Unentgeltlicher Erwerb

Stand: 28. März 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeines
2 Unentgeltliche Betriebsübertragungen i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG
3 Unentgeltliche Übertragungen i.S.d. § 6 Abs. 4 EStG
4 Wirtschaftsgutübertragung gem. § 6 Abs. 5 EStG
5 Realteilung
6 Unentgeltlicher Erwerb von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens
7 Literaturhinweise
8 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeines

Nach R 7.3 Abs. 3 EStR sind bei unentgeltlich erworbenen WG die §§ 6 Abs. 3 und 4 EStG und 11d EStDV sowohl im Fall der → Gesamtrechtsnachfolge als auch im Fall der Einzelrechtsnachfolge anzuwenden.

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2. Unentgeltliche Betriebsübertragungen i.S.d. § 6 Abs. 3 EStG

Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder der Anteil eines Mitunternehmers an einem Betrieb unentgeltlich übertragen (§ 6 Abs. 3 Satz 1 EStG), so sind bei der Ermittlung des Gewinns des bisherigen Betriebsinhabers (Mitunternehmers) die WG mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben (sog. Buchwertübertragung); dies gilt auch bei der unentgeltlichen Aufnahme einer natürlichen Person in ein bestehendes Einzelunternehmen sowie bei der unentgeltlichen Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils auf eine natürliche Person. Die Grundsätze der Buchwertübertragung sind auch anzuwenden, wenn der bisherige Betriebsinhaber (Mitunternehmer) WG, die weiterhin zum Betriebsvermögen derselben Mitunternehmerschaft gehören, nicht überträgt, sofern der Rechtsnachfolger den übernommenen Mitunternehmeranteil über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren nicht veräußert oder aufgibt. Der Rechtsnachfolger ist an diese Werte gebunden (§ 6 Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG).

§ 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG greift nicht ein, wenn zeitgleich mit der Veräußerung einer funktional wesentlichen Betriebsgrundlage des Sonderbetriebsvermögens der verbliebene Mitunternehmeranteil unentgeltlich auf eine andere Person übertragen wird (BFH vom 10.9.2020, IV R 14/18, BStBl II 2021, 367).

Der BFH hat im Urteil vom 27.5.2020 (III R 17/19, BStBl II 2021, 748) entschieden, dass im Fall der vorweggenommenen Erbfolge das Buchwertfortführungsgebot nach § 6 Abs. 3 EStG keine umfassende Anwendung der sog. Fußstapfentheorie auslöst. Im Streitfall hatte der Vater im Wege der vorweggenommenen Erbfolge seinem Sohn den Mitunternehmeranteil an einer PersGes und das zum Sonderbetriebsvermögen gehörende bebaute Grundstück geschenkt. Das wirtschaftlich noch nicht verbrauchte Gebäude wurde vom Sohn durch einen Neubau ersetzt. Der Restbuchwert und die Abbruchkosten sind als Herstellungskosten für den Neubau zu behandeln. Der Restbuchwert und die Abbruchkosten eines noch nutzbaren Gebäudes sind nach Auffassung des BFH nicht sofort als Betriebsausgabe oder Werbungskosten absetzbar, wenn der Stpfl. das Gebäude innerhalb der letzten drei Jahre mit Abbruchabsicht erworben hat.

3. Unentgeltliche Übertragungen i.S.d. § 6 Abs. 4 EStG

Wird ein einzelnes WG (BFH vom 30.8.2012, IV R 28/09, BStBl II 2012, 877), außer in den Fällen der Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 8 EStG), unentgeltlich in das Betriebsvermögen eines anderen Stpfl. übertragen, gilt sein gemeiner Wert (§ 9 Abs. 2 BewG) für das aufnehmende Betriebsvermögen als Anschaffungskosten (§ 6 Abs. 4 EStG).

4. Wirtschaftsgutübertragung gem. § 6 Abs. 5 EStG

Wird ein einzelnes WG von einem Betriebsvermögen in ein anderes Betriebsvermögen desselben Stpfl. überführt, ist bei der Überführung der Wert anzusetzen, der sich aus den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergibt (Übertragung mit Buchwert), sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist (§ 6 Abs. 5 Satz 1 EStG; → Wirtschaftsgüter, Überführung in ein anderes Betriebsvermögen, → Unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern).

Die unmittelbare Übertragung von einzelnen WG zwischen den Gesamthandsvermögen von Schwesterpersonengesellschaften stellt keinen Anwendungsfall des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 EStG dar und ist somit nicht zu Buchwerten möglich (BFH Urteil vom 25.11.2009, BStBl II 2010, 471); dies gilt selbst dann, wenn es sich um beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaften handelt. Es wird eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG 1997 i.d.F. des Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetzes insoweit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, als hiernach eine Übertragung von WG zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nicht zum Buchwert möglich ist (BFH Vorlagebeschluss vom 10.4.2013, I R 80/12, BStBl II 2013, 1004; Az. beim BVerfG: 2 BvL 8/13). Ein rückwirkender (einkommenserhöhender) Ansatz von Teilwerten bei einer Einbringung zu Buchwerten wegen eines sog. Sperrfristverstoßes i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG ist ausgeschlossen, wenn die vollentgeltliche Übertragung von Anteilen durch den Einbringenden an eine Körperschaft innerhalb der Sperrfrist im Ergebnis zu einer Aufdeckung der stillen Reserven in den zuvor eingebrachten Wirtschaftsgütern führt (BFH vom 18.8.2021, XI R 43/20, BFH/NV 2022, 459; LEXinform 4243501; Teilweise Parallelentscheidung: BFH vom 18.8.2021, XI R 20/19, BFH/NV 2022, 403). Die Regelung des § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG erfasst nicht jegliche Anteilsveräußerung innerhalb der Sperrfrist, sondern sie greift lediglich dann ein, soweit die stillen Reserven im Zuge der Veräußerung der Anteile nicht aufgedeckt werden.

Der Formwechsel einer Personenobergesellschaft in eine KapGes im Rahmen einer mehrstöckigen PersGes innerhalb von sieben Jahren nach einer Buchwertübertragung eines Wirtschaftsguts i.S.d. § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG von einer Tochterpersonengesellschaft auf eine Enkelpersonengesellschaft führt gem. § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG zum rückwirkenden Teilwertansatz (Niedersächsisches FG Gerichtsbescheid vom 26.10.2018, 3 K 173/16, EFG 2019, 421; Revision beim BFH ist erledigt durch Zurückweisung vom 15.7.2021, Az. IV R 35/18).

5. Realteilung

Nach Auflösung einer → Mitunternehmerschaft (GbR, OHG, KG) erfolgt gem. § 145 HGB die Liquidation, soweit nicht »eine andere Art der Auseinandersetzung« vereinbart ist. Eine andere Art ist die Naturalteilung oder steuerrechtlich die → Realteilung gem. § 16 Abs. 3 EStG. Eine Realteilung i.S.d. § 16 Abs. 3 Satz 2 und 3 EStG liegt dann vor, wenn Gesellschafter einer Mitunternehmerschaft ihr gemeinschaftliches Engagement beenden und dabei die Mitunternehmerschaft gänzlich auflösen und alle WG in das Betriebsvermögen (BV) einzelner Mitunternehmer (MU) überführt und fortgeführt werden. Die Realteilung ist durch den auf der Ebene der Mitunternehmerschaft verwirklichten Tatbestand der Betriebsaufgabe gekennzeichnet (BMF vom 19.12.2018, BStBl I 2019, 6).

Die Buchwerte der übertragenen WG sind fortzuführen, soweit die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist (§ 16 Abs. 3 Satz 2 EStG; BMF Erlass vom 19.12.2018, BStBl I 2019, 6; unter Tz. V). Es besteht insoweit ebenso der Zwang zur Buchwertfortführung wie in § 6 Abs. 5 Satz 3 EStG. Die Buchwertfortführung ist jedoch ausgeschlossen und rückwirkend der Ansatz des gemeinen Wertes des jeweiligen WG zwingend vorgeschrieben, soweit innerhalb der gem. § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG gesetzten Sperrfrist zuvor übertragener Grund und Boden, übertragene Gebäude oder andere übertragene wesentliche Betriebsgrundlagen veräußert oder entnommen werden. Dieser Vorgang stellt ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung dar (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO). Eine Aufdeckung der übrigen stillen Reserven erfolgt nicht. Der aus der nachträglichen Aufdeckung entstehende Gewinn stellt einen laufenden Gewinn dar, der nicht nach §§ 16 und 34 EStG begünstigt ist. Ein nach §§ 16 und 34 EStG begünstigter Veräußerungsgewinn liegt jedoch vor, wenn sämtliche stille Reserven aus den wesentlichen Betriebsgrundlagen rückwirkend aufzudecken sind.

Auch die Entnahme oder Veräußerung von Grund und Boden sowie Gebäuden des Anlagevermögens, die keine wesentlichen Betriebsgrundlagen darstellen, löst die Folgen des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG aus. Bei einer Realteilung durch Übertragung von Betrieben, Teilbetrieben oder Mitunternehmeranteilen ist die Sperrfrist jedoch unbeachtlich. Es ist jedoch § 16 Abs. 5 EStG zu beachten. Die Sperrfrist endet drei Jahre nach Abgabe der Steuererklärung der Mitunternehmerschaft für den Veranlagungszeitraum der Realteilung.

6. Unentgeltlicher Erwerb von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens

Bei dem unentgeltlichen Erwerb von WG, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, muss der Erwerber keine Bewertung i.S.d. § 6 Abs. 1 EStG vornehmen, sondern die Bemessungsgrundlage für die Absetzungen für Abnutzung festlegen. Diese bemisst sich gem. § 11d Abs. 1 EStDV beim Erwerber (Rechtsnachfolger) nach den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Rechtsvorgängers zzgl. der vom Rechtsnachfolger aufgewendeten Herstellungskosten. Der Rechtsnachfolger hat die Absetzungen für Abnutzung nach dem Prozentsatz vorzunehmen, der für den Rechtsvorgänger maßgebend sein würde, wenn er noch Eigentümer des WG wäre, jedoch nur soweit die bisherigen Absetzungen für Abnutzung, erhöhten Absetzungen und Abschreibungen noch nicht zur vollständigen Absetzung des WG geführt haben. Dies gilt auch für die Absetzungen für Substanzverringerung

7. Literaturhinweise

Blümich/Ehmcke, EStG, 122. A., 2014, § 6 Rn. 1260–1279; Blümich/Schallmoser, EStG, 122. A., 2014, § 16, Rn. 390–394; MüHdb./GmbH & Co. KG, Levedag, 4. A., 2014, § 59, V6 Rd. 103 ff.; Gragert, Echte und unechte Realteilung – Unterschiede in der steuerlichen Behandlung, NWB 8/2019, 476; Strahl, Teleologische Reduktion von § 6 Abs. 5 Satz 6 EStG, NWB 10/2022, 653.

8. Verwandte Lexikonartikel

Anschaffungskosten

Nießbrauch

Realteilung gem. § 16 Abs. 3 EStG

Übertragung von Privat- oder Betriebsvermögen

Unentgeltliche Übertragung von Wirtschaftsgütern

Vorweggenommene Erbfolge

Wirtschaftsgüter, Überführung in ein anderes Betriebsvermögen

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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