Verlustvortrag und -rücktrag

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Sind Ihre Ausgaben höher als Ihre Einnahmen können Sie Ihre Verluste mit einem Verlustvortrag oder einem Verlustrücktrag steuerlich geltend machen.
  • Verluste als Arbeitnehmer, aus Vermietung und Verpachtung, Gewerbetrieb, selbstständiger Arbeit, Land- und Forstwirtschaft können miteinander verrechnet werden. Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften können Sie aber nur mit Gewinnen aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnen.
  • Bei einem Verlustrücktrag werden die Verluste in das Vorjahr zurückgetragen und mit den Einnahmen verrechnet.
  • Bei einem Verlustvortrag werden die Verluste in das Folgejahr / die Folgejahre übertragen und mit den Einnahmen verrechnet.
  • Sie können Ihre Verluste nur bis zu 1 Mio. (Ledige) bzw. 2 Mio. (Ehegatten) steuerlich geltend machen. Höhere Verluste können nur begrenzt bis zu 60 Prozent des Verlustes geltend gemacht werden.

Inhaltsverzeichnis

1 Verlustabzug bei Körperschaften gemäß § 8c KStG
1.1 Begriff des Mantelkaufs
1.2 Entstehungsgeschichte
1.2.1 Historie des BFH zum Mantelkauf vor Einführung des § 8c KStG
1.2.2 Die Entstehung des § 8c KStG
1.2.3 Wirkung des § 8c Abs. 1 KStG
1.2.4 Verfassungsmäßigkeit des § 8c KStG
1.2.5 Äußerungen der Finanzverwaltung
1.3 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich des § 8c KStG
1.4 Schädlicher Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c KStG
1.4.1 Definition »Beteiligungserwerb«
1.4.2 Begriff »Anteile« i.S.d. § 8c KStG
1.4.3 Unentgeltliche Übertragungen
1.4.4 Mittelbare Anteilsübertragungen
1.4.5 Fünf-Jahres-Zeitraum
1.4.6 Der Erwerber der Anteile
1.5 Konzernklausel
1.6 Stille-Reserven-Klausel
1.7 Rechtsfolgen des § 8c KStG
1.7.1 Vollständiger Verlustuntergang
1.7.2 Unterjähriger Beteiligungserwerb
1.8 Übergangsregelung und Anwendungsregelung zu § 8c KStG
1.8.1 Übergang von § 8 Abs. 4 zu § 8c KStG
1.8.2 Anwendung § 8c KStG
1.9 Sanierungsklausel
1.10 Ausnahme für Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften
1.11 Verfassungsmäßigkeit des § 8c KStG
1.11.1 Entscheidung des BVerG
1.11.2 Verfahrensrechtliche Umsetzung durch die Finanzverwaltung
2 Fortführungsgebundener Verlustvortrag § 8d KStG
2.1 Voraussetzungen
2.1.1 Anwendung des § 8c KStG sowie Ausnahmen
2.1.2 Beibehaltung des Geschäftsbetriebes im Beobachtungszeitraum gem. § 8d Abs. 1 KStG
2.1.3 Antrag
2.1.4 Rechtsfolgen
2.1.5 Schädliche Ereignisse im Überwachungszeitraum gem. § 8d Abs. 2 KStG
2.1.6 Auswirkungen auf gewerbesteuerliche Fehlbeträge
2.2 Erstmalige Anwendung
3 § 10d EStG bei Kapitalgesellschaften
3.1 Verlustvor- und -rücktrag bei Kapitalgesellschaften
3.2 Die Vortragsberechnung
3.3 Verluste aus einer stillen Beteiligung
4 Literaturhinweise
5 Verwandte Lexikonartikel

1. Verlustabzug bei Körperschaften gemäß § 8c KStG

1.1. Begriff des Mantelkaufs

Als → Mantelkauf wird die Übertragung aller Anteile oder einer qualifizierten Mehrheit der Anteile an einer KapG (GmbH, AG) bezeichnet. Die KapG hat dabei ihren ursprünglichen Geschäftsbetrieb eingestellt, ist i.Ü. vermögenslos geworden oder verfügt über kein nennenswertes Vermögen mehr. Nunmehr wird durch die neuen Anteilseigner neues Kapital in die Gesellschaft »geschleust« und in ihrer geschäftlichen Ausrichtung neu gestaltet.

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Steuerlich geht es häufig um die Verrechnung der erhofften neuen Gewinne mit den alten Verlusten. Grundvoraussetzung war und ist dabei die rechtliche Identität der KapG.

Die einfache Möglichkeit, sich durch Umhängen eines (anderen) Rechtskleides eine Kompensationsmöglichkeit für Gewinne zu schaffen, war dem BFH – alleine wegen des Grundsatzes der Leistungsfähigkeit – immer schon ein Dorn im Auge.

1.2. Entstehungsgeschichte

1.2.1. Historie des BFH zum Mantelkauf vor Einführung des § 8c KStG

In den ersten Entscheidungen zum Verlustabzug beim Mantelkauf hat der BFH den Verlustabzug versagt, da zwischen dem Stpfl., der den Verlust erlitten hat, und dem, der ihn nutzen will, Personengleichheit bestehen müsse. In zwei weiteren Entscheidungen aus dem Jahre 1966, in denen die »neuen« – zivilrechtlich identischen – Gesellschaften durch Zuführung von neuem Kapital an die Stelle der »alten« GmbH getreten sind, hat der BFH mit anderen Gründen den Verlustabzug versagt. Beim Wegfall »sämtlicher sachlicher und persönlicher Grundlagen« zwischen Alt-GmbH und Neu-GmbH gäbe es keinen Verlustabzug (statt aller BFH Urteil vom 15.2.1966, BStBl III 1966, 289). Während der BFH im Jahre 1973 in seiner ersten positiven Entscheidung den Verlustabzug zuließ, weil im konkreten Fall das »sachliche und persönliche Substrat« erhalten blieb (BFH Urteil vom 19.12.1973, BStBl II 1974, 181), distanzierte sich der BFH in zwei Entscheidungen (BFH Urteil vom 29.10.1986, BStBl II 1987, 308 und 310) von seiner eigenen Rspr. und versagte den Verlustabzug nur noch bei fehlender rechtlicher Identität.

1.2.2. Die Entstehung des § 8c KStG

Das StRefG 1990 hat den Verlustabzug sowohl von der rechtlichen als auch von der wirtschaftlichen Identität abhängig gemacht. In der Urversion des § 8 Abs. 4 KStG wurde die wirtschaftliche Identität erst bei einer Übertragung von mehr als drei Vierteln verneint.

Mit dem Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmensteuerreform 1997 wurde die Verlustnutzung bei Umstrukturierungen, an denen KapG beteiligt sind, in erheblichem Maße eingeschränkt. Danach lag die wirtschaftliche Identität bereits dann nicht mehr vor, wenn mehr als 50 % der Anteile übertragen und der KapG überwiegend neues Betriebsvermögen (BV) zugeführt wurde. Steuerlich wurden Sanierungsfälle begünstigt, wenn die Zuführung von neuem BV allein der Sanierung des Betriebes diente, der den verbleibenden Verlust verursacht hat. Im Sanierungsfall musste der Geschäftsbetrieb in vergleichbarem Umfang in den folgenden fünf Jahren fortgeführt werden.

Im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008 hat der Gesetzgeber erneut den Versuch der Schaffung einer »einfacheren und zielgenaueren Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften« unternommen und § 8c KStG eingeführt. Nachfolgende Änderungen ergeben sich u.a. wegen der Einführung einer Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG), Ausnahmen für Wagniskapitalgesellschaften (§ 8c Abs. 2 KStG) und aus dem JStG 2018 als Reaktion auf die Verfassungswidrigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG. Seit 1.1.2016 ergänzt § 8d KStG die Regelung des § 8c KStG durch einen sog. fortführungsgebundenen Verlustvortrag.

1.2.3. Wirkung des § 8c Abs. 1 KStG

Gem. § 8c Abs. 1 KStG ist die Anteilsübertragung alleiniges Kriterium für die Verlustbeschränkung (sog. schädlicher Beteiligungserwerb). Auf das Merkmal der Zuführung von neuem Betriebsvermögen wird ganz verzichtet. Die wirtschaftliche Identität wird alleine vor dem Hintergrund des Anteilseignerkreises und seines Verhaltens interpretiert. In Abhängigkeit des Gesellschafterwechsels kam es ursprünglich zu einer zweistufigen Verlustbeschränkung:

  • § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG a.F.: Bei einer Übertragung zwischen 25 % und 50 % des Gesellschafteranteils bzw. der Stimmrechte kam es zu einem quotalen Verlustuntergang i.H.d. schädlichen Übertragung. Aufgrund Verfassungswidrigkeit ist diese Regelung ersatzlos gestrichen worden (s.u.).

  • § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG a.F.: Bei Übertragung der mehrheitlichen Beteiligungsrechte (> 50 %) sind bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichene oder abgezogene negative Einkünfte (nicht genutzte Verluste) vollständig nicht mehr abziehbar.

In der aktuellen Fassung des § 8c Abs. 1 KStG ist nur noch der schädliche Beteiligungserwerb von mehr als 50 % sanktioniert (§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG VZ 2020).

Als Reaktion auf die Verfassungswidrigkeit (siehe unter 1.2.4 und 1.10) von § 8c (Abs. 1) Satz 1 KStG a.F. hat der Gesetzgeber im Rahmen des sog. JStG 2018 § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG rückwirkend und ersatzlos gestrichen. Zur zeitlichen Anwendung vgl. § 37 Abs. 6 Satz 1 KStG. Die bisherigen nachfolgenden Sätze rücken vor, d.h. der bisherige § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG ist von der Änderung nicht betroffen und gilt künftig als Satz 1 der Vorschrift weiter. Der Gesetzgeber hat damit nicht auf den Vorlagebeschluss des FG Hamburg vom 29.8.2017 reagiert. Ausweislich der Gesetzesbegründung, weil das BVerfG die Verfassungswidrigkeit des bisherigen Satzes 2 ausdrücklich offengelassen hat.

Die Neufassung des § 8c Abs. 1 Satz 1–3 KStG findet erstmals für den VZ 2008 und auf Anteilsübertragungen nach dem 31.12.2007 Anwendung. Die Streichung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG hat auch Auswirkung auf die Gewerbesteuer (§ 10a Satz 10 GewStG).

Ausnahmen von der Einschränkung des Verlustabzugs ergeben sich aus § 8c Abs. 1 Satz 4 KStG (sog. Konzernklausel) sowie des § 8c Abs. 1 Satz 5–8 KStG (sog. Stille-Reserven-Klausel).

Die Regelung des § 8c KStG zum Verlustabzug bzw. zur Abzugsbeschränkung wird ergänzt durch § 8d KStG. Danach ist § 8c KStG auf Antrag nicht anzuwenden (fortführungsgebundener Verlustvortrag). § 8d KStG wurde mit Wirkung vom 1.1.2016 eingeführt.

1.2.4. Verfassungsmäßigkeit des § 8c KStG

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, entschieden, dass § 8c Satz 1 KStG i.d.F. vom 14.8.2007 sowie § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG i.d.F. vom 12.8.2008 und die späteren Fassungen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften 2016 (Einführung § 8d KStG, 2) verfassungswidrig sind. Siehe nachfolgend unter 1.11.

Zu § 8c Satz 2 KStG (jetzt § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG) ist eine Verfassungsbeschwerde anhängig (BVerfG, 2 BvL 19/17, Vorlagebeschluss des FG Hamburg vom 29.8.2017, 2 K 245/17). Das FG Hamburg hat unter Verweis auf dieses Verfahren auch Aussetzung der Vollziehung gewährt (FG Hamburg Beschluss vom 11.4.2018, 2 V 20/18, LEXinform 5021095).

1.2.5. Äußerungen der Finanzverwaltung

Am 4.7.2008 hat die Finanzverwaltung ein BMF-Schreiben zu Einzelheiten der Anwendung des § 8c KStG veröffentlicht (BStBl I 2008, 736). Die Finanzverwaltung hat dieses Anwendungsschreiben aktualisiert und nunmehr auch die »Konzernklausel« (§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG) sowie die »Stille-Reserven-Klausel« (§ 8c Abs. 1 Satz 6–9 KStG) in ein überarbeitetes Anwendungsschreiben aufgenommen. Der neue Erlass ist in allen nicht bestandskräftigen Fällen zu berücksichtigen (BMF vom 28.11.2017 (BStBl I 2017, 1645). Zur kritischen Würdigung der neuen Verwaltungsanweisung vgl. Olbing, GmbH-StB 2018, 54.

Die Finanzverwaltung hat mit Schreiben vom 10.1.2019 die Aufhebung der bisherigen Aussetzung der Steuerfestsetzung bekannt gegeben. Mit dem Inkrafttreten des UStAVermG am 15.12.2018 sei der Grund für die vorläufige Aussetzung der Anwendung von § 8c Satz 1 KStG a.F. bzw. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. entfallen, vgl. BMF vom 10.1.2019, IV A 3 – S-0338/17/10007 (LEXinform 5236783).

1.3. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich des § 8c KStG

§ 8c KStG gilt bei unbeschränkt und auch beschränkt stpfl. Körperschaften, Personenvereinigungen, Vermögensmassen (§ 1 Abs. 1 KStG) und auch bei Anstalten und Stiftungen.

§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG spricht von nicht genutzten Verlusten, d.h. nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünften. Sachlich betroffen sind daher insbes. für Verluste nach

  • § 2a EStG (negative Einkünfte mit Bezug zu Drittstaaten),

  • § 10d EStG (Verlustvor- und rücktrag).

Aber auch für Verluste

  • aus gewerblicher Tierzucht und Tierhaltung (§ 15 Abs. 4 EStG),

  • bei beschränkter Haftung § 15a EStG,

  • im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen § 15b EStG.

Auswirkungen können sich auch auf verbleibende Verlustvorträge nach § 10 AStG sowie auf den Zinsvortrag nach § 4h Abs. 1 Satz 5 EStG (Zinsschranke) ergeben (vgl. hierzu § 8a Abs. 1 Satz 3 KStG).

1.4. Schädlicher Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c KStG

1.4.1. Definition »Beteiligungserwerb«

Gem. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG liegt ein schädlicher Beteiligungserwerb vor, soweit

  • innerhalb von fünf Jahren

  • mittelbar oder unmittelbar

  • mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft

  • an einen Erwerber oder eine diesem nahestehende Personen übertragen werden (sog. Erwerberkreis) oder

  • ein vergleichbarer Sachverhalt

vorliegt.

Erfasst werden entgeltliche und unentgeltliche Übertragungen auf einen Erwerberkreis. § 8c KStG betrifft hingegen nicht den unentgeltlichen Erwerb einer natürlichen Person durch Erbanfall oder im Rahmen einer Erbauseinandersetzung. Ebenfalls unschädlich ist die unentgeltliche Übertragung auf Angehörige (§ 15 AO) im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge (vgl. BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 4). Die Finanzverwaltung stellt in der genannten Randnummer allerdings auch klar, dass entgeltliche Übertragungen bei vorweggenommener Erbfolge schädlich sind. Auch wenn die Entgeltlichkeit nur einen geringen Umfang ausmacht.

1.4.2. Begriff »Anteile« i.S.d. § 8c KStG

Die schädliche Beteiligungserwerb bezieht sich gem. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG auf das gezeichnete Kapital der Gesellschaft, auf Mitgliedschaftsrechte und Beteiligungsrechte. Erfasst werden auch Erwerbe ohne Stimmrecht bzw. der Erwerb von Stimmrechten.

Zu beachten ist hier die Öffnung für »vergleichbare Sachverhalte«. Nach dem BMF-Schreiben können insbesondere folgende Vorgänge als einer Anteilsübertragung vergleichbare Sachverhalte anzusehen sein (BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 7):

  • der Erwerb von Genussscheinen i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG;

  • Stimmrechtsvereinbarungen, Stimmrechtsbindungen, Stimmrechtsverzicht;

  • die Umwandlung auf eine Verlustgesellschaft, wenn durch die Umwandlung ein Beteiligungserwerb durch einen Erwerberkreis stattfindet;

  • die Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils, wenn durch die Einbringung ein Beteiligungserwerb am übernehmenden Rechtsträger durch einen Erwerberkreis stattfindet;

  • der Erwerb eigener Anteile, wenn sich hierdurch die Beteiligungsquoten ändern;

  • die Kapitalherabsetzung, mit der eine Änderung der Beteiligungsquoten einhergeht.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift könnten zudem beispielsweise die Vereinbarung disquotaler Gewinnausschüttungen, die Begründung einer stillen Beteiligung, die Errichtung von Treuhandverhältnissen, die Verpfändung von Anteilen, die Einräumung einer Unterbeteiligung oder die Anteilseinziehung von GmbH-Geschäftsanteilen verbunden mit der Erhöhung der Geschäftsanteile der verbleibenden Gesellschafter in Betracht kommen.

Nach Rn. 5 des o.g. BMF-Schreibens werden Beteiligungsrechte mit und ohne Stimmrechte von der Vorschrift erfasst, also auch stimmrechtslose Vorzugsaktien. Bei der Berechnung der Quote ist bei Vorzugsaktien auf das gesamte Stammkapital abzustellen, bei Stammaktien hingegen nur auf das stimmberechtigte Kapital.

Beispiel 1:

Die Anteile an einer KapG entfallen zu 70 % auf Stammaktien und zu 30 % auf Vorzugsaktien. Innerhalb von fünf Jahren werden erworben

  • Variante a)

    30 %-Punkte der Vorzugsaktien

  • Variante b)

    36 %-Punkte der Stammaktien

  • Variante c)

    40 %-Punkte der Vorzugsakten und 30 %-Punkte der Stammaktien.

Lösung 1:

  • Variante a)

    Da Vorzugsaktien übertragen werden, ist auf das gesamte Kapital abzustellen, somit beträgt die Quote 30 %. Es liegt kein schädlicher Beteiligungserwerb vor.

  • Variante b)

    Da Stammaktien übertragen werden, ist nur auf das stimmberechtigte Kapital abzustellen (70), die Quote beträgt 51,42 % (36/70). Die schädliche Beteiligungsgrenze wird überschritten.

  • Variante c)

    Sowohl Stamm- als auch Vorzugsaktien werden übertragen. Verschiedenen Quoten sind nicht zu addieren, daher ist die schädliche Beteiligungsgrenze nicht überschritten. Bezogen auf die Stammaktien beträgt die Quote 42,85 % (30/70) und bezogen auf die Vorzugsaktien 40 % (40/100).

Auch Kapitalerhöhungen können zu einem schädlichen Beteiligungserwerb führen, § 8c Abs. 1 Satz 3 KStG (BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 9).

1.4.3. Unentgeltliche Übertragungen

Von der Regelung des § 8c KStG sind sowohl der entgeltliche als auch der unentgeltliche Anteilserwerb erfasst. Unentgeltliche Übertragungen im Rahmen eines Erbfalls oder Schenkungen zwischen Angehörigen nach § 15 AO sind hingegen ausgenommen (BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 4). Auch Erbauseinandersetzungen sind ausgenommen, jedoch nur dann, wenn diese voll unentgeltlich erfolgen. Nach der Rn. 4 soll bereits ein geringes Entgelt schädlich sein. Fraglich ist, was als unentgeltliche bzw. entgeltliche Erbauseinandersetzung gelten soll. Im Rahmen der Erbauseinandersetzung sind folgende Fälle üblich:

  • wertgleiche Teilung des Nachlasses ohne Wertausgleich (GmbH-Anteil übernimmt Kind 1, die wertgleichen Immobilien übernimmt Kind 2), hier wird kein Fall des § 8c KStG vorliegen;

  • Teilung des Nachlasses mit Wertausgleich (GmbH-Anteil übernimmt Kind 1, Kind 2 übernimmt Immobilien mit einem geringeren Wert, Kind 1 zahlt an Kind 2 einen Wertausgleich zur Anpassung an die Erbquote).

In beiden Varianten liegt ein Erwerb von Todes wegen durch Erbanfall vor (§§ 1922, 2032 BGB), der Wertausgleich erfolgt lediglich zur Anpassung der Erbquote. In beiden Fällen überträgt Kind 2 seine geerbten Anteile auf Kind 1. Kind 1 leistet in beiden Fällen einen Ausgleich. Im Fall 1 durch Hingabe der gleichwertigen Immobilien aus dem Nachlass. Im Fall 2 durch einen Wertausgleich aus dem eigenen Vermögen. Daher wird die Finanzverwaltung den Fall 2 als entgeltliche Erbauseinandersetzung ansehen (Hingabe aus dem Nachlass oder Hingabe aus eigenem Vermögen).

Schenkungen unter Auflagen (z.B. Leistungsauflage) und gemischte Schenkungen (nicht ausgewogener Leistungsaustausch) sind zumindest teilweise entgeltlich und damit schädlich.

1.4.4. Mittelbare Anteilsübertragungen

Als schädliche Beteiligungserwerbe i.S.d. § 8c Abs. 1 KStG werden auch ausdrücklich mittelbare Anteilsübertragungen erfasst. Insoweit ist die auf die Verlustgesellschaft durchgerechnete Beteiligungsquote zugrunde zu legen (vgl. BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 12). Ausnahmen ergeben sich jedoch durch § 8c Abs. 1 Satz 4 KStG (Konzernklausel).

Beispiel 2:

Die A-GmbH & Co. KG ist zu 90 % am Kapital der A-GmbH beteiligt. In 2020 veräußert A als alleiniger Kommanditist der A-GmbH & Co. KG 60 % seiner Kommanditanteile an B.

Lösung 2:

A ist mittelbar über die KG an der A-GmbH beteiligt. Durch die Übertragung der Kommanditanteile auf B liegt ein mittelbarer schädlicher Beteiligungserwerb vor. Die Quote beträgt 54,6 % (Quote 60 % der 90 % ändern sich).

Hinweis:

Ein Formwechsel des Anteilseigners i.S.d. § 190 Abs. 1 UmwG oder ein vergleichbarer ausländischer Vorgang bewirkt keine mittelbare Übertragung der Anteile an einer nachgeordneten Körperschaft (BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 11).

1.4.5. Fünf-Jahres-Zeitraum

Ein schädlicher Beteiligungserwerb liegt vor, wenn innerhalb von 5 Jahren mehr als 50 % des gezeichneten Kapitals, der Mitgliedschaftsrechte, Beteiligungsrechte oder der Stimmrechte an einer Körperschaft an einen Erwerber oder eine diesem nahe stehende Personen übertragen werden oder ein vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG.

Zeitpunkt des Erwerbs ist

  • der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums,

  • bei Kapitalerhöhungen die Eintragung ins Handelsregister,

  • bei der Umwandlung des Anteilseigners einer Verlustgesellschaft ist für den Erwerb der Beteiligung an der Verlustgesellschaft durch den übernehmenden Rechtsträger der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums maßgebend (kein Rückbezug i.S.d. § 2 UmwStG); vgl. hierzu BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 13–15.

Für die Berechnung der Quote sind alle Erwerbe i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums einzubeziehen.

Der Verlustabzug ist zu dem Zeitpunkt zu versagen, zu dem innerhalb des Fünf-Jahres-Zeitraums die 50 %-Grenze überschritten wird. Unerheblich ist, ob im Zeitpunkt des jeweiligen Erwerbs ein nicht genutzter Verlust vorhanden war.

Wird die 50 %-Grenze überschritten, beginnt ab diesem Zeitpunkt ein neuer Fünf-Jahres-Zeitraum. Dies gilt unabhängig davon, ob zu diesem Zeitpunkt Verluste vorhanden sind.

Beispiel 3:

Der Gesellschafter G ist zu 100 % an der G-GmbH beteiligt. Im Jahre 2018 erwirbt die A-GmbH 20 % des Stammkapitals der G-GmbH. Zu diesem Zeitpunkt bestanden keinerlei Verluste. Im Jahr 2020 veräußert G weitere 40 % des Stammkapitals an die A-GmbH. Zu diesem Zeitpunkt bestanden nicht genutzte Verluste.

Lösung 3:

Innerhalb von fünf Jahren sind 60 % der Anteile an der G-GmbH an einen Erwerber übertragen worden. Im Jahr 2020 liegt ein schädlicher Beteiligungserwerb vor. Der zu diesem Zeitpunkt bestehende nicht genutzte Verlust entfällt in voller Höhe. Gleichzeitig beginnt ab diesem Zeitpunkt ein neuer Zeitraum. Ob im Jahr 2018 nicht genutzte Verluste vorhanden waren, ist für die Beurteilung unerheblich.

1.4.6. Der Erwerber der Anteile

Gem. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG muss die schädliche Anteilsübertragung auf einen Erwerber oder auf eine diesem nahestehende Personen erfolgen. Erwerber kann jede natürliche Person, juristische Person oder Mitunternehmerschaft sein. Bei vermögensverwaltenden PersGes werden die Anteile gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO anteilig zugerechnet (BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 25).

Fraglich ist, wie der Begriff der »nahestehenden Personen« auszulegen ist. Während § 8a Abs. 3 Satz 1 KStG hinsichtlich des Begriffs der nahestehenden Personen ausdrücklich auf die Definition in § 1 Abs. 2 AStG verweist, findet sich ein solcher Verweis in § 8c KStG nicht. Die Finanzverwaltung greift insoweit auf die zur verdeckten Gewinnausschüttung entwickelten Grundsätze zurück und nimmt ein Nahestehen bereits bei jeder rechtlichen oder tatsächlichen Beziehung zu einer anderen Person an (BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 26 mit Verweis auf H 8.5 »Nahestehende Person – Kreis der nahestehenden Personen« KStH).

Es ist eine personenbezogene geboten. Jedoch zählen Erwerber mit gleichgerichteten Interessen zum Erwerberkreis (sog. Erwerbergruppe), § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG. Hierzu reicht es nach Ansicht des BMF bereits aus, wenn eine Abstimmung zwischen den Erwerbern stattgefunden hat, wobei kein Vertrag vorliegen muss. Indiz gleich gerichteter Interessen sei auch die gemeinsame Beherrschung der Körperschaft (BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 28 mit Verweis auf H 8.5 »Beherrschender Gesellschafter – Gleichgerichtete Interessen« KStH). Zusätzlich stellt das BMF-Schreiben klar, dass eine Mehrzahl von Erwerben durch einen Erwerberkreis als ein Erwerb gilt, wenn ihnen ein Gesamtplan zugrunde liegt. Dies werde widerleglich vermutet, wenn die Erwerbe innerhalb eines Jahres erfolgen (BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 19).

Beispiel 4:

Der Gesellschafter G ist zu 100 % an der G-GmbH beteiligt. Im Jahre 2016 erwirbt die A-GmbH 35 % der G-GmbH. 2018 veräußert G 10 % an A (= Alleingesellschafter der A-GmbH). Im Jahre 2020 erwirbt die B-GmbH 8 % der Anteile an der G-GmbH. Die B-GmbH ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der A-GmbH.

Lösung 4:

Bei den Erwerbern handelt es sich um nahestehende Personen, an welche innerhalb von fünf Jahren insgesamt mehr als 50 % der Anteile an der G-GmbH übertragen wurden. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG liegt vor.

Zur Erwerbergruppe hat der BFH mit Urteil vom 22.11.2016 entschieden. Nach Auffassung des BFH liegt eine Erwerbergruppe (§ 8c Abs. 1 Satz 2 KStG) im Hinblick auf einen schädlichen Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG nur dann vor, wenn mehrere Erwerber bei dem (auch mittelbaren) Erwerb von Anteilen an der Verlustgesellschaft zusammenwirken und sie auf der Grundlage einer im Erwerbszeitpunkt bestehenden Absprache im Anschluss an den Erwerb einen beherrschenden Einfluss in dieser Gesellschaft ausüben können. Die Möglichkeit des Beherrschens genüge nicht. Die Feststellungs- und Beweislast trägt die Finanzbehörde (BFH Urteil vom 22.11.2016, I R 30/15, BStBl II 2017, 921). Der BFH führt aus, dass nach dem Wortlaut des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG die einzelnen Erwerber »eine Gruppe … mit gleichgerichteten Interessen« darstellen müsse. Auf welchen Umstand sich das jeweilige Interesse erstrecken muss, lasse der Wortlaut offen. Das FG habe auf dieser Grundlage den Begriff dahin verstanden, dass mehrere Erwerber bei und im Hinblick auf den Erwerb von Anteilen an der Verlustgesellschaft zusammenwirken und diese Personen im Anschluss an den Erwerb (durch Stimmbindungsvereinbarungen, Konsortialverträge oder andere verbindliche Abreden) einen beherrschenden einheitlichen Einfluss bei der Verlustgesellschaft ausüben können. Maßgeblicher Zeitpunkt solle dabei – wegen der Anknüpfung des Tatbestandes an den Anteilserwerb – der Erwerbszeitpunkt sein; spätestens zu diesem Zeitpunkt müssten die Erwerber Abreden im Hinblick auf das spätere gemeinsame Beherrschen der Gesellschaft getroffen haben.

Der BFH stimmt der Auslegung des FG Niedersachen (Urteil vom 26.2.2015, 6 K 424/13) zu. Absprachen, die sich auf den Anteilserwerb »als solchen« beziehen und allenfalls einen zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang (z.B. mit Blick auf die Preisfindung, auf das Bewahren eines bisher vorliegenden Verhältnisses im Anteilsbesitz) der verschiedenen Erwerbsakte begründen, reichen nach der Entscheidung des BFH nicht aus.

1.5. Konzernklausel

Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009 (BGBl I 2009, 3950) wurde in § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG a.F. eine sog. Konzernklausel eingefügt (aktuelle Fassung: § 8c Abs. 1 Satz 4 KStG). Danach liegt ein schädlicher Beteiligungserwerb nicht vor, wenn

  1. an dem übertragenden Rechtsträger der Erwerber zu 100 % mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist und der Erwerber eine natürliche oder juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft (KG oder OHG) ist,

  2. an dem übernehmenden Rechtsträger der Veräußerer zu 100 % mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist und der Veräußerer eine natürliche oder juristische Person oder eine Personenhandelsgesellschaft (KG oder OHG) ist oder

  3. an dem übertragenden und an dem übernehmenden Rechtsträger dieselbe natürliche oder juristische Person oder dieselbe Personenhandelsgesellschaft (KG oder OHG) zu jeweils 100 % mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist.

Die Konzernklausel ist auf alle Rechtsvorgänge anwendbar, die zu einem schädlichen Beteiligungserwerb führen können. Der Rechtsgrund spielt hierbei keine Rolle, eine Einschränkung auf Veräußerungsvorgänge erfolgt nicht. Begünstigt sind z.B. auch Einbringungen und Umwandlungen (vgl. BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 40).

Beispiel 5:

Die A-AG hält 100 % der Anteile an der T-GmbH, die wiederum zu 100 % an der Verlustgesellschaft V-GmbH beteiligt ist. Die T-GmbH wird abwärts auf die V-GmbH verschmolzen.

Lösung 5:

Übertragender Rechtsträger der Anteile an der V-GmbH i.S.d. § 8c KStG ist hier die T-GmbH, übernehmender Rechtsträger ist die A-AG, denn sie hält anschließend die Anteile an der V-GmbH. Demgegenüber ist umwandlungssteuerlich hier die V-GmbH übernehmender Rechtsträger, denn sie übernimmt das Vermögen der T-GmbH aus der Verschmelzung (BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 41 Beispiel 8).

Der Begriff Personenhandelsgesellschaft stellt auf die handelsrechtliche Beurteilung ab und erfasst auch ausländische Personenhandelsgesellschaften.

§ 8c Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 und 2 KStG betrifft die Verkürzung bzw. die Verlängerung von Beteiligungsketten innerhalb eines Konzerns bei jeweils 100 %iger Beteiligung. Nach Rn. 44 im BMF-Schreiben vom 28.11.2017 (BStBl I 2017, 1645) erfasst § 8c Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 KStG weitere Übertragungen, z. B. auf Schwestergesellschaften. Die Anwendung setzt nach der Rn. 44 drei Ebenen voraus:

  1. Die erste Ebene (Zurechnungsebene) betrifft die natürliche oder juristische Person oder die Personenhandelsgesellschaft, die unmittelbar oder mittelbar zu 100 % am übertragenden und am übernehmenden Rechtsträger beteiligt ist. Dabei werden unmittelbare und mittelbare Beteiligungen zusammengerechnet.

  2. Die zweite Ebene (Handlungsebene) betrifft den schädlichen Beteiligungserwerb zwischen dem übertragenden und dem übernehmenden Rechtsträger.

  3. Die dritte Ebene betrifft die Verlustgesellschaft (Ebene der Verlustgesellschaft), deren Anteile erworben wurden und für deren Verluste die Anwendung des § 8c KStG zu prüfen ist.

Die Voraussetzungen aller Ebenen müssen erfüllt sein, damit die dritte Alternative der Konzernklausel Anwendung findet.

Beispiel 6 (aus Rn. 45 des BMF-Schreibens):

Die natürliche Person A ist jeweils zu 100 % an der X-GmbH und an der Y-GmbH beteiligt. Die X-GmbH veräußert ihre Anteile i.H.v. 60 % an der Verlustgesellschaft V an die Y-GmbH. Ferner ist an der Verlustgesellschaft V ein fremder Dritter D zu 40 % beteiligt

Lösung 6:

A ist sowohl am übertragenden Rechtsträger X-GmbH als auch am übernehmenden Rechtsträger Y-GmbH jeweils zu 100 % beteiligt. Es liegt somit kein schädlicher Beteiligungserwerb vor. Für die Anwendung der dritten Alternative der Konzernklausel ist nicht Voraussetzung, dass A zusätzlich auch zu 100 % an der Verlustgesellschaft V (mittelbar) beteiligt sein muss.

1.6. Stille-Reserven-Klausel

Nach § 8c Abs. 1 Satz 5–8 KStG bleiben nicht genutzte Verluste erhalten, soweit sie bei einem schädlichen Beteiligungserwerb i.S.v. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG die im Inland steuerpflichtigen gesamten stillen Reserven des Betriebsvermögens der Körperschaft nicht übersteigen. Hintergrund der Regelung ist offensichtlich die Überlegung, dass ein missbräuchlicher Mantelkauf bei Vorliegen eigener Substanz – d.h. Substanz der Körperschaft, deren Anteile erworben werden – in Form (noch nicht aufgedeckter) stiller Reserven unwahrscheinlich ist, da den Verlusten insoweit künftige Gewinnerwartungen gegenüberstehen.

Nach der Gesetzesbegründung soll der gemeine Wert der Anteile in den Fällen des entgeltlichen Erwerbs im Regelfall dem gezahlten Entgelt entsprechen bzw. aus dem gezahlten Entgelt abgeleitet werden. Andernfalls müsste der Steuerpflichtige als Nachweis für die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung eine Unternehmensbewertung vorlegen. Zur Frage, ob hier ein Wahlrecht zwischen dem Ansatz des Kaufpreises bzw. einer Unternehmensbewertung besteht, ist ein Revisionsverfahren anhängig (BFH I R 4/19). Das Revisionsverfahren wurde durch Beschluss vom 24. 1.2019 bis zur Entscheidung des BVerfG über das mit Beschluss des FG Hamburg vom 29.8.2017 (2 K 245/17) eingeleitete Normenkontrollverfahren (2 BvL 19/17) zur Verfassungsmäßigkeit des § 8c Satz 2 KStG i.d.F. des UntStRefG 2008 ausgesetzt.

Stille Reserven ausländischen Betriebsvermögens und aus Beteiligungsbesitz sind nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, da nur auf die im Inland steuerpflichtigen Reserven abgestellt wird. Dies gilt jedoch nicht für Beteiligungen auf die § 8b Abs. 7 oder 8 KStG anzuwenden ist, und auf einbringungsgeborene Anteile, auf die § 8b Abs. 4 KStG a.F. anzuwenden ist. Diese sollen nach dem BMF-Schreiben vom 28.11.2017 (BStBl I 2017, 1645, Rn. 53) zu berücksichtigen sein.

Die Stille-Reserven-Klausel setzt nach Anwendung der Konzernklausel zunächst einen schädlichen Beteiligungserwerb voraus, der die 50 %-Grenze überschreitet und der ohne die Stille-Reserven-Klausel zu einem vollständigen Untergang des ungenutzten Verlustes führen würde (BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 49).

1.7. Rechtsfolgen des § 8c KStG

1.7.1. Vollständiger Verlustuntergang

Bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzte Verluste sind vollständig nicht mehr abziehbar, wenn ein schädlicher Beteiligungsewerb von mehr als 50 % vorliegt (§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG). Der Verlustuntergang tritt in dem Wirtschaftsjahr ein, in dem die 50 %-Grenze überschritten wird. Bis zu diesem Zeitpunkt nicht ausgeglichene oder abgezogene Einkünfte (nicht genutzte Verluste) sind in voller Höhe nicht mehr abziehbar. Es ist weder ein Vortrag noch ein Rücktrag zulässig.

Beispiel 7:

Im VZ 2018 erfolgt ein Anteilserwerb von 26 % des gezeichneten Kapitals. Im Jahr 2019 werden weitere 15 % der Anteile und zum 1.1.2020 dann nochmals 10 % an einen Erwerberkreis verkauft.

Lösung 7:

Zum 1.1.2020 liegt ein schädlicher Beteiligungserwerb vor, da in den letzten 5 Jahren mehr als 50 % des Kapitals übertragen worden ist. Die Rechtsfolge tritt zum 1.1.2020 ein.

1.7.2. Unterjähriger Beteiligungserwerb

Zur Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG bei unterjährigem Beteiligungserwerb hat der BFH mit Urteil vom 30.11.2011 (I R 14/11, BStBl II 2012, 360) entschieden:

Erfolgt der das Verlustabzugsverbot des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG auslösende schädliche Beteiligungserwerb während des laufenden Wirtschaftsjahres, kann ein bis zu diesem Zeitpunkt in diesem Wirtschaftsjahr erzielter Gewinn mit dem bisher noch nicht genutzten Verlust verrechnet werden.

Die Entscheidung des BFH widersprach der damaligen Auffassung der Finanzverwaltung (BMF vom 4.7.2008, Tz. 31 Satz 2). Im Zuge der Neufassung des Anwendungsschreibens zu § 8c KStG hat sich die Finanzverwaltung der Auslegung des BFH angeschlossen (BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 33 ff.):

Der zum Ende des dem schädlichen Beteiligungserwerb vorangegangenen VZ gesondert festgestellte verbleibende Verlustvortrag bleibt abweichend von § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG abziehbar, soweit bis zum schädlichen Beteiligungserwerb ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte erzielt wurde. Dies gilt auch, wenn im VZ, in dem der schädliche Beteiligungserwerb erfolgt, insgesamt ein niedrigerer Gesamtbetrag der Einkünfte als in der Zeit bis zum schädlichen Beteiligungserwerb erzielt wird. Die Regelungen der Mindestgewinnbesteuerung sind für die Ermittlung der Höhe des verbleibenden Verlustvortrags unbeachtlich. Ein danach verbleibender Verlustvortrag kann im VZ, in dem der schädliche Beteiligungserwerb erfolgt, unter Beachtung der Mindestgewinnbesteuerung abgezogen und ggf. weiter vorgetragen werden.

Beispiel 8 (aus Rn. 34):

Die V-GmbH hat zum 31.12.01 einen verbleibenden Verlustvortrag i.H.v. 10 Mio. €. Das Wj. der V-GmbH entspricht dem Kalenderjahr. Am 30.6.02 werden 100 % der Anteile der V-GmbH auf einen Erwerber übertragen (schädlicher Beteiligungserwerb). Der Gesamtbetrag der Einkünfte des VZ 02 beträgt 4 Mio. €. Davon entfallen 1,5 Mio. € auf den Zeitraum bis zum schädlichen Beteiligungserwerb (Abwandlung: der Gesamtbetrag der Einkünfte bis zum schädlichen Beteiligungserwerb beträgt 6 Mio. €).

Lösung 8:

Nach dem vorstehenden Absatz bleibt ein Teilbetrag von 1,5 Mio. € des zum 31.12.01 verbleibenden Verlustvortrags abziehbar. I.H.v. 8,5 Mio. € geht der Verlustvortrag nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG unter.

Der nach Anwendung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG verbleibende Verlustvortrag i.H.v. 1,5 Mio. € kann unter Beachtung der Mindestgewinnbesteuerung mit dem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte des VZ 02 verrechnet werden. Das Einkommen des VZ 02 beträgt danach 2,5 Mio. € (= 4 Mio. € ./. 1,5 Mio. €).

Im Fall der Abwandlung bleibt ein Teilbetrag von 6 Mio. € des zum 31.12.01 verbleibenden Verlustvortrags abziehbar. I.H.v. 4 Mio. € geht der Verlustvortrag nach § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG unter.

Der nach Anwendung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG verbleibende Verlustvortrag i.H.v. 6 Mio. € kann unter Beachtung der Mindestgewinnbesteuerung mit dem positiven Gesamtbetrag der Einkünfte des VZ 02 verrechnet werden. Das Einkommen des VZ 02 beträgt danach 1,2 Mio. € (= 4 Mio. € ./. 1 Mio. € ./. 1,8 Mio. € [= 60 % von 3 Mio. €]). Zum 31.12.02 ist ein verbleibender Verlustvortrag i.H.v. 3,2 Mio. € gesondert festzustellen.

Das Ergebnis des gesamten Wj. ist nach wirtschaftlichen Kriterien aufzuteilen. Dabei ist nicht zwingend ein Zwischenabschluss zu erstellen. Die Finanzverwaltung lässt auch eine sachlich und wirtschaftlich begründete Schätzung zu (z.B. zeitanteilige Aufteilung, vgl. BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 35).

1.8. Übergangsregelung und Anwendungsregelung zu § 8c KStG

1.8.1. Übergang von § 8 Abs. 4 zu § 8c KStG

Gem. § 34 Abs. 7b KStG ist § 8c KStG erstmals für den VZ 2008 und auf Anteilsübertragungen nach dem 31.12.2007 anwendbar. § 34 Abs. 6 KStG sieht vor, § 8 Abs. 4 KStG neben § 8c KStG letztmals anzuwenden, wenn mehr als die Hälfte der Anteile innerhalb eines Fünf-Jahres-Zeitraums, der vor dem 1.1.2008 beginnen muss, übertragen werden und der Verlust der wirtschaftlichen Identität vor dem 1.1.2013 eintritt. Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 2.8.2007 (BStBl I 2007, 624) hinsichtlich des zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs zwischen der schädlichen Anteilsübertragung und der Betriebsvermögenszuführung sind anzuwenden (BMF vom 28.11.2017, BStBl I 2017, 1645, Rn. 69).

1.8.2. Anwendung § 8c KStG

Gem. § 34 Abs. 7b KStG ist § 8c KStG i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 erstmals für den VZ 2008 anzuwenden und auf Beteiligungserwerbe, bei denen das wirtschaftliche Eigentum nach dem 31.12.2007 übergeht.

Hinsichtlich der Einführung der Konzernklausel (s. 1.5) und der Stille-Reserven-Klausel (s. 1.6) ist § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG erstmals auf schädliche Beteiligungserwerbe nach dem 31.12.2009 anzuwenden, § 34 Abs. 7b Satz 2 KStG. Die Änderung des Satzes 5 im Rahmen des StÄndG 2015 ist ebenfalls auf schädliche Beteiligungserwerbe nach dem 31.12.2009 anzuwenden, § 34 Abs. 6 Satz 5 KStG.

Als Reaktion auf die Verfassungswidrigkeit von § 8c (Abs. 1) Satz 1 KStG a.F. hat der Gesetzgeber im Rahmen des sog. JStG 2018 § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. rückwirkend und ersatzlos gestrichen. Zur zeitlichen Anwendung vgl. § 37 Abs. 6 Satz 1 KStG. Die Neufassung des § 8c Abs. 1 Satz 1–3 KStG findet erstmals für den VZ 2008 und auf Anteilsübertragungen nach dem 31.12.2007 Anwendung. Die bisherigen nachfolgenden Sätze rücken vor, d.h. der bisherige § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG ist von der Änderung nicht betroffen und gilt künftig als Satz 1 der Vorschrift weiter. Der Gesetzgeber hat damit nicht auf den Vorlagebeschluss des FG Hamburg vom 29.8.2017 reagiert. Ausweislich der Gesetzesbegründung, weil das BVerfG die Verfassungswidrigkeit des bisherigen Satzes 2 ausdrücklich offengelassen hat.

1.9. Sanierungsklausel

Durch das Bürgerentlastungsgesetz (BStBl I 2009, 1959) wurde in § 8c Abs. 1a KStG eine neue Sanierungsklausel eingefügt. Die neue Klausel sollte laut der Begründung des Finanzausschusses der Bewältigung der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise dienen. Die Neuregelung wurde daher ursprünglich lediglich für Anteilsübertragungen der VA 2008 und 2009 eingeführt. Durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009 (BGBl I 2009, 3950) wurde die befristete Anwendung jedoch in eine unbefristete geändert. Bei Anwendung der Sanierungsklausel wird die Mantelkaufregelung entschärft, sodass der Verlustvortrag weiterhin mit künftigen Gewinnen verrechnet werden kann.

Aufgrund beihilferechtlicher Bedenken hatte die Europäische Kommission mit Beschluss vom 26.1.2011 festgestellt, dass die sog. Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG eine mit dem Binnenmarkt nicht zu vereinbarende rechtswidrige Beihilfe darstelle. Gegen den Beschluss der Europäischen Kommission wurde Klage beim EuGH erhoben. Eine Anwendung der Sanierungsklausel im Steuerfestsetzungsverfahren war im Anschluss bis zur Entscheidung über die Nichtigkeitsklage nach § 34 Abs. 6 KStG a.F. nicht mehr möglich. Mit Urteil vom 28.6.2018 hat der Europäische Gerichtshof (Az. C-203/16 P) nunmehr über das Verfahren entschieden. Aus diesem Grund wurde durch das UStAVermG vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338) § 34 Abs. 6 KStG geändert. Danach findet § 8c Abs. 1a KStG i.d.F. des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes erstmals für den VZ 2008 und auf Anteilsübertragungen nach dem 31.12.2007 Anwendung. Erfüllt ein nach dem 31.12.2007 erfolgter Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c KStG nunmehr die Voraussetzungen des § 8c Abs. 1a KStG, bleibt er bei der Anwendung des § 8c KStG unberücksichtigt (vgl. OFD Nordrhein-Westfalen vom 20.12.2018, S 2745 a-2015/0011-St 135, FMNR554380018).

Nach § 8c Abs. 1a KStG gehen nicht genutzte Verluste nicht unter, wenn der Beteiligungserwerb zum Zweck der Sanierung des Geschäftsbetriebs erfolgt. Die Sanierung ist als eine Maßnahme definiert, die darauf gerichtet ist, die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung zu verhindern oder zu beseitigen und zugleich die wesentlichen Betriebsstrukturen der Körperschaft zu erhalten. Der Beteiligungserwerb muss somit zum Zeitpunkt der drohenden oder eingetretenen Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung stattfinden.

Für Anteilserwerbe, die bereits vor der Krise erfolgt sind, ist die Sanierungsklausel nicht anwendbar. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen für die Frage, ob eine Krise droht oder bereits eingetreten ist, die Regelungen zum Eigenkapitalersatzrecht herangezogen werden (§§ 32a, 32b GmbHG a.F., vgl. OFD Nordrhein-Westfalen vom 20.12.2018, S 2745 a-2015/0011-St 135, Rn. 4). Die OFD NRW verweist in diesem Zusammenhang auf die standardisierten Vorgaben des IDW S 6 zur Erstellung eines Sanierungsplans. Ein solcher sei nicht zwingend zu fordern, indiziere aber die Voraussetzungen für die Sanierungsklausel. Gleichzeitig weist die OFD in ihrer o.g. Verfügung daraufhin, dass ein Erwerb zum Zwecke der Sanierung nicht mehr vorliege, wenn zwischen Erwerb und Beginn der Maßnahmen mehr als ein Jahr vergangen sei.

Ein Erhalt der wesentlichen Betriebsstrukturen liegt nach der abschließenden Aufzählung in § 8c Abs. 1a Satz 3 KStG in folgenden Fällen vor:

  • Arbeitsplätze werden nur im Rahmen einer geschlossenen Betriebsvereinbarung mit Arbeitsplatzregelung abgebaut oder

  • die Summe der maßgeblichen Lohnsummen der Zielkörperschaft unterschreitet innerhalb von fünf Jahren nach dem Beteiligungserwerb nicht 400 % der Ausgangslohnsumme (§ 13a Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 und Abs. 4 ErbStG a.F. gilt sinngemäß) oder

  • nach dem Beteiligungserwerb wird durch Einlagen wesentliches Betriebsvermögen zugeführt. Eine wesentliche Betriebsvermögenszuführung liegt vor, wenn der Körperschaft innerhalb von 12 Monaten nach dem Beteiligungserwerb neues Betriebsvermögen zugeführt wird, das mindestens 25 % des in der Steuerbilanz zum Schluss des vorangehenden Wj. enthaltenen Aktivvermögens entspricht.

Zur Ermittlung der Lohnsumme wird auf die Berechnung nach § 13a Abs. 4 ErbStG a.F. verwiesen, d.h. § 13a ErbStG in der Fassung des ErbStRG vom 24.12.2008. Zur Ermittlung der Lohnsummenberechnung kann auf die Erläuterungen zu dieser Fassung zurückgegriffen werden (Abschn. 8 Ländererlass vom 25.6.2009). Die Beschreibung der Lohnsumme orientiert sich an der Definition in Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1503/2006 der Kommission vom 28.9.2006 (ABl. L 281/15). Im Allgemeinen ist es nicht zu beanstanden, wenn bei inländischen Gewerbebetrieben von dem in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Aufwand für Löhne und Gehälter (§ 275 Abs. 2 Nr. 6 HGB) ausgegangen wird; der Arbeitgeberanteil zu den Sozialabgaben ist hierbei nicht einzubeziehen. Die aktuellen ErbStR enthalten in R E 13a.5 Satz 1 und Satz 2 ErbStR ebenfalls diese Umschreibung.

Beträgt die Ausgangslohnsumme 0 € oder hat die Körperschaft nicht mehr als 10 bzw. (ab VZ 2010) nicht mehr als 20 Arbeitnehmer, so ist die Lohnsummenregelung nach § 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 2 KStG nicht anwendbar. In diesen Fällen kann die Körperschaft die Tatbestandsmerkmale der Erhaltung der wesentlichen Betriebsstrukturen nur über § 8c Abs. 1a Satz 3 Nr. 1 oder Nr. 3 KStG erfüllen (OFD Nordrhein-Westfalen vom 20.12.2018, S 2745 a-2015/0011-St 135, Rn. 18).

Bei der Zuführung von Betriebsvermögen durch Einlagen ist zu beachten, dass die 25 % Grenze einen vollständigen Anteilserwerb unterstellt. Daher ist diese Grenze entsprechend zu reduzieren, wenn nur ein anteiliger Erwerb erfolgt. Werden 80 % der Anteile übertragen reduziert sich die Grenze von 25 % auf 20 %.

Die Sanierungsklausel entfällt rückwirkend, d.h. die nicht genutzten Verluste gehen rückwirkend unter, wenn

  • der Lohnsummenvergleich scheitert oder

  • nicht in ausreichendem Maße Betriebsvermögen zugeführt wird.

In diesen Fällen ist § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO einschlägig (vgl. OFD Nordrhein-Westfalen vom 20.12.2018, S 2745 a-2015/0011-St 135, Rn. 19, 30).

Zur Vermeidung von Missbräuchen ist die Anwendung der Sanierungsklausel ausgeschlossen, wenn die zu sanierende Körperschaft ihren Geschäftsbetrieb im Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs im Wesentlichen eingestellt hat oder nach dem Beteiligungserwerb innerhalb von fünf Jahren ein Branchenwechsel erfolgt (§ 8c Abs. 1a Satz 4 KStG). Auch hier ist ggf. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO einschlägig, sofern innerhalb dieser fünf Jahre ein Branchenwechsel erfolgt.

1.10. Ausnahme für Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaften

Gerade mittelständische Unternehmen in der Gründungsphase sind oftmals von finanzieller Unterstützung durch Investoren oder Private-Equity-Gesellschaften abhängig. Die wirtschaftlichen Folgen werden sich dann bemerkbar machen, wenn Investoren sich nicht an jungen oder krisenbehafteten Unternehmen beteiligen, da sie eine Versagung des Verlustabzugs zu befürchten haben. Ähnliche Probleme könnten bei Existenzgründungen auftreten. Vor diesem Hintergrund sollte § 8c KStG bereits durch das Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen (MoRaKG) vom 12.8.2008 (BGBl I 2008, 1672) geändert werden, indem die Norm um einen Absatz 2 ergänzt wird. Dieser sieht eine Ausnahmeregelung für den Fall eines unmittelbaren schädlichen Beteiligungserwerbs an einer Zielgesellschaft i.S.d. § 2 Abs. 3 WKBG durch eine Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft vor. Insoweit geht ein vorhandener Verlustvortrag der Zielgesellschaft nicht unter, als er auf stille Reserven des steuerpflichtigen inländischen Betriebsvermögens der Zielgesellschaft entfällt (abziehbarer Verlust). Gleiches soll auch für Kapitalerhöhungen gelten, soweit sie zu einer Änderung der Beteiligung der Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft an der Zielgesellschaft führen. Unschädlich ist ebenso die Weiterveräußerung der Anteile durch die Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft, soweit zwischen der Anschaffung und Veräußerung der Beteiligung durch die Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft mehr als vier Jahre liegen und die Zielgesellschaft bei Erwerb der Beteiligung ein Eigenkapital von nicht mehr als 20 Mio. € aufweist oder die Zielgesellschaft ein Eigenkapital von nicht mehr als 100 Mio. € aufweist und die den Betrag von 20 Mio. € übersteigende Erhöhung des Eigenkapitals auf den Jahresüberschüssen der der Veräußerung vorangegangenen vier Jahre beruht. Letzteres soll insbesondere die Eigenkapitalentwicklung forschungsintensiver Kapitalgesellschaften berücksichtigen. § 8c Abs. 2 KStG ermöglicht eine zeitlich gestreckte Nutzungsmöglichkeit bestehender Verlustvorträge der Zielgesellschaft. Im Jahr des schädlichen Anteilserwerbs soll der nutzbare Verlust 1/5 der stillen Reserven der Zielgesellschaft betragen und in den folgenden vier Jahren jeweils um 20 % ansteigen, sodass der Wagniskapitalbeteiligungsgesellschaft das volle Verlustnutzungsvolumen nach einem Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung steht. Gemäß Art. 8 Abs. 2 MoRaKG bedurfte die geplante Gesetzesänderung der Zustimmung der EU-Kommission. Da die Zustimmung durch die EU-Kommission jedoch nicht erteilt wurde, ist § 8c Abs. 2 KStG nicht in Kraft getreten.

1.11. Verfassungsmäßigkeit des § 8c KStG

1.11.1. Entscheidung des BVerG

Das BVerfG hat mit Beschluss vom 29.3.2017, 2 BvL 6/11, entschieden, dass § 8c Satz 1 KStG i.d.F. vom 14.8.2007 sowie § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG i.d.F. vom 12.8.2008 und die späteren Fassungen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften 2016 (Einführung § 8d KStG s. 2) verfassungswidrig ist. Nach der Entscheidung des BVerfG ist § 8c Satz 1 (Abs. 1 Satz 1) KStG mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit bei einer unmittelbaren Übertragung von mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals an einer Kapitalgesellschaft an einen Erwerber (schädlicher Beteiligungserwerb – s. 1.3) insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar sind (Rn. 97 aus der Begründung).

An der Unvereinbarkeit von § 8c (Abs. 1) Satz 1 KStG mit Art. 3 Abs. 1 GG hat sich durch die Ergänzung der Vorschrift um eine Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG) sowie um eine Konzernklausel (§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG) und eine Stille-Reserven-Klausel (§ 8c Abs. 1 Sätze 6 bis 9 KStG) nichts geändert.

Ob durch Einführung von § 8d KStG mit Wirkung vom 1.1.2016 der Anwendungsbereich von § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG in einer Weise reduziert worden ist, dass die Norm nunmehr den Anforderungen von Art. 3 Abs. 1 GG genügt, bedarf gesonderter Betrachtung, weil der Gesetzgeber damit für den Verlustabzug nicht mehr ausschließlich auf einen Anteilseignerwechsel abstellt, sondern daneben der Fortführung desselben Geschäftsbetriebs maßgebliche Bedeutung beimisst. Sie ist deshalb nicht mehr ohne Weiteres aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz unvereinbar wie vor dem Inkrafttreten von § 8d KStG, sodass eine Erstreckung der Unvereinbarkeitserklärung über diesen Zeitpunkt hinaus nach § 78 Satz 2 BVerfGG (i.V.m. § 82 Abs. 1 BVerfGG) nicht in Betracht kommt.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, den festgestellten Verfassungsverstoß bis zum 31.12.2018 rückwirkend zum Zeitpunkt der Einführung von § 8c (Abs. 1) Satz 1 KStG zu beseitigen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, tritt am 1.1.2019 im Umfang der festgestellten Unvereinbarkeit rückwirkend auf den Zeitpunkt seines Inkrafttretens die Nichtigkeit von § 8c (Abs. 1) Satz 1 KStG ein. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des JStG 2018 den bisherigen Satz 1 in § 8c Abs. 1 ersatzlos gestrichen.

Neben der Verfassungswidrigkeit des früheren Satzes 1 in § 8c Abs. 1 KStG ist auch die Verfassungsmäßigkeit der ursprüngliche Satzes 2 der Vorschrift (jetzt Satz 1) zweifelhaft. Das FG Hamburg hat nunmehr dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 8c (Abs. 1) Satz 2 KStG verfassungswidrig ist (vgl. Pressemitteilung des FG Hamburg vom 30.8.2017, LEXinform 0447028). Das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 2 BvL geführt (Vorinstanz FG Hamburg, 29.8.2017, 2 K 245/17, Vorlagebeschluss). Gegenstand der jetzigen Vorlage ist § 8c (Abs. 1) Satz 2 KStG, hiernach fällt der Verlustvortrag vollständig weg, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 50 % der Anteile übertragen werden. Im Hinblick auf dieses anhängige Verfahren zur Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG hat das FG Hamburg Aussetzung der Vollziehung gewährt. Das FG führt aus, dass im Rahmen der summarischen Prüfung eher zu erwarten sei, dass § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG nicht für die Zukunft, sondern auch rückwirkend für nichtig erklärt wird (FG Hamburg Beschluss vom 11.4.2018, 2 V 20/10, LEXinform 5021095).

1.11.2. Verfahrensrechtliche Umsetzung durch die Finanzverwaltung

Der ursprüngliche Vorläufigkeitsvermerk wurde durch Erlass vom 10.1.2019 aufgehoben (LEXinform 5236783).

Die Aussetzung der Steuerfestsetzung hatte bewirkt, dass § 8c (Abs. 1) Satz 1 KStG aufgrund der vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungswidrigkeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung vorerst nicht anzuwenden ist, soweit bei der unmittelbaren Übertragung innerhalb von fünf Jahren von mehr als 25 % des gezeichneten Kapitals an einer Kapitalgesellschaft auf einen Erwerber (schädlicher Beteiligungserwerb) vor dem 1.1.2016 insoweit die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht ausgeglichenen oder abgezogenen negativen Einkünfte (nicht genutzte Verluste) nicht mehr abziehbar sind.

Mit der Aufhebung der Aussetzung der Steuerfestsetzung kommt auch ein Ruhenlassen außergerichtlicher Rechtsbehelfsverfahren insoweit nicht mehr in Betracht.

Der bisherige Vorläufigkeitsvermerk betraf nur Fälle

  • zu § 8c Satz 1 bzw. Abs. 1 Satz 1 KStG a.F.

  • bei einem unmittelbaren schädlichen Beteiligungserwerb

  • bis 2015.

Nicht betroffen waren Fälle

  • zu § 8c Satz 2 bzw. Abs. 1 Satz 2 KStG a.F. sowie

  • bei einem mittelbaren schädlichen Beteiligungserwerb

  • ab 2016.

Zur Verfassungsmäßigkeit des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG a.F. vgl. aber Beschluss des FG Hamburg (29.8.2017, 2 K 245/17, EFG 2017, 1906). Das Verfahren wird beim BVerfG unter dem Aktenzeichen 2 BvL 19/17 geführt. Die Finanzverwaltung wendet diese Vorschrift (vollständiger Verlustuntergang, s. 1.6.2) weiterhin an. Die entsprechenden Bescheide werden in diesem Punkt nicht vorläufig erlassen. Der o.g. Vorläufigkeitsvermerk galt hierfür nicht! Entsprechend müssen die Festsetzungen angefochten werden. Die Einsprüche ruhen kraft Gesetzes, § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.

Für mittelbare Anteilsübertragungen gilt der o.g. Vorläufigkeitsvermerk ebenfalls nicht. Entsprechende Einsprüche ruhen (auf Antrag) aus Zweckmäßigkeitsgründen, § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.

Gleiches gilt für schädliche Beteiligungserwerbe (mittelbar oder unmittelbar) nach dem 1.1.2016 (Einführung des § 8d KStG, s. 2).

Das FG Hamburg hat zu § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG a.F. Aussetzung der Vollziehung gewährt. Das FG führt aus, dass im Rahmen der summarischen Prüfung eher zu erwarten sei, dass § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG a.F. nicht für die Zukunft, sondern auch rückwirkend für nichtig erklärt wird (FG Hamburg Beschluss vom 11.4.2018, 2 V 20/10, LEXinform 5021095).

Im Rahmen des sog. JStG 2018 erfolgte die ersatzlose Aufhebung des § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG a.F. § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG a.F. wird aber unverändert als künftiger Satz 1 der Vorschrift fortgeführt, betroffene Fälle müssen daher weiterhin offengehalten werden.

2. Fortführungsgebundener Verlustvortrag § 8d KStG

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften vom 20.12.2016 (BGBl I 2016, 2998) soll im Grunde eine antragsgebundene Ausnahme des Verlustabzugs des § 8c KStG gewährt werden. Der fortführungsgebundene Verlustvortrag unterliegt einer Reihe von sehr eng ausgelegten Voraussetzungen.

Das primäre Ziel ist junge, innovative Unternehmen (Start-ups) vor den negativen Folgen des Verlustunterganges durch Wechsel der Anteilseigner zu bewahren. Gerade bei ihnen sind Investoren von Nöten, die dann ggf. für eine bestimmte Zeit als Gesellschafter beteiligt werden sollen. Allerdings können, bei Erfüllen der Voraussetzungen, alle Körperschaften von der Neuregelung profitieren.

Die Finanzverwaltung hat mit Erlass vom 18.3.2021 zu § 8d KStG Stellung genommen (LEXinform 7012667). Dieses gilt nach den gleichlautenden Erlassen der Länder vom 19.3.2021 auch für die Gewerbesteuer.

2.1. Voraussetzungen

2.1.1. Anwendung des § 8c KStG sowie Ausnahmen

Grundsätzliche Voraussetzungen für die Anwendung des neuen § 8d KStG sind zunächst:

  • ein schädlicher mittelbarer oder unmittelbarer Beteiligungserwerb i.S.d. § 8c KStG,

  • die tatsächliche Anwendung des § 8c KStG.

Bedeutet: keine Anwendung der Konzernklausel oder der Sanierungsklausel.

Somit ist § 8d KStG in den Fällen der Konzernklausel (§ 8c Abs. 1 Satz 4 KStG) und der Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG) nicht anzuwenden. Andererseits ermöglicht die Stille-Reserven-Klausel (§ 8c Abs. 1 Satz 5 KStG) die Anwendung des § 8d KStG, da diese lediglich den Umfang des Verlustuntergangs beschränkt.

2.1.2. Beibehaltung des Geschäftsbetriebes im Beobachtungszeitraum gem. § 8d Abs. 1 KStG

Die erste eigenständige Voraussetzung des § 8d KStG ist, dass die Körperschaft innerhalb des Beobachtungszeitraums ausschließlich denselben Geschäftsbetrieb unterhalten muss.

  • Der Beobachtungszeitraum umfasst vier volle Veranlagungszeiträume. »Beobachtungszeitraum« bedeutet hier, dass seit der Gründung oder in den drei Veranlagungszeiträumen, die dem Antrag vorangegangen sind (zzgl. des Veranlagungszeitraums, in dem die Anteilsübertragung stattgefunden hat) ununterbrochen derselbe Geschäftsbetrieb unterhalten wurde.

  • »Derselbe Geschäftsbetrieb« wird in § 8d Abs. 1 Satz 3 und Satz 4 KStG definiert.

    Es geht vor allem um qualitative Merkmale, deren Kontinuität von Bedeutung sind, wie z.B. die angebotenen Produkte und Dienstleistungen, der Kunden- und Lieferantenkreis und die bedienten Märkte. Eine wirtschaftliche, finanzielle und organisatorische Identität ist hier ausschlaggebend. Grundsätzlich kann eine Kapitalgesellschaft auch mehrere Geschäftsbereiche haben, dann wäre sie aber für das Gesetz nicht förderungswürdig.

2.1.3. Antrag

Die Anwendung des § 8d KStG setzt einen Antrag voraus. Der Antrag ist schriftlich in der Steuererklärung zu stellen, für den Veranlagungszeitraum, in dem der schädliche Beteiligungserwerb (§ 8c KStG) auftritt, § 8d Abs. 1 Satz 5 EStG. Dies führt zu einer bewusst strengen Formvoraussetzung. Da der Antrag in der Steuererklärung gestellt werden muss, müssen die Formvorschriften für die elektronischen Steuererklärungen berücksichtigt werden. Das FG Thüringen hat hingegen in seiner Entscheidung vom 5.10.2018 festgestellt, dass ein Antrag auf fortführungsgebundenen Verlustvortrag auch nachgeholt werden könne, solange die materielle Bestandkraft der ursprünglichen Körperschaftsteuererklärung noch nicht eingetreten sei (FG Thüringen Gerichtsbescheid vom 5.10.2018, 1 K 348/18, EFG 2018, 1907). In der Entscheidungsbegründung führt das FG aus, dass weder nach den gesetzlichen Motiven noch nach dem Gesetzeswortlaut § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG eine Ausschlussfrist enthalte. § 8d Abs. 1 Satz 5 KStG formuliere lediglich, dass der »Antrag in der Steuererklärung für die Veranlagung des Veranlagungszeitraums zu stellen ist«. Die ursprünglich eingelegte Revision wurde zurückgenommen, die Entscheidung ist somit rechtskräftig. Das FG Niedersachen hat gleichfalls entschieden, dass der Antrag bis zum Eintritt der materiellen Bestandskraft ausgeübt werden könne (FG Niedersachen vom 28.11.2019, 6 K 356/18, Revision anhängig unter BFH I R 3/20).

In § 34 Abs. 6a Satz 1 KStG wurde eine weitere Einschränkung aufgenommen, die auf eine Prüfbitte des Bundesrates zurückzuführen ist. Eine Ein- oder Ruhend-Stellung des Geschäftsbetriebes vor dem 1.1.2016 führt grundsätzlich zum Ausschluss des Antragswahlrechtes des § 8d KStG.

Ein gestellter Antrag kann wahrscheinlich nicht durch eine spätere abweichende Wahlrechtsausübung – Widerruf – zurückgenommen werden, weil die Ausübung zeitlich begrenzt in der Steuererklärung erfolgen muss.

2.1.4. Rechtsfolgen

Wenn die Voraussetzungen des § 8d KStG erfüllt sind und ein Antrag gestellt wurde, führt dies zur Nichtanwendung des § 8c KStG. Die Verluste bleiben dann gem. § 8d Abs. 1 Satz 6 KStG als fortführungsgebundene Verluste, trotz schädlichem Anteilseigner-Wechsels, abzugsfähig. Dieser fortführungsgebundene Verlust ist gesondert auszuweisen und festzustellen, § 8d Abs. 1 Satz 7 KStG.

2.1.5. Schädliche Ereignisse im Überwachungszeitraum gem. § 8d Abs. 2 KStG

Wenn ein fortführungsgebundener Verlust für das Unternehmen festgestellt wurde, läuft ab dem Zeitpunkt der Überwachungszeitraum. Der Überwachungszeitraum ist zeitlich nicht begrenzt. In § 8d Abs. 2 KStG werden abschließend die Ereignisse aufgelistet, die zu einer Versagung des fortführungsgebundenen Verlustvortrages führen:

  • Einstellung des Geschäftsbetriebes i.S.d. § 8d Abs. 2 Satz 1 KStG:

    Dies ist nicht erst mit Betriebsaufgabe der Fall, sondern liegt bereits dann vor, wenn die bisherige Tätigkeit nur noch in einem unwesentlichen Ausmaß ausgeübt wird.

  • Ruhendstellen des Geschäftsbetriebes § 8d Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KStG:

    Ist relevant, wenn die Ruhendstellung des Betriebes nach dem 31.12.2015 erfolgt.

    Da aber ebenfalls die Voraussetzungen des Beobachtungszeitraums erfüllt sein müssen – also keine Ein- oder Ruhendstellung vor dem 1.1.2016 – ist ein Anwendungsfall erst im VZ 2020 denkbar.

  • Geänderte Zweckbestimmung § 8d Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KStG.

  • Aufnahme eines zusätzlichen Geschäftsbetriebes § 8d Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 KStG.

  • Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft § 8d Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 KStG.

  • Einnahme der Stellung eines Organträgers § 8d Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 KStG.

  • Ansatz von WG unter dem gemeinen Wert § 8d Abs. 2 Satz 2 Nr. 6 KStG.

2.1.6. Auswirkungen auf gewerbesteuerliche Fehlbeträge

§ 10a Abs. 1 Satz 10 GewStG führt zu einer Anwendbarkeit des § 8d KStG auch im Gewerbesteuerrecht.

2.2. Erstmalige Anwendung

Gem. § 34 Abs. 6a KStG ist der neu geschaffene § 8d KStG erstmals auf schädliche Beteiligungserwerbe, die nach dem 31.12.2015 erfolgen, anzuwenden, wenn der Geschäftsbetrieb vor dem 1.1.2016 weder ein- noch ruhend gestellt war.

3. § 10d EStG bei Kapitalgesellschaften

3.1. Verlustvor- und -rücktrag bei Kapitalgesellschaften

Die steuerliche Behandlung von Verlusten auf der Einkommensverwendungsebene setzt das Entstehen von Verlusten auf der Einkommenserzielungsebene und deren Berücksichtigung im Wege des Verlustabzugs voraus. Ein Verlustausgleich berührt nur die Einkommenserzielungsebene.

Der Verlustabzug ist in Form des Verlustrücktrags und des Verlustvortrags möglich.

Im laufenden VZ nicht ausgeglichene Verluste sind bis zu einem Betrag von 1 Mio. € (2020 und 2021 = 5 Mio. €) bei der Einkommensermittlung des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums abzuziehen (Verlustrücktrag), § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG, vgl. auch R 8.1 Abs. 1 Nr. 1 KStR. Auf Antrag kann ganz oder teilweise auf den Verlustrücktrag verzichtet werden, § 10d Abs. 1 Satz 5 KStG. Im Rahmen des Antrags kann der Verlustrücktrag auf einen konkreten Teilbetrag begrenzt werden, § 10d Abs. 1 Satz 5 und Satz 6 EStG.

Nicht ausgeglichene Verluste, für die ein Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 EStG nicht in Betracht kommt, sind in den folgenden VZ bis zu einem Gesamtbetrag von 1 Mio. € unbeschränkt abzugsfähig (Verlustvortrag). Darüber hinaus können sie nur noch bis zu 60 % des 1 Mio. € übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte als Verlustvortrag abgezogen werden, § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG. Diese »Deckelung« des Verlustabzugs betrifft nur den Verlustvortrag, beim Verlustrücktrag bleibt es bei der bereits bisher geltenden Begrenzung auf 1 Mio. €.

Im Rahmen des Zweiten Corona-Steuerhilfegesetzes wird der Verlustrücktrag für die Jahre 2020 und 2021 auf 5 Mio. € erweitert. Durch das Dritte Corona-Steuerhilfegesetz ist der Betrag nochmals auf 10 Mio. € angehoben worden. Durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz wird die erweiterte Verlustverrechnung bis Ende 2023 verlängert. Für 2022 und 2023 wird der Höchstbetrag beim Verlustrücktrag auf 10 Mio. € angehoben. Durch das Gesetz wird außerdem der Verlustrücktrag ab 2022 dauerhaft auf zwei Jahre ausgeweitet. Der Rücktrag erfolgt in die unmittelbar vorangegangenen beiden Jahre (vgl. Gesetzentwurf vom 21.3.2022, BT-Drs. 20/1111, die Zustimmung durch den Bundesrat erfolgte am 10.6.2022).

Das Ziel eines Verlustabzuges in Form eines Rücktrags oder Vortrags soll unter steuerlichen Aspekten darin bestehen, eine KSt-Entlastung i.H.d. Tarifbelastung des durch den Verlustabzug von KSt freigestellten Einkommens zu erreichen. Dies ist nach der Systemumstellung des KSt-Rechts auf eine Definitivsteuer künftig ohne Weiteres möglich.

In der Steuerbilanz wirkt sich ein Rücktrag im Rücktragsjahr nicht aus. Durch den Verlustrücktrag wird zwar das Einkommen dieses Jahres außerhalb der Bilanz gemindert und somit von der KSt freigestellt, ein daraus resultierender KSt-Erstattungsanspruch wirkt sich zeitlich erst nach Vornahme des Rücktrags aus, d.h. frühestens zum Ende des Verlustentstehungsjahres.

Der BFH hat entschieden, dass auch ein Verlustrücktrag aus einem verjährten Verlustentstehungsjahr in ein noch nicht festsetzungsverjährtes Rücktragsjahr möglich ist (BFH Urteil vom 27.1.2010, IX R 59/07, DStR 2010, 973). Allein im Verlustrücktragsjahr werde entschieden, in welcher Höhe Verluste abzusetzen sind. Auf die Festsetzungsverjährung des Verlustentstehungsjahres komme es dabei nicht an.

3.2. Die Vortragsberechnung

Der Verlustrücktrag ist bis zur Höhe von 1 Mio. € (2020 und 2021 = 5 Mio. €) ohne Einschränkungen möglich. Beim Verlustvortrag sind im Rahmen der Mindestbesteuerung folgende Einschränkungen zu beachten:

  • Bis zu einem Betrag von 1 Mio. € können Verluste unbeschränkt abgezogen werden (sog. Sockelbetrag).

  • Ein über den Sockelbetrag hinausgehender Verlust ist nur bis zu 60 % der verbleibenden positiven Einkünfte verrechenbar.

  • Diese Regelung gilt auch für die GewSt.

Beispiel 9:

Für die X-GmbH besteht zum 31.12.2018 ein vortragsfähiger Verlust i.H.v. 2 Mio. €. Im VZ 2019 erzielt die X-GmbH Einkünfte i.H.v. 1,5 Mio. €.

Lösung 9:

Verlustvortragsberechnung zum 31.12.2018:

Einkünfte (2019)

1 500 000 €

uneingeschränkt verrechenbar

./. 1 000 000 €

verbleiben

500 000 €

max. 60 % verrechenbar

./. 300 000 €

zvE (2019)

200 000 €

Verbleibender Verlustvortrag (31.12.2019): 2 Mio. € ./. 1,3 Mio. € = 0,7 Mio. €.

Hinweis:

Die Kürzung bei der GewSt um vorgetragene Verluste wird ebenfalls auf 60 % des laufenden Gewerbeertrags mit einem Sockelbetrag von 1 Mio. € begrenzt.

Während der Sockelbetrag als »Mittelstandskomponente« eingeführt wurde, sollte die Mindestbesteuerung (d.h. die weitere Deckelung auf 60 %) zur Verstetigung der Steuereinnahmen führen.

Mit dem Urteil vom 22.8.2012 hat der BFH die Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung ausgeräumt und diese in ihrem Grundkonzept bestätigt (BFH Urteil vom 22.8 2012, I R 9/11, BStBl II 2013, 512).

3.3. Verluste aus einer stillen Beteiligung

Für die Verluste aus einer stillen Beteiligung sind § 15 Abs. 1 Nr. 4 Satz 6–8 EStG und § 15a EStG entsprechend anzuwenden, § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG.

4. Literaturhinweise

Zu § 8c KStG: Beußer, DB 2007, 1549; Lenz/Ribbrock, BB 2007, 587; Preißer/von Rönn/Schultz-Aßberg (2007), Die Unternehmensteuerreform 2008; Schäfer, Insolvenzrechtliche Fragen zum SEStEG, DStR 2006, 2085; Wiese, SEStEG …, DStR 2007, 741, 744; Dörfler/Wittkowski, SEStEG, GmbHR 2007, 513; Wiese/Klass/Möhrle, Der Regierungsentwurf zur Unternehmensteuerreform 2008 – Überblick und erste Anmerkungen, GmbHR 2007, 405 (410); Neyer, Verlustnutzung nach Anteilsübertragung, Die Neuregelung des Mantelkaufs durch § 8c KStG n.F., BB 2007, 1415; Markmann (2007), Die Neuregelung des Mantelkaufs gem. § 8c KStG i.d.F. des UntStRefG 2008 unter Berücksichtigung der geplanten Änderungen des GmbH-Rechts, Diplomarbeit Universität Lüneburg; Meiisel/Bokeloh, Anmerkungen zum Entwurf des BMF-Schreibens zu § 8c KStG, BB 2008, 808; Suchanek, Verlustabzugsbeschränkung für Körperschaften, GmbHR 2008, 292; Breuninger/Schade, Entwurf eines BMF-Schreibens zu § 8c KStG – »Verlustvernichtung« ohne Ende?, UbG 2008, 261; Rödder/Möhlenbrock, Die Neuregelung des § 8c KStG betr. Verluste von Kapitalgesellschaften bei Beteiligungserwerben, UbG 2008, 595; Roser, Verlustabzüge nach § 8c KStG – ein ernüchterndes Anwendungsschreiben, DStR 2008, 1561; Altrichter-Herzberg, Untergang der steuerlichen Verlustvorträge nach § 8c KStG, GmbHR 2008, 857; Suchanek/Herbst, Erweiterte Verlustabzugsmöglichkeiten für Investitionen in »junge« Unternehmen, GmbHR 2008, 862; Sistermann/Brinkmann, Verlustuntergang aufgrund konzerninterner Umstrukturierungen, DStR 2008, 897; Harle/Geiger, Gestaltungsmöglichkeiten innerhalb des Verlustabzugs bei Körperschaften nach dem BMF-Schreiben vom 4.7.2008 zu § 8c KStG, GmbHR 2008, 873; Sistermann/Brinkmann, Verlustabzugsbeschränkungen nach § 8c KStG-Anmerkungen zum BMF-Schreiben vom 4.7.2008, BB 2008, 1928; Kussmaul/Richter/Tcherveniachki, Ausgewählte praktische Problemfelder im Kontext des § 8c KStG, GmbHR 2008, 1009; Thonemann, Verlustbeschränkung und Zinsschranke in der Unternehmensnachfolgeplanung, DB 2008, 2156; Hannes/von Freeden, Der Abschluss eines erbschaftsteuerlich motivierten Poolvertrages unter Berücksichtigung von § 8c KStG, UbG 2008, 624; Neyer, Verlustnutzung nach Anteilsübertragung – Zum Umfang des Verlustverwertungsverbots gem. § 8c KStG, BB 2009, 415; Pohl, Gesplittete Anteilsübertragung und § 8c KStG. Ein neuer Anwendungsfall der Gesamtplanrechtsprechung?, GmbHR 2009, 132; Kollruss/Weißert/Ilin, Die KGaA im Lichte der Verlustabzugsbeschränkung des § 8c KStG und der Zinsschranke, DStR 2009, 88; Scheipers/Linn, Änderungen des § 8c KStG durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz, Ubg 2010, 8; Frey/Mückl, Konzeption und Systematik der Änderungen beim Verlustabzug (§ 8c KStG): Chancen und Risiken für die Gestaltungspraxis, GmbHR 2010, 71; Haßa/Gosmann, Zweifelsfragn zu Konzernklausel und Verschonungsregel des § 8c KStG, DB 2010, 1198; de Weerth, Die Sanierungsklausel des § 8c KStG und europäisches Beihilferecht, DB 2010, 1205; Breuninger/Ernst, Der Beitritt eines rettenden Investors als (stiller) Gesellschafter und der »neue« § 8c KStG. Droht jetzt das Ende der Sanierungsklausel durch das EU-Beihilfeverbot?, GmbHR 2010, 561; Rödder/von Freeden, Stille Reserven für Zwecke des § 8c KStG bei unmittelbarem und zugleich mittelbarem (mehrstufigem) Beteiligungserwerb, Ubg 2010, 551; Neyer, Die Konzernklausel für den Verlustabzug. Problembereiche der Verschonungsregel des § 8c Abs. 1 Satz 5 KStG, GmbHR 2010, 1132; Drüen, Die Sanierungsklausel des § 8c KStG als europarechtswidrige Beihilfe – Anmerkungen zur Beihilfeentscheidung der EU-Kommission vom 26.1.2011, DStR 2011, 289; Dr. Olbing, Was nützt das neue BMF-Schreiben vom 28.11.2017, GmbH-StB 2018, 54; Kußmaul/Licht, Richtungswechsel bei der beihilferechtlichen Würdigung von § 8c Abs. 1a KStG? – Die EuGH-Urteile zur Sanierungsklausel, BB 2018, 1948.

Zu § 8d KStG: Gesetz zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften vom 20.12.2016, BGBl I 2016 Nr. 63, 2998; Merker, Neuregelung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften – Wichtige Einzelheiten im Überblick, SteuerStud 2017, 19; Förster, Der fortführungsgebundene Verlustvortrag: Eine neue Ausnahme vom schädlichen Beteiligungserwerb nach § 8c KstG, Stbg 2016, M1; Dörr/Reisich/Plum, Fortführungsgebundener Verlustvortrag nach § 8d KStG, NWB direkt 2017, 155; Noel, Der fortführungsgebundene Verlustvortrag gem. § 8d KStG, GmbHStB 2017, 86; Neumann/Heuser, § 8d KStG – Weiterentwicklung der körperschaftsteuerlichen Verlustverrechnung für eng begrenzte Sonderfälle, GmbHR 2017, 281.

5. Verwandte Lexikonartikel

Einkommensermittlung

Gewinnermittlung

Mantelkauf

Verluste

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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