 980 €

0 €

VorSt

7 980 €

Gebäude

50 000 €

an

Bank

59 000 €

0 €

VorSt

9 000 €

6. Vorbereitende Abschlussbuchungen zum 31.12.20:

AfA

250 €

an

Gebäude

250 €

./. 250 €

AfA

1 750 €

an

Fuhrpark

1 750 €

./. 1 750 €

Gewinnauswirkung

gesamt

+ 37 099 €

Schon seit langer Zeit stehen Finanzgerichte und Finanzverwaltung auf dem Standpunkt, dass bei einem durch höhere Gewalt verursachten Schadensfall eine Entschädigungszahlung dem Stpfl. ungeschmälert für die Beschaffung eines Ersatz-WG zur Verfügung stehen muss und daher nicht als Ertrag versteuert werden soll.

Gesetzlich ist dieses Problem nicht geregelt. § 6b EStG hilft meist nicht weiter.

In R 6.6 EStR fasst das BMF die Grundsätze der ständigen Rspr. des RFH und BFH zur Übertragung stiller Reserven bei Ersatzbeschaffung zusammen.

2. Voraussetzungen gem. R 6.6 Abs. 1 EStR

Folgende Voraussetzungen müssen erfüllt sein:

  1. Ein WG des AV oder UV

  2. scheidet gegen Entschädigung aus dem BV aus

    • in Folge höherer Gewalt (vgl. R 6.6 Abs. 2 EStR) oder

    • in Folge eines behördlichen Eingriffs oder

    • zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs.

  3. Innerhalb der Fristen aus R 6.6 Abs. 4 EStR wird ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt, dessen AK/HK um die aufgedeckten stillen Reserven gemindert werden (= »Übertragung der stillen Reserven«). Eine Rücklage, die auf Grund des Ausscheidens eines beweglichen Wirtschaftsgutes gebildet wurde, ist am Schluss des ersten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres gewinnerhöhend aufzulösen, wenn bis dahin ein Ersatzwirtschaftsgut weder angeschafft noch hergestellt worden ist. Die Frist von einem Jahr verlängert sich bei einer Rücklage, die auf Grund des Ausscheidens eines Wirtschaftsgutes i.S.d. § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG gebildet wurde, auf vier Jahre; bei neu hergestellten Gebäuden verlängert sich die Frist auf sechs Jahre. Die Frist von einem Jahr kann im Einzelfall angemessen auf bis zu vier Jahre verlängert werden, wenn der Stpfl. glaubhaft macht, dass die Ersatzbeschaffung noch ernstlich geplant und zu erwarten ist, aber aus besonderen Gründen noch nicht durchgeführt werden konnte. Die in R 6.6 Abs. 4 Satz 3 bis 6, Abs. 5 Satz 5 und 6 sowie Abs. 7 Satz 3 und 4 EStR geregelten Fristen für die Ersatzbeschaffung oder Reparatur bei Beschädigung nach Bildung einer Rücklage nach R 6.6 Abs. 4 EStR verlängern sich jeweils um drei Jahre, wenn die Rücklage ansonsten am Schluss des nach dem 29.2.2020 und vor dem 1.1.2021 endenden Wj. aufzulösen wäre. Die genannten Fristen verlängern sich um zwei Jahre, wenn die Rücklage am Schluss des nach dem 31.12.2020 und vor dem 1.1.2022 endenden Wj. aufzulösen wäre. Sie verlängern sich um ein Jahr, wenn die Rücklage am Schluss des nach dem 31.12.2021 und vor dem 1.1-2023 endenden Wj. aufzulösen wäre (BMF vom 20.9.2022, BStBl I 2022, 1379; LEXinform 7013301).

  4. R 6.6 Abs. 1 Nr. 3 EStR verlangt, dass das Wirtschaftsgut wegen der Abweichung von der Handelsbilanz in ein besonderes laufend zu führendes Verzeichnis aufgenommen wird (§ 5 Abs. 1 Satz 2 EStG).

  5. Eine Ersatzbeschaffungsrücklage darf gem. R 6.6 Abs. 4 Satz 1 EStR nur gebildet werden, wenn die Ersatzbeschaffung ernstlich geplant und zu erwarten ist. Bei der Rücklagenbildung nach § 6b Abs. 3 EStG besteht ein solches Erfordernis dagegen nicht, dort stattdessen »Abschöpfung« des Zinsvorteils durch § 6b Abs. 7 EStG, wenn tatsächlich keine Reinvestition vorgenommen wird. Ein bilanzierender Stpfl. dokumentiert die Ersatzbeschaffungsabsicht bereits durch die ordnungsgemäße Bildung der Rücklage in seiner Bilanz. Ein darüber hinausgehender Nachweis oder eine Glaubhaftmachung der Reinvestitionsabsicht wird für die erstmalige Bildung der Rücklage nicht verlangt, solange dem Stpfl. die Vornahme der Investition objektiv möglich ist (BFH Urteil vom 11.10.2007, X R 1/06, BStBl II 2008, 119 und Urteil vom 12.1.2012, IV R 4/09, BStBl II 2014, 443). Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte für eine Aufgabe der Investitionsabsicht, hat das Finanzamt diese darzulegen und ggf. nachzuweisen (BFH Urteil vom 12.1.2012, IV R 4/09, BStBl II 2014, 443).

In der Praxis wird das Vorliegen dieser Voraussetzung angezweifelt werden, wenn die Steuererklärung für den VZ der Rücklagenbildung erst abgegeben wird, nachdem die Frist für die Ersatzbeschaffung (vgl. R 6.6 Abs. 4 Sätze 3–6 EStR) bereits verstrichen ist und tatsächlich bis dahin keine Ersatzbeschaffung vorgenommen wurde.

Zu den Details vgl. H 6.6 Abs. 1 und 2 EStH.

3. Buchungstechnische Umsetzung der Übertragung stiller Reserven

Grundsätzlich bestehen bzgl. der Buchungstechnik keine Unterschiede zu § 6b EStG.

Die Ersatzbeschaffung wird allerdings in der Regel erst nach dem schädigenden Ereignis erfolgen und zwar entweder:

  • im gleichen Jahr wie das schädigende Ereignis oder

  • im folgenden oder übernächsten Wirtschaftsjahr.

Eine Ersatzbeschaffung in einem Wirtschaftsjahr vor dem schädigenden Ereignis kommt nur dann in Betracht, wenn der Stpfl. bereits im Vorfeld einer drohenden Enteignung die Ersatzbeschaffung vornimmt. Voraussetzung ist ein Zusammenhang zwischen Ersatzbeschaffung und der später erfolgenden Veräußerung. Vgl. hierzu H 6.6 Abs. 3 [Vorherige Anschaffung] EStH.

Beispiel 2:

Sachverhalt wie Beispiel 1, mit Anwendung des R 6.6 EStR: Verbuchungen Schadenseintritt, Versicherungsleistung und Ersatzbeschaffung wie im Grundfall.

Lösung 2:

Vorbereitende Abschlussbuchungen zum 31.12.20:

Aufgedeckte stille Reserven Scheune:

Versicherungsleistung

40 000 €

./. BW bei Schadenseintritt

./. 12 525 €

aufgedeckte stille Reserven

27 475 €

Aufgedeckte stille Reserven Lieferwagen:

Versicherungsleistung

12 000 €

./. BW bei Schadenseintritt

./. 1 €

aufgedeckte stille Reserven

11 999 €

Außerplanmäßige AfA

27 475 €

an

Gebäude

27 475 €

Außerplanmäßige AfA

11 999 €

an

Fuhrpark

11 999 €

HK und AfA-BMG Scheune somit: 50 000 € ./. 27 475 € = 22 525 €

AfA Scheune 20: 22 525 € × 0,03 × 2/12 = 112,63 €

AfA

112,63 €

an

Gebäude

112,63 €

AK und AfA-Bemessungsgrundlage Lieferwagen somit: 42 000 € ./. 11 999 € = 30 001 €

Lineare AfA Lieferwagen 20: 30 001 € × 1/6 × 3/12 = 1 250,04 €

Degressive AfA Lieferwagen 20: 30 001 € × 0,25 × 3/12 = 1 875,06 €

AfA

1 875,06 €

an

Fuhrpark

1 875,06 €

Durch die außerplanmäßigen Abschreibungen i.H.v. 27 475 € + 11 999 € wird der »Reingewinn« aus der Versicherungsleistung komplett ausgeglichen.

Beispiel 3:

Sachverhalt wie Beispiel 1, mit Anwendung des R 6.6 EStR.

Die neue Scheune wird erst am 29.11.22 fertig gestellt und A schafft den neuen Lieferwagen erst am 15.6.22 an.

Lösung 3:

Verbuchung Schadensereignis und Versicherungsentschädigung 20 wie im Ausgangsfall:

Vorbereitende Abschlussbuchung zum 31.12.20:

Aufwand Rücklage

39 474 €

an

Rücklage

39 474 €

Die Einzelbeträge 27 475 € und 11 999 € können in einer Rücklage zusammengefasst werden. Voraussetzung für die Rücklagenbildung ist (anders als bei § 6b Abs. 3 EStG), dass die Ersatzbeschaffung ernstlich geplant und zu erwarten ist. Mangels gegenteiliger Hinweise im Sachverhalt ist vom Bestehen dieser Absicht auszugehen.

Vorbereitende Abschlussbuchungen zum 31.12.21:

Rücklage

11 999 €

an

Ertrag Rücklage

11 999 €

Da der Lieferwagen nicht bis zum Ende des auf die Rücklagenbildung folgenden Wirtschaftsjahrs angeschafft wurde und für den Sonderfall des R 6.6 Abs. 4 Satz 5 EStR im SV nichts ersichtlich ist, muss die Rücklage, soweit sie auf den Lieferwagen entfällt, gem. R 6.6 Abs. 4 Satz 3 EStR gewinnerhöhend aufgelöst werden. Eine Verzinsung analog § 6b Abs. 7 EStG erfolgt nicht. Der Zinsvorteil des A wird somit nicht abgeschöpft. Bezüglich der Scheune bleibt die Rücklage bestehen (Reinvestitionsfrist gem. R 6.6 Abs. 4 Satz 4 EStR ein Jahr länger als bei beweglichen WG).

Ersatzbeschaffung Scheune (22) (zusammengefasste Buchung)

Gebäude

50 000 €

an

Bank

59 000 €

VorSt

9 000 €

Vorbereitende Abschlussbuchungen zum 31.12.22:

Gewinn erhöhende Auflösung der Rücklage:

Rücklage

27 475 €

an

Ertrag Rücklage

27 475 €

Minderung HK der Scheune:

Außerplanmäßige AfA

27 475 €

an

Gebäude

27 475 €

HK und AfA-Bemessungsgrundlage Scheune somit: 50 000 € ./. 27 475 € = 22 525 €

AfA Scheune 22: 22 525 € × 0,03 × 2/12 = 112,63 €

AfA Scheune:

AfA

112,63 €

an

Gebäude

112,63 €

4. Unterschiede zwischen R 6.6 EStR und § 6b EStG

Die Unterschiede zwischen R 6.6 EStR und § 6b EStG werden im Folgenden tabellarisch dargestellt.

Merkmal

R 6.6 EStR

§ 6b EStG

Anlass für das Ausscheiden

Zwangsweise, z.B. infolge höherer Gewalt oder behördlichen Eingriffs (R 6.6 Abs. 2 EStR)

Veräußerung

Begünstigte ausgeschiedene WG

Alle betrieblichen Güter des AV oder UV

Bestimmte WG des AV

Dauer der Zugehörigkeit zum BV

Ohne Bedeutung

Mindestens 6 Jahre AV einer inländischen Betriebsstätte (§ 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG)

Neues WG

Angeschafftes/hergestelltes Ersatz-WG, Funktionsgleichheit erforderlich

Angeschaffte/hergestellte bestimmte WG des AV (Funktionsgleichheit ohne Bedeutung)

Können stille Reserven aus einem WG auf mehrere WG übertragen werden?

Grundsätzlich nein (Übertragung nur auf ein Ersatz-WG möglich)

Möglich

Muss neues WG dem gleichen Betrieb des Stpfl. dienen?

Ja (H 6.6 Abs. 2 [Ersatzwirtschaftsgut] EStH)

Nein

Absicht der Ersatzbeschaffung

Notwendig (R 6.6 Abs. 4 EStR)

Ohne Bedeutung

Reinvestitionsfristen

1 bzw. 2 Jahre (R 6.6 Abs. 4 EStR). Bei WG i.S.d. § 6b Abs. 1 EStG: 4 bzw. 6 Jahre

4 bzw. 6 Jahre (§ 6b Abs. 3 EStG)

Verlängerung der Reinvestitionsfrist

Möglich (R 6.6 Abs. 4 EStR)

Nein

Höhe der übertragbaren stillen Reserven

100 %

100 %

Übertragung stiller Reserven von Gebäude auf Grund und Boden

Ausnahmsweise möglich (R 6.6 Abs. 3 EStR)

Nicht möglich (§ 6b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG i.U.)

Übertragung stiller Reserven von Grund und Boden auf Gebäude

Ausnahmsweise möglich (R 6.6 Abs. 3 EStR)

Immer möglich (§ 6b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 EStG)

Verzinsung (Gewinnzuschlag)

Nein

Ja, § 6b Abs. 7 EStG

Gewinnermittlung

§ 4 Abs. 1, § 5, § 4 Abs. 3 EStG

§ 4 Abs. 1, § 5, für § 4 Abs. 3, s. § 6c EStG

Abb.: Unterschiede zwischen § 6b EStG und R 6.6 EStR

R 6.6 Abs. 3 Satz 3 EStR erlaubt auch die Übertragung der bei einem Gebäude aufgedeckten stillen Reserven auf Grund und Boden, sofern die Übertragung auf das Gebäude nicht möglich ist.

Bei § 6b EStG besteht diese Möglichkeit nicht (§ 6b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG i.U.).

5. Mehrentschädigung

Scheidet ein Wirtschaftsgut gegen Barzahlung und gegen Erhalt eines Ersatzwirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen aus oder wird die für das Ausscheiden eines Wirtschaftsguts erhaltene Entschädigung nicht in voller Höhe zur Beschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts verwendet, dürfen die aufgedeckten stillen Reserven nur anteilig auf das Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden (vgl. H 6.6 Abs. 3 [Mehrentschädigung] EStH mit Berechnungsbeispiel).

6. Beschädigung

Erhält der Stpfl. für ein Wirtschaftsgut, das infolge höherer Gewalt oder eines behördlichen Eingriffs beschädigt worden ist, eine Entschädigung, kann in Höhe der Entschädigung eine Rücklage gebildet werden, wenn das Wirtschaftsgut erst in einem späteren Wirtschaftsjahr repariert wird. Die Rücklage ist im Zeitpunkt der Reparatur in voller Höhe aufzulösen. Ist die Reparatur bei beweglichen Gegenständen am Ende des ersten und bei Wirtschaftsgütern i.S.d. § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG Ende des vierten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres noch nicht durchgeführt, ist die Rücklage zu diesem Zeitpunkt aufzulösen (vgl. R 6.6 Abs. 7 EStR mit Berechnungsbeispiel in H 6.6 Abs. 7 EStH).

7. Unterschiedliche Wertansätze in Handels- und Steuerbilanz

Die Übertragungsmöglichkeit des R 6.6. EStR ist ein rein steuerliches Wahlrecht. Da dadurch handels- und steuerrechtlich von unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen abgeschrieben wird, kommt es zu unterschiedlichen Wertansätzen in der Handels- bzw. Steuerbilanz. Bei mittelgroßen und großen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 bis 3 HGB) ist daher der Ausweis passiver latenter Steuern erforderlich. Diese Passivposition muss jährlich angepasst werden.

8. Keine Rücklage für Ersatzbeschaffung bei Entnahmen und Einlagen

Bei Aufdeckung stiller Reserven durch die Entnahme eines WG kann eine Gewinnverwirklichung nicht durch eine Rücklage Ersatzbeschaffung vermieden werden (BFH vom 24.5.1973, IV R 23/68, BStBl II 1973, 582). Die Einlage eines WG in das Betriebsvermögen ist keine Ersatzbeschaffung (BFH vom 11.12.1984, IX R 27/82, BStBl II 1985, 250).

9. Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG

Bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG gelten die vorgenannten Grundsätze entsprechend (R 6.6 Abs. 5 EStR). Aus Billigkeitsgründen ist es nicht zu beanstanden, wenn sowohl der noch nicht abgesetzte Betrag der AK/HK des ausgeschiedenen WG als auch die Entschädigungsleistung erst in dem Wj. berücksichtigt werden, in dem der Schaden beseitigt wird. Es gelten aber auch hier die oben dargestellten Fristen.

Das BFH-Urteil vom 29.4.1999 (IV R 7/98, BStBl II 1999, 488) nimmt zur Rücklagenbildung wie folgt Stellung: Eine in zulässiger Weise gebildete Rücklage für Ersatzbeschaffung kann auch fortgeführt werden, wenn der Stpfl. von der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zur Einnahme-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG übergeht.

10. Gewinnschätzung

Der BFH hat mit Urteil vom 4.2.1999 (BStBl II 1999, 601) entschieden, dass eine Rücklage für Ersatzbeschaffung im Falle der Gewinnschätzung unzulässig ist.

11. Umsatzsteuer und Vorsteuer

Mit Urteil vom 24.6.1999 (IV R 46/97, BStBl II 1999, 561) nimmt der BFH zur Höhe der Rücklage für Ersatzbeschaffung bei vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmen Stellung. Wird danach einem vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer anlässlich eines Versicherungsfalls der Wiederbeschaffungswert einschließlich USt ersetzt, so kann auch der auf die USt entfallende Entschädigungsbetrag in eine Rücklage für Ersatzbeschaffung eingestellt werden. Die spätere Inanspruchnahme eines Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit der Wiederbeschaffung führt nicht dazu, dass die Rücklage i.H.d. Vorsteuerbetrags gewinnerhöhend aufzulösen ist. Wird mit der Entschädigung auch Umsatzsteuer erstattet, so kann diese in die Rücklage für Ersatzbeschaffung eingehen, gleichgültig ob der Empfänger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, einen pauschalierten Vorsteuerabzug in Anspruch nimmt oder vom Abzug der Vorsteuer ausgeschlossen ist.

12. Literaturhinweise

Cremer, Die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung, NWB 51/2017, 23.

13. Verwandte Lexikonartikel

Rücklage

Rücklagenbildung nach § 6b und § 6c EStG

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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