Steuersätze bei der Umsatzsteuer

Stand: 28. März 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Absenkung der Steuersätze nach den Corona-Steuerhilfe- und weiteren Gesetzen
1.1 Ermäßigter Steuersatz in der Gastronomie
1.2 Durchschnittssteuersatz für Land- und Forstwirte
1.3 Ermäßigter Steuersatz für Gas- und Wärmelieferungen
2 Regelsteuersatz
3 Ermäßigter Steuersatz
3.1 Gegenstände der Anlage 2 zum UStG (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG)
3.1.1 Allgemeines
3.1.2 Lieferung von Kombinationsartikeln (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 UStAE)
3.1.3 Umsätze mit getrockneten Schweineohren (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 UStAE)
3.1.4 Lieferung von Pflanzen und damit in Zusammenhang stehenden sonstigen Leistungen (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UStAE)
3.1.5 Wasserhausanschlussbeiträge (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 UStAE)
3.1.6 Lieferung von Holzhackschnitzeln
3.1.7 Umsätze mit Gehhilfe-Rollatoren (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 UStAE)
3.1.8 Umsätze mit Hörbüchern auf einem körperlichen Datenträger (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 UStAE)
3.1.9 Auf elektronischem Weg gelieferte digitale Bücher, Zeitungen und Zeitschriften (EuGH vom 7.3.2017, Rs. C-390/15, RPO)
3.1.10 Ausmalbücher für Erwachsene
3.1.10.1 Uneinheitliches Vorgehen der Verlage und Buchhändler
3.1.10.2 Begriff Buch
3.1.10.3 Differenzierung von Büchern
3.1.11 Umsätze mit Fotobüchern (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 8 UStAE)
3.1.12 Umsätze mit Kunstgegenständen und Sammlungsstücken (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 UStAE)
3.1.13 Lieferung von Messekatalogen
3.1.14 Überlassung von Kaffeeautomaten im Zusammenhang mit der Lieferung von Kaffeebohnen und -pulver
3.1.15 Fast-Food-Restaurant im Einkaufszentrum mit gemeinsamem Verzehrbereich
3.1.16 Umsätze von Bäckereifilialen in Vorkassenzonen von Supermärkten
3.1.17 Verkauf von »Wiesnbrezn« auf dem Münchener Oktoberfest
3.1.18 Verkauf von Monatshygieneartikeln
3.1.19 Verkauf von Werbelebensmitteln
3.2 Vermietung der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände
3.3 Vieh- und Pflanzenzucht und Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG
3.4 Vatertierhaltung, Förderung der Tierzucht (§ 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG)
3.5 Zahntechniker, Zahnärzte (§ 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG)
3.6 Theater, Orchester, Museen (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG)
3.6.1 Begriff Theatervorführungen
3.6.2 Techno- und House-Konzerte
3.6.3 Zauberkünstler
3.6.4 Regisseure
3.6.5 Eintrittsberechtigung für Museen
3.7 Überlassung von Filmen und Filmvorführungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG)
3.8 Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung urheberrechtlicher Schutzrechte (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG)
3.9 Zirkusunternehmen, Schausteller und zoologische Gärten (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG)
3.10 Gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Einrichtungen sowie deren Zusammenschlüsse (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG)
3.11 Schwimm- und Heilbäder, Bereitstellung von Kureinrichtungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG)
3.12 Beförderungen auf bestimmten Strecken mit bestimmten Beförderungsmitteln (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG)
3.12.1 Begünstigte Verkehrsarten
3.12.2 Krankenfahrten von Mietwagenunternehmen
3.12.3 Taxiverkehr mit Pferdekutschen
3.12.4 Begünstigte Beförderungsstrecken
3.12.5 Ermäßigter Steuersatz für den Schienenbahnfernverkehr
3.12.6 Ermäßigter Steuersatz für Fährleistungen
3.12.7 Personenbeförderung durch Subunternehmer
3.13 Vermietung und Verpachtung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden sowie kurzfristige Vermietung von Campingflächen (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG)
3.13.1 Allgemeines
3.13.2 Nebenleistungen zur Beherbergung
3.13.3 Begünstigte Leistungen
3.13.4 Nicht begünstigte Leistungen
3.13.5 Rechnungserteilung
3.13.6 Vermietung von Bootsliegeplätzen
3.13.6.1 Vorlageverfahren EUGH
3.13.6.2 Rechtsprechung BFH
3.14 Lieferung von Büchern Zeitungen und Zeitschriften in elektronischer Form (§ 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG)
4 Literaturhinweise

1. Absenkung der Steuersätze nach den Corona-Steuerhilfe- und weiteren Gesetzen

1.1. Ermäßigter Steuersatz in der Gastronomie

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG in der Fassung des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz) vom 19.6.2020 (BGBl I 2020, 1385) wurde der Umsatzsteuersatz in der Gastronomie für nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.7.2021 erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (mit Ausnahme der Abgabe von Getränken) zeitlich befristet von 19 % auf 7 % abgesenkt. Nähere Einzelheiten und Zweifelsfragen zur Absenkung des Steuersatzes hat die Finanzverwaltung mit BMF-Schreiben vom 2.7.2020 (BStBl I 2020, 610) geregelt.

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Dabei ist für die Entstehung der Umsatzsteuer und die Anwendung des maßgeblichen Steuersatzes der Zeitpunkt entscheidend, in dem die Leistung nach umsatzsteuerrechtlichen Grundsätzen ausgeführt wurde. Keine Rolle spielt dagegen, ob der Unternehmer seine Umsätze nach vereinnahmten Entgelten (Ist-Besteuerung) oder vereinbarten Entgelten (Soll-Besteuerung) besteuert.

Aufgrund einer weiteren Änderung durch das Zweite Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) vom 29.6.2020 (BGBl I 2021, 1512) gilt gem. §§ 12 Abs. 1, 28 Abs. 1 und 2 UStG für alle im Zeitraum vom 1.7. bis zum 31.12.2020 ausgeführten, im Inland steuerbaren und stpfl. Umsätze statt des Regelsteuersatzes von 19 % der abgesenkte Regelsteuersatz von 16 %. Für alle unter den Regelsteuersatz fallenden Umsätze, die ab dem 1.1.2021 ausgeführt werden, gilt wieder der Steuersatz von 19 %. Parallel dazu gilt im gleichen Zeitraum für alle Umsätze, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, gem. §§ 12 Abs. 2, 28 Abs. 2 UStG in der Fassung des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes statt des ermäßigten Steuersatzes von 7 % der abgesenkte ermäßigte Steuersatz von nur noch 5 %; auch hier gilt ab dem 1.1.2021 wieder der Steuersatz von 7 %. Außerdem wurde der im Rahmen der Durchschnittssatzbesteuerung nach § 24 UStG für die Lieferungen bestimmter Sägewerkserzeugnisse, von Getränken und alkoholischen Flüssigkeiten geltende Steuersatz (§§ 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 28 Abs. 3 UStG) im gleichen zeitlichen Rahmen von 19 % auf 16 % gesenkt.

Die Änderung nach dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz hat zur Folge, dass der Steuersatz für im Zeitraum vom 1.7. bis zum 31.12.2020 erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (mit Ausnahme der Abgabe von Getränken) nur noch 5 % beträgt und danach wieder auf 7 % ansteigt. Weitere Einzelheiten und Zweifelsfragen zur befristeten Absenkung des allgemeinen und ermäßigten Umsatzsteuersatzes zum 1.7.2020 regelt die Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 30.6.2020 (BStBl I 2020, 584).

Nach dem Dritten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Drittes Corona-Steuerhilfegesetz) vom 10.3.2021 (BGBl I 2021, 330) gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (mit Ausnahme von Getränken) gem. § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG über den 30.6.2021 hinaus befristet bis zum 31.12.2022. Mit BMF-Schreiben vom 3.6.2021 (BStBl I 2021, 777) bestimmt die Finanzverwaltung, dass auch die Regelungen des BMF-Schreibens vom 2.7.2020 (BStBl I 2020, 610) über den 30.6.2021 hinaus befristet bis zum 31.12.2022 weiterhin anzuwenden sind.

Durch das Achte Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 24.10.2022 (BGBl I 2022, 1838 ff., vgl. LEXinform 0462725 und LEXinform 0462022) wurde geregelt, dass Restaurations- und Verpflegungsdienstleistungen, mit der Ausnahme der Abgabe von Getränken, gem. § 12 Abs. 2 Nr. 15 UStG in der aktualisierten Fassung auch im Jahr 2023 weiterhin dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen.

1.2. Durchschnittssteuersatz für Land- und Forstwirte

Ebenfalls im Achten Gesetz zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen vom 24.10.2022 (BGBl I 2022, 1838 ff.) wurde durch die Änderung des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 3 UStG der Durchschnittssteuersatz und die Vorsteuerpauschale für land- und forstwirtschaftliche Betriebe von bislang 9,5 % mit Wirkung ab dem 1.1.2023 auf 9,0 % herabgesetzt. Im Einzelfall ist daher zu erwägen, auf die Anwendung der Durchschnittssatzbesteuerung zu verzichten, wenn erhebliche Investitionen mit hohem Vorsteuerabzug getätigt werden.

1.3. Ermäßigter Steuersatz für Gas- und Wärmelieferungen

Als Reaktion auf die Energiekrise wurde der Umsatzsteuersatz für Gaslieferungen über das Erdgasnetz und für Wärmelieferungen über ein Wärmenetz durch das Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz vom 19.10.2022, BGBl I 2022, 1743 (vgl. LEXinform 0462764, 0462765 und 0462736) befristet vom 1.10.2022 bis zum 31.3.2024 von 19 % auf 7 % gesenkt. Mit BMF-Schreiben vom 25.10.2022 (BStBl I 2022, 1455) nimmt die Finanzverwaltung zu Anwendungsfragen (§ 27 Abs. 1 UStG) im Zusammenhang mit der Steuersatzermäßigung Stellung. Darin wird klargestellt, dass der Gas- oder Wärmeverbrauch auch dann in vollem Umfang dem Steuersatz unterliegt, der am Ende des Ablesezeitraums gilt, wenn zu Beginn dieses Zeitraums noch ein anderer Steuersatz gegolten hat. Außerdem führt die Verwaltung aus, dass der ermäßigte Steuersatz auch für Lieferungen von Gas gilt, das vom leistenden Unternehmer per Tanklastwagen zum Leistungsempfänger für die Wärmeerzeugung transportiert wird. Ermäßigt besteuert wird darüber hinaus auch die Einspeisung von Gas in das Erdgasnetz. Das BMF-Schreiben beinhaltet auch Vereinfachungsregelungen zur Abrechnung der Gas- und Wärmelieferungen. Dabei wird insbes. auch darauf eingegangen, wie im Falle der Gewährung von Jahresboni und Jahresrückvergütungen sowie im Falle eines zu hohen Umsatzsteuerausweises in der Unternehmerkette zu verfahren ist.

Zu weiteren Einzelheiten vgl. → Umsatzsteuersatzänderungen in der Corona-Krise.

2. Regelsteuersatz

Nach § 12 Abs. 1 UStG beträgt der Regelsteuersatz 19 % der → Bemessungsgrundlage. Dieser allgemeine Steuersatz wurde durch das Haushaltsbegleitgesetz 2006 (HBeglG 2006 vom 29.6.2006, BGBl I 2006, 1402) mit Wirkung ab dem 1.1.2007 eingeführt und besteht seither unverändert fort. Einen Überblick über die chronologische Entwicklung des Regelsteuersatzes von ehemals 10 % ab dem Jahr 1968 bis zum heutigen Prozentsatz von 19 % beinhaltet A 12. 1 Abs. 1 UStAE.

3. Ermäßigter Steuersatz

3.1. Gegenstände der Anlage 2 zum UStG (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG)

3.1.1. Allgemeines

Gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG beträgt die Steuer 7 % für die die Lieferungen (→ Lieferung), die Einfuhr (→ Einfuhrumsatzsteuer) und den innergemeinschaftlichen Erwerb (→ Innergemeinschaftlicher Erwerb) der in der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG bezeichneten Gegenstände. Ausgenommen von der Steuerermäßigung sind die in Anlage 2 Nr. 49 Buchst. f, Nr. 53 und Nr. 54 bezeichneten Gegenstände. Hierzu gehören insbesondere Briefmarken und ähnliche Gegenstände wie bspw. Ersttagsbriefe und Ganzsachen, soweit es sich um Sammlungsstücke handelt (Nr. 49 Buchst. f). Darüber hinaus sind auch Kunstgegenstände wie Gemälde, Zeichnungen und Erzeugnisse der Bildhauerkunst (Nr. 53) sowie andere Sammlungsstücke zoologischer, botanischer, mineralogischer oder anatomischer Art sowie Sammlungsstücke von geschichtlichem, archäologischem, paläontologischem, völkerkundlichem oder münzkundlichem Wert (Nr. 54) von der Steuerermäßigung ausgeschlossen. Zu den Besonderheiten bei der Abgabe von Speisen und Getränken s. → Restaurationsumsätze.

3.1.2. Lieferung von Kombinationsartikeln (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 UStAE)

Nach den Tz. 13 und 14 des BMF-Schreibens vom 5.8.2004 (BStBl I 2004, 638) sind Warensortimente, die keine Warenzusammenstellungen in Aufmachungen für den Einzelverkauf i.S.d. Allgemeinen Vorschrift für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur (AV) 3b darstellen (sog. Kombinationsartikel), getrennt einzureihen.

Hinweis:

Dies kann dazu führen, dass auf die Lieferung ein und desselben Kombinationsartikels

  • sowohl der ermäßigte

  • als auch der allgemeine Steuersatz anzuwenden sind.

Gem. BMF-Schreiben vom 21.3.2006 (BStBl I 2006, 286) gilt für Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 5 UStG zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens Folgendes:

Beträgt das Verkaufsentgelt für die erste Lieferung des Warensortiments nicht mehr als 20 € und sind die Waren bei dieser Lieferung so aufgemacht, dass sie sich ohne vorheriges Umpacken zur direkten Abgabe an den Endverbraucher eignen, wird die einheitliche Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für diese Lieferung und alle Lieferungen desselben Warensortiments auf den folgenden Handelsstufen nicht beanstandet, wenn der Wertanteil der in der Anlage 2 zum UStG genannten Gegenstände mindestens 90 % beträgt. Liegt der Wertanteil dieser Gegenstände unter 90 %, wird die einheitliche Anwendung des allgemeinen Steuersatzes nicht beanstandet.

Der leistende Unternehmer hat den Leistungsempfänger in geeigneter Weise schriftlich auf die Anwendung der Vereinfachungsregelung hinzuweisen (z.B. im Lieferschein oder in der Rechnung). Dies gilt nicht für Umsätze auf der letzten Handelsstufe. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anwendung der Vereinfachungsregelung ist in geeigneter Form aufzuzeichnen.

Zur Bestimmung der Wertanteile der einzelnen Komponenten ist auf die Einkaufspreise zuzüglich der Nebenkosten oder in Ermangelung eines Einkaufspreises auf die Selbstkosten abzustellen. Besteht das Sortiment aus mehr als zwei Komponenten, sind Bestandteile, die einzeln betrachtet demselben Steuersatz unterliegen, zusammenzufassen.

Von der Vereinfachungsregelung ausgeschlossen sind Warensortimente, die nach den Wünschen des Leistungsempfängers zusammengestellt oder vorbereitet werden (z.B. Präsentkörbe).

3.1.3. Umsätze mit getrockneten Schweineohren (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 UStAE)

Gem. BMF-Schreiben vom 16.10.2006 (BStBl I 2006, 620) werden genießbare (also für den menschlichen Verzehr geeignete) getrocknete Schweineohren (Schlachtnebenerzeugnis) – auch wenn als Tierfutter verwendet – gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1125/2006 der Kommission vom 21.7.2006 (ABl. EU L 200, 3) in die Unterposition 0210 99 49 des Zolltarifs (ZT) eingereiht. Umsätze mit diesen Erzeugnissen unterliegen dem ermäßigten Steuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 2 der Anlage 2 zum UStG).

Getrocknete Schweineohren (Schlachtnebenerzeugnis), die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind, werden hingegen der Unterposition 0511 99 90 ZT zugewiesen. Umsätze mit diesen Erzeugnissen unterliegen dem allgemeinen Steuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG).

3.1.4. Lieferung von Pflanzen und damit in Zusammenhang stehenden sonstigen Leistungen (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 UStAE)

Mit Urteil vom 25.6.2009 (V R 25/07) hat der BFH entschieden, dass die Lieferung einer Pflanze und deren Einpflanzen durch den liefernden Unternehmer umsatzsteuerrechtlich jeweils selbstständig zu beurteilende Leistungen sein können.

Gem. BMF vom 4.2.2010 (BStBl I 2010, 214) richtet sich die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Pflanzenlieferung und des Einbringens in den Boden als jeweils selbstständige Leistung im Einzelfall nach den allgemeinen Grundsätzen des Abschnitts 3.10 UStAE.

Die Annahme einer ermäßigt zu besteuernden Pflanzenlieferung setzt danach insbes. voraus, dass es das vorrangige Interesse des Verbrauchers ist, die Verfügungsmacht über die Pflanze zu erhalten.

Hinweis:

Soweit bisher ergangene Verwaltungsanweisungen (insbes. BMF vom 5.8.2004, BStBl I 2004, 638, Rz. 41) eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Pflanzenlieferung bereits dann ausschließen, wenn der Unternehmer – über den Transport hinaus – auch das Einpflanzen der von ihm gelieferten Pflanze übernimmt, sind sie nicht mehr anzuwenden.

Sofern zum Einpflanzen weitere Dienstleistungselemente hinzutreten, besteht das vorrangige Interesse des Leistungsempfängers dagegen regelmäßig nicht nur am Erhalt der Verfügungsmacht über die Pflanze. In diesen Fällen – z.B. bei der Grabpflege – ist daher weiterhin von einer einheitlichen, nicht ermäßigt zu besteuernden sonstigen Leistung bzw. Werkleistung auszugehen (vgl. BMF vom 5.8.2004, a.a.O., Rz. 40), denn das Interesse des Leistungsempfängers besteht hier vorrangig an den gärtnerischen Pflegearbeiten. Ebenso ist bei zusätzlichen gestalterischen Arbeiten (z.B. Planungsarbeiten, Gartengestaltung) auch weiterhin insgesamt von einer einheitlichen Werklieferung – Erstellung einer Gartenanlage – auszugehen, die dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterliegt (vgl. BMF vom 5.8.2004, a.a.O., Rz. 41).

Zur Übergangsregel vgl. BMF vom 4.2.2010 (BStBl I 2010, 214).

Mit Urteil vom 14.2.2019 (V R 22/17, UR, 341) hatte der BFH mit Blick auf den anzuwendenden Umsatzsteuersatz zu entscheiden, ob es sich bei der Lieferung von Pflanzen in Verbindung mit der Errichtung einer aufwändigen Gartenanlage für einen größeren Gebäudekomplex um eine einheitliche Leistung zu einem einheitlichen Steuersatz handelt oder ob zwei selbstständige, umsatzsteuerlich getrennt zu beurteilende Leistungen, einerseits die Lieferung der Pflanzen zum Steuersatz von 7 % und andererseits die Errichtung der Gartenanlage zum Steuersatz von 19 %, vorliegen.

Nach Meinung des Gerichts bildet die Lieferung von Pflanzen mit den damit im Zusammenhang stehenden Gartenbauarbeiten im Entscheidungsfall eine einheitliche komplexe Leistung, wenn auf der Grundlage eines einheitlichen Gesamtkonzepts etwas selbstständiges Drittes, nämlich die Gartenanlage, geschaffen wird. Dieser Auffassung stehe nicht entgegen, dass Pflanzenlieferungen und Gartenarbeiten im Wirtschaftsleben auch getrennt erbracht werden könnten, da aus der für die Beurteilung maßgeblichen Sicht des Durchschnittsverbrauchers durch die Kombination von Pflanzenlieferungen und Gartenbauarbeiten etwas Eigenständiges, Neues in Form der Gartenanlage geschaffen werde.

Für die Abgrenzung einer einheitlichen Leistung zu mehreren getrennten Leistungen komme es – so der BFH weiter – nicht darauf an, ob die zu beurteilenden Leistungen formal in einem einheitlichen oder in mehreren getrennten Verträgen vereinbart wurden. Entscheidend sei vielmehr, ob sich die jeweiligen Leistungen aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers nach ihrem wirtschaftlichen Gehalt als Haupt- und Nebenleistung oder als komplexe Leistung darstellten.

Insgesamt kommt der BFH also zum Ergebnis, dass es sich im Urteilsfall bei der Lieferung der Pflanzen in Verbindung mit der Errichtung der Gartenanlage um eine einheitliche Leistung handelt, die dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegt. Für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes bestehe insoweit kein Spielraum.

Der BFH räumt jedoch in seiner Urteilsbegründung ein, dass zwei getrennte Leistungen mit unterschiedlichen Steuersätzen vorlägen, wenn die Lieferung der Pflanzen und die Errichtung der Gartenanlage von verschiedenen Unternehmern ausgeführt worden wären.

3.1.5. Wasserhausanschlussbeiträge (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 UStAE)

Durch Beschluss vom 3.11.2005 hat der BFH dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt: »Fällt die Verbindung des Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des Grundstückseigentümers (sog. Hausanschluss) durch ein Wasserversorgungsunternehmen gegen gesondert berechnetes Entgelt unter den Begriff der Lieferung von Wasser i.S.d. 6. RLEWG (Anhang D Nr. 2 und Anhang H Kategorie 2 – jetzt Anhang I Nr. 2 und Anhang III Nr. 2 MwStSystRL)?«.

Der EuGH hat mit Urteil vom 3.4.2008 geantwortet: »Art. 4 Abs. 5 und Anhang D Nr. 2 der 6. RLEWG (jetzt Art. 13 Abs. 1 und Anhang I Nr. 2 MwStSystRL) sind dahin auszulegen, dass unter den Begriff Lieferungen von Wasser im Sinne dieses Anhangs das Legen eines Hausanschlusses fällt, das wie im Ausgangsverfahren in der Verlegung einer Leitung besteht, die die Verbindung des Wasserverteilungsnetzes mit der Wasseranlage eines Grundstücks ermöglicht, sodass eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, die im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig wird, für diese Leistung als Steuerpflichtiger gilt.

Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Anhang H Kategorie 2 der 6. RLEWG (jetzt Art. 98 Abs. 2 und Anhang III Nr. 2 MwStSystRL) sind dahin auszulegen, dass unter den Begriff Lieferungen von Wasser das Legen eines Hausanschlusses fällt, das wie im Ausgangsverfahren in der Verlegung einer Leitung besteht, die die Verbindung des Wasserverteilungsnetzes mit der Wasseranlage eines Grundstücks ermöglicht. Zudem können die Mitgliedstaaten konkrete und spezifische Aspekte der Lieferungen von Wasser – wie das im Ausgangsverfahren fragliche Legen eines Hausanschlusses – mit einem ermäßigten Mehrwertsteuersatz belegen, vorausgesetzt, sie beachten den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der dem Gemeinsamen Mehrwertsteuersystem zugrunde liegt.«

Mit Urteilen vom 8.10.2008 (V R 61/03, BStBl II 2009, 321; V R 27/06, BStBl II 2009, 325) hat der BFH entschieden, dass die Verbindung des Wasser-Verteilungsnetzes mit der Anlage des Grundstückseigentümers (sog. Legen eines Hausanschlusses) durch ein Wasserversorgungsunternehmen gegen gesondert berechnetes Entgelt unter den Begriff »Lieferung von Wasser« i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG fällt und deshalb mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern ist.

Mit seiner Rechtsprechung folgt der BFH im Ergebnis der Auffassung des Stpfl. Er führte zur Begründung aus, in dem im vorliegenden Verfahren auf seine Vorlage hin ergangenen Urteil vom 3.4.2008 habe der EuGH entschieden, dass unter den Begriff »Lieferungen von Wasser« i.S.v. Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Anhang H Kategorie 2 der 6. RLEWG auch das Legen eines Hausanschlusses falle. Das müsse dann auch für die Auslegung des UStG gelten. Zwar dürften die Mitgliedstaaten das Legen eines Hausanschlusses von der grundsätzlichen Steuerermäßigung für die »Lieferungen von Wasser« ausschließen. Dies erfordere aber eine gesetzliche Regelung und könne nicht durch eine bloße Verwaltungsvorschrift geschehen. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG enthalte einen solchen Ausschluss nicht.

Mit Schreiben vom 7.4.2009 (BStBl I 2009, 531) nimmt das BMF zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des Legens von Hauswasseranschlüssen und zu den Konsequenzen der BFH-Urteile vom 8.10.2008 Stellung.

Die Grundsätze der o.g. Rechtsprechung sind auf das Legen des Hausanschlusses durch das Wasserversorgungsunternehmen beschränkt. Das bedeutet, dass für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes die Hauswasseranschlussleistung und die Wasserbereitstellung durch ein und denselben Unternehmer erfolgen müssen.

Nach Abschn. 13b.2 Abs. 5 Nr. 8 UStAE stellt das Verlegen von Hausanschlüssen durch das Versorgungsunternehmen eine Bauleistung dar, wenn es sich hierbei um eine eigenständige Leistung handelt. Diese Rechtslage wird durch die o.g. Rechtsprechung des BFH nicht berührt. Die Entscheidungen des BFH haben ausschließlich Bedeutung für Zwecke des ermäßigten Steuersatzes. Der Charakter des Umsatzes als Bauleistung in Form der »Verschaffung der Möglichkeit zum Anschluss an das Versorgungsnetz« bleibt vollständig erhalten und das Legen eines Hausanschlusses kann weiterhin einen Anwendungsfall des § 13b UStG darstellen (→ Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers). Änderungen zur bisherigen Verwaltungsauffassung – vor allem des Abschn. 13b.2 Abs. 5 Nr. 8 UStAE – ergeben sich nicht.

Nach dem BFH-Urteil vom 8.10.2008 (V R 27/06, BStBl II 2009, 325) ist eine Personenidentität auf der Empfängerseite für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht notwendig.

Für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes i.S.d. o.g. Rechtsprechung ist allein entscheidend, ob die Zahlung ein Entgelt für die Verschaffung der Möglichkeit zum Anschluss an das Versorgungsnetz durch den Wasserversorgungsunternehmer ist. Die Bezeichnung durch die Vertragsparteien bzw. die den Bescheid erlassende Behörde ist dabei unerheblich. Sofern es sich mithin um Entgelt für das Legen des Hausanschlusses durch den Wasserversorgungsunternehmer handelt, ist auch die dieser Zahlung zugrunde liegende Leistung ermäßigt zu besteuern.

Reparatur-, Wartungs- und ähnliche Leistungen an den Hausanschlüssen durch den Wasserversorger unterliegen dem ermäßigten Steuersatz. Dies gilt auch dann, wenn diese Unterhaltungskosten gesondert in Rechnung gestellt werden, da diese nicht als selbstständige Hauptleistung beurteilt werden. Eines Rückgriffs auf die neue BFH-Rechtsprechung bedarf es insofern nicht.

Dem entgegenstehende Regelungen im BMF-Schreiben vom 5.8.2004 (BStBl I 2004, 638) sind nicht mehr anzuwenden.

Für vor dem 1.7.2009 ausgeführte Leistungen wird es – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers – nicht beanstandet, wenn sich der leistende Unternehmer auf die entgegenstehenden Regelungen des BMF-Schreibens vom 5.8.2004 (BStBl I 2004, 638) beruft.

Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des Legens von Hauswasseranschlüssen nimmt die Landesfinanzdirektion Thüringen mit Erlass vom 20.8.2009 (UR 2009, 36) Stellung. Der Erlass stellt dabei klar, dass es sich bei den Rechnungsberichtigungen durch die Versorgungsunternehmen um die Berichtigung eines unrichtigen Steuerausweises i.S.d. § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG handelt. Soweit die Voraussetzungen des Abschn. 14c.1 Abs. 5 UStAE erfüllt sind, erfolgt eine Änderung nach § 17 Abs. 1 UStG.

Der Erlass nimmt weiterhin zum Umfang der Leistungen im Zusammenhang mit Hauswasseranschlüssen Stellung.

Zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Legens von Hauswasseranschlüssen nimmt auch das Bayerische Landesamt für Steuern mit Vfg. vom 25.6.2009 (UR 2009, 863) Stellung. In der Verwaltungsanweisung wird klargestellt, dass sowohl das Verlegen eines Neuanschlusses als auch Reparatur-, Wartungs- und ähnliche Leistungen dem ermäßigten Steuersatz unterliegen; darüber hinaus nimmt das Bayerische Landesamt zur Frage der Rechnungsberichtigung in den betreffenden Fällen Stellung.

Erbringen Handwerksbetriebe oder andere Dritte das Legen des Hauswasseranschlusses unmittelbar an den Grundstückeigentümer, d.h. ohne Beauftragung durch das Wasserversorgungsunternehmen, fällt diese Leistung nicht mehr unter den Begriff »Lieferung von Wasser«, weil diese Unternehmer selbst nicht Lieferant des Wassers sind.

Zur Übergangsregel vgl. BMF vom 7.4.2009, BStBl I 2009, 531.

In seinem Urteil vom 7.2.2018, XI R 17/17 (LEXinform 0951454) hatte der BFH zu entscheiden, ob der ermäßigte Steuersatz auch dann Anwendung findet, wenn der Hauswasseranschluss nicht von einem Wasserversorgungsunternehmen selbst, sondern von einem anderen Unternehmer gelegt wird. Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Eine GmbH, die gewerbsmäßig Tiefbauarbeiten ausführt, errichtete Trinkwasseranschlüsse als Verbindungen zwischen dem öffentlichen Trinkwassernetz und den einzelnen Gebäuden. Die Auftragsvergabe erfolgte jeweils vom zuständigen Wasser- und Abwasserzweckverband an die GmbH, während die Abrechnungen unmittelbar zwischen der GmbH und den jeweiligen Grundstückseigentümern bzw. Bauherren erfolgte. Die Rechnungsstellung durch die GmbH wiederum erfolgte getrennt, einerseits für die Herstellung des Anschlusses von der Hauptversorgungsleitung bis zur Grundstücksgrenze gegenüber dem Wasser- und Abwasserzweckverband und andererseits von der Grundstücksgrenze bis ins einzelne Gebäude gegenüber dem jeweiligen Grundstückseigentümer oder Bauherren. Für die Herstellung der Trinkwasseranschlüsse erteilte die GmbH den Grundstückseigentümern bzw. Bauherren Rechnungen unter Ausweis von Umsatzsteuer mit einem Steuersatz von 7 %, weil sie davon ausging, es handele sich bei diesen Leistungen um »Lieferungen von Wasser« i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG.

Das zuständige FA vertrat hingegen die Auffassung, dass es sich insoweit um Leistungen handele, die dem Regelsteuersatz unterliegen, da die GmbH ein Bauunternehmen sei. Die Einsprüche der GmbH, in denen sie sich auf die Rechtsprechung des EuGH wie auch des BFH berief, nach der die Errichtung eines Trinkwasseranschlusses als »Lieferung von Wasser« dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliege, wies das FA als unbegründet zurück. Nach dem BMF-Schreiben vom 7.4.2009 (BStBl I 2009, 531, DStR 2009, 801) und Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 UStAE seien die Grundsätze der EUGH- und BFH-Rechtsprechung auf das Legen des Hausanschlusses durch ein Wasserversorgungsunternehmen beschränkt. Für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes müsse die Erstellung des Hauswasseranschlusses und die Wasserbereitstellung durch ein und denselben Unternehmer erfolgen.

Das FG Berlin-Brandenburg gab der Klage der GmbH mit Urteil vom 4.4.2017, 2 K 2309/15 (EFG 2017, 1131) statt, woraufhin das FA Revision einlegte. Nach Auffassung des FA steht das Urteil des FG Berlin-Brandenburg im Widerspruch zu der gültigen Verwaltungsauffassung. Aus dem EuGH-Urteil Torgau-Westelbien vom 3.4.2008 (Rs. C-442/05, BStBl II 2009, 328, DStRE 2009, 36) folge lediglich, dass Deutschland das Legen eines Hausanschlusses ermäßigt besteuern könne, insofern handele es sich um eine Ermessensfrage. Mit der Bezugnahme in Nr. 34 der Anlage 2 UStG auf Unterposition 2201.9000 des Zolltarifs habe der deutsche Gesetzgeber davon nur eingeschränkt Gebrauch gemacht, eine Ausweitung der Steuerermäßigung auf das Legen eines Hauswasseranschlusses habe der deutsche Gesetzgeber daher nicht gewollt.

Das BFH-Urteil vom 8.10.2008, V R 61/03 (BStBl II 2009, 321) würdige die Einbindung der Anlage 2 zum UStG in die Systematik des § 12 UStG nicht hinreichend. Die Finanzverwaltung teile die weitergehende Auffassung des BFH nach wie vor nicht. Vielmehr sei der Hausanschluss gem. Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 UStAE i.V.m. dem BMF-Schreiben vom 7.4.2009 (BStBl I 2009, 531, DStR 2009, 801) nur dann mit dem ermäßigten Steuersatz zu besteuern, wenn er von einem Wasserversorgungsunternehmen als »Teilaspekt« der gesamten Lieferung erbracht werde, was vorliegend zweifelsfrei nicht der Fall sei. Auch aus dem Urteil des BGH vom 18.4.2012, VIII ZR 253/11 (HFR 2012, 1110) könne nichts Gegenteiliges hergeleitet werden, da die Finanzverwaltung an diesem Verfahren nicht beteiligt gewesen und daher nicht an die Entscheidung des BGH gebunden sei.

Gegen die Argumentation des FA machte die beklagte GmbH geltend, die vom FA vorgenommene Differenzierung sei eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung. Auf das Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung komme es nach der einschlägigen Rechtsprechung nicht an. Außerdem könne die GmbH ihren Kunden aufgrund der o.a. Rechtsprechung des BGH nur den ermäßigten Steuersatz in Rechnung stellen. Die Auffassung des FA gefährde daher die Neutralität der Mehrwertsteuer.

In seinem daraufhin ergangenen o.a. Urteil vom 7.2.2018, XI R 17/17 (LEXinform 0951454) hat der BFH entschieden, dass das Legen eines Hauswasseranschlusses auch dann als »Lieferung von Wasser« i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG anzusehen und mit dem ermäßigten Steuersatz zu versteuern ist, wenn die Leistung nicht vom Wasserversorgungsunternehmen, das auch später das Wasser liefert, erbracht wird, sondern von einem beliebigen anderen Unternehmer. Der BFH schließt sich insoweit dem BGH-Urteil vom 18.4.2012, VIII ZR 253/11 (HFR 2012, 1110) an. Das FG hat lt. BFH zu Recht angenommen, dass die hier zu beurteilenden Leistungen der GmbH dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. In der Urteilsbegründung führt der BFH weiterhin aus:

»Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 % für die Lieferungen, die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb der in der Anlage 2 zum UStG bezeichneten Gegenstände. Nach Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG fällt Wasser, ausgenommen Trinkwasser (einschließlich Quellwasser und Tafelwasser, das in zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Fertigpackungen in den Verkehr gebracht wird), Heilwasser und Wasserdampf aus Unterposition 2201.9000 des Zolltarifs unter den ermäßigten Steuersatz.«

Der EuGH hat in seinem Urteil Torgau-Westelbien (BStBl II 2009, 328, DStRE 2009, 36) entschieden, dass Art. 12 Abs. 3 Buchst. a und Anhang H Kategorie 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen sind, dass unter den Begriff »Lieferungen von Wasser« auch das Legen eines Hausanschlusses fällt, das in der Verlegung einer Leitung besteht, die die Verbindung des Wasserverteilungsnetzes mit der Wasseranlage eines Grundstücks ermöglicht. Da der Hausanschluss für die Wasserversorgung der Allgemeinheit unentbehrlich sei, weil ohne den Hausanschluss dem Eigentümer oder Bewohner des Grundstücks kein Wasser bereitgestellt werden könnte, falle er unter den Begriff »Lieferungen von Wasser«.Bereits in seinem Urteil vom 10.8.2016, XI R 41/14 (BStBl II 2017, 590) hatte der BFH zur Frage der Steuerermäßigung für das Legen eines Hauswasseranschlusses als Lieferung von Wasser folgende Feststellungen getroffen:

  • Auf die Frage, ob es sich bei der Leistung um eine Lieferung eines Gegenstandes oder um eine sonstige Leistung (Dienstleistung) handelt, kommt es nicht an (vgl. BFH vom 8.10.2008, V R 61/03, BStBl II 2009, 321, DStR 2008, 2312, unter II.3.d dd Rn. 59).

  • Es ist unerheblich, ob der Leistungsempfänger der Verlegung des Hausanschlusses identisch ist mit dem Leistungsempfänger der Wasserlieferungen (vgl. BFH vom 8.10.2008, V R 27/06, BStBl II 2009, 325, DStRE 2009, 436, unter II.3.c Rn. 39) und

  • nicht nur das erstmalige Legen eines Hausanschlusses, sondern auch Arbeiten zur Erneuerung oder zur Reduzierung von Wasseranschlüssen fallen unter die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG (vgl. BGH Urteil vom 18.4.2012, VIII ZR 253/11, HFR 2012, 1110, Rz. 20).

Ebenso unerheblich ist nach der angesprochenen Rechtsprechung des BGH (vgl. HFR 2012, 1110, Rz. 18), der sich der BFH anschließt, ob die Leistung von demselben Unternehmer erbracht wird, der das Wasser liefert. Ausgehend davon hat das FG nach Meinung des BFH zu Recht angenommen, dass – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nicht deshalb ausscheidet, weil die GmbH kein Wasserversorgungsunternehmen ist. Ob deren Leistungen als sonstige Leistungen möglicherweise teilweise der Erneuerung von Wasseranschlüssen gedient haben könnten, ist ebenso unerheblich.

Aus Rn. 58 des BFH-Urteils vom 10.8.2016, XI R 41/14 (BStBl II 2017, 590, DStR 2016, 2959) ergibt sich ebenfalls nichts anderes, weil die hier zu beurteilenden Leistungen der GmbH nach den tatsächlichen Feststellungen des FG die Wasserleitung von der Grundstücksgrenze bis ins Haus betreffen und damit nicht dem Aufbau und Betrieb einer leistungsfähigen Wasserversorgung für den jeweiligen Zweckverband gedient haben.

Soweit das FA weiter ausführt, die Finanzverwaltung sei gemäß Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 UStAE i.V.m. dem BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 531, DStR 2009, 801 (Tz. 1) nach wie vor anderer Auffassung als die Rechtsprechung, reicht eine derartige Verwaltungsanweisung lt. BFH zur Einschränkung des Anwendungsbereichs der Steuerermäßigung nicht aus (vgl. BFH vom 8.10.2008, V R 61/03, BStBl II 2009, 321, DStR 2008, 2312, unter II.3.d cc Rn. 57).

Soweit das FA – wie bereits das BMF im Verfahren V R 61/03 – einwendet, dass Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG auf die Unterposition 2201.9000 des Zolltarifs verweise, hat sich der BFH bereits mit diesem Argument auseinandergesetzt und ausgeführt, daraus könne ein gesetzlicher Ausschluss des Legens eines Hausanschlusses von der Steuerermäßigung nicht hergeleitet werden (vgl. BFH vom 8.10.2008, V R 61/03, BStBl II 2009, 321, DStR 2008, 2312, unter II.3.d ee Rn. 60 und 62).

Mit BMF-Schreiben vom 4.2.2021 (III C 2 – S 7221/19/10004 :001, DOK 2021/0107398) hat die Finanzverwaltung zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung des Legens von Hauswasseranschlüssen Stellung bezogen und den UStAE geändert. Die Verwaltungsanweisung nimmt Bezug auf das BFH-Urteil vom 7.2.2018, XI R 17/17, in dem entschieden wurde, dass das Legen eines Hauswasseranschlusses auch dann als »Lieferung von Wasser« i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 34 der Anlage 2 zum UStG anzusehen ist, wenn diese Leistung nicht vom Wasserversorgungsunternehmen erbracht wird, das auch die Wasserlieferungen ausführt, sondern von einem anderen Unternehmen.

Darüber hinaus erläutert die Finanzverwaltung mit o.a. Schreiben vom 4.2.2021, welche Leistungen unter »Legen von Hauswasseranschlüssen« zu verstehen sind und äußert sich zu weiteren damit zusammenhängenden umsatzsteuerlichen Problemstellungen, insb. zur Person des leistenden Unternehmers, zur Anwendbarkeit des § 13b UStG, zur Frage der Personenidentität auf Seiten des Leistungsempfängers, zur Behandlung von Anschluss- und Baukostenbeiträgen sowie zur Behandlung von Reparatur- und Wartungsleistungen in diesem Zusammenhang. Das Schreiben vom 4.2.2021 ersetzt das bisherige BMF-Schreiben vom 7.4.2009 und ist in allen offenen Fällen anzuwenden. Darüber hinaus beinhaltet es für vor dem 1.1.2021 ausgeführte Leistungen insoweit eine Nichtbeanstandungsregelung, als dafür die Regelungen des BMF-Schreibens vom 7.4.2009 weiterhin anwendbar bleiben.

3.1.6. Lieferung von Holzhackschnitzeln

Nach dem BFH-Urteil vom 26.6.2018, VII R 47/17 (LEXinform 0951788), unterliegt die Lieferung von Holzhackschnitzeln weder nach Nr. 48 Buchst. a noch nach Nr. 48 Buchst. b der Anl. 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz.

Im Urteilsfall stellte der Steuerpflichtige aus bei Waldarbeiten angefallenem Holz unter anderem getrocknete Holzhackschnitzel sowie getrocknete und gesiebte Holzhackschnitzel, sog. Waldholz-hackschnitzel her, die er als Brennstoff für Holzhackschnitzelheizungen an diverse Abnehmer lieferte. Während der Steuerpflichtige diese Lieferungen dem ermäßigten Steuersatz unterwarf, wandte das zuständige Finanzamt den Regelsteuersatz an. Das Niedersächsische FG gab der Klage des Steuerpflichtigen mit Urteil vom 16.11.2017 (11 K 113/17) statt. Es verwies dabei auf die Ermächtigung in Art. 122 MwStSystRL, nach der der nationale Gesetzgeber die Lieferung von Brennholz begünstigen könne. Im anschließenden Revisionsverfahren hob der BFH mit o.g. Entscheidung das FG-Urteil auf und entschied, dass die Lieferung von Waldholzhackschnitzeln nach nationalem Recht nicht dem ermäßigten, sondern dem Regelsteuersatz unterliege.

Nach der Urteilsbegründung fallen Holzhackschnitzel jeglicher Art einerseits nicht unter Nr. 48 Buchst. a der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG, nach der der ermäßigte Steuersatz für die Lieferung von Brennholz in Form von Rundlingen, Scheiten, Zweigen, Reisigbündeln oder ähnlichen Formen der Unterposition 4401 10 00 der Kombinierten Nomenklatur (KN) gilt. Da Holz in Form von Schnitzeln jedoch in die Unterposition 4401 21 oder 4401 22 KN einzureihen sei, verbiete sich die Annahme, Holzhackschnitzel könnten als Brennholz in ähnlicher Form wie Rundlinge, Scheite etc. der Unterposition 4401 10 00 KN angesehen werden.

Andererseits fielen Waldholzhackschnitzel auch nicht unter Nr. 48 Buchst. b der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG, da diese Begünstigung nur die Lieferung von Industrieholzhackschnitzeln betreffe. Hierzu gehörten Sägespäne, Holzabfälle und Holzausschuss, auch zu Pellets, Briketts, Scheiten oder ähnlichen Formen zusammengepresst, nach der Unterposition 4401 30 KN, also Abfallprodukte aus zuvor bearbeitetem Holz. Die Waldholzhackschnitzel wurden im Streitfall jedoch nicht aus Sägespänen, Holzabfällen oder Holzausschuss hergestellt, sondern aus bei Waldarbeiten angefallenem Schnitt- und Kronenholz. Dabei handele es sich somit nicht um Abfälle oder Ausschuss, sondern um Rohholz der Position 4403 KN.

Weiterhin könne sich der Stpfl. – so der BFH in seiner Urteilsbegründung – auch nicht auf die Gleichbehandlung der Lieferung von Waldholzhackschnitzeln mit der nach nationalem Recht begünstigten Lieferung von Industrieholzhackschnitzeln berufen, da die Steuerermäßigung für die Lieferung von Industriehackschnitzeln nach Nr. 48 Buchst. b der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG (Unterposition 4401 30 KN) nicht im Einklang mit dem Unionsrecht stehe. Mit der Begünstigung für Industrieholzhackschnitzel habe sich der nationale Gesetzgeber nach Meinung des Gerichts über die Regelung der MwStSystRL (Ausschluss der Begünstigung für Holzhackschnitzel gleich aus welchem Holz) hinweggesetzt, sodass der Steuerpflichtige insoweit – auch unter Berufung auf den Neutralitätsgrundsatz – keine Steuerermäßigung beanspruchen könne, die nach Unionsrecht gar nicht vorgesehen sei.

Diese Auffassung begründet der BFH damit, dass dem Wortlaut der Position 4401 KN sowie seiner Unterpositionen zu entnehmen ist, dass weder Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln noch Sägespäne, Holzabfälle oder Holzausschuss als Brennholz im Sinne der KN anzusehen seien. Folglich sei auch die Bestimmung des Art. 122 MwStSystRL, der eine Steuerermäßigung ausschließlich für Brennholz ermöglicht, auf die genannten Fälle nicht anwendbar. In Anbetracht des Art. 98 Abs. 3 MwStSystRL, der für die Anwendung ermäßigter Steuersätze die Abgrenzung der Kategorien von Gegenständen gemäß den Warenbezeichnungen der KN vorsieht, sowie in Anbetracht der übrigen in Art. 122 MwStSystRL genannten Kategorien, die nach Warenbezeichnungen der KN beschrieben werden, sei davon auszugehen, dass der Richtliniengeber mit dem Tatbestandsmerkmal »Brennholz« ebenfalls auf die zolltarifliche Warenbezeichnung der Position 4401 KN verweise und nicht etwa jegliches zum Verbrennen genutztes Holz des Kapitels. 44 KN als Brennholz ansehe.

Konsequenterweise lasse sich der ermäßigte Steuersatz für die Lieferung von Holzhackschnitzeln jeder Art auch nicht auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Umsatzsteuer stützen, da in der Versagung des ermäßigten Steuersatzes keine unzulässige Ungleichbehandlung liege. Denn Waren, die gem. Art. 98 Abs. 3 MwStSystRL nach den Bezeichnungen der KN voneinander abgegrenzt werden, seien nicht gleichartig und dürften daher umsatzsteuerrechtlich auch ungleich behandelt werden.

In einem neuerlichen Verfahren zum Umsatzsteuersatz auf die Lieferung von Holzhackschnitzeln (BFH Vorlagebeschluss vom 10.6.2020, V R 6/18, LEXinform 4222281) hat der BFH dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Mit seiner ersten Frage möchte der BFH vom EuGH wissen, ob unter dem Begriff »Brennholz« in Art. 122 MwStSystRL jegliches Holz zu verstehen ist, das nach seinen objektiven Eigenschaften ausschließlich zum Verbrennen bestimmt ist.

Weiterhin fragt der BFH, ob ein EU-Mitgliedstaat, der entsprechend Art. 122 MwStSystRL vom ermäßigten Steuersatz für Lieferungen von Brennholz Gebrauch macht, den Anwendungsbereich der Begünstigung anhand von Art. 98 Abs. 3 MwStSystRL nach der Kombinierten Nomenklatur genau abgrenzen darf.

Falls die genaue Abgrenzung nach der Kombinierten Nomenklatur zulässig ist, dann fragt der BFH im dritten Schritt, ob diese Abgrenzung bei Beachtung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität so auszuüben ist, dass die Lieferungen verschiedener Formen von Brennholz, die sich nach ihren objektiven Merkmalen und Eigenschaften unterscheiden, aber aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers nach dem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung demselben Bedürfnis (hier: Heizen) dienen und somit miteinander in Wettbewerb stehen, unterschiedlichen Steuersätzen unterliegen können.

Dem Vorlageverfahren vorausgegangen war ein Urteil des FG München vom 19.12.2017 (2 K 668/16), in dem es um die Frage der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 Nr. 48 UStG auf die Lieferung von Holzhackschnitzeln in Form von sog. Industrie- bzw. sog. Waldhackschnitzeln ging. Dabei handelte die Klägerin im Streitjahr 2015 sowohl mit Industrie- als auch mit Waldhackschnitzeln und betrieb außerdem Hackschnitzel-Heizanlagen. Unter »Industriehackschnitzeln« versteht man das beim Zerlegen von Baumstämmen anfallende Sägerestholz, das mittels mit Hackmessern ausgestatteten Häckslern zu Holzhackschnitzeln zerkleinert wird. Im Unterschied dazu werden »Waldhackschnitzel« aus Wipfel- oder Schwachholz bei der Waldpflege gewonnen, wobei das Waldrestholz im Wald mechanisch zerhackt und anschließend getrocknet wird. Während das beklagte Finanzamt für alle Leistungen der Klägerin den Regelsteuersatz von 19 % anwendete, gab das FG München der Klage teilweise statt und wendete auf die Lieferung der Holzhackschnitzel teilweise den ermäßigten Steuersatz an. Das anschließende Revisionsverfahren führte zum oben dargestellten Vorlagebeschluss des BFH.

3.1.7. Umsätze mit Gehhilfe-Rollatoren (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 UStAE)

Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 52 Buchst. b der Anlage 2 zum UStG unterliegen die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb von orthopädischen Apparaten und anderen orthopädischen Vorrichtungen einschließlich Krücken sowie medizinisch-chirurgischer Gürtel und Bandagen, ausgenommen Teile und Zubehör (aus Unterposition 9021 10 des Zolltarifs) dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %.

Der EuGH hat mit Urteil vom 22.12.2010 (Rs. C-273/09, ABl. EU 2011 Nr. C 63, 5) entschieden, dass die Verordnung (EG) Nr. 729/2004 der Kommission vom 15.4.2004 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur in der Fassung der am 7.5.2004 veröffentlichten Berichtigung ungültig ist, soweit zum einen durch die Berichtigung der Anwendungsbereich der ursprünglichen Verordnung auf Gehhilfe-Rollatoren erstreckt worden ist, die aus einem Aluminiumrohrrahmen auf vier Rädern, mit vorderen Drehlagerrädern, Griffen und Bremsen bestehen und ihrer Beschaffenheit nach als Hilfe für Personen mit Gehschwierigkeiten bestimmt sind, und zum anderen die Verordnung in der berichtigten Fassung diese Gehhilfe-Rollatoren in die Unterposition 8716 80 00 der Kombinierten Nomenklatur einreiht. Nach Rz. 56 des Urteils sind Gehhilfe-Rollatoren in die Position 9021 einzureihen.

Nach BMF vom 11.8.2011 (BStBl I 2011, 824) unterliegen die Lieferungen, die Einfuhr und der innergemeinschaftliche Erwerb von Gehhilfe-Rollatoren gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 52 Buchst. b der Anlage 2 zum UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 %.

Gehhilfe-Rollatoren dienen dem Nutzer als Stütze beim Gehen und bestehen im Allgemeinen aus einem röhrenförmigen Metallrahmen auf drei oder vier Rädern (von denen einige oder alle drehbar sind), Griffen und Handbremsen. Gehhilfe-Rollatoren können in der Höhe verstellbar und mit einem Sitz zwischen den Griffen sowie einem Korb zur Aufbewahrung persönlicher Gegenstände ausgestattet sein. Der Sitz gestattet dem Benutzer, kurze Rasten einzulegen.

Die Regelungen dieses Schreibens sind in allen offenen Fällen anzuwenden. Soweit bisher ergangene Verwaltungsanweisungen – insbes. das BMF-Schreiben vom 5.8.2004 – die Anwendung der Umsatzsteuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 52 Buchst. b der Anlage 2 zum UStG ausschließen, sind sie nicht mehr anzuwenden.

Zur Übergangsregel vgl. BMF vom 11.8.2011(BStBl I 2011, 824).

3.1.8. Umsätze mit Hörbüchern auf einem körperlichen Datenträger (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 UStAE)

Gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG ermäßigt sich die Steuer für Umsätze mit den in der Anlage 2 zum UStG bezeichneten Gegenständen auf 7 %. Durch Art. 9 Nr. 8 des Gesetzes zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) wurde die Nr. 50 der Anlage 2 zum UStG wie folgt gefasst:

»Platten, Bänder, nicht flüchtige Halbleiterspeichervorrichtungen, ‘intelligente Karten (smart cards)’ und andere Tonträger oder ähnliche Aufzeichnungsträger, die ausschließlich die Tonaufzeichnung der Lesung eines Buches enthalten, mit Ausnahme der Erzeugnisse, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien bzw. Hinweispflichten nach § 15 Abs. 1 bis 3 und 6 des Jugendschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung bestehen aus Position 8523«.

Im Ergebnis sinkt der Steuersatz für Umsätze mit den genannten Gegenständen – im Folgenden als Hörbücher bezeichnet – auf 7 %.

Die Änderung trat am 1.1.2015 in Kraft. Gem. BMF vom 11.8.2011 gilt hierzu Folgendes:

Der ermäßigte Umsatzsteuersatz für Hörbücher ist auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.12.2014 ausgeführt werden. Neben den Lieferungen, der Einfuhr und dem inner-gemeinschaftlichen Erwerb ist auch die Vermietung dieser Gegenstände begünstigt.

Die Anwendung der Steuerermäßigung setzt die Übertragung bzw. Vermietung eines körperlichen Gegenstands in Gestalt eines Speichermediums voraus. Das Speichermedium kann im Einzelfall sowohl digital (z.B. CD-ROM, USB-Speicher oder Speicherkarten) als auch analog (z.B. Tonbandkassetten oder Schallplatten) sein.

Weitere Voraussetzung ist, dass auf dem Medium ausschließlich die Tonaufzeichnung der Lesung eines Buches gespeichert ist. Der dabei zugrundeliegende Buchbegriff ist funktional zu verstehen, d.h. die Lesung muss einen Text wiedergeben, der dem herkömmlichen Verständnis vom Inhalt eines Buches entspricht. Die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuer-satzes ist deshalb nicht davon abhängig, dass der Inhalt eines Hörbuchs als gedruckte Fassung verlegt wurde oder verlegt werden soll. Für Lesungen, die dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterliegen, ist die Verwendung von Musik und Geräuschen, die der Illustration des Textes dienen, zulässig. Auch eine mehrstimmige Lesung schließt die Einordnung als begünstigtes Hörbuch nicht aus, soweit sich dies aus dem Buch, z.B. durch Dialoge in wörtlicher Rede ergibt. Hat ein Verlag ausschließlich das Recht durch den Lizenzgeber eingeräumt bekommen, eine Lesung zu produzieren, ohne dass ihm auch die Hörspielrechte eingeräumt werden, ist das Erzeugnis aus Vereinfachungsgründen als Lesung anzuerkennen.

Nach Nummer 50 der Anlage 2 zum UStG sind nicht begünstigt:

  1. Hörbücher, für die Beschränkungen als jugendgefährdende Trägermedien bzw. Hinweispflichten nach § 15 Abs. 1 bis 3 und 6 des Jugendschutzgesetzes in der jeweils geltenden Fassung bestehen.

    Diese Hinweispflicht besteht für die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indizierten jugendgefährdenden Trägermedien sowie für die offensichtlich schwer jugendgefährdenden Trägermedien. Die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indizierten jugendgefährdenden Trägermedien werden im Bundesanzeiger veröffentlicht. Für amtliche Zwecke wird von der Bundesprüfstelle jährlich ein Gesamtverzeichnis herausgegeben.

  2. Hörspiele unterscheiden sich von Lesungen in der Regel dadurch, dass diesen ein Drehbuch zugrunde liegt, ähnlich einem Filmwerk. Außerdem bedienen sich Hörspiele überwiegend dramaturgischer Effekte, wie z.B. der sprachlichen Interaktion. Hörspiele geben grundsätzlich nicht denselben Inhalt wie gedruckte Bücher wieder, sondern bedienen sich des Stoffs als Grundlage für eine eigene Geschichte.

  3. Hörzeitungen und Hörzeitschriften erscheinen üblicherweise periodisch und geben Informationen mit aktuellem Bezug z.B. aus Politik, Wirtschaft, Sport und Feuilleton oder aus bestimmten abgegrenzten Fachthemengebieten wieder.

  4. Auf elektronischem Weg erbrachte sonstige Leistungen (z.B. das Herunterladen von Hörbüchern aus dem Internet).

Sofern der Unternehmer gegen Zahlung eines Gesamtverkaufspreises ein gedrucktes Buch i.S.d. Nr. 49 Buchst. a der Anlage 2 zum UStG abgibt und gleichzeitig den elektronischen Zugang zum Hörbuch einräumt, ist der Gesamtverkaufspreis nach Maßgabe von Abschn. 10.1 Abs. 11 UStAE aufzuteilen. Für vor dem 1.1.2016 ausgeführte Umsätze wird es nicht beanstandet, wenn der Unternehmer diese Vorgänge als einheitliche Leistung behandelt, die insgesamt dem ermäßigten Steuersatz unterliegt.

Im Übrigen wird auf die allgemeinen Regelungen in Abschnitt A des BMF-Schreibens vom 5.8.2004 (BStBl I 2004, 638) hingewiesen.

3.1.9. Auf elektronischem Weg gelieferte digitale Bücher, Zeitungen und Zeitschriften (EuGH vom 7.3.2017, Rs. C-390/15, RPO)

Nach Art. 98 i.V.m. Anhang III Nr. 6 der MwStSystRL können die Mitgliedstaaten auf gedruckte Publikationen wie Bücher, Zeitungen und Zeitschriften einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwenden. Dies gilt nur dann nicht, wenn diese Druckerzeugnisse vollständig oder im Wesentlichen Werbezwecken dienen. Nicht anwendbar ist der ermäßigte Steuersatz hingegen gem. Art 98 Abs. 2 MwStSystRL auf elektronisch erbrachte Dienstleistungen. Dementsprechend galt bislang für digitale Publikationen der normale Steuersatz, mit Ausnahme digitaler Bücher, die auf einem physischen Träger wie etwa einer CD-ROM geliefert wurden. In diesem Fall durfte auch auf digitale Bücher ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz angewandt werden. Wurden sie hingegen ausschließlich per Download oder Streaming übermittelt, so galt bislang der normale Steuersatz. Für digitale Zeitungen und Zeitschriften hingegen galt stets der normale Steuersatz, unabhängig davon, in welcher Form sie geliefert werden.

Nach einer Entscheidung des EUGH vom 7.3.2017 (Rs. C-390/15, RPO) in einem vom Mitgliedstaat Polen an ihn herangetragenen Verfahren steht der Grundsatz der Gleichbehandlung dem Ausschluss auf elektronischem Weg gelieferter digitaler Bücher, Zeitungen und Zeitschriften von der Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes nicht entgegen. Die Vorschrift des Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL, in dem diese Regelung verankert ist, ist nach Auffassung des EUGH somit gültig.

Mit dem Jahressteuergesetz 2019 hat der Gesetzgeber die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7 % nunmehr auf die Lieferung von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften in elektronischer Form ausgeweitet. Unter die neue Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG-E i.V.m. Anlage 2 Nr. 49 Buchst. a bis e (vgl. unter 2.14) fallen auch Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten, Nicht begünstigt sind dagegen elektronische Dienstleistungen, deren Funktion über gedruckte Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften deutlich hinausgeht, elektronische Dienstleistungen, die hauptsächlich aus Videoinhalten oder Musik bestehen, jugendgefährdende Erzeugnisse nach dem Jugendschutzgesetz sowie Veröffentlichungen, die überwiegend Werbezwecken (inkl. Reisewerbung) dienen. Die Steuerermäßigung gilt unabhängig davon, ob die betreffenden elektronischen Produkte auch auf einem physischen Träger angeboten werden.

3.1.10. Ausmalbücher für Erwachsene

Nach den E-Bundles steht der Buchhandel nun vor einem neuen Umsatzsteuerproblem. Die Finanzverwaltung hat bei einem der Marktführer sowohl Ausmalbücher für Erwachsene als auch Sticker-, Puzzle- und Sudoku-Bücher dem allgemeinen Umsatzsteuersatz unterworfen.

3.1.10.1. Uneinheitliches Vorgehen der Verlage und Buchhändler

Aus einer Produktbeschreibung (vgl. Weimann, Umsatzsteuer in der Praxis, Kapitel 69.7.1): »Auf dem Weg aus dem Stress in die Entspannung greifen immer mehr Erwachsene zu Malbüchern und Bunt-, Blei- und Filzstiften. Sie malen sich die Anspannung von der Seele. Statt in Yoga, eine Massage oder Meditation investieren sie ihre Freizeit in fantasievolle Muster und exotische Vögel, die nach dem Ausmalen gern mit dem Smartphone fotografiert und dann stolz in sozialen Netzwerken wie Instagram gezeigt werden.«

Bei den Kunden sollen die Ausmalbücher also für Entspannung sorgen – bei den Verlagen und Händlern bewirken die Bücher genau das Gegenteil. Die Verlage handhaben die Besteuerung der Produkte offensichtlich unterschiedlich. Während die einen die Titel den Kindermalbüchern (Steuersatz: 7 %) zuordnen, betrachten andere die Bücher als Sammlung von Illustrationen (ebenfalls 7 %). Wieder andere besteuern mit 19 %.

3.1.10.2. Begriff Buch

Ein umsatzsteuerermäßigtes Buch zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es einen Text zum Lesen beinhaltet (FG Hamburg vom 9.12.2013, a.a.O.; vgl. auch DER SPIEGEL, Ausgabe 22/2016, 127 sowie Weimann, Umsatzsteuer in der Praxis, Kapitel 69.7.2). Die Einordnung richtet sich nach dem sog. Zollkodex, der in der Praxis leider nicht immer leicht anzuwenden ist. In kritischen Fällen muss der wissenschaftliche Dienst des Zolls um eine eindeutige Einschätzung gebeten werden – dort können Verlage eine unverbindliche Zolltarifauskunft einholen.

Bei den Ausmalbüchern allerdings war das offenbar anders, denn erst durch die Betriebsprüfung in einem großen Handelsunternehmen sind in der Branche überhaupt Zweifel an der Anwendung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes aufgekommen (Börsenverein des deutschen Buchhandels, 7 oder 19 Prozent? Die Crux mit den Ausmalbüchern, boersenblatt.net, 11.6.2017).

3.1.10.3. Differenzierung von Büchern

Nach Auffassung des Börsenvereins (a.a.O.) ist wie folgt zu unterscheiden (vgl. Weimann, Umsatzsteuer in der Praxis, Kapitel 69.7.3):

  • Sudoku-Bücher: Hierzu erging das Urteil des FG Hamburg, das ganz klar besagt, dass hier jedenfalls dann 19 % MwSt anzusetzen sind, wenn die Veröffentlichung insgesamt keinen qualifizierenden Text hat. Daran kann die Branche erst einmal schwer rütteln. Die streitgegenständliche Veröffentlichung bestand außer einer kurzen Einleitung und den Lösungsseiten bloß aus Sudoku-Rätseln.

  • Stickerbücher und Kindermalbücher: Stickerbücher, die nicht nur reine Stickerheftchen sind, sollen unter die 7 % fallen, ebenso wie Malbücher für Kinder. Hierzu gibt es laut Zollauskunft auch bereits positiv beschiedene Anfragen – beziehungsweise: für Malbücher für Kinder ist das bereits im Zollkodex so festgeschrieben.

  • Erwachsenenmalbücher: Ausmalbücher für Erwachsene dagegen sind ein Sonderfall, weil sie erst vor wenigen Jahren aufgekommen sind. Manche sind genauso gut als Malbuch für Kinder geeignet, da ist die Einordnung mit 7 % unproblematisch. Steuerrechtliche Unschärfen gibt es dann, wenn die Titel eindeutig als Ausmalbücher für Erwachsene beworben bzw. konzipiert werden. Denn als der Zollkodex erarbeitet wurde, hat niemand daran gedacht, dass es solche Produkte einmal geben könnte. Deshalb finden sie dort auch keine Erwähnung.

Vgl. dazu Weimann, Umsatzsteuer in der Praxis, 15. Auflage, Freiburg 2017.

3.1.11. Umsätze mit Fotobüchern (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 8 UStAE)

Nach der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2254 der Kommission vom 2.12.2015 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur ist eine fest gebundene Ware (sog. Fotobuch) aus Papier mit Abmessungen von etwa 21 × 31 cm, mit gedruckten vollfarbigen, personalisierten Fotos und kurzem Text zu den Aktivitäten, Veranstaltungen, Personen usw. auf den jeweiligen Fotos in die Position 4911 91 00 einzureihen. Eine Einreihung in Position 4901 als Buch ist ausgeschlossen, da die Ware nicht zum Lesen bestimmt ist.

Gem. BMF vom 20.4.2016 (BStBl I 2016, 483) gilt zu den umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen der Durchführungsverordnung Folgendes:

Lieferungen und innergemeinschaftliche Erwerbe von Fotobüchern unterliegen dem allgemeinen Umsatzsteuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG).

Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Nr. 49 Buchst. a der Anlage 2 zum UStG ist nicht anwendbar. Dies gilt auch dann, wenn der zu beurteilende Gegenstand andere Abmessungen als die in der UStDV genannten aufweist oder nicht oder nicht vollständig im Vollfarbdruck hergestellt wurde.

Fotobücher weisen in der Regel folgende Merkmale auf:

  • Der Inhalt der Ware wird vom Leistungsempfänger unter Zuhilfenahme eines vom leistenden Unternehmer zur Verfügung gestellten Computerprogramms bzw. über einen Internetbrowser mit entsprechender Webanwendung individuell gestaltet.

  • Er besteht aus Fotos ggf. ergänzt um einen kurzen Text zu den Aktivitäten, Veranstaltungen, Personen usw., die auf den Fotos abgebildet sind.

  • Der Inhalt dient der Dokumentation privater Ereignisse oder der Darstellung von Unternehmen (z.B. anlässlich von Firmenjubiläen oder Abbildung von Referenzobjekten).

  • Die Ware ist nicht zur allgemeinen Verbreitung beispielsweise durch Verlage oder über den Buchhandel bestimmt.

Eine internationale Standardbuchnummer (ISBN) wurde nicht vergeben.

Zur Übergangsregel vgl. BMF vom 20.4.2016 (BStBl I 2016, 483).

3.1.12. Umsätze mit Kunstgegenständen und Sammlungsstücken (Abschn. 12.1 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 UStAE)

Durch Art. 10 Nr. 5 AmtshilfeRLUmsG vom 26.6.2013 (BGBl I 2013, 1809) wurde der Anwendungsbereich des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Umsätze mit Kunstgegenständen und Sammlungsstücken an die unionsrechtlichen Vorgaben in Art. 103 MwStSystRL angepasst (vgl. § 12 Abs. 2 Nr. 12 und 13 UStG). Daneben wurde durch Art. 10 Nr. 12 AmtshilfeRLUmsG eine Regelung zur Ermittlung einer besonderen Bemessungsgrundlage in den Fällen differenzbesteuerter Umsätze mit Kunstgegenständen geschaffen (vgl. § 25a Abs. 3 Satz 2 UStG n.F., sog. Pauschalmarge). Die Änderungen sind am 1.1.2014 in Kraft getreten.

Zu den Einzelheiten vgl. BMF vom 18.12.2014 (BStBl I 2015, 44).

Mit Verordnung (EU) Nr. 731/2010 der Kommission vom 11.8.2010 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur wurden sog. Lichtinstallationen der Position 9405 10 28 zugewiesen. Die Einreihung in die Position 9703 00 00 als Erzeugnis der Bildhauerkunst ist danach ausgeschlossen, da nicht die Installation selbst, sondern das Ergebnis ihrer Verwendung (der Lichteffekt) das Kunstwerk darstellt. Entsprechendes gilt für eine Einreihung in die Position 9705 00 00, da die Installation kein Sammlungsstück von geschichtlichem Wert ist (FinMin Sachsen-Anhalt Erlass vom 12.5.2016, 42-S 7229-26).

Der zolltariflichen Einreihung folgend unterliegen Umsätze mit diesen Gegenständen dem allgemeinen Umsatzsteuersatz.

3.1.13. Lieferung von Messekatalogen

Der Verkauf von Messekatalogen an Messebesucher unterliegt dem ermäßigten Umsatzsteuersatz (BFH Urteil vom 14.6.2016, VII R 12/15).

Sachverhalt:

Die Klägerin (… und Revisionsklägerin …) ist eine Messegesellschaft und wendet sich gegen die Anwendung des Regelsteuersatzes auf den Verkauf von Messekatalogen.

Der BFH teilt die Auffassung der Klägerin. Die streitgegenständlichen Messekataloge sind als Erzeugnisse des grafischen Gewerbes, die nicht überwiegend Werbezwecken dienen, in die nämliche Position des Zolltarifs einzureihen und damit ermäßigt zu besteuern.

Ob ein Buch oder eine Broschüre überwiegend Werbezwecken dient, ist somit allein anhand der Druckschrift zu beurteilen. Nicht maßgeblich ist, wie der Begriff »Werbung« außerhalb des Zolltarifs verstanden wird. Entscheidend ist, ob ein Druck nach seiner Beschaffenheit und seiner erkennbaren Zweckbestimmung, also nach Art der Aufmachung, des Inhalts und Herausgabezwecks, soweit diese ihren Niederschlag in dem Druck gefunden haben, überwiegend Werbezwecken dient. Dies ist der Fall, wenn der Druck überwiegend darauf ausgerichtet ist,

  • durch zwangfreie und absichtliche Beeinflussung des Adressaten

  • diesen zur Erfüllung des Werbeziels, d.h. insbes. zur Inanspruchnahme entgeltlicher Waren oder Dienstleistungen, zu veranlassen.

3.1.14. Überlassung von Kaffeeautomaten im Zusammenhang mit der Lieferung von Kaffeebohnen und -pulver

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. lfd. Nr. 12 der Anlage 2 zum UStG unterliegt die Lieferung von Kaffeebohnen und -pulver dem ermäßigten Steuersatz, während auf die Lieferung von zubereitetem Kaffee der Regelsteuersatz anzuwenden ist (OFD Niedersachsen, Verfügung vom 31.5.2017, S 7222-27-St 184).

Sachverhalt:

Ein Unternehmer beliefert seine Kunden (z.B. Kantinenbetreiber) mit Kaffeebohnen oder -pulver. Zeitgleich stellt er seinen Kunden Kaffeeautomaten (z.B. Kaffeevollautomaten) einschließlich Wartung unentgeltlich zur Verfügung. Die Kunden sind verpflichtet, den Kaffee ausschließlich beim Unternehmer zu erwerben. Die Kosten für die Kaffeeautomaten wurden bei der Preiskalkulation für die Kaffeelieferung berücksichtigt. Erst der Endnutzer (Kantinenbesucher) erhält fertig zubereiteten Kaffee auf Knopfdruck.

Die Überlassung der Kaffeeautomaten ist nach den Grundsätzen in Abschn. 3.10 Abs. 5 UStAE keine unselbstständige Nebenleistung zur steuerbegünstigten Lieferung der Kaffeebohnen bzw. des Kaffeepulvers. Der Kaffeeautomat erfüllt für den Kantinenbetreiber einen eigenen Zweck, da das verzehrfertige Getränk erst durch den Kaffeeautomaten hergestellt wird und ohne den Kaffeeautomaten keine Getränkeumsätze zu erzielen sind.

Die Überlassung von Kaffeeautomaten und die Lieferung der Kaffeebohnen und/oder des -pulvers sind grundsätzlich nicht zu einer einheitlichen Leistung eigener Art zusammenzufassen. Aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers sind beide Leistungen nicht so eng aufeinander abgestimmt, dass sie ihre Selbstständigkeit verlieren und zu etwas Neuem zusammenwachsen (vgl. Abschn. 3.10 Abs. 2 ff. UStAE).

Es werden somit zwei Leistungen zu einem Gesamtentgelt erbracht. Dabei unterliegt die Überlassung der Kaffeeautomaten dem allgemeinen Steuersatz, während die Lieferung der Kaffeebohnen und des -pulvers dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Das vereinbarte Entgelt ist entsprechend den Grundsätzen in Abschn. 10.1 Abs. 11 UStAE nach der einfachsten Methode aufzuteilen.

Abweichend hiervon kann bei Umsätzen aus dem Betrieb von (Heiß-)Getränkeautomaten aufgrund besonderer Sachverhaltsgestaltung eine komplexe unteilbare, insgesamt dem allgemeinen Steuersatz unterliegende einheitliche Leistung anzunehmen sein. Dies kann der Fall sein, wenn im Rahmen der Gesamtbetrachtung die Überlassung des Automaten und z.B. des Kaffeepulvers so eng miteinander verbunden sind, dass sie für den Kunden objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden. Kriterien hierfür können z.B. sein:

  • Die Überlassung des Kaffeepulvers erfolgt in einer für den Automaten kompatiblen Form, d.h. das Kaffeepulver wird in eigenentwickelten sog. Systembechern (Cups), bei denen sich lose vorportioniertes Kaffeepulver in Einwegbechern befindet, bereitgestellt. Der Automat kann ausschließlich mit diesen Bechern des Unternehmers betrieben werden. Die Überlassung des Kaffeepulvers erfolgt nur an Personen, die über einen vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Automaten verfügen.

  • Der vom Kunden (z.B. Kantinenbetreiber) an den Unternehmer zu entrichtende Preis ist abhängig von der Anzahl der Getränke, die die Endnutzer (Kantinenbesucher) an dem Automaten erwerben. Je mehr Getränke am Automaten umgesetzt werden, desto geringer ist der vom Kunden zu entrichtende Preis für das Kaffeepulver je Portion.

  • Dem Kunden steht der Kasseninhalt zu. Er bestimmt auch den vom Endnutzer am Automaten zu entrichtenden Preis und ist dabei an keine Vorgaben des Unternehmers gebunden. Der Kunde erlangt durch die einheitliche Leistung eine Infrastruktur, die es ihm ermöglicht, Getränke an seine Endnutzer zu liefern. Er wünscht gerade die Verbindung der Leistungselemente, die technisch aufeinander abgestimmt sind. Auch die Art und Weise der Preisgestaltung zeigt, dass beide Elemente wirtschaftlich unteilbar miteinander verbunden sind.

3.1.15. Fast-Food-Restaurant im Einkaufszentrum mit gemeinsamem Verzehrbereich

Mit Urteil vom 26.8.2021, V R 42/20 (DStRE 2021, 1531) hat der BFH entschieden, dass die Nutzung eines Food-Courts in einem Einkaufszentrum beim Verzehr von Speisen zu einer sonstigen Leistung führen kann, wenn die Einräumung dieser Nutzungsmöglichkeit aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers dem Speisenanbieter zuzurechnen ist. Im Urteilsfall verkaufte der Stpfl. in einem Einkaufszentrum zubereitete Speisen in Einwegverpackungen über eine Verkaufstheke. Die Speisen konnten in einem für die Kunden des Einkaufszentrums eingerichteten gemeinsamen Sitz- und Verzehrbereich (Food-Court) eingenommen werden. Die Kosten für den Food-Court werden aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Regelung von den Mietern des Einkaufszentrums anteilig getragen.

Nach Auffassung des BFH kann die Nutzung des Food-Courts als überwiegendes Dienstleistungselement zu einer sonstigen Leistung führen, wenn die Einräumung der Nutzungsmöglichkeit dem Speisenanbieter zuzurechnen ist. Diese Voraussetzung war im Urteilsfall erfüllt, weil der Stpfl. aufgrund des Mietvertrags einen Anspruch auf die Benutzung des Food-Courts durch seine Kunden hatte. Damit wirkt er an der Verschaffung dieser Dienstleistungselemente mit, sodass es sich insoweit nicht um fremde Einrichtungen eines Dritten handelt (vgl. BFH vom 3.8.2017, V R 15/17, BFH/NV 2017, 1572).

Für die Zurechnung des Food-Courts zum leistenden Unternehmer genügt es, dass der Durchschnittsverbraucher davon ausgehen kann, dass er als Kunde zur Nutzung des Food-Courts berechtigt ist. Dazu kann die Ausgabe der Speisen mit einem Tablett ausreichen, da dieses typischerweise dazu dient, die Speisen zum Food-Court zu bringen und dort an einem Tisch zu verzehren. Aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers bezieht sich die Leistung dann nicht auf die bloße Abgabe am Verkaufstresen, sondern schließt als weitergehenden Vorgang den Verzehr in unmittelbarer Nähe zur Ausgabestelle mit ein.

Der BFH verwies den Fall zurück an das zuständige FG, da dieses keine ausreichenden Feststellungen hinsichtlich der Tablett-Nutzung durch die Kunden getroffen hatte. Möglicherweise ergab sich aus Sicht der Kunden nicht, dass ihnen die Nutzungsmöglichkeit am Food-Court durch den Steuerpflichtigen eingeräumt wurde. Bei Speisenabgaben außerhalb der Öffnungszeiten des Food-Courts kann jedenfalls – mangels Nutzung des Food-Courts – keine sonstige Leistung vorliegen.

3.1.16. Umsätze von Bäckereifilialen in Vorkassenzonen von Supermärkten

Verkauft eine Bäckerei in Filialen, die sich in Vorkassenzonen von Supermärkten befinden, Speisen, die die Kunden vor Ort auf Mehrweggeschirr und mit Mehrwegbesteck verzehren, das von der Bäckerei zurückgenommen und gereinigt wird, so erbringt die Bäckerei nach Auffassung des BFH – ähnlich wie ein Partyservice – insoweit sonstige Leistungen nach § 3 Abs. 9 UStG, die dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG unterliegen (BFH vom 15.9.2021, XI R 12/21 – LEXinform 0953419).

Sachverhalt:

Die Stpfl. produzierte Backwaren und verkaufte sie in ihren Filialen, die sich überwiegend in räumlich nicht abgetrennten Eingangsbereichen von Lebensmittelmärkten, sog. Vorkassenzonen, vereinzelt aber auch in separaten Ladengeschäften befanden. Die zum Verzehr der Backwaren bereitgestellten Tische und Sitzgelegenheiten befanden sich innerhalb der Filialen, im Einzelfall aber auch im Freien. Die Ausgabe der zum Verzehr vor Ort bestimmten Waren an den Kunden erfolgte auf Mehrweggeschirr und mit Mehrwegbesteck direkt am Verkaufstresen. Das Abräumen der Tische oblag den Kunden, wobei zur Rücknahme des ausgegebenen Geschirrs Regale bereitstanden. Wenn die Kunden das Abräumen der Tische unterließen, räumte das Personal das Geschirr ab und reinigte es. Das Personal war dabei ausschließlich als Verkaufspersonal für Backwaren und nicht als Kellner, Koch oder gastronomisch ähnlich qualifiziertes Fachpersonal angestellt.

Nach Meinung des zuständigen FA lagen die Voraussetzungen für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die in den Filialen erfolgten Umsätze aus dem Verkauf von Backwaren nicht vor. Das zuständige FG Münster bestätigte mit Urteil vom 3.9.2019 (15 K 2553/16 U, MwStR 2016. 963) die Auffassung des FA und wies die Klage des Stpfl. ab. Auch der BFH kam im anschließenden Revisionsverfahren (BFH vom 15.9.2021, XI R 12/21) zu keinem anderen Ergebnis und hielt die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Das FG habe die Umsätze der Klägerin zu Recht als sonstige Leistungen qualifiziert und dem Regelsteuersatz unterworfen.

3.1.17. Verkauf von »Wiesnbrezn« auf dem Münchener Oktoberfest

Verkauft ein Brezelverkäufer auf dem Oktoberfest in Festzelten »Wiesnbrezn« an die Gäste des personenverschiedenen Festzeltbetreibers, ist der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % für Lebensmittel anzuwenden. Der BFH weist damit die Rechtsauffassung der bayerischen Finanzverwaltung zurück, die im Verkauf der Brezeln durch den Brezelverkäufer einen restaurantähnlichen Umsatz gesehen hatte, der dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegen sollte (BFH Urteil vom 3.8.2017, V R 15/17).

Sachverhalt:

Im Streitfall pachtete die Klägerin (K) während des Oktoberfestes Verkaufsstände in mehreren Festzelten an. Die von ihr beschäftigten »Breznläufer« gingen durch die Reihen des Festzelts und verkauften die Brezeln an die an Bierzelttischen sitzenden Gäste des Festzeltbetreibers.

Das Finanzamt sah hierin umsatzsteuerrechtlich eine sog. sonstige Leistung, die dem Regelsteuersatz unterliege. Es sei ein überwiegendes Dienstleistungselement gegeben, weil der K die von den Festzeltbetreibern bereitgestellte Infrastruktur, bestehend aus Zelt mit Biertischgarnituren und Musik, zuzurechnen sei. Das Finanzgericht bestätigte dies. Der BFH hob das Urteil der Vorinstanz auf und gab der Klage statt.

Der Verkauf der Brezeln führt umsatzsteuerrechtlich zu einer Lieferung der Backwaren, die ermäßigt zu besteuern ist. Die in den Festzelten aufgestellten Biertischgarnituren, bestehend aus Tischen und Bänken, dienten den eigenen Gastronomieumsätzen des Festzeltbetreibers. Damit handelte es sich aus der Sicht der K um fremde Verzehrvorrichtungen, an denen der K kein eigenes Mitbenutzungsrecht zugestanden hat. K hat keine Verfügungs- oder Dispositionsmöglichkeit in dem Sinne erlangt, dass sie Besuchern Sitzplätze im Festzelt zuweisen konnte. Nach der Realität im Bierzelt ist auch nicht davon auszugehen, dass Personen, die ausschließlich Brezeln von K erwarben, zur Nutzung der Biertischgarnituren berechtigt gewesen wären, ohne zusätzliche Leistungen des Festzeltbetreibers in Anspruch nehmen zu müssen.

Hinweis:

Der Sachverhalt des Besprechungsurteils dürfte in der Praxis häufiger vorkommen als man zunächst annimmt. Immer wieder überlassen Veranstalter – z.B. die Betreiber von Opern- und Theaterhäusern – den Verkauf von Snacks u. dgl. Dritten und stellen Infrastruktur (vor allem Sitzgelegenheiten) rein tatsächlich zur Verfügung. Der BFH stellt klar, dass dies einer Umsatzsteuerbegünstigung nicht entgegensteht!

3.1.18. Verkauf von Monatshygieneartikeln

Neu eingeführt wurde mit dem Jahressteuergesetz 2019 der ermäßigte Streuersatz für den Verkauf von Monatshygieneartikeln. Die gesetzliche Grundlage für die Steuerermäßigung ist auch hier die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Anlage 2, der eine neue Nummer 55 zugefügt wurde. Die Änderung gilt ab dem ab dem Tag nach der Verkündung des Gesetzes.

3.1.19. Verkauf von Werbelebensmitteln

Nach dem Beschluss vom 6.5.2022, V S 7/21 (AdV), LEXinform 4250385 hält es der BFH im Zusammenhang mit einem die Aussetzung der Vollziehung betreffenden Verfahren für ernstlich zweifelhaft, ob bei der Lieferung von Lebensmitteln die Tatsache, dass der Abnehmer diese zur Erzielung einer Werbewirkung einsetzt, der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 UStG entgegensteht. FA und FG waren der Auffassung, dass für die streitigen Umsätze der Regelsteuersatz anzuwenden sei.

Dem Beschluss des BFH lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger betrieb einen Handel mit diversen Werbeartikeln, u.a. auch mit Produkten der Food-Kategorie wie Fruchtgummis, Bonbons, Popcorn, Kekse, Schokolinsen, Teebeutel, Kaffee oder Traubenzuckerwürfel, die jeweils in kleinen Abpackungen angeboten wurden. Die Kunden konnten die Waren entsprechend ihrer jeweiligen Wünsche mittels einer Umverpackung, Aufdrucken, Gravuren oder Ähnlichem individualisiert beziehen. Der Kläger selbst nahm dabei keine Individualisierung der Waren vor, sondern bezog die Gegenstände nach den Kundenwünschen direkt von seinen Lieferanten oder ließ sie von Dritten veredeln. Strittig ist die Frage, ob sich der Charakter der Ware dadurch von einem gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Anlage 2 UStG ermäßigt besteuerten Nahrungsmittel zu einem regelbesteuerten Werbeartikel verändert hat.

In seinem o.a. Beschluss vertritt der BFH die Auffassung, dass der Lebensmittelcharakter der Artikel nicht von deren Werbezweck verdrängt wird, so dass es nach der für die Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung ernstlich zweifelhaft ist, ob der allgemeine Umsatzsteuersatz zur Anwendung kommt. Der BFH verweist dabei auf die Rspr. des EUGH (EUGH vom 1.10.2020, C-331/19) und des BFH (Urteil vom 14.6.2016, VII R 12/15, BFH/NV 2016, 1594) zur Auslegung des unionsrechtlichen Nahrungsmittelbegriffs. Danach ist die Frage, ob eine Ware überwiegend Werbezwecken dient, nach ihrer Beschaffenheit und ihrer Zweckbestimmung zu beurteilen. Die Beschaffenheit der Waren als Süßigkeiten und deren Zweckbestimmung zum menschlichen Verzehr werde im Streitfall nicht dadurch verdrängt, dass die spätere Abgabe auch eine Werbewirkung erzielen soll. Zudem diene jede Nahrungsmittelverpackung einem Werbezweck, sei es wie üblich für das verpackte Produkt selbst oder wie im Streitfall für einen anderen Unternehmer bzw. für dessen Leistungen. Zwar komme einer individualisierten Verpackung eine besondere Bedeutung zu, das Gesamtprodukt sei jedoch uninteressant und die subjektiv gewollte werbende Wirkung werde nicht eintreten, wenn der Inhalt nicht in einem für den späteren Konsumenten attraktiven Produkt bestehe. Der Werbeeffekt werde letztendlich durch das Nahrungsmittel ausgelöst, das aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers wesentlicher Bestandteil der Ware sei und bei dessen Genuss der Verbraucher nebenbei an den Werbenden erinnert werden soll.

Zu beachten ist, dass die Aussagen des BFH nur in einem AdV-Verfahren getroffen wurden, so dass nicht völlig auszuschließen ist, dass das Gericht im noch anhängigen Hauptsacheverfahren (Az.: V R 38/21) zu einem anderen Ergebnis kommt.

3.2. Vermietung der in Anlage 2 bezeichneten Gegenstände

Ebenfalls begünstigt ist die Vermietung der in der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 UStG). Erfasst werden z.B.

  • Bücherverleih gegen Gebühren und

  • Vermietung von Pflanzen für Dekorationszwecke.

3.3. Vieh- und Pflanzenzucht und Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG

Die Aufzucht und das Halten von Vieh, die Aufzucht von Pflanzen und die Teilnahme an Leistungsprüfungen für Tiere (§ 12 Abs. 2 Nr. 3 UStG) unterliegen dem ermäßigten Steuersatz. Unter Vieh sind solche Tiere zu verstehen, die als landwirtschaftliche Nutztiere in Nr. 1 der Anlage 2 des UStG aufgeführt sind. Nicht begünstigt ist z.B. die Aufzucht und das Halten von Katzen und Hunden (Abschn. 12.2 Abs. 1 und Abs. 2 UStAE). Leistungsprüfungen für Tiere sind tierzüchterische Veranstaltungen, die als Wettbewerbe wertvoller Zuchttiere mit Prämierung durchgeführt werden, z.B. Tierschauen, Pferderennen oder Zuchtleistungsschauen (Abschn. 12.2 Abs. 4 UStAE).

3.4. Vatertierhaltung, Förderung der Tierzucht (§ 12 Abs. 2 Nr. 4 UStG)

Die Leistungen, die unmittelbar der Vatertierhaltung, der Förderung der Tierzucht, der künstlichen Tierbesamung oder der Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tierzucht und in der Milchwirtschaft dienen (Abschn. 12.3 UStAE), unterliegen dem ermäßigten Steuersatz.

Entgelte für Leistungen, die unmittelbar der Vatertierhaltung dienen, sind insbes. (Abschn. 12.3 Abs. 2 UStAE):

  1. Deckgelder;

  2. Umlagen (z.T. auch Mitgliederbeiträge genannt), die nach der Zahl der deckfähigen Tiere bemessen werden;

  3. Zuschüsse, die nach der Zahl der gedeckten Tiere oder nach sonstigen mit den Umsätzen des Unternehmers (Vatertierhalters) verknüpften Maßstäben bemessen werden (zusätzliche Entgelte von dritter Seite nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG).

Zuchttiere i.S. dieser Vorschrift sind Tiere der in der Nr. 1 der Anlage 2 des UStG aufgeführten Nutztierarten, die in Beständen stehen, die zur Vermehrung bestimmt sind und deren Identität gesichert ist. Aus Vereinfachungsgründen kommt es nicht darauf an, ob das Einzeltier tatsächlich zur Zucht verwendet wird. Es genügt, dass das Tier einem zur Vermehrung bestimmten Bestand angehört. Zuchttiere sind auch Reit- und Rennpferde sowie die ihrer Nachzucht dienenden Pferde. Die Steuerermäßigung ist auf Eintrittsgelder, die bei Pferderennen, Pferdeleistungsschauen (Turnieren) und ähnlichen Veranstaltungen erhoben werden, nicht anzuwenden. Bei gemeinnützigen Vereinen, z.B. Rennvereinen oder Reit- und Fahrvereinen, kann hierfür jedoch der ermäßigte Steuersatz unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG in Betracht kommen (Abschn. 12.3 Abs. 3 Satz 2 ff. UStAE).

3.5. Zahntechniker, Zahnärzte (§ 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG)

Ermäßigt besteuert werden die Leistungen aus der Tätigkeit als Zahntechniker (Abschn. 12.4 Abs. 1 UStAE). Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 6 UStG ist auf alle Umsätze aus der Tätigkeit als Zahntechniker einschließlich der unentgeltlichen Wertabgaben anzuwenden. Begünstigt sind auch Lieferungen von halbfertigen Teilen von Zahnprothesen. Die Steuerermäßigung setzt nicht voraus, dass der Zahntechniker als Einzelunternehmer tätig wird. Begünstigt sind auch Leistungen der zahntechnischen Labors, die in der Rechtsform einer Gesellschaft – z.B. OHG, KG oder GmbH – betrieben werden.

Bei den Zahnärzten umfasst die Steuerermäßigung die Leistungen, die nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 2 UStG von der Steuerbefreiung ausgeschlossen sind (→ Steuerbefreiungen gem. § 4 UStG, → Heilberufe). Es handelt sich dabei um die Lieferung oder Wiederherstellung von Zahnprothesen und kieferorthopädischen Apparaten (Abschn. 12.4 UStAE).

3.6. Theater, Orchester, Museen (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG)

Begünstigt sind die Leistungen der Theater, Orchester, Kammermusikensembles, Chöre, und Museen, wenn sie nicht unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG fallen (Abschn. 12.5 UStAE). Zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes s. OFD Frankfurt vom 9.2.2010 (S 7238 A – 6 – St 112, LEXinform 5232589).

Unter den Begriff »Orchester« fallen alle Musiker- und Gesangsgruppen mit zwei oder mehr Mitwirkenden (Abschn. 4.20.2 Abs. 1 UStAE).

3.6.1. Begriff Theatervorführungen

Mit BMF-Schreiben vom 12.11.2020, III C 3 – S 7177/17/10001 hat die Finanzverwaltung zur umsatzsteuerlichen Begünstigung von Theateraufführungen und vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG Stellung genommen. Unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung versteht die Verwaltung unter begünstigten »Theatervorführungen« nicht nur Aufführungen von Theaterstücken im engeren Sinne wie Opern und Operetten, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst, der Eisrevuen und des Varietés bis hin zu Puppenspielen und Bauchreden. Auch Mischformen von Sprech-, Musik- und Tanzdarbietungen sind begünstigt. Das BMF weist ausdrücklich darauf hin, dass der Begriff der Theatervorführung sowohl für die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG als auch für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG in gleicher Weise zu bestimmen ist.

Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 12.11.2020 sind in allen offenen Fällen anzuwenden, wobei es die Finanzverwaltung nicht beanstandet, wenn Umsätze, die vor dem 1.1.2021 ausgeführt werden, abweichend von den Verwaltungsanweisungen als umsatzsteuerpflichtig behandelt bzw. dem allgemeinen Steuersatz unterworfen werden. Dies gilt entsprechend auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs.

Gleichzeitig mit o.a. Schreiben ändert die Finanzverwaltung die diesbezüglichen Bestimmungen in Abschn. A 12.5 Abs. 1 und Abschn. 4.20 UStAE. Nach A 4.20.1 Abs. 1 Satz 2 UStAE liegen begünstigte Theaterumsätze nur dann vor, wenn Personen auf einer Bühne vor einem Publikum ein Stück zur Aufführung bringen oder eine für Zuschauer bestimmte Aufführung durch eine Person erfolgt. Nicht unter die Steuerbefreiung fallen Filmvorführungen sowie reine Autorenlesungen vor Publikum (vgl. BFH vom 25.2.2015, XI R 35/12, BStBl. II 2015, 677).

Mit Urteil vom 3.12.2015 (V R 61/14, DStR 2016, 468) hat der BFH entschieden, dass die Tätigkeit eines Hochzeits- oder Trauerredners grundsätzlich keine künstlerische Tätigkeit darstellt. Ist die Tätigkeit jedoch von einer eigenschöpferischen Leistung des Künstlers geprägt, in der seine besondere Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt, so handelt es sich ausnahmsweise um die Tätigkeit eines ausübenden Künstlers, für die der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG anzuwenden ist. Gegen eine künstlerische Tätigkeit spricht bei einer Redetätigkeit die Beschränkung auf eine schablonenartige Wiederholung anhand eines Redegerüstes, vgl. A 12.5 Abs. 1 UStAE.

3.6.2. Techno- und House-Konzerte

Bereits mit Urteil vom 18.8.2005 (V R 50/04, BStBl II 2006, 101) hatte der BFH Konzerte i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG als Aufführungen von Musikstücken definiert, bei denen Instrumente und/oder die menschliche Stimme eingesetzt werden, während das bloße Abspielen eines Tonträgers kein Konzert darstelle. Bei Musik, die durch Verfremden und Mischen bestehender Musik entsteht, könnten Plattenteller, Mischpulte und CD-Player »Instrumente« sein, wenn sie (wie konventionelle Musikinstrumente) zum Vortrag eines Musikstücks und nicht nur zum Abspielen eines Tonträgers genutzt werden. Eine Techno-Veranstaltung könne daher ein Konzert i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sein.

In zwei weiteren Urteilen (BFH vom 10.6.2020, V R 16/17, HFR 2020, 1185 sowie BFH vom 23.7.2020, V R 17/17, HFR 2020, 1187) hat der BFH entschieden, dass Eintrittserlöse für Musikaufführungen unterschiedlicher Stilrichtungen durch renommierte Discjockeys (DJs) unter die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG fallen, wenn die Aufführungen den eigentlichen Zweck der Veranstaltung darstellen. Die Klägerin veranstaltete Musikaufführungen, bei denen von DJs Musik unterschiedlicher Stilrichtungen (z.B. House, Techno, Trance) dargeboten wurde, und verkaufte im Rahmen der Veranstaltungen gegen gesondertes Entgelt Getränke, wobei der Erlös aus dem Getränkeverkauf den aus dem Verkauf der Eintrittskarten erheblich überstieg.

Während die Klägerin die Umsätze aus den Eintrittsgeldern dem ermäßigten Steuersatz unterwarf, wendeten das zuständige FA und ihm folgend das zuständige FG Sachsen (Urteil vom 6.6.2016, 5 K 1811/12) den Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG an. Die Umsätze seien weder als Umsätze aus Konzerten oder vergleichbaren Darbietungen nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG noch nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG (Zirkusvorführungen, Schausteller) steuersatzermäßigt.

Nach Auffassung des BFH ist der Begriff des Konzerts i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG (Art. 98 Abs. 1 und 2 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Kategorie 7) im Hinblick auf die technischen Entwicklungen in der Musik und dem unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatz weit auszulegen. Entsprechend den Grundsätzen des o.a. Urteils vom 18.8.2005 (V R 50/04, BStBl II 2006, 101, Rz. 16 und 18) seien unter Instrumenten i.S.d. Begriffsbestimmung »Konzert« bei Musikrichtungen wie Techno und House auch Plattenteller, Mischpulte, CD-Player u.Ä. anzusehen, mit denen die Musik im Rahmen eines Konzerts dargeboten wird, wenn sie wie konventionelle Instrumente zum Vortrag des Musikstücks, und nicht nur zum Abspielen eines Tonträgers genutzt werden. Weitere Voraussetzung für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes sei, dass die begünstigte Vorführung den eigentlichen Zweck der Veranstaltung darstellt. Im Umkehrschluss dazu müssten andere Leistungen, die in Verbindung mit der Veranstaltung erbracht werden, von so untergeordneter Bedeutung sein, dass dadurch der Charakter der Veranstaltung als Konzert nicht beeinträchtigt werde. Die Beurteilung, ob die Vorführung den eigentlichen Zweck der Veranstaltung ausmacht, habe nach dem Gesamtbild der Verhältnisse aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu erfolgen (vgl. BFH vom 22.11.2018, V R 29/17, BFH/NV 2019, 260, Rz. 17).

Der BFH hob das zuvor ergangene FG-Urteil auf und verwies die Sache zurück an das FG Sachsen, weil seiner Meinung nach die vom FG vorgenommene Würdigung der einzelnen Indizien zur Feststellung des eigentlichen Zwecks der Veranstaltung aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers (Besuchers) lückenhaft und nicht überzeugend ist, sodass die Tatsachengrundlage des FG Sachsen für eine abschließende Entscheidung in der Sache nicht ausreichend sei.

Allerdings bestätigte der BFH die Entscheidung des FG insoweit, als die Erlöse aus dem Eintrittskartenverkauf nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG unterliegen. Die Klägerin habe ihre Leistungen nicht als Schausteller erbracht habe, da darunter nur reisegewerbetreibende Schausteller fallen, nicht jedoch Veranstalter, die ihre Veranstaltungen in gemieteten Räumen und damit ortsfest durchführen (vgl. BFH vom 2.8.2018, V R 6/16, BStBl II 2019, 293). In der Folge muss das FG Sachsen die fehlenden Tatsachenfeststellungen nachholen und daran anknüpfend neu würdigen, ob die Auftritte der DJs aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers (Durchschnittsbesuchers) den Veranstaltungen das Gepräge geben.

3.6.3. Zauberkünstler

Zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Zauberkünstler hat das Hessische FG mit rechtskräftigem Urteil vom 8.7.2009 (6 K 3559/08, LEXinform 5009147) Folgendes entschieden: Eine die Zauberei ausübende Künstlerin erbringt eine einer Theatervorführung vergleichbare Darbietung, die dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Unter dem Begriff der Theatervorführung i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG sind nicht nur die Aufführungen von Theaterstücken, Opern und Operetten zu verstehen, sondern auch Darbietungen der Pantomime und Tanzkunst, der Kleinkunst und des Varietés bis hin zu Puppenspielen. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG begünstigt neben den Leistungen der Theater und den Veranstaltungen von Theatervorführungen auch die Leistungen von Solisten, die ihre Leistungen direkt für die Öffentlichkeit erbringen.

3.6.4. Regisseure

Der BFH hat mit Urteil vom 4.5.2011 (XI R 44/08, BFH/NV 2011, 1460) entschieden, dass die Inszenierung einer Oper durch einen selbstständigen Regisseur gegen Honorar weder nach dem UStG noch nach Unionsrecht steuerbefreit ist. Auch der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a. UStG ist nach Auffassung des Gerichts nicht anwendbar, sodass die Leistungen des Regisseurs entsprechend der Verwaltungsauffassung (vgl. Abschn. 12.5. Abs. 1 Satz 4 UStAE) dem Regelsteuersatz unterliegen. Gleichzeitig hob der BFH das gegenteilige Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 4.11.2008 (K 2310/06 B, EFG 2009, 156, LEXinform 5007449) auf, das für die Leistungen der Regisseure die Anwendbarkeit des ermäßigten Steuersatzes bejaht hatte.

3.6.5. Eintrittsberechtigung für Museen

Nach dem Urteil des BFH vom 22.11.2018 (V R 29/17, LEXinform 0951441) erfasst die nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG steuersatzbegünstigte Eintrittsberechtigung für Museen auch den Eintritt zu Kunstsammlungen, die eigens für eine bestimmte Ausstellung und damit nur vorübergehend, nicht aber dauerhaft zusammengestellt wurden. Für die Steuersatzermäßigung kommt es nach Meinung des Gerichts nicht darauf an, ob z.B. Sonderausstellungen komplett aus den Sammlungsbeständen anderer Einrichtungen oder privater Leihgeber zusammengestellt sind oder aber nur zu einem geringen Anteil aus der eigenen Sammlung bestückt würden.

Im Hinblick auf die zwischen der Steuersatzermäßigung und der Steuerfreiheit bestehenden Unterschiede ist der Museumsbegriff in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG nach Auffassung des BFH nicht mit dem Museumsbegriff in § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG identisch, zu beachten sei lediglich die grundlegende Begriffsdefinition in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 4 UStG. Die Steuersatzermäßigung erfasse nur die Eintrittsberechtigung für Museen und damit für die in § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 4 UStG genannten Sammlungen, während die Steuerbefreiung in § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG auf alle Umsätze mit Kulturbezug eines Museums anzuwenden sei. Steuerfrei seien folglich nicht nur Eintrittsberechtigungen, sondern bspw. auch andere typische Museumsleistungen wie der Verkauf von Katalogen und Museumsführern sowie die Aufbewahrung der Garderobe (vgl. hierzu Abschn. 4.20.3. Abs. 3 UStAE).

Der BFH weist in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass eine Begünstigung von Ausstellungen, die statt kulturellen und bildenden Zwecken bloßen Verkaufszwecken dienen, nicht mit dem Museumsbegriff des § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 4 UStG und damit auch nicht mit dem des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG vereinbar sei. Die Steuerersatzmäßigung sei daher entsprechend der Verwaltungsauffassung in Abschn. 4.20.3. Abs. 3 UStAE für die Eintrittsberechtigung zu Verkaufsausstellungen ausgeschlossen. Die Entscheidung des BFH kann über die im Urteilsfall streitigen Ausstellungen von Eisskulpturen auch für sog. Wanderausstellungen von Bedeutung sein, die an unterschiedlichen Orten gegen Eintrittsgeld besucht werden können.

Mit BMF-Schreiben vom 28.6.2021 (BStBl I 2021, 868) hat die Finanzverwaltung auf die BFH-Rspr. vom 22.11.2018 (a.a.O.) zur Abgrenzung des Museumsbegriffs in § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a UStG vom Museumsbegriff in § 4 Nr. 20 Buchst. a UStG reagiert und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass in Abschn. 4.20.3 Abs. 1 und Abs. 2 sowie Abschn. 12.5 Abs. 6 UStAE entsprechend angepasst.

3.7. Überlassung von Filmen und Filmvorführungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG)

Dem ermäßigten Steuersatz unterliegen nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung sowie Filmvorführungen. Die Filme müssen allerdings gem. § 6 Abs. 3 Nr. 1 bis 5 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit gekennzeichnet sein. War die Erstaufführung des Films allerdings vor dem 1.1.1970, gilt der ermäßigte Steuersatz auch weiterhin ohne die genannte Kennzeichnung. Daher sind auch Filme steuerbegünstigt, die den Hinweis enthalten: »Nicht freigegeben unter achtzehn Jahren«.

Die Überlassung von Filmen zur Auswertung und Vorführung ist zugleich nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG begünstigt (vgl. auch Abschn. 12.6 Abs. 2 i.V.m. Abschn. 12.7 UStAE).

Bei begünstigten Filmvorführungen ist der ermäßigte Steuersatz auf die Eintrittsgelder anzuwenden. Die Aufbewahrung der Garderobe und der Verkauf von Programmen sind als Nebenleistungen ebenfalls begünstigt. Die Abgabe von Speisen und Getränken fällt nicht unter die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. b UStG (Abschn. 12.6 Abs. 3 Satz 3 UStAE). Zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gem. § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. der Anlage 2 bei der Lieferung von Speisen und Getränken s. → Restaurationsumsätze.

Die Vermietung von bespielten Videokassetten im privaten Bereich ist nicht begünstigt (Abschn. 12.6 Abs. 4 Satz 3 UStAE).

3.8. Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung urheberrechtlicher Schutzrechte (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG)

Sonstige Leistungen sind gem. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG mit dem ermäßigen Steuersatz zu versteuern, deren wesentlicher Inhalt in der Einräumung, Übertragung und Wahrnehmung von Rechten nach dem Urheberrechtsgesetz vom 9.9.1965 (BGBl I 1965, 1273, zuletzt geändert durch Gesetz vom 9.9.1993, BGBl I 1993, 910) besteht.

Urheber ist nach § 7 UrhG der Schöpfer des Werks. Werke im urheberrechtlichen Sinn sind nach § 2 Abs. 2 UrhG nur persönliche geistige Schöpfungen. Zu den urheberrechtlich geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst gehören nach § 2 Abs. 1 UrhG insbes. (Abschn. 12.7 Abs. 3 UStAE)

  1. Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme (Abschn. 12.7 Abs. 1 und 6 bis 14 UStAE; bis 31.10.2010: Abschn. 168 Abs. 1 und Abs. 6 bis 14 UStR 2008);

  2. Werke der Musik (Abschn. 12.7 Abs. 15 UStAE);

  3. pantomimische Werke einschließlich der Werke der Tanzkunst;

  4. Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke (Abschn. 12.7 Abs. 16 und Abs. 17 UStAE);

  5. Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke geschaffen werden (Abschn. 12.7 Abs. 18 UStAE);

  6. Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen werden;

  7. Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.

Der Urheber hat das ausschließliche Recht, sein Werk zu verwerten. Dabei wird zwischen der Verwertung in körperlicher Form und der öffentlichen Wiedergabe in unkörperlicher Form unterschieden. Das Recht der Verwertung eines Werks in körperlicher Form umfasst nach § 15 Abs. 1 UrhG insbes. (Abschn. 12.7 Abs. 4 Satz 3 UStAE)

  1. das Vervielfältigungsrecht (§ 16 UrhG),

  2. das Verbreitungsrecht (§ 17 UrhG) und

  3. das Ausstellungsrecht (§ 18 UrhG).

Zum Recht der öffentlichen Wiedergabe gehören nach § 15 Abs. 2 UrhG insbes. (Abschn. 1 Abschn. 12.7 Abs. 4 Satz 4 UStAE)

  1. das Vortrags-, Aufführungs- und Vorführungsrecht (§ 19 UrhG),

  2. das Recht der öffentlichen Zugänglichkeitsmachung (§ 19a UrhG),

  3. das Senderecht (§ 20 UrhG),

  4. das Recht der Wiedergabe durch Bild- und Tonträger (§ 21 UrhG) und

  5. das Recht der Wiedergabe von Funksendungen und der Wiedergabe von öffentlicher Zugänglichkeitsmachung (§ 22 UrhG).

Der Urheber kann nach § 31 Abs. 1 UrhG einem anderen das Recht einräumen, das Werk auf einzelne oder alle Nutzungsarten zu nutzen. Dieses Nutzungsrecht kann als einfaches oder ausschließliches Recht eingeräumt und außerdem räumlich, zeitlich oder inhaltlich beschränkt werden (Abschn. 12.7 Abs. 5 UStAE).

Für Schriftsteller kommt die Steuerermäßigung in Betracht, soweit sie einem anderen Nutzungsrechte an urheberrechtlich geschützten Werken einräumen. Zu den geschützten Sprachwerken gehören z.B. Romane, Epen, Sagen, Erzählungen, Märchen, Fabeln, Novellen, Kurzgeschichten, Essays, Satiren, Anekdoten, Biographien, Autobiographien, Reiseberichte, Aphorismen, Traktate, Gedichte, Balladen, Sonette, Oden, Elegien, Epigramme, Liedtexte, Bühnenwerke aller Art, Libretti, Hörspiele, Drehbücher, wissenschaftliche Bücher, Abhandlungen und Vorträge, Forschungsberichte, Denkschriften, Kommentare zu politischen und kulturellen Ereignissen sowie Reden und Predigten (Abschn. 12.7 Abs. 6 und Abs. 13 UStAE).

3.9. Zirkusunternehmen, Schausteller und zoologische Gärten (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG)

Die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG begünstigt die Leistungen von Zirkusunternehmen, Schaustellern und zoologischen Gärten (Abschn. 12.8 UStAE).

In einem am 24.10.2018 veröffentlichten Urteil vom 2.8.2018 (V R 6/16, LEXinform 0950861) hat der BFH entschieden, dass der ermäßigte Steuersatz für die Tätigkeit als Schausteller nicht für ortsgebundene Schaustellerunternehmen gilt. Unter die Begünstigung fallen stattdessen ausschließlich Schausteller, die ein Reisegewerbe betreiben, also von Ort zu Ort ziehen, und ihre der Unterhaltung dienenden Leistungen auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen anbieten. Als Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller gelten Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder ähnliche Darbietungen (§ 30 UStDV).

Das BFH-Urteil beschäftigt sich mit der Frage des anzuwendenden Umsatzsteuersteuersatz auf Eintrittsgelder für einen Freizeitpark, mit deren Zahlung der Besucher das Recht erwirbt, die in verschiedene Themenbereiche unterteilten Einrichtungen des Parks zu nutzen. Der Steuerpflichtige hatte beantragt, die Eintrittsgelder zumindest teilweise dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen, was das zuständige Finanzamt ablehnte. Auch die anschließende Klage wurde mit Urteil vom 23.9.2015, 14 K 4220/12, vom FG Baden-Württemberg mit der Begründung abgewiesen, bei dauerhaft ortsfesten Aktivitäten liege keine Tätigkeit als Schausteller i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG vor. Im Revisionsverfahren hatte der BFH zunächst die Verfahrensruhe angeordnet und nach Ergehen des entscheidungserheblichen EuGH-Urteils vom 18.1.2018 (C-463/16, Rs. Stadion Amsterdam CV) im Revisionsverfahren wie folgt entschieden:

Bei einer Vielzahl von Einzelleistungen und Handlungen, wie sie ein Freizeitpark im Regelfall anbietet, ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers zu beurteilen, ob ein einheitlicher Umsatz oder mehrere Umsätze vorliegen. Dabei liegt ein einheitlicher Umsatz vor, wenn die Leistungen entweder im Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung stehen, oder aber wenn mehrere Einzelleistungen so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. hierzu BFH Urteil vom 10.1.2013, V R 31/10, BStBl II 2013, 352). An dieser Sichtweise hat sich auch durch das o.a. Urteil des EuGH nichts geändert. Im Streitfall liegt, so der BFH weiter, eine einheitliche komplexe Leistung vor, da es dem Durchschnittsverbraucher gerade auf die infolge der kurzen Dauer der einzelnen Aktionsangebote mögliche Kombination der durch den Vergnügungspark zusammengefassten Leistungsangebote ankommt. Bei einer einheitlichen Leistung, die aus zwei separaten Bestandteilen, einem Haupt- und einem Nebenbestandteil, besteht (komplexe Leistung), bestimmt sich der Steuersatz nach dem Hauptbestandteil. Das gilt auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils innerhalb des Gesamtpreises bestimmt werden kann. Eine nur teilweise Anwendung der Steuersatzermäßigung ist bei einer einheitlichen Leistung nicht möglich, wie der EuGH im o.g. Urteil bestätigt hat.

Unionsrechtliche Grundlage der Steuersatzermäßigung für Schausteller nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG ist Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 7 der MwStSystRL, nach der der ermäßigte Steuersatz insbes. die Eintrittsberechtigung für Jahrmärkte und ähnliche Einrichtungen betrifft. Dabei fallen unter die Begünstigung nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur Schausteller, die ein Reisegewerbe betreiben, nicht auch ortsgebundene Schaustellerunternehmen. Gegen diese Differenzierung bestehen keine Bedenken, da umherziehende Schausteller wegen Abbau, Aufbau, Beförderung usw. im Vergleich zu ortsfesten Schaustellerbetrieben einen höheren Aufwand zu tragen haben (vgl. BFH Urteil vom 22.10.1970, V R 67/70, BStBl II 1971, 37).

Auch unionsrechtlich bestehen gegen die Einschränkung der Begünstigung keine Bedenken, da es dem nationalen Gesetzgeber freisteht, in den Grenzen des Anhangs H zur Richtlinie 77/288/EWG die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes anzuordnen. Es besteht für ihn keine Verpflichtung, den in Anhang III Kategorie 7 der MwStSystRL eingeräumten Gesetzgebungsspielraum vollumfänglich auszunutzen. Dementsprechend ist der nationale Gesetzgeber auch befugt, die Steuersatzermäßigung auf Jahrmärkte und ähnliche Einrichtungen unter Ausschluss der in dieser Kategorie ebenfalls genannten Vergnügungsparks anzuordnen. Auch auf die möglicherweise abweichende Rechtslage in anderen EU-Staaten (z.B. in Österreich oder Frankreich) kommt es nicht an, da sich jeder Mitgliedstaat im Rahmen des Ermächtigungsspielraums eigenständig und ohne Bindung für den nationalen Gesetzgeber entscheiden kann.

In Fortführung seiner o.a. Rspr. hat der BFH mit Urteil vom 17.3.2022 (XI R 3/21 (IX R 4/21), LEXinform 0953581) nochmals bestätigt, dass Umsätze aus der Einräumung von Eintrittsberechtigungen für einen ortsgebundenen Freizeitpark nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG, sondern dem Regelsteuersatz unterliegen.

Zur gleichen Problemstellung hatte das FG Köln bereits mit Beschluss vom 25.8.2020, 8 K 1092/17, EFG 2020, 1638 ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gerichtet. Daraufhin antwortete der EuGH mit Urteil vom 9.9.2021, C-406/20 »Phantasialand« (UR 2021, 758), dass die Umsätze eines ortsfesten Freizeitparks grundsätzlich auch dann dem Regelsteuersatz unterworfen werden können, wenn der Mitgliedstaat Umsätze von Schaustellern auf Jahrmärkten und ähnlichen Veranstaltungen nur ermäßigt besteuert.

Dem aktuellen BFH-Urteil vom 17.3.2022 liegt ein Verfahren mit vergleichbarer Thematik zugrunde: Die Klägerin – umsatzsteuerliche Organträgerin einer GmbH – betrieb einen Freizeitpark mit Fahrgeschäften und verkaufte sowohl Eintrittskarten für den Freizeitpark als auch – über die GmbH – sog. Kombitickets, die neben dem Eintritt in den Park auch Übernachtungen in einem Hotel und ggf. weitere Komponenten wie Verpflegung oder privilegierten Zutritt zu den Fahrgeschäften beinhalteten. Die Hotelübernachtungen wurden von Betreibern eingekauft.

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens beantragte die Klägerin u.a., auf die Umsätze aus dem Verkauf der Eintrittskarten den ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG anzuwenden. Sowohl die gegen die ablehnende Einspruchsentscheidung eingelegte Klage (FG Münster vom 13.8.2020, 5 K 1228/18 U, EFG 2020, 1548) als auch das anschließende Revisionsverfahren hatten keinen Erfolg.

Auch nach Auffassung des BFH (BFH vom 17.3.2022, XI R 3/21 (IX R 4/21) kommt die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG für die aus dem Verkauf der Eintrittskarten für den Freizeitpark erzielten Umsätze nicht in Betracht. Der ermäßigte Steuersatz gelte nur für Leistungen aus der Tätigkeit als Schausteller i.S.d. § 30 UStDV. Darunter fallen Schaustellungen, Musikaufführungen, unterhaltende Vorstellungen oder sonstige Lustbarkeiten auf Jahrmärkten, Volksfesten, Schützenfesten oder ähnlichen Veranstaltungen, aber nicht derartige Leistungen, wenn sie in ortsgebundenen Freizeitparks ausgeführt werden.

Der BFH berief sich bei der Entscheidung auf seine ständiger Rspr. (BFH vom 22.10.1970, V R 67/70, BStBl II 1971, 37; BFH vom 22.6.1972, V R 36/71, BStBl II 1972, 684, BFH vom 25.11.1993, V R 59/91, BStBl II 1994, 336), nach der Umsätze von Schaustellern nur ermäßigt besteuert werden, wenn die Schausteller von Ort zu Ort ziehen. Dies entspreche nach dem EuGH-Urteil »Phantasialand« (EuGH vom 9.9.2021, C-406/20) auch dem Unionsrecht, in dem der EuGH die Differenzierung ortsfester und mobiler Schaustellerleistungen für rechtskonform erklärt.

Weiter führt der BFH aus, dass das FG die Leistungen von Ort zu Ort ziehender Schausteller und Betreibern ortsfester Freizeitparks zu Recht als nicht gleichartig bewertet und hierzu ausreichende Feststellungen aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers getroffen habe. Die Feststellungen des FG binden den BFH, da sie nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen, und ein nationales Finanzgericht in der Lage sei, die Sicht des Durchschnittsverbrauchers nach eigener Sachkunde festzustellen. Auch der Grundsatz der Neutralität sei durch die unterschiedliche steuerliche Behandlung nicht verletzt, da es sich nicht um gleichartige Leistungen handelt.

Im Ergebnis hat der BFH in seinem Urteil vom 17.3.2022 seine o.a. Rspr. vom 2.8.2018 (V R 6/16, BStBl II 2019, 293) bestätigt. Bereits in diesem Verfahren bewertete der BFH die Umsätze eines ortsfesten Freizeitparks als dem Regelsteuersatz unterliegend. Nachdem auch der EuGH zu keiner grds. anderen Einschätzung kam, hält der BFH weiter an dieser Rspr. fest. Abweichend hiervon können jedoch ortsfeste, aber zeitlich begrenzt stattfindende Volksfeste wie bspw. das Münchner Oktoberfest, für die der Veranstalter ein Eintrittsgeld verlangt, jedenfalls nach erstinstanzlicher rechtskräftiger Rspr. des FG Berlin-Brandenburg (FG Berlin-Brandenburg vom 13.4.2010, 5 K 7215/06 B, EFG 2010, 2039) ermäßigt zu besteuern sein.

3.10. Gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Einrichtungen sowie deren Zusammenschlüsse (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG)

§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG begünstigt die Leistungen der Körperschaften, die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke i.S.d. § 51 bis 68 AO verfolgen (Abschn. 12.9 UStAE; → Gemeinnützigkeit, → Verein, → Zweckbetrieb). Die Steuerermäßigung gilt nicht für die Leistungen, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ausgeführt werden.

Der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG für gemeinnützige Körperschaften ist nur zu gewähren, wenn die Vereinssatzung die formellen Anforderungen an die sog. Vermögensbindung nach § 61 AO erfüllt (→ Gemeinnützigkeit). Hierzu ist erforderlich, dass die Vereinssatzung eine Regelung sowohl hinsichtlich der Auflösung und der Aufhebung als auch bei Zweckänderung enthält (BFH Urteil vom 23.7.2009, V R 20/08, BFH/NV 2009, 1918, LEXinform 0179376).

Durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) wird § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG dahingehend ergänzt, dass für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, die Vergünstigung des Satzes 1 (ermäßigter Steuersatz) nur gilt, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden. Der ermäßigte Steuersatz gilt auch für die Körperschaften, die mit ihren Leistungen zu anderen Anbietern in Wettbewerb treten, die aber mit diesen Leistungen ihrer in den §§ 66 bis 68 AO bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklichen. Welche Zweckbetriebe davon betroffen sind, hat das BMF mit einem Schreiben vom 9.2.2007 (BStBl I 2007, 218) ausführlich erläutert. Das BMF-Schreiben wurde mittlerweile in Abschn. 12.9 UStAE übernommen.

Der ermäßigte Steuersatz gilt für Zweckbetriebe i.S.d. § 65 AO (→ Zweckbetrieb) und für bestimmte Katalogzweckbetriebe i.S.d. §§ 66 bis 68 AO. Nach § 65 AO als Zweckbetriebe anerkannte wirtschaftliche Geschäftsbetriebe gewährleisten bereits, dass sie auch hinsichtlich der Umsätze, mit deren Ausführung selbst sie ausnahmsweise nicht auch ihre satzungsmäßigen Zwecke verwirklichen, zu nicht begünstigten Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb treten, als es zur Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Sie dürfen damit nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dienen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden. Der ermäßigte Steuersatz ist daher auf Zweckbetriebe nach § 65 AO uneingeschränkt anwendbar. Gleiches gilt für folgende, als Zweckbetriebe anerkannte wirtschaftliche Geschäftsbetriebe (Abschn. 12.9 Abs. 9 UStAE):

  1. Einrichtungen der Wohlfahrtspflege i.S.d. § 66 AO, denn diese dürfen nach Abs. 2 dieser Vorschrift nicht des Erwerbs wegen ausgeübt werden;

  2. in § 68 Nr. 1 Buchst. a AO aufgeführte Alten-, Altenwohn- und Pflegeheime, Erholungsheime oder Mahlzeitendienste, denn diese müssen mindestens zwei Drittel ihrer Leistungen gegenüber den in § 53 AO genannten Personen erbringen (§ 66 Abs. 3 AO), um Zweckbetrieb sein zu können;

  3. Selbstversorgungseinrichtungen nach § 68 Nr. 2 AO, denn diese dürfen höchstens 20 % ihrer Leistungen an Außenstehende erbringen, um als Zweckbetrieb anerkannt zu werden.

In Abschn. 12.9 Abs. 10 UStAE werden weitere acht Katalog-Zweckbetriebe genannt.

Von Zweckbetrieben ausgeführte Leistungen, mit deren Ausführung selbst nicht steuerbegünstigte Zwecke verwirklicht werden, unterliegen nur dann dem ermäßigten Steuersatz, wenn der Zweckbetrieb insgesamt nicht in erster Linie der Erzielung von zusätzlichen Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden. Einnahmen aus derartigen Umsätzen werden zusätzlich erzielt, wenn die Umsätze nicht lediglich Hilfsumsätze (Abschn. 19.3 Abs. 2 Satz 4 und 5 UStAE) sind (zusätzliche Einnahmen). Ein Zweckbetrieb dient in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen, wenn er sich zu mehr als 50 % aus derartigen Einnahmen finanziert. Umsatzsteuerfreie Umsätze sowie umsatzsteuerrechtlich als nicht steuerbare Zuschüsse zu beurteilende Zuwendungen sind – unabhängig von einer ertragsteuerrechtlichen Beurteilung als Betriebseinnahmen – keine Einnahmen in diesem Sinne. Aus Vereinfachungsgründen kann davon ausgegangen werden, dass ein Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen dient, wenn der Gesamtumsatz i.S.d. § 19 Abs. 3 UStG des Zweckbetriebs die Besteuerungsgrenze des § 64 Abs. 3 AO insgesamt nicht übersteigt (35 000 €). Da sich bei Leistungen gegenüber in vollem Umfang zum Vorsteuerabzug berechtigten Unternehmen kein Wettbewerbsvorteil ergibt, ist es nicht zu beanstanden, wenn diese Umsätze bei der betragsmäßigen Prüfung unberücksichtigt bleiben (Abschn. 12.9 Abs. 11 UStAE).

Der BFH hat in seinem Urteil vom 23.7.2019, XI R 2/17 (LEXinform 0951619) entschieden, dass Umsätze, die ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Wohlfahrtswesens aus Gastronomieleistungen und aus der Zurverfügungstellung einer öffentlichen Toilette erzielt, nicht nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ermäßigt zu besteuern sind. Dies gilt auch dann, wenn diese Leistungen der Verwirklichung satzungsmäßiger Zwecke gedient haben.

Der höchstrichterlichen Rspr. lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Wohlfahrtswesens, verfolgt mildtätige Zwecke i. S. d. § 53 AO, indem er aufgrund ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustands hilfsbedürftige Personen unterstützt. Zur Erfüllung dieses Zwecks betrieb er eine anerkannte Werkstatt für behinderte Menschen mit dem Ziel, diesen Personen Arbeitsplätze zu bieten, weil sie aufgrund ihrer Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Daneben betrieb der Kläger ein Bistro und eine öffentliche Toilette, die nicht Betriebsteil der Behindertenwerkstatt waren, und unterwarf die daraus erzielten Umsätze dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG. Das Finanzamt war der Auffassung, dass es sich bei dem Bistro um einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und nicht um einen Zweckbetrieb handele, und besteuerte die Umsätze mit dem Regelsteuersatz.

Nach der o.a. Entscheidung des BFH unterliegen die Leistungen aus dem Bistro und der öffentlichen Toilette nicht dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG. Das Gericht begründetet seine Entscheidung damit, dass der Kläger insoweit einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i. S. d. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG unterhalte, für den die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG nicht erfüllt seien.

§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alt. 1 UStG sei aufgrund der gebotenen weiten Auslegung der Regelung nicht erfüllt. Der Kläger habe in erster Linie zusätzliche Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen erzielt, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Leistungen anderer Unternehmer stehen, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Außerdem waren die strittigen Leistungen nicht unerlässlich für die Erfüllung des Satzungszwecks des Klägers. Dabei komme es nach Meinung des BFH weder auf die Höhe der Gewinne an, die der Kläger aus den zusätzlichen Einnahmen erzielt habe, noch darauf, ob die Einnahmen dem Kläger verblieben seien.

Auch die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alt. 2 UStG sind nach Meinung des BFH nicht erfüllt. Der Erbringung von Gastronomieleistungen und die Zurverfügungstellung der öffentlichen Toilette dienten zwar der Verwirklichung der satzungsgemäßen gemeinnützigen Zwecken des Klägers, mit diesen Leistungen würden jedoch nicht die satzungsmäßigen Zwecke selbst verwirklicht.

In seinem Urteil vom 26.8.2021, V R 5/19 (LEXinform 0952272) hatte der BFH über den Fall einer gemeinnützigen Körperschaft zu entscheiden, deren Zweck in der Förderung des Versicherungsschutzes besteht. Die Klägerin führte vergleichende Untersuchungen über Angebote verschiedener Versicherungsgesellschaften in verschiedenen Versicherungszweigen durch und veröffentlichte die Ergebnisse in ihrer Zeitschrift und ihrem Internet-Portal. Außerdem bot sie dem Verbraucher zu Preisen zwischen 10 € und 29 € eine Versicherungsvergleichsanalyse mit individuellen Daten an, weil ein verwertbarer Versicherungsvergleich nur anhand von individuellen Daten erstellt werden konnte. Der Verbraucher erhielt das Ergebnis der Analyse per Computerauswertung, ein persönliches Beratungsgespräch fand nicht statt.

Mit o.a. Urteil hat der BFH entschieden, dass eine Förderung von Verbraucherberatung und Verbraucherschutz nach § 52 Abs. 2 Nr. 16 AO auch bei einer auf die individuelle Situation des Verbrauchers ausgerichteten Aufklärung und Information über Versicherungen vorliegt. Individuelle Verbraucherberatung gegen Entgelt kann nach Meinung des Gerichts auch im Rahmen eines steuerbegünstigten Zweckbetriebs i.S.d. § 65 AO erfolgen.

Damit bekräftigt der BFH seine bisherige Rspr., nach der der ermäßigte Steuersatz – entgegen der Verwaltungsauffassung in A 12.9 Abs. 9 UStAE – bei allgemeinen Zweckbetrieben i.S.d. § 65 AO nur unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alt. 1 UStG anwendbar ist.

Das Urteil des BFH vom 17.11.2022, V R 12/20 (LEXinform 0953187) betraf eine Klägerin, die Waren für blinde und sehbehinderte Menschen zum Regelsteuersatz verkaufte. Sie wandte sich im Wege einer Konkurrentenklage gegen die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes auf die durch einen eingetragenen gemeinnützigen Verein erbrachten gleichartigen Umsätze. Der Verein vertritt als Selbsthilfeorganisation die Interessen von blinden und sehbehinderten Menschen und verkauft wie die Klägerin über ein Ladengeschäft, auf Messen und über ein Internetportal Hilfsmittel für blinde und sehbehinderte Menschen.

Nach Auffassung des BFH handelt es sich beim Verkauf von Waren grds. um eine typische Handelstätigkeit, die die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs nach § 68 Nr. 4 AO nicht erfüllt und daher dem Regelsteuersatz unterliegt. Der Verkauf von Hilfsmitteln für blinde oder sehbehinderte Menschen über ein Ladengeschäft kann aber ein Zweckbetrieb sein, wenn über die im Einzelhandel übliche reine Produktberatung hinaus weitere fürsorgeorientierte Hilfestellungen gegeben werden. In diesem Fall kommt der ermäßigte Steuersatz nach gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 1 UStG zur Anwendung, wenn es sich darüber hinaus um Umsätze einer Körperschaft handelt, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Rahmen eines Zweckbetriebs verfolgt. Zu den steuerlich begünstigten Zweckbetrieben gehören nach § 68 AO auch Einrichtungen, die zur Durchführung der Fürsorge für blinde und sehbehinderte Menschen unterhalten werden.

3.11. Schwimm- und Heilbäder, Bereitstellung von Kureinrichtungen (§ 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG)

Die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG gilt für die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung von Heilbädern. Das Gleiche gilt für die Bereitstellung von Kureinrichtungen, soweit als Entgelt eine Kurtaxe zu entrichten ist (S. Abschn. 12.11 UStAE und → Fitnessstudio).

Saunaleistungen unterliegen seit dem 1.7.2015 dem Regelsteuersatz, während Umsätze aus dem Betrieb von Schwimmbädern nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG ermäßigt besteuert werden. Daher stellt sich für Betreiber von Schwimmbädern mit angegliedertem Saunabereich insbes. beim Angebot einheitlicher Leistungen die Frage, inwieweit der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG bzw. der Regelsteuersatz anzuwenden ist. Die Finanzverwaltung nahm bereits mit BMF-Schreiben vom 12.4.2017 (BStBl I 2017, 710) ausführlich zur Abgrenzung der Leistungen und zur Aufteilung von Gesamtentgelten Stellung und hat diese Verwaltungsanweisung mit BMF-Schreiben vom 18.12.2019 (BStBl I 2019, 1396) überarbeitet.

Werden in betreffenden Unternehmen ausschließlich einheitliche Eintrittsberechtigungen verkauft, die die Nutzung beider Bereiche ermöglichen, ist – so die Finanzverwaltung – von einer einheitlichen Leistung auszugehen, die grundsätzlich dem Regelsteuersatz unterliegt. Dabei kann nur in Ausnahmefällen, d.h. bei deutlich untergeordnetem Anteil des Saunaangebots, von einer einheitlichen, dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Leistung ausgegangen werden.

Wird in einem Schwimmbad gegen Zahlung eines gesonderten Entgelts oder eines Aufpreises zusätzlich die Nutzung einer Sauna angeboten, liegen in der Regel zwei selbstständige Leistungen vor. Werden für die Schwimmbad- und Saunabenutzung ausschließlich getrennte Einzelentgelte erhoben, ist stets vom Vorliegen eigenständiger Hauptleistungen auszugehen. Liegen selbstständige Hauptleistungen vor, die unterschiedlich zu besteuern sind, ist bei der Erhebung eines einheitlichen Nutzungsentgelts eine Aufteilung vorzunehmen. Dabei ist der einfachste mögliche sachgerechte Aufteilungsmaßstab zu wählen, in der Regel das Verhältnis der Einzelverkaufspreise. Keine Aufteilung erfolgt, wenn die Nutzung der Sauna nur durch Zahlung eines Aufschlags zum Entgelt für die Schwimmbadnutzung möglich ist, da in diesem Fall eine genaue Zuordnung erfolgen kann.

In der überarbeiteten Fassung des BMF-Schreibens ist die bisher als Abgrenzungskriterium enthaltene Frage der räumlichen Trennung und der Möglichkeit zur Überprüfung der tatsächlichen Nutzung der einzelnen Bereiche, z.B. durch Zugangskontrollen über Drehkreuze oder Chiparmbänder, nicht übernommen worden, so dass diese Kriterien nicht mehr maßgebend sind. Die Grundsätze des überarbeiteten Schreibens sind – vorbehaltlich einer Übergangregelung – in allen offenen Fällen anzuwenden.

3.12. Beförderungen auf bestimmten Strecken mit bestimmten Beförderungsmitteln (§ 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG)

3.12.1. Begünstigte Verkehrsarten

Die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG gilt für Umsätze aus der Beförderung von Personen mit bestimmten Beförderungsmitteln auf bestimmten Beförderungstrecken. Die begünstigten Verkehrsarten sind gem. Abschn. 12.13 Abs. 1 UStAE grundsätzlich nach den einschlägigen Bestimmungen des Verkehrsrechts abzugrenzen.

Begünstigt ist die Beförderung von Personen mit folgenden Beförderungsmitteln:

  • Schienenbahnen (Abschn. 12.13 Abs. 2 UStAE),

  • Oberleitungsomnibusse (Abschn. 12.13 Abs. 3 UStAE),

  • der genehmigte Linienverkehr mit Kraftfahrzeugen (Abschn. 12.13 Abs. 4 bis 6 UStAE),

  • Verkehr mit Taxen (Abschn. 12.13 Abs. 7 und 8 UStAE),

  • Drahtseilbahnen und sonstige mechanische Aufstiegshilfen aller Art wie bspw. Sessel- und Schlepplifte (Abschn. 12.13 Abs. 9 und 10 UStAE),

  • der genehmigte Linienverkehr mit Schiffen (Abschn. 12.13 Abs. 10a UStAE) sowie

  • die Beförderungen im Fährverkehr (Abschn. 12.13 Abs. 10b UStAE).

Die Steuerermäßigung gilt dabei nicht nur für die Personenbeförderung (Hauptleistung) selbst, sondern auch für zugehörige Nebenleistungen, insbes. der Transport des Reisegepäcks der reisenden Personen (Abschn. 12.13 Abs. 11 UStAE).

Zu Besonderheiten bei der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf Personenbeförderungen mit Schiffen und Bergbahnen nimmt das BMF mit Schreiben vom 29.8.2008 (BStBl I 2008, 880) Stellung.

3.12.2. Krankenfahrten von Mietwagenunternehmen

Das BMF nimmt im Schreiben vom 2.1.2019 (BStBl I 2019, 17) zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf von Mietwagenunternehmen durchgeführte Krankenfahrten Stellung. Personenbeförderungen im Verkehr mit Mietwagen sind nach einschlägiger BFH-Rspr. (vgl. BFH vom 2.7.2014, XI R 22/10, BStBl II 2015, 416 und XI R 39/10, BStBl II 2015, 421) grds. nicht begünstigt. Darunter fallen anders als beim Taxenverkehr nur solche Beförderungsaufträge, die am Betriebssitz oder in der Wohnung des Beförderungsunternehmers eingegangen sind. Eine Ausnahmeregelung gilt jedoch für Krankenfahrten. Führt ein Mietwagenunternehmer Krankenfahrten mit hierfür nicht besonders eingerichteten Fahrzeugen durch (vgl. Abschn. 4.17.2 UStAE) und beruhen diese nicht nach § 4 Nr. 17 Buchst. b UStG steuerfreien Leistungen auf mit Krankenkassen geschlossenen Sondervereinbarungen, die auch für Taxiunternehmer gelten, so ist die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen anwendbar (vgl. BFH vom 2.7.2014, XI R 39/10).

Liegt in diesem Fall der Beförderungsleistung eine nur für Mietwagenunternehmen geltende Sondervereinbarung zugrunde, so kommt der ermäßigte Steuersatz gem. Abschn. 12.13 Abs. 8 Satz 4 UStAE zur Anwendung, wenn der Unternehmer nachweist, dass im selben räumlichen Geltungsbereich eine hinsichtlich Beförderungsentgelt und Transportpflicht inhaltsgleiche Sondervereinbarung auch für Taxiunternehmer gilt. Ist ein solcher Nachweis (z.B. über den Berufsverband) für den Mietwagen praktisch unmöglich oder besteht keine Vergleichsmöglichkeit, so kann die Gleichartigkeit der Sondervereinbarungen für den Bereich der Krankenfahrten aus Vereinfachungsgründen regelmäßig unterstellt werden (Abschn. 12.13 Abs. 8 Satz 5 UStAE).

3.12.3. Taxiverkehr mit Pferdekutschen

Der BFH hat mit Urteil vom 13.11.2019, V R 9/18, (BStBl II 2021, 540) entschieden, dass der Taxiverkehr mit Pferdekutschen auf einer autofreien Insel dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG unterliegt. Im Entscheidungsfall betrieb eine GmbH auf einer autofreien Insel den Personenverkehr mit Pferdekutschen, indem sie als sog. »Inseltaxi« auf individuelle Bestellung Feriengäste vom Flughafen zu ihrer Unterkunft und zurück beförderte. Die GmbH beantragte für ihre Fahrten als Inseltaxi die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG.

Der BFH verweist in der Entscheidung (a.a.O.) auf seine bisherige Rechtsprechung, nach der die Steuerbegünstigung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG grundsätzlich entsprechend § 47 Abs. 1 PBefG auszulegen sei. Die Maßgeblichkeit des PBefG beschränke sich jedoch auf dessen Anwendungsbereich nach § 1 Abs. 1 PBefG, d.h. auf die Beförderung mit Kfz. Daraus folge für Gebiete, in denen der Verkehr mit Kfz ausgeschlossen ist, dass ein Verkehr mit Taxen anderer Art nicht zu vermeiden sei. Sei wie im Fall einer autofreien Insel ein Verkehr mit Kfz ausnahmsweise nicht zulässig, so könne aus dem Begriff »Verkehr mit Taxen« in § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG nicht abgeleitet werden, dass es in diesen Gemeinden keine steuerbegünstigte Personenbeförderung gibt. Es sei vielmehr darauf abzustellen, ob alternative motorlose Verkehrsformen vorliegen, die dem steuerbegünstigten Verkehr mit Taxen auf der Grundlage von § 47 PBefG entsprechen und die ggf. dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG unterfallen. Dabei ist auf die besonderen Merkmale dieser Verkehrsformen abzustellen, da ein Ausschluss der Möglichkeit einer steuersatzbegünstigten Personenbeförderung aus dem Begriff des Verkehrs mit Taxen nicht abzuleiten ist. Andernfalls wäre in einem Gebiet, in dem es keine Kfz-Taxen gibt, eine umsatzsteuerbegünstigte Personenbeförderung gleichheitswidrig ausgeschlossen.

Auch die Finanzverwaltung hat sich mit BMF-Schreiben vom 2.7.2021 (BStBl I 2021, 918) der BFH-Rspr. vom 13.11.2019 (a.a.O.) angeschlossen und den UStAE in Abschn. 12.13 Abs. 7 um die Satz 9 bis 11 entsprechend ergänzt. Sie verweist darauf, dass es für die ermäßigte Besteuerung maßgeblich ist, ob die durchgeführten Beförderungen dem Leitbild des Verkehrs mit Taxen i.S.v.§ 47 PBefG entsprechen. Darunter versteht man Beförderungen von Personen mit Wagen, die der Unternehmer an öffentlich zugänglichen Stellen bereithält und mit denen er Fahrten zu einem vom Fahrgast bestimmten Ziel ausführt. Dabei ist zu prüfen, ob allgemeine Beförderungsentgelte (Tarife) oder jeweils speziell ausgehandelte Beförderungspreise vorliegen.

3.12.4. Begünstigte Beförderungsstrecken

Begünstigt sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. a bzw. Buchst. b UStG jedoch nur Personenbeförderungen auf Beförderungsstrecken

  • innerhalb einer Gemeinde oder

  • wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt (Abschn. 12.14 UStAE).

Unter einer Beförderung innerhalb einer Gemeinde ist dabei die Beförderung innerhalb einer politischen Gemeinde zu verstehen (Abschn. 12.14 Abs. 1 UStAE).

Bis zum 31.12.2019 gilt die Begrenzung der Steuerermäßigung auf Beförderungsstrecken innerhalb einer Gemeinde bzw. auf Strecken bis 50 Kilometer ausnahmslos für alle Verkehrsarten, mit Wirkung ab dem 1.1.2020 wurde die Steuerermäßigung auf alle Beförderungsstrecken ausgedehnt, allerdings nur für Beförderungen im Schienenbahnfernverkehr (s. unter 2.12.3).

3.12.5. Ermäßigter Steuersatz für den Schienenbahnfernverkehr

Durch eine Änderung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG in Art. 3 des Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms im Steuerrecht vom 21.12.2019 (BGBl. 2019 I, 2886 ff.) wurde die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Personenbeförderungsleistungen erweitert, allerdings nur für Beförderungen im Schienenbahnverkehr. In diesen Fällen gilt die ermäßigte Besteuerung nunmehr nicht nur unter der Voraussetzung, dass die Beförderung innerhalb einer Gemeinde erfolgt oder die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 Kilometer beträgt, sondern ist ohne weitere Einschränkung auf alle Personenbeförderungen im Schienenbahnverkehr anzuwenden. Die Neuregelung tritt nach Art. 7 des Gesetzes zur Umsetzung des Klimaschutzprogramms im Steuerrecht vom 21.12.2019 (BGBl 2019 I, 2886 ff.) mit Wirkung ab dem 1.1.2020 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt reduziert sich somit der Mehrwertsteuersatz auf alle Bahntickets von 19 % auf 7 %, unabhängig davon, ob es sich um Nahverkehrs- oder Fernverkehrsfahrkarten handelt.

Mit dem BMF-Schreiben vom 21.1.2020 (BStBl I 2020, 197, LEXinform 7012076) nimmt die Finanzverwaltung ausführlich zur »Absenkung des Steuersatzes für die Beförderung von Personen im Schienenbahnfernverkehr« Stellung. Sie äußert sich darin insbes. zu Anwendungsregelungen, Auswirkungen und Übergangsregelungen im Zusammenhang mit der Absenkung des Steuersatzes im Schienenbahnfernverkehr.

Im ersten Teil des Schreibens erläutert die Finanzverwaltung allgemein die Anwendungsregelung für Änderungen des Umsatzsteuergesetzes nach § 27 Abs. 1 UStG. Anschließend werden die Auswirkungen der Absenkung des Steuersatzes für die Beförderungen von Personen im Schienenbahnverkehr dargestellt. Danach ist der ermäßigte Steuersatz von 7 % auf alle Beförderungsleistungen anzuwenden, die nach dem 31.12.2019 bewirkt werden. Folglich ist das Schienenbahnverkehrsunternehmen berechtigt, über Beförderungsleistungen, die nach dem 31.12.2019 ausgeführt werden, Rechnungen zu erteilen, in denen die Umsatzsteuer mit dem Steuersatz von 7 % ausgewiesen ist.

Im dritten Teil enthält das BMF-Schreiben Ausführungen zu Übergangsregelungen, die die Verwaltung zur Erleichterung der Umstellung auf den ermäßigten Steuersatz getroffen hat. Abweichend vom Grundsatz, dass für alle Einzelfahrkarten und Zeitkarten mit Geltungsdauer ab dem 1.1.2020 der ermäßigte Steuersatz gilt, wurden folgende Übergangsregelungen geschaffen:

Die Bruttoerlöse aus dem Verkauf von Einzelfahrkarten, Hin- und Rückfahrkarten sowie Zeitkarten werden, sofern die Beförderungsleistungen bisher dem allgemeinen Steuersatz unterlegen haben, in den Fällen, in denen die Gültigkeitsdauer über den 31.12.2019 hinausreicht (= stichtagsübergreifend gültige Fahrausweise), abweichend vom Leistungszeitpunkt weiterhin dem Regelsteuersatz unterworfen. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn bei Fahrausweisen, für die das Entgelt in Form von monatlichen Raten entrichtet wird und deren Gültigkeitsdauer über den 31.12.2019 hinausreicht, die Raten mit Inkrafttreten der Steuersatzsenkung entsprechend angepasst werden und die zugehörigen Rechnungen ab diesem Zeitpunkt 7 % Umsatzsteuer ausweisen.

Da es in Fällen des »Bahn-Tix« und »Rail & Fly« zu einer zeitlichen Trennung zwischen dem Zeitpunkt der Fahrkartenbuchung und dem Zeitpunkt des Fahrkartendrucks am Automaten kommt, werden diesbezügliche Fahrkarten beispielsweise in 2019 gebucht und bezahlt, aber erst in 2020 ausgedruckt. Dabei beinhaltet der Ausdruck jeweils den Steuersatz, der im Zeitpunkt der Buchung maßgebend war. Aufgrund dieser Besonderheit können Fahrkarten mit Druckdatum nach dem 31.12.2019 noch den Umsatzsteuersatz von 19 % ausweisen, was die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen nicht beanstandet.

Zur Frage des Vorsteuerabzugs aus Fahrausweisen und anderen Rechnungen stellt die Verwaltung zunächst klar, dass nach § 34 UStDV weder die tarifliche Geltungsdauer noch der Zeitpunkt der Leistungserbringung zu den Pflichtangaben auf einem Fahrausweis gehören. Da der Ausdruck des Abrechnungsdokumentes bzw. dessen Generierung im Online-Bestellsystem regelmäßig vor dem Leistungszeitpunkt liegt, ist ein Fahrausweis als Vorausrechnung zu qualifizieren. Liegt einem vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmer ein bis zum 31.12.2019 ausgestellter Fahrausweis oder anderes Abrechnungsdokument mit Angabe des Regelsteuersatzes von 19 % vor, darf der Unternehmer die im Bruttofahrpreis enthaltene Umsatzsteuer im Zahlungsmonat als Vorsteuer geltend machen, sofern der ausgewiesene Steuersatz korrekt ist. Enthalten die Fahrausweise den Hinweis auf einen Beförderungsanspruch bis zum 31.12.2019 und verlieren sie danach ihre Gültigkeit, ist der Ausweis des Regelsteuersatzes richtig, da die Leistung dann vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung ausgeführt wird.

Findet hingegen die Leistungsausführung erst nach dem 31.12.2019 statt, handelt es sich bei der Angabe des Regelsteuersatzes um einen unrichtigen Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG, so dass ein zu hoher Steuersatz angegeben ist und das Schienenbahnverkehrsunternehmen den auf dem Fahrausweis ausgewiesenen Mehrbetrag schuldet. Für den Leistungsempfänger bedeutet ein überhöhter Steuerausweis, dass ein Vorsteuerabzug von 19 % ausscheidet, er ist jedoch – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 UStG – zum Vorsteuerabzug von 7 % berechtigt, da der Vorsteuerabzug in Höhe der für die bezogene Leistung geschuldeten Steuer vorgenommen werden kann.

Da Bahnkunden auf Wunsch für Zwecke des Vorsteuerabzugs an Stelle des Fahrausweises ein anderes Abrechnungsdokument erhalten, werden die Fahrausweise in diesen Fällen zur Vermeidung eines doppelten Vorsteuerabzugs entwertet. Da der Leistungszeitpunkt in der Zukunft liegt, ist die Rechnung als Vorausrechnung zu qualifizieren und enthält einen eindeutigen Verweis auf den bereits ausgegebenen Fahrausweis. Erst durch die Verknüpfung zwischen Rechnung und benutztem Fahrausweis kann in diesem Fall der tatsächliche Leistungszeitpunkt und damit der richtige Steuersatz bestimmt werden.

Abschließend stellt die Finanzverwaltung klar, dass in Fällen, in denen das leistende Schienenbahnverkehrsunternehmen vor dem 1.1.2020 an Bahnkunden Fahrausweise für Beförderungsleistungen verkauft hat, die erst nach dem 31.12.2019 ausgeführt wurden, aus Vereinfachungsgründen keine Rechnungsberichtigungspflicht der gegenüber den Leistungsempfängern besteht. Dementsprechend wird einem vorsteuerabzugsberechtigten Kunden aus derartigen Rechnungen oder Fahrausweisen auch für die nach dem 31.12.2019 erbrachten Beförderungsleistungen der Vorsteuerabzug in Höhe des Regelsteuersatzes gewährt. Voraussetzung ist allerdings, dass Rechnungen, mit denen über die nach dem 31.12.2019 erbrachte Beförderungsleistung abgerechnet wurde, nicht berichtigt wurden und dass insoweit keine Preisanpassung anlässlich der Steuersatzsenkung seitens des Schienenbahnverkehrsunternehmens gegenüber dem Bahnkunden erfolgt ist.

3.12.6. Ermäßigter Steuersatz für Fährleistungen

Die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG gilt nach A 12.13 Abs. 10b UStAE auch für den Übersetzverkehr mit Schiffen zwischen zwei festen Anlegestellen wie beispielsweise zur Überquerung eines Flusses oder im Verkehr zwischen dem Festland und Inseln, und zwar unabhängig davon, ob eine behördliche Verkehrsgenehmigung vorliegt. Dabei kommt die Steuersatzermäßigung gem. BMF-Schreiben vom 30.9.2020, BStBl I 2020, 982 (Lexinform 7012448) ab dem 1.1.2020 grundsätzlich nur noch für die Beförderung von Personen in Frage. Allerdings ist die Beförderung sowohl des Gepäcks als auch ggf. des mitgeführten Fahrzeugs (z.B. Personenkraftwagen, Kraftrad oder anderes Fahrzeug) ebenfalls begünstigt, wenn es sich um Nebenleistungen zur Hauptleistung der Personenbeförderung handelt (vgl. A 3.10 Abs. 5 UStAE). Liegt der Schwerpunkt der Fährleistung jedoch in der Güterbeförderung, wie es in aller Regel beim Transport eines Lastkraftwagens der Fall ist, so ist die Güterbeförderung die Hauptleistung und kann folglich nicht als Nebenleistung zur Personenbeförderung steuerbegünstigt sein. Im Rahmen des o.a. BMF-Schreibens hat die Finanzverwaltung A 12.13 Abs. 11 UStAE um die Sätze 4 und 5 ergänzt und darüber hinaus festgelegt, dass die getroffenen Regelungen in allen offenen Fällen anzuwenden sind. Es bestehen allerdings seitens der Verwaltung keine Bedenken, bis zum 31.12.2020 erbrachte Fährleistungen übergangsweise auch dann als steuerbegünstigt zu behandeln, wenn ihr Schwerpunkt – wie im Falle des Transports eines Lkw – in der Güterbeförderung liegt.

3.12.7. Personenbeförderung durch Subunternehmer

Mit BMF-Schreiben vom 14.1.2020 (BStBl II 2020, 196) hat die Finanzverwaltung festgestellt, dass die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG auch dann zur Anwendung kommt, wenn der Unternehmer eine Personenbeförderungsleistung im genehmigten Linienbusverkehr nicht selbst durchführt, sondern durch einen Subunternehmer durchführen lässt. Gleichzeitig wurden in Abschn. 12.13. Abs. 5 UStAE die neuen Sätze 3 bis 6 eingefügt. Danach ist in Bezug auf das Leistungsverhältnis zwischen Auftraggeber und Subunternehmer zu prüfen, ob eine nicht begünstigte Gestellungsleistung (z.B. Anmietung eines Busses) oder um eine begünstigungsfähige Beförderungsleistung bspw. auf Grund eines Betriebsführungsübertragungsvertrages vorliegt. Dabei gilt der ermäßigte Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG nur für die vom Inhaber der Genehmigung erbrachten Beförderungsleistungen; lediglich eine Genehmigung für den Mietomnibusverkehr ist nicht ausreichend. Damit hat die Finanzverwaltung auf Anfragen aus der Praxis reagiert und klargestellt, dass das BFH-Urteil vom 23.9.2015, V R 4/15 (BStBl II 2016, 494), nach dem es beim Verkehr mit Taxen für die Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG unbeachtlich ist, ob der Unternehmer die Personenbeförderungsleistung selbst durchführt oder durch einen Subunternehmer durchführen lässt, auch auf Personenbeförderungsleistung im genehmigten Linienbusverkehr anzuwenden ist.

3.13. Vermietung und Verpachtung von Wohn- und Schlafräumen zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden sowie kurzfristige Vermietung von Campingflächen (§ 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG)

3.13.1. Allgemeines

Ab dem 1.1.2010 unterliegt die Vermietung und Verpachtung von Wohn- und Schlafräumen, die ein Unternehmer zur kurzfristigen Beherbergung von unterliegen Fremden bereithält, nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz von 7 %; dies gilt ebenso für die kurzfristige Vermietung von Campingflächen. Die Steuerbegünstigung gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind, also nicht gesondert in Rechnung gestellt werden. Die Steuersatzermäßigung erfasst sowohl die Umsätze des klassischen Hotelgewerbes als auch kurzfristige Beherbergungen in Pensionen, Fremdenzimmern und vergleichbaren Einrichtungen sowie die kurzfristige Überlassung von Campingflächen.

Das BMF-Schreiben vom 5.3.2010 (LEXinform 5232570) nimmt zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für Beherbergungsleistungen Stellung, in den Rz. 16 und 17 wird auch die lohnsteuerliche Bedeutung der Steuersatzermäßigung behandelt (→ Auswärtstätigkeit).

3.13.2. Nebenleistungen zur Beherbergung

Da im Hotel- und Gaststättengewerbe neben der bloßen Beherbergung oft auch viele weitere Leistungen wie bspw. Verpflegung (Frühstück, Halb- oder Vollpension), Nutzung von Sauna, Schwimmbad (Wellness), Fitnessgeräten, Parkplätzen usw. angeboten und in Anspruch genommen werden, stellt sich die Frage, inwieweit die Steuermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG auch für diese Leistungen einschlägig ist. Nach dem umsatzsteuerlichen Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung in A 3.10 Abs. 5 UStAE könnte argumentiert werden, dass der ermäßigte Steuersatz immer dann gilt, wenn die jeweilige Leistung als Nebenleistung zur Beherbergungsleistung als Hauptleistung anzusehen ist. Allerdings hat die Finanzverwaltung genau diesen Grundsatz für den Bereich der Beherbergungs- und damit zusammenhängenden Leistungen aufgegeben und in A 12.16 Abs. 8 Satz 1 UStAE bestimmt, dass die Steuerermäßigung für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch dann nicht gilt, wenn es sich um Nebenleistungen zur Beherbergung handelt. Klarstellend führt die Finanzverwaltung in A 12.16 Abs. 8 Satz 2 UStAE aus, dass das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG gesetzlich normierte Aufteilungsgebot für einheitliche Leistungen Vorrang vor den allgemeinen Grundsätzen zur Abgrenzung von Haupt- und Nebenleistung hat. Dies hat auch der BFH mit Urteil vom 24.4.2013 (XI R 3/11, BStBl II 2014, 86) bestätigt.

So stellt die Verpflegung von Hotelgästen nach dem BFH-Urteil vom 15.1.2009 (V R 9/06, BStBl II 2010, 433) zwar eine Nebenleistung zur Übernachtungsleistung (Hauptleistung) dar, sie unterliegt jedoch – entgegen dem Grundsatz der Einheitlichkeit – nicht wie die Hauptleistung der Beherbergung dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG, sondern dem Regelsteuersatz von 19 % nach § 12 Abs. 1 UStG.

Mit Beschluss vom 7.3.2022 – XI B 2/21 (LEXinform 4246612), der im Anschluss an den Beschluss vom 26.5.2021 (V R 22/20, BFH/NV 2021) ergangen ist, hat der BFH im Zusammenhang mit der Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung ernstliche Zweifel zur Frage eingeräumt, ob das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG im nationalen deutschen Umsatzsteuerrecht angeordnete Aufteilungsgebot für nicht unmittelbar der Vermietung dienende Leistungen mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Im zugrundeliegenden Sachverhalt ist strittig, ob die Leistungen eines Hotelbetriebs mit Restaurant und Spa als einheitliche Leistungen dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG unterliegen. Dabei ging die Stpfl. davon aus, dass die in ihrem Hotel angebotenen Frühstücks- und Spa-Leistungen zusammen mit den Übernachtungsleistungen als einheitliche Leistung mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % zu versteuern seien. Im Gegensatz dazu vertrat das zuständige FA – mit Hinweis auf das BFH-Urteil vom 24.4.2013, XI R 3/11 (BStBl II 2014, 86) – die Auffassung, es handle sich um jeweils eigenständige Leistungen, von denen die Übernachtung dem ermäßigten Steuersatz von 7 %, Frühstücks- und Spa-Leistungen jedoch dem Regelsteuersatz von 19 % zu unterwerfen seien.

Nachdem sowohl FA als auch FG die Aussetzung der Vollziehung des streitbefangenen Umsatzsteuerbescheides abgelehnt hatten, legte die Stpfl. Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des FG ein. In ihrer Begründung berief sie sich insbes. auf das EuGH-Urteil vom 18.1.2018 (Rs. C-463/16, »Stadion Amsterdam CV«), nach dem die Vereinbarkeit des Aufteilungsgebots in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG mit dem Unionsrecht fraglich sei.

Daraufhin sah auch der BFH im Beschluss vom 7.3.2022, XI B 2/21 (LEXinform 4246612) ernstliche Zweifel am Aufteilungsgebot für Hotelübernachtungen mit Zusatzleistungen und setzte die Vollziehung des streitbefangenen Umsatzsteuerbescheids aus. Das Gericht räumte in seiner Entscheidung ein, Frühstück und Spa gehörten nach seiner bisherigen Rspr. zu den Leistungen, die i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nicht unmittelbar der Vermietung dienten und deshalb von der Steuersatzermäßigung ausgenommen seien. Dies galt auch, soweit die weiteren Leistungen als Nebenleistungen zu der ermäßigt zu besteuernden Übernachtungsleistung als Hauptleistung, erbracht werden. Auch habe der BFH das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG normierte Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, bisher als unionsrechtskonform angesehen (vgl. BFH vom 24.4.2013, XI R 3/11, BStBl II 2014, 86).

Der nationale Gesetzgeber habe in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Sätze 1 und 2 UStG zulässigerweise von der Ermächtigung in Art. 98 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 12 MwStSystRL in selektiver Weise und ohne Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz Gebrauch gemacht. Dabei habe er nicht sämtliche Beherbergungsleistungen einschließlich der dabei erbrachten Nebenleistungen dem ermäßigten Steuersatz unterworfen, sondern nur die Leistungen, die unmittelbar der Vermietung dienen.

Nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 18.1.2018 (Rs. C-463/16, »Stadion Amsterdam CV«) sieht der BFH es jedoch nunmehr als fraglich an, ob er an seiner bisherigen Rspr. festhalten kann. Im betreffenden Urteil hatte der EuGH entschieden, dass eine einheitliche Leistung, die aus jeweils separatem Haupt- und Nebenbestandteil besteht, nur zu dem für den Hauptbestandteil geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern sei. Dies gelte auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils bestimmt werden könne. Hieraus könne für das Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG folgen, dass bei unselbstständigen Nebenleistungen die gesamte einheitliche Leistung dem ermäßigten Steuersatz der Hauptleistung, also der Übernachtungsleistung, zu unterwerfen sei.

Im Übrigen habe der BFH (Urteil vom 26.5.2021, V R 22/20, BFH/NV 2021, 1316) den EuGH in einem ähnlich gelagerten Fall um Vorabentscheidung zur Frage gebeten, ob das nationale Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Das Verfahren betrifft die Steuerpflicht der Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen und wird beim EuGH unter dem Az. C-516/21 geführt.

Aufgrund der dargestellten Argumentation kommt der BFH letztlich zum Ergebnis, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des streitbefangenen Umsatzsteuerbescheids bestehen, sodass die beantragte Aussetzung der Vollziehung zu gewähren sei. Angesichts der strittigen Rechtslage müsse über die zu klärenden Fragen jedoch nicht im summarischen Beschlussverfahren der Aussetzung der Vollziehung, sondern im Rahmen des Hauptsacheverfahrens entschieden werden.

In anderem Zusammenhang hat der BFH mit Urteil vom 25.6.2009 (V R 25/07, BFH/NV 2009, 1746, LEXinform 0588225) zum Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung Stellung genommen und Folgendes entschieden: Übernimmt der Betreiber einer Baumschule auf Wunsch eines Teils seiner Kunden auch das Einpflanzen der dort gekauften Pflanzen, können die (dem ermäßigten Steuersatz unterliegende) Lieferung der Pflanzen und das (dem Regelsteuersatz unterliegende) Einpflanzen umsatzsteuerrechtlich jeweils selbstständige Leistungen sein. Jeder Umsatz ist in der Regel als eigenständige, selbstständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb sind die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Unternehmer dem Leistungsempfänger mehrere selbstständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist.

3.13.3. Begünstigte Leistungen

Die erbrachte Leistung muss unmittelbar der Beherbergung dienen. Diese Voraussetzung ist insbes. hinsichtlich der folgenden Leistungen erfüllt, auch wenn die Leistungen gegen gesondertes Entgelt erbracht werden (BMF vom 5.3.2010, BStBl I 2010, 259, Rz. 6):

  • Überlassung von möblierten und mit anderen Einrichtungsgegenständen (z.B. Fernsehgerät, Radio, Telefon, Zimmersafe) ausgestatteten Räumen,

  • Stromanschluss,

  • Überlassung von Bettwäsche, Handtüchern und Bademänteln,

  • Reinigung der gemieteten Räume,

  • Bereitstellung von Körperpflegeutensilien, Schuhputz- und Nähzeug,

  • Weckdienst,

  • Bereitstellung eines Schuhputzautomaten,

  • Mitunterbringung von Tieren in den überlassenen Wohn- und Schlafräumen.

3.13.4. Nicht begünstigte Leistungen

Sonstige Leistungen eigener Art, bei denen die Beherbergung nicht charakterbestimmend ist (z.B. Leistungen des Prostitutionsgewerbes), unterliegen auch hinsichtlich ihres Beherbergungsanteils nicht der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG (BMF vom 5.3.2010, BStBl I 2010, 259, Rz. 4).

Insbes. folgende Leistungen sind keine Beherbergungsleistungen i.S.v. § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG und daher nicht begünstigt (BMF vom 5.3.2010, BStBl I 2010, 259, Rz. 7):

  • Überlassung von Tagungsräumen,

  • Überlassung von Räumen zur Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit,

  • Gesondert vereinbarte Überlassung von Plätzen zum Abstellen von Fahrzeugen,

  • Überlassung von nicht ortsfesten Wohnmobilen, Caravans, Wohnanhängern, Hausbooten und Yachten,

  • Beförderungen in Schlafwagen der Eisenbahnen,

  • Überlassung von Kabinen auf der Beförderung dienenden Schiffen,

  • Vermittlung von Beherbergungsleistungen,

  • Umsätze von Tierpensionen,

  • Unentgeltliche Wertabgaben (z.B. Selbstnutzung von Ferienwohnungen).

Stornokosten stellen grundsätzlich nichtsteuerbaren Schadensersatz dar.

Gem. § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG gilt die Steuerermäßigung nicht für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, auch wenn es sich um Nebenleistungen zur Beherbergung handelt und diese Leistungen mit dem Entgelt für die Vermietung abgegolten sind (Aufteilungsgebot). Hierzu zählen insbes. (BMF vom 5.3.2010, BStBl I 2010, 259, Rz. 10):

  • Verpflegungsleistungen (z.B. Frühstück, Halb- oder Vollpension, »All inclusive«),

  • Getränkeversorgung aus der Minibar,

  • Nutzung von Kommunikationsnetzen (insbes. Telefon und Internet),

  • Nutzung von Fernsehprogrammen außerhalb des allgemein und ohne gesondertes Entgelt zugänglichen Programms (»pay per view«),

  • Leistungen, die das körperliche, geistige und seelische Wohlbefinden steigern (Wellnessangebote). Die Überlassung von Schwimmbädern oder die Verabreichung von Heilbädern im Zusammenhang mit einer begünstigten Beherbergungsleistung kann dagegen nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen,

  • Überlassung von Fahrberechtigungen für den Nahverkehr, die jedoch nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen können,

  • Überlassung von Eintrittsberechtigungen für Veranstaltungen, die jedoch nach § 4 Nr. 20 UStG steuerfrei sein oder nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. a oder d UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen können,

  • Transport von Gepäck außerhalb des Beherbergungsbetriebs,

  • Überlassung von Sportgeräten und -anlagen,

  • Ausflüge,

  • Reinigung und Bügeln von Kleidung, Schuhputzservice,

  • Transport zwischen Bahnhof/Flughafen und Unterkunft.

3.13.5. Rechnungserteilung

Soweit eine Rechnungserteilungspflicht besteht, muss die Rechnung u.a. das nach Steuersätzen und einzelnen Steuerbefreiungen aufgeschlüsselte Entgelt, den anzuwendenden Steuersatz sowie den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag (§ 14 Abs. 4 Nr. 7 und 8 UStG) enthalten.

Wird für Leistungen, die nicht von der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 1 UStG erfasst werden, kein gesondertes Entgelt berechnet, ist deren Entgeltanteil zu schätzen. Schätzungsmaßstab kann hierbei beispielsweise der kalkulatorische Kostenanteil zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags sein (BMF vom 5.3.2010, BStBl I 2010, 259, Rz. 14).

Aus Vereinfachungsgründen wird es – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Leistungsempfängers – nicht beanstandet, wenn folgende in einem Pauschalangebot enthaltene nicht begünstigte Leistungen in der Rechnung zu einem Sammelposten (z.B. »Business-Package«, »Servicepauschale«) zusammengefasst werden und der darauf entfallende Entgeltanteil in einem Betrag ausgewiesen wird (BMF vom 5.3.2010, BStBl I 2010, 259, Rz. 15):

  • Abgabe eines Frühstücks,

  • Nutzung von Kommunikationsnetzen,

  • Reinigung und Bügeln von Kleidung, Schuhputzservice,

  • Transport zwischen Bahnhof/Flughafen und Unterkunft,

  • Transport von Gepäck außerhalb des Beherbergungsbetriebs,

  • Überlassung von Fitnessgeräten,

  • Überlassung von Plätzen zum Abstellen von Fahrzeugen.

Es wird ebenfalls nicht beanstandet, wenn der auf diese Leistungen entfallende Entgeltanteil mit 20 % des Pauschalpreises angesetzt wird. Für Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV) gilt dies für den in der Rechnung anzugebenden Steuerbetrag entsprechend.

Die Vereinfachungsregelung gilt nicht für Leistungen, für die ein gesondertes Entgelt vereinbart wird.

Im Zusammenhang mit dem BMF-Schreiben vom 5.3.2010 (BStBl I 2010, 259), das zur Anwendung von § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG ergangen ist, wurde an das BMF die Frage herangetragen, wie in der Rechnung neben der Beherbergungsleistung mit weiteren, dem ermäßigten Steuersatz unterliegenden Leistungen (z.B. Schwimmbad), die nicht unter die Vereinfachungsregelung der Tz. 15 des o.a. BMF-Schreibens fallen, zu verfahren ist. Nach dem Erörterungsergebnis der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder gilt Folgendes: Soweit i.V.m. der Beherbergung Leistungen erbracht werden, die ebenfalls dem ermäßigten Steuersatz unterliegen und für die kein Entgelt berechnet wird, kann der auf die Beherbergung und diese Leistungen entfallende Entgeltsanteil in der Rechnung in einem Betrag ausgewiesen werden (FinMin Sachsen-Anhalt Erlass vom 12.5.2016, 42-S 7220-18). Eine Kalkulation (s. Tz. 14 des o.a. BMF-Schreibens) ist insoweit nicht erforderlich.

3.13.6. Vermietung von Bootsliegeplätzen

3.13.6.1. Vorlageverfahren EUGH

Der EuGH hat mit Urteil vom 19.12.2019, C-715/18, Segler-Vereinigung Cuxhaven e.V. entschieden, dass die Vermietung von Bootsliegeplätzen nicht unter die Steuersatzermäßigung für die kurzfristige Vermietung von Wohn- und Schlafräumen bzw. die kurzfristige Vermietung von Campingplätzen nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG fällt und somit dem Regelsteuersatz unterliegt.

Im dazu ergangenen Vorabentscheidungsersuchen des BFH war streitig, ob die für die kurzfristige Vermietung von Campingflächen geltende Steuersatzermäßigung aufgrund des Neutralitätsgrundsatzes auch auf die Überlassung von Bootsliegeplätzen als sog. Wohnmobilhäfen anzuwenden ist, soweit dadurch gleichartige Umsätze ausgeführt werden.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger, ein eingetragener Verein, dessen Satzungszweck die Förderung des Segel- und Motorwassersports ist, überließ Bootsliegeplätze gegen ein sog. Hafengeld an Wassersportler, die dort mit ihren Booten ankern und übernachten konnten. Im Hafengeld enthalten war u.a. ein Betrag für die Nutzung von Einrichtungen, die auch auf Campingplätzen und in Wohnmobilhäfen üblich sind, wie bspw. für die Nutzung sanitärer Einrichtungen. Entgegen der Vorinstanz, nach deren Entscheidung (FG Niedersachsen vom 15.6.2017, 5 K 210/15) die kurzfristige Überlassung von Bootsliegeplätzen dem Regelsteuersatz unterliegt, hielt es der BFH lt. Beschluss vom 2.8.2018 (V R 33/17) für möglich, dass die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG auch für die kurzfristige Vermietung von Bootsliegeplätzen anzuwenden sei und bat den EuGH um Klärung, ob die Steuersatzermäßigung für die Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen nach Art. 98 Abs. 2 MwStSystRL i.V.m. Anhang III Nr. 12 MwStSystRL auch die Vermietung von Bootsliegeplätzen umfasst.

Der EuGH hat im genannten Urteil entschieden, dass die Steuerermäßigung bei der gebotenen engen Auslegung der Beherbergungsbegriff nach der MwStSystRL nicht auf Leistungen wie die Vermietung von Bootsliegeplätzen ausgedehnt werden darf, die diese sich weder im Wortlaut der maßgebenden Bestimmung wiederfinden noch begriffsimmanent sind. Diese Auffassung entspreche auch dem Ziel der zugrundeliegenden unionsrechtlichen Regelung, den Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf verschiedene Formen der Beherbergung anzuwenden. Die Möglichkeit, den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf die Vermietung von Bootsliegeplätzen anzuwenden, sei aber insoweit nicht zielkonform, als Segel- und Motorboote nicht, zumindest nicht hauptsächlich, als Beherbergungsorte dienten. Auch der Grundsatz der Neutralität ist nach Auffassung des EuGH nicht verletzt, weil Dienstleistungen der Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen einerseits und Dienstleistungen der Vermietung von Bootsliegeplätzen andererseits unterschiedliche Zwecke erfüllen und daher nicht miteinander in Wettbewerb stehen.

3.13.6.2. Rechtsprechung BFH

Im Nachgang zum dargestellten EuGH-Urteil hat der BFH (BFH Urteile vom 24.6.2020, V R 47/19 und V R 33/17, Lexinform 0952579) die Revision des Vereins als unbegründet zurückgewiesen, weil keine gleichheitsrechtlichen Bedenken gegen die Regelbesteuerung der Überlassung von Bootsliegeplätzen sprechen. Die Überlassung von Bootsliegeplätzen werde von der nationalen Steuersatzermäßigung für die kurzfristige Vermietung von Campingflächen nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 UStG nicht umfasst, da eine Wasserfläche in Gestalt eines Bootsliegeplatzes keine Campingfläche sei. Diese Beurteilung ergebe sich auch aus dem Unionsrecht (Art. 98 Abs. 2 i.V.m. Anhang III Nr. 12 MwStSystRL), da die Vermietung von Bootsliegeplätzen in deren Wortlaut nicht enthalten und dem Begriff der Beherbergung nicht immanent sei. Vielmehr solle die Vermietung von Bootsliegeplätzen in erster Linie das sichere Festmachen der Boote am Liegeplatz ermöglichen.

Diese Auslegung steht im Einklang mit dem unionsrechtlichen Neutralitätsgrundsatz, der es verbietet, gleichartige miteinander in Wettbewerb stehende Leistungen umsatzsteuerlich unterschiedlich zu behandeln (BFH vom 2.8.2018, V R 6/16, BStBl II 2019, 293, Rz. 29). Nach dem EuGH-Urteil Segler-Vereinigung Cuxhaven erfülle die Vermietung von Campingplätzen und Wohnwagenplätzen einerseits und die Vermietung von Bootsliegeplätzen andererseits unterschiedliche Zwecke, weil Boote der im Streitfall genutzten Art zumindest nicht hauptsächlich als Beherbergungsorte diente. Aufgrund der unterschiedlichen Zweckrichtung stehen die Dienstleistungen nicht miteinander in Wettbewerb, so dass der Neutralitätsgrundsatz nicht verletzt sei.

Auch die Steuersatzermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG sei nicht anzuwenden, da die Voraussetzungen des Satzes 3 Alternative 1 dieser Vorschrift nicht vorliege. Danach ist die Steuerermäßigung nicht einschlägig, wenn der Zweckbetrieb in unmittelbarem Wettbewerb mit Leistungen anderer Unternehmer steht, die dem Regelsteuersatz nach § 12 Abs. 1 UStG unterliegen. Da der Verein mit den von ihm ausgeführten Beherbergungsumsätzen in einem solchen Konkurrenzverhältnis mit regelbesteuerten Unternehmern steht, kann der ermäßigte Steuersatz keine Anwendung finden.

3.14. Lieferung von Büchern Zeitungen und Zeitschriften in elektronischer Form (§ 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG)

Mit dem Jahressteuergesetz 2019 hat der Gesetzgeber mittels Einführung eines neuen § 12 Abs. 2 Nr. 14 UStG UStG i.V.m. Anlage 2 Nummer 49 Buchstabe a bis e die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes von 7 % auf die Zurverfügungstellung von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften in elektronischer Form geregelt. Unter die neue Vorschrift fällt auch die Zurverfügungstellung von Datenbanken, die eine Vielzahl von elektronischen Büchern, Zeitungen oder Zeitschriften oder Teile von diesen enthalten, Nicht begünstigt sind elektronische Dienstleistungen, deren Funktion über gedruckte Bücher, Zeitungen oder Zeitschriften deutlich hinausgeht, elektronische Dienstleistungen, die hauptsächlich aus Videoinhalten oder Musik bestehen, jugendgefährdende Erzeugnisse nach dem Jugendschutzgesetz sowie Veröffentlichungen, die überwiegend Werbezwecken (inkl. Reisewerbung) dienen Die Steuerermäßigung gilt unabhängig davon, ob die betreffenden elektronischen Produkte auch auf einem physischen Träger angeboten werden (vgl. unter 2.1.9).

4. Literaturhinweise

Börsenverein des deutschen Buchhandels, 7 oder 19 Prozent? Die Crux mit den Ausmalbüchern, boersenblatt.net, 11.6.2017; DER SPIEGEL, Wann ist ein Buch ein Buch, Ausgabe 22/2016, 127; Fränznick in Weimann/Lang, Umsatzsteuer – national und international, § 12 UStG, 4. Auflage 2015; Schneider, ABC-Führer Umsatzsteuer (Loseblatt); Küffner u.a., Ermäßigter Steuersatz bei Hauswasseranschlüssen, NWB 2009, 1831; Umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Hauswasseranschlüssen, DStR 2009, 1127; Weimann, Ausmalbücher für Erwachsene, AStW 12/2016; Weimann, Umsatzsteuer in der Praxis, 15. Auflage 2017.

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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