Krankheitskosten

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Sie können entstandene Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend machen.
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  • Krankheitskosten sind z.B. Arztkosten, rezeptpflichtige Medikamente, Rezeptgebühren, Hilfsmittel (Brillen, Zahnersatz, Rollstühle u.a.), Fahrten zu Behandlungen.

Inhaltsverzeichnis

1 Typische Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG
2 Nachweis
2.1 Ärztliches Rezept
2.2 Überblick über die BFH-Rechtsprechung
2.3 Gesetz und Verwaltungsregelung zum Nachweis von Krankheitskosten
3 Übernahme der Krankheitskosten für einen Unterhaltsberechtigten
4 Werbungskosten und Betriebsausgaben
4.1 Grundsätzliches zur Berücksichtigung der Krankheitskosten
4.2 Berücksichtigung von Krankheitskosten zusätzlich zur Entfernungspauschale
4.3 Typische Berufskrankheiten
5 Schulgeldzahlungen/Besuchsfahrten als außergewöhnliche Belastung
6 Einzelfälle-ABC
6.1 Abmagerungskur
6.2 Adipositas
6.3 Allergie
6.4 Alternative Medizinmethoden
6.5 Anthroposophische Behandlungsmethode
6.6 Aspirin
6.7 Ayurveda-Behandlung
6.8 Behindertengerechter Um- bzw. Neubau
6.9 Behindertenpauschbetrag
6.10 Bekleidungskosten von Transsexuellen
6.11 Besuch eines Sportstudios
6.12 Besuchsfahrten
6.13 Bettzeug
6.14 Bioresonanztherapie
6.15 Birkenpollenallergie
6.16 Bulimie
6.17 Burn-out
6.18 Delfintherapie
6.19 Diätverpflegung
6.20 Dispokinese
6.21 Einlegesohlen
6.22 Eizellspende
6.23 Entziehungskur
6.24 Fahrtkosten
6.25 Fettabsaugung
6.26 Geschlechtsumwandlung
6.27 Gruppentreffen suchtgefährdeter Menschen
6.28 Haarausfall beim Mann
6.29 Haartransplantation
6.30 Hand- und Fußcremes
6.31 Heileurythmie
6.32 Kaufzwang
6.33 Klimaheilbehandlung
6.34 Krankengeld, Krankenhaustagegeld, Krankentagegeld
6.35 Krebsabwehrtherapie
6.36 Künstliche Befruchtung
6.37 Kur
6.37.1 Nachweis
6.37.2 Kinderkuren
6.37.3 Begleitperson
6.37.4 Kurreisen
6.37.5 Badekur
6.37.6 Fahrtkosten
6.37.7 Übernahme von Kurkosten durch den Arbeitgeber
6.38 Lebensmittelkosten
6.39 Legasthenieerkrankung
6.40 Leihmutterschaft
6.41 Liposuktion
6.42 Magnetfeldtherapie
6.43 Maschendrahtzaunersatz
6.44 Medikamente
6.45 Medizinische Fachliteratur
6.46 Medizinische Hilfsmittel
6.47 Medizinische Seminare für Pflegeeltern
6.48 Nahrungsergänzungsmittel
6.49 Neurodermitisbehandlung am Toten Meer
6.50 Schönheitsoperationen
6.51 Schulgeldzahlungen
6.52 Thermalbäder
6.53 Tierarztkosten
6.54 Tomatis-Therapie
6.55 Toupet
6.56 Trinkgelder
6.57 Vorauszahlungen
6.58 Wassergymnastik
6.59 Wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden
6.60 Zahn-Implantate
6.61 Zwischenheimfahrten bei einer Begleitperson
7 Ermittlung der zumutbaren Belastung
8 Literaturhinweise
9 Verwandte Lexikonartikel

1. Typische Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG

Krankheitskosten stellen außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG dar (→ Außergewöhnliche Belastungen). Dazu zählen Aufwendungen für die Behandlung durch Ärzte und Heilpraktiker, für Operationen, Zahnbehandlungen und Zahnersatz, Medikamente, Krankenhausaufenthalte, Krankenbeförderungen, technische Hilfsmittel.

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Der BFH geht in ständiger Rspr. davon aus, dass Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Stpfl. aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen (BFH Beschluss vom 9.11.2010, VI B 101/10, BFH/NV 2011, 588, LEXinform 5905985). Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zweck der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel geleistet werden, die Krankheit erträglich zu machen. Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf (BFH Urteile vom 1.2.2001, III R 22/00, BStBl II 2001, 543; vom 3.12.1998, III R 5/98, BStBl II 1999, 227). Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten. Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden (BFH Urteil vom 18.6.1997, III R 84/96, BStBl II 1997, 805), also medizinisch indiziert sind. Aufwendungen, die nicht auf einer medizinisch indizierten Behandlung beruhen, zählen nicht zu den Krankheitskosten (BFH Beschluss vom 15.11.1999, III B 76/99, BFH/NV 2000, 697). Zur Berücksichtigung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung nimmt das FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 10.10.2016 (5 K 2714/15, EFG 2016, 1258, LEXinform 5019230, rkr.) Stellung. S. dazu → Pflegekosten unter dem Gliederungspunkt »Berücksichtigung nach § 33 EStG«.

Aufwendungen für eine Heilbehandlung in diesem Sinne werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass im Einzelfall die grundsätzlich gebotene Prüfung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach durchzuführen ist.

Obwohl die Mehrzahl der Stpfl. entweder pflichtversichert ist oder freiwillig eine Krankenversicherung abgeschlossen hat und die Prämien als Sonderausgaben abziehbar sind (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG), werden Krankheitskosten auch dann als zwangsläufig beurteilt, wenn der Betroffene nicht krankenversichert ist. Denn auch insoweit wäre ein unangemessenes Eindringen in die Privatsphäre des Einzelnen erforderlich, z.B. zur Prüfung, ob eine Versicherung im Hinblick auf besondere Risiken abgelehnt oder nur mit unzumutbar hohen Prämien erreicht werden könnte (BFH Urteile vom 29.11.1991, III R 191/90, BStBl II 1992, 293 und vom 26.6.2003, III R 36/01, BStBl II 2004, 47). Voraussetzung ist jedoch, dass der Nachweis der Zwangsläufigkeit nach § 64 EStDV erbracht wird (FinBeh Hamburg vom 20.4.2015, S 2284 – 2014/009-52, DStR 2016, 479). R 33.2 Nr. 7 EStR und H 33.1–33.4 [Ersatz von dritter Seite] EStH sind insoweit nicht – analog – anzuwenden (s.a. LfSt Rheinland-Pfalz vom 18.12.2014, S 2284 A – St 32 3, ohne Fundstelle).

Mit Urteil vom 11.11.2010 (VI R 17/09, BStBl II 2011, 969) hat der BFH entschieden, dass der Verzicht auf die Inanspruchnahme von Sozialleistungen dem Abzug von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG nicht entgegensteht.

Krankheitskosten einschließlich Zuzahlungen sind außergewöhnliche Belastungen. Es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, bei der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung dieser Aufwendungen auf den Ansatz der zumutbaren Belastung zu verzichten; vgl. BFH vom 2.9.2015, VI R 32/13 sowie BFH vom 2.9.2015, VI R 33/13.

Mit Urteil vom 17.11.2014 (5 K 149/14 E, LEXinform 5017461) hat das FG Münster entschieden, dass Krankheitskosten, die der Versicherte selbst trägt, um in den Genuss einer Beitragsrückerstattung seiner Krankenversicherung zu kommen, nicht als Sonderausgaben abzugsfähig sind. Mit Urteil vom 19.4.2017, 11 K 11327/16 entschied das FG Berlin-Brandenburg zur Beitragsrückerstattung wie folgt: Ein Abzug als außergewöhnliche Belastung scheidet auch dann aus, wenn der Steuerpflichtige aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen auf ihm zustehende Ersatzansprüche verzichtet, etwa wenn ein privat Krankenversicherter Krankheitskosten nicht bei der Versicherung einreicht, um eine Beitragsrückerstattung des Krankenversicherers zu erhalten.

Nach dem Urteil des FG Münster vom 17.11.2014 (5 K 149/14 E, LEXinform 5017461) fallen selbst getragene Krankheitskosten grundsätzlich unter den Begriff der außergewöhnlichen Belastung gem. § 33 Abs. 1 EStG. Eine Berücksichtigung der Krankheitskosten scheidet jedoch dann aus, wenn die Ausgaben nicht die Zumutbarkeitsschwelle des § 33 Abs. 3 EStG (zumutbare Belastung) überschreiten. Das FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 19.4.2017, 11 K 11327/16, EFG 2017, 1265, LEXinform 5020433, rkr.) vertritt dagegen die Rechtsauffassung, dass ein Abzug als außergewöhnliche Belastung auch dann ausscheidet, wenn der Stpfl. aus nachvollziehbaren wirtschaftlichen Gründen auf ihm zustehende Ersatzansprüche verzichtet, etwa wenn ein privat Krankenversicherter Krankheitskosten nicht bei der Versicherung einreicht, um eine Beitragsrückerstattung des Krankenversicherers zu erhalten (so auch FG Hamburg vom 26.8.2004, VI 167/02, EFG 2005, 444, LEXinform 0819059, rkr.). Krankheitskosten werden (anders als Vermögensschäden) auch dann als zwangsläufig beurteilt, wenn der Betroffene gegen das entsprechende Risiko gar keine Versicherung abgeschlossen hat; damit soll ein unangemessenes Eindringen in die Privatsphäre des Einzelnen, z.B. zur Prüfung, ob eine Versicherung im Hinblick auf besondere Risiken abgelehnt worden ist, vermieden werden (BFH Urteile vom 29.11.1991, III R 191/90, BStBl II 1992, 293 und vom 26.6.2003, III R 36/01, BStBl II 2004, 47). Hiervon zu unterscheiden ist der Fall, dass der Steuerpflichtige seine Aufwendungen auf einen Versicherer abwälzen könnte, hierauf jedoch aufgrund einer autonomen Entscheidung verzichtet (s.a. Pressemitteilung des FG Berlin-Brandenburg vom 15.6.2017, LEXinform 0446630). Zu den selbst getragenen Krankheitskosten hat der BFH mit Urteil vom 29.11.2017 (X R 3/16, BStBl II 2018, 384) entschieden, dass die selbst getragenen Krankheitskosten, die der Stpfl. deshalb trägt, um von seiner privaten Krankenversicherung eine Beitragsrückerstattung zu erhalten, nicht von den erstatteten Beiträgen abgezogen werden können. Die erstatten Beiträge mindern ihrerseits die Höhe der abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge. Eine Minderung des Erstattungsbetrages hätte nämlich die Wirkung, als würden die selbst getragenen Krankheitskosten wie abziehbare Krankenversicherungsbeiträge behandelt. Die vom Stpfl. selbst getragenen Krankheitskosten sind keine Beiträge zu einer Versicherung (BFH vom 29.11.2017, X R 3/16, BStBl II 2018, 384, Rz. 17). Nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG muss es sich um Beiträge »zu« einer Krankenversicherung handeln. Daraus folgt, dass nur solche Ausgaben als Beiträge zu Krankenversicherungen anzusehen sind, die zumindest im Zusammenhang mit der Erlangung des Versicherungsschutzes stehen und damit – als Vorsorgeaufwendungen – letztlich der Vorsorge dienen. Aufgrund dessen hat der BFH bereits entschieden, dass Zahlungen aufgrund von Selbst- bzw. Eigenbeteiligungen an entstehenden Kosten keine Beiträge zu einer Versicherung sind (s.u. BFH Urteil vom 1.6.2016, X R 43/14, BStBl II 2017, 55). In seiner Entscheidung X R 3/16 konnte der BFH offenlassen, ob die selbst getragenen Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG zu berücksichtigen sind. Im Entscheidungsfall war die zumutbare Belastung i.S.d. § 33 Abs. 3 EStG nicht überschritten (s.a. Anmerkung vom 17.4.2018, LEXinform 0653416 und Pressemitteilung des BFH Nr. 19/2018 vom 11.4.2018, LEXinform 0448081).

Bei der Praxisgebühr handelt es sich um zusätzliche Krankheitskosten und damit um agB i.S.d. § 33 EStG (OFD Frankfurt vom 15.11.2004, DB 2004, 2782).

Mit Urteil vom 20.2.2019 (9 K 325/16, EFG 2019, 712, LEXinform 5021960, rkr.) hat das Niedersächsische FG entschieden, dass Krankheitskosten, die ein Stpfl. selbst trägt, um eine Beitragsrückerstattung von seiner privaten Krankenkasse zu erhalten, mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG zu berücksichtigen sind. Lediglich die Krankheitskosten in Höhe des Selbstbehalts i.H.v. 600 €, die nicht vom Versicherungsschutz abgedeckt sind, stellen dem Grunde nach außergewöhnliche Belastungen dar. Verzichtet ein Stpfl. auf die Geltendmachung eines Ersatzanspruchs, verlieren die Aufwendungen den Charakter der Zwangsläufigkeit, es sei denn, die Geltendmachung des Ersatzanspruchs ist unzumutbar. Kann sich ein Stpfl. durch Rückgriff gegen seinen Versicherer schadlos halten, ist eine Abwälzung seiner Kosten auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt, es sei denn, es liegen Gründe vor, die den Verzicht selbst oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen als unzumutbar erscheinen lassen könnten. Ziel des § 33 EStG ist es nicht, dem Stpfl. die Inanspruchnahme seiner Versicherung zu ersparen, wenn dies für ihn zu einer Reduzierung der Versicherungsprämien durch eine Beitragsrückerstattung führt. Die Erlangung von Beitragsrückerstattungen durch die Versicherung berührt das von § 33 EStG geschützte erhöhte Existenzminimum grundsätzlich nicht (s.a. Anmerkung vom 23.4.2019, LEXinform 0881451).

Hinweis:

Beitragsrückerstattungen mindern, soweit sie auf die Basisabsicherung entfallen (unabhängig von ihrer Bezeichnung, z.B. als Pauschalleistung), die nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG abziehbaren Krankenversicherungsbeiträge in dem Jahr, in dem sie zufließen. Die Minderung erfolgt unabhängig davon, ob oder in welcher Höhe sich die Beiträge im Abflussjahr steuerlich ausgewirkt haben (BFH Urteile vom 6.7.2016, X R 6/14, BStBl II 2016, 933 und X R 22/14, BFH/NV 2016, 1688; s.a. BMF vom 24.5.2017, BStBl I 2017, 820, Rz. 87).

Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 1.6.2016 (X R 43/14, BStBl II 2017, 55) den vertraglich vereinbarten Selbstbehalt bei einer privaten Krankenversicherung dem Grunde nach als berücksichtigungsfähige außergewöhnliche Belastung anerkannt – und damit die Zwangsläufigkeit der mit dem Selbstbehalt verbundenen Belastung bejaht. Der Selbstbehalt kann aber nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn er die zumutbare Belastung gem. § 33 Abs. 3 übersteigt. Der von einem Stpfl. vereinbarte und getragene Selbstbehalt ist kein Beitrag zu einer Krankenversicherung und kann daher nicht als Sonderausgabe gem. § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a EStG abgezogen werden (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 69/2016 vom 2.11.2016, LEXinform 0445313).

Nach den BFH-Urteilen vom 2.9.2015 (VI R 32/13, BStBl II 2016, 151 und VI R 33/13, LEXinform 0929760) sind Krankheitskosten einschließlich Zuzahlungen außergewöhnliche Belastungen. Es ist von Verfassungs wegen nicht geboten, bei der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung dieser Aufwendungen auf den Ansatz der zumutbaren Belastung zu verzichten. Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss des BVerfG vom 23.11.2016 (2 BvR 180/16, LEXinform 0950810) nicht zur Entscheidung angenommen. Mit Urteil vom 29.9.2016 (III R 62/13, BStBl II 2017, 259) folgt der III. Senat den o.g. Urteilen des VI. Senats. Auch hier wurde die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde mit Beschluss des BVerfG vom 18.9.2018 (2 BvR 221/17, LEXinform 0951356) nicht zur Entscheidung angenommen (s.a. unten unter dem Gliederungspunkt »Ermittlung der zumutbaren Belastung«).

Die von einer gesetzlichen Krankenkasse auf der Grundlage von § 65a SGB V gewährte Geldprämie (Bonus) für gesundheitsbewusstes Verhalten stellt auch bei pauschaler Ausgestaltung keine den Sonderausgabenabzug mindernde Beitragserstattung dar, sofern durch sie konkret der Gesundheitsmaßnahme zuzuordnender finanzieller Aufwand des Stpfl. ganz oder teilweise ausgeglichen wird; vgl. BFH vom 6.5.2020, X R 16/18. Der BFH nahm eine differenzierte Beurteilung der Bonuszahlung nach § 65a SGB V vor. Durch die Teilnahme an einem Bonusprogramm i.S.d. § 65a SGB V komme es bei einer Bonuszahlung, der kein Aufwand des Klägers zugrunde liege, zu einer wirtschaftlichen Entlastung. Die Bonuszahlung sei dann als Beitragsrückerstattung anzusehen und mit den als Sonderausgaben abziehbaren Krankenversicherungsbeiträgen zu verrechnen. Insofern dem Kläger ein Aufwand entstanden sei, um den Bonus zu erhalten, handele es sich hingegen um eine Versicherungsleistung der Krankenkasse. Dieser aufwandsabhängige Bonus mindere dann den Sonderausgabenabzug nicht. Dies sei, so der BFH, aus Vereinfachungs- und Praktikabilitätserwägungen heraus auch dann vertretbar, wenn ein pauschaler Bonus den tatsächlichen Aufwand des Versicherten überkompensieren würde, die Pauschale aber zumindest realitätsgerecht sei.

2. Nachweis

2.1. Ärztliches Rezept

Die Notwendigkeit muss durch ein ärztliches Rezept nachgewiesen sein (R 33.4 Abs. 1 EStR). Bei einem Arzt selbst ist m.E. keine ärztliche Verordnung erforderlich, da der Arzt nach § 4 Abs. 2 der Arzneimittelverschreibungsverordnung für den Eigenbedarf kein Rezept benötigt. Der Arzt erhält gegen Vorlage seines Arztausweises in der Apotheke verschreibungspflichtige Arzneimittel (BR-Drs. 322/06, 8 und Verordnung zur Änderung der Arzneimittelverschreibungsverordnung vom 27.6.2006, BGBl I 2006, 1414).

2.2. Überblick über die BFH-Rechtsprechung

Aufwendungen für die Behandlung einer Lese- und Rechtschreibschwäche können als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein, wenn die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme durch ein vor der Behandlung erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen ist (BFH Urteil vom 3.3.2005 III R 64/03, BFH/NV 2005, 1286). Bei Maßnahmen, die nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Erforderlichkeit daher schwer abzuschätzen ist, setzt die Abziehbarkeit der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen grds. ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches medizinisches Gutachten voraus, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Notwendigkeit der Behandlung zweifelsfrei ergibt. Eine Lese- und Rechtschreibschwäche stellt nur dann eine Krankheit dar, wenn die Schwäche auf einer isolierten Störung der für das Lesen und Schreiben notwendigen Wahrnehmungsfunktion beruht, also eine Hirnfunktionsstörung vorliegt; vgl. FG Münster vom 16.6.2010, 10 K 1655/09/E.

Unter Änderung seiner bisherigen Rspr. hat der BFH mit Urteilen vom 11.11.2010 (VI R 17/09, BStBl II 2011, 969 und VI R 16/09, BStBl II 2011, 966) entschieden, dass zur Geltendmachung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen der Nachweis einer Krankheit und der medizinischen Indikation der Behandlung nicht mehr zwingend durch ein vor Beginn der Behandlung eingeholtes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. Attest eines öffentlich-rechtlichen Trägers geführt werden muss. Der Nachweis kann vielmehr auch noch später und durch alle geeigneten Beweismittel geführt werden.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die ESt auf Antrag ermäßigt, wenn einem Stpfl. zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Stpfl. gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Hierzu gehören insbesondere Krankheitskosten und zwar auch dann, wenn sie der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen, unter der ein unterhaltsberechtigtes minderjähriges Kind des Stpfl. leidet.

Im Verfahren VI R 17/09 stand die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen zur Behandlung einer Lese- und Rechtschreibschwäche in Streit. Der Sohn der Kläger besuchte auf ärztliches Anraten ein Internat mit integriertem Legastheniezentrum. Die Kläger hatten auf die Übernahme der Schulkosten durch den Landkreis verzichtet. Stattdessen machten sie den Schulbeitrag, Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Therapiekosten als außergewöhnliche Belastungen erfolglos beim FA geltend. Auch die daraufhin erhobene Klage blieb ohne Erfolg. Denn Aufwendungen für eine Legasthenietherapie (im Streitfall mit Unterbringung in einem entsprechenden Internat) seien nur dann als Krankheitskosten gem. § 33 EStG zu berücksichtigen, wenn der Lese- und Rechtschreibschwäche Krankheitswert zukomme und die Aufwendungen zum Zwecke ihrer Heilung oder Linderung getätigt würden. Dies sei nach ständiger Rspr. des BFH durch Vorlage eines vor der Behandlung ausgestellten amtsärztlichen Attestes oder eines Attestes des medizinischen Dienstes einer öffentlichen Krankenversicherung nachzuweisen.

In der Sache VI R 16/09 war streitig, ob die Anschaffungskosten für neue Möbel als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sind, wenn sich die Kläger wegen Asthmabeschwerden ihres Kindes zum Erwerb veranlasst sehen. Auch hier blieb die Klage vor dem FG ohne Erfolg, da die konkrete Gesundheitsgefährdung durch die alten Möbel nicht durch ein amtsärztliches Attest nachgewiesen worden sei.

Auf die Revision der Kläger hat der BFH beide Vorentscheidungen aufgehoben und unter Änderung der bisherigen Rspr. entschieden, dass Krankheit und medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung nicht länger vom Stpfl. nur durch ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. ein Attest eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers nachgewiesen werden können. Ein solch formalisiertes Nachweisverlangen ergebe sich nicht aus dem Gesetz und widerspreche dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Diese obliege dem FG. Das FG und nicht der Amtsarzt oder eine vergleichbare Institution habe die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Zwar verfüge das FG nicht über eine medizinische Sachkunde und müsse deshalb regelmäßig ein ärztliches Gutachten über die Indikation der streitigen Maßnahme einholen. Es sei aber nicht ersichtlich, warum nur ein Amtsarzt oder etwa der medizinische Dienst einer öffentlichen Krankenversicherung, nicht aber ein anderer Mediziner die erforderliche Sachkunde und Neutralität besitzen soll, die medizinische Indikation von nicht nur für Kranke nützliche Maßnahmen objektiv und sachverständig beurteilen zu können. Die Befürchtung der Finanzbehörden und des dem Verfahren beigetretenen Bundesministeriums der Finanzen, es könnten Gefälligkeitsgutachten erstattet werden, teilte der BFH nicht. Auch sei das Verlangen nach einer amtsärztlichen oder vergleichbaren Stellungnahme zur Missbrauchsabwehr nicht erforderlich. Denn durch ein von einem Beteiligten vorgelegtes Privatgutachten, beispielsweise des behandelnden Arztes, könne der Nachweis der Richtigkeit des klägerischen Vortrags und damit der medizinischen Indikation einer Heilmaßnahme ohnehin nicht geführt werden. Ein solches sei lediglich als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 05/11 vom 19.1.2011, LEXinform 0436105).

Mit Urteil vom 5.10.2011 (VI R 14/11, BFH/NV 2012, 39, LEXinform 0928368) hat der BFH entschieden, dass Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein können, wenn diese Maßnahme aufgrund gesundheitlicher Beschwerden medizinisch angezeigt ist. Ob es sich bei einem Treppenschräglift um ein medizinisches Hilfsmittel im engeren Sinne (etwa Brillen, Hörgeräte oder Rollstühle) oder um ein Hilfsmittel handelt, welches nicht nur von Kranken, sondern etwa der Bequemlichkeit wegen auch von Gesunden angeschafft wird, ist ohne Belang. Denn Aufwendungen für medizinisch indizierte Maßnahmen sind typisierend als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf. Weiter ist zu beachten, dass nicht nur das medizinisch Notwendige im Sinne einer Mindestversorgung von der Heilanzeige erfasst wird. Medizinisch indiziert (angezeigt) ist vielmehr jedes diagnostische oder therapeutische Verfahren, dessen Anwendung in einem Erkrankungsfall hinreichend gerechtfertigt (angezeigt) ist. Dieser medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung zu folgen, es sei denn, es liegt ein für jedermann erkennbares offensichtliches Missverhältnis zwischen dem erforderlichen und dem tatsächlichen Aufwand vor.

Für die mitunter schwierige Trennung von echten Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits forderte der BFH bislang regelmäßig die Vorlage eines zeitlich vor der Leistung von Aufwendungen erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Gutachtens bzw. eines Attestes eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung zweifelsfrei entnehmen lässt. Auch bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangte der BFH diesen oder einen vergleichbaren formalisierten Nachweis. An dem Erfordernis einer vorherigen amts- oder vertrauensärztlichen Begutachtung (oder einem vergleichbaren Zeugnis) zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer Maßnahme, die auch zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG) gehören könnte, hält der BFH Senat jedoch seit dem Urteil vom 11.11.2010 (VI R 17/09, BStBl II 2011, 969) nicht länger fest.

Die erforderlichen Feststellungen, ob der Einbau des Treppenlifts aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden des Stpfl. medizinisch angezeigt war, ist nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu treffen. Der BFH weist darauf hin, dass ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen ist. Ein solches Gutachten kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags gewertet werden. Da weder das FA noch das FG die Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das FG aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten zu erheben. Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts s.u. BFH Urteil vom 6.2.2014 (VI R 61/12, BStBl II 2014, 458; H 33.1–33.4 [Medizinische Hilfsmittel …] EStH) sowie die Erläuterungen unter → Menschen mit Behinderung.

2.3. Gesetz und Verwaltungsregelung zum Nachweis von Krankheitskosten

Auf Grund der geänderten BFH-Rspr. wurde durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1.11.2011 (BGBl I 2011, 2131) in § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. § 64 EStDV der Nachweis von Krankheitskosten neu geregelt (s.a. R 33.4 Abs. 1 EStR).

Nach § 64 EStDV ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten – abhängig von den jeweiligen Aufwendungen – auf drei verschiedene Arten zu führen:

  1. Durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers. Betroffen sind Arznei-, Heil- und Hilfsmittel. Zum Nachweis krankheitsbedingter Aufwendungen s. das BFH-Urteil vom 25.4.2017 (VIII R 52/13, BStBl II 2017, 949).

    Bezüglich der Hilfsmittel ist § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu beachten. Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit

    • Hörhilfen,

    • Körperersatzstücken,

    • orthopädischen und anderen Hilfsmitteln,

    die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sind.

    Für medizinische Hilfsmittel, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind, ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erbringen.

    Zur generellen Berücksichtigung medizinischer Hilfsmittel s.o. das BFH-Urteil vom 5.10.2011 (VI R 14/11, BFH/NV 2012, 39, LEXinform 0928368).

  2. Durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) für folgende Aufwendungen

    1. eine Bade- oder Heilkur; bei einer Vorsorgekur ist auch die Gefahr einer durch die Kur abzuwendenden Krankheit, bei einer Klimakur der medizinisch angezeigte Kurort und die voraussichtliche Kurdauer zu bescheinigen,

    2. eine psychotherapeutische Behandlung; die Fortführung einer Behandlung nach Ablauf der Bezuschussung durch die Krankenversicherung steht einem Behandlungsbeginn gleich (s.u. Legasthenieerkrankung sowie BayLfSt vom 10.10.2016, S 2284.1.1–18/1 St 32, LEXinform 5236147). Burn-out ist keine typische Berufskrankheit. Ein Werbungskostenabzug der Behandlungskosten ist daher nicht möglich. Nach § 64 EStDV muss für eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ein vorheriges amtsärztliches Attest vorgelegt werden (FG München Urteil vom 26.4.2013, 8 K 3159/10, EFG 2013, 1387, LEXinform 5015162, bestätigt durch BFH Beschluss vom 9.11.2015, VI R 36/13, BFH/NV 2016, 194, LEXinform 0929939).

    3. eine medizinisch erforderliche auswärtige Unterbringung eines an Legasthenie oder einer anderen Behinderung leidenden Kindes des Stpfl.

      Dieses in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. c EStDV für den Fall der medizinisch erforderlichen auswärtigen Unterbringung eines an einer Behinderung leidenden Kindes normierte Nachweiserfordernis ist im Wege einer teleologischen Extension auch bei der krankheitsbedingten auswärtigen Unterbringung eines Kindes anzuwenden (FG Düsseldorf Urteil vom 14.3.2017, 13 K 4009/15, EFG 2017, 992, LEXinform 5020154, rkr.; s.u. Schulgeldzahlungen).

      Aufwendungen aus Anlass einer Unterbringung eines an Legasthenie erkrankten Kindes in einem Internat sowie der dorthin unternommenen Fahrten und zurück sind im Streitjahr 2007 dann nicht als außergewöhnliche Belastungen gem. § 33 Abs. 1 EStG abziehbar, wenn die medizinisch notwendige psychagogische Heilbehandlung in einer geeigneten Sonderschule nicht durch eine formalisierte ärztliche Stellungnahme vor Einleitung einer solchen Maßnahme nachgewiesen wurde (s.u. Legasthenieerkrankung, Schulgeldzahlungen). Gegen die Anwendung des § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. § 64 Abs. 1 EStDV auf alle noch »offenen« Fälle gemäß § 84 Abs. 3f EStDV bestehen keine rechtsstaatlichen Bedenken (FG Münster Urteil vom 18.1.2012, 11 K 317/09 E, EFG 2012, 702, LEXinform 5013193, rkr. durch Rücknahme der Revision VI R 13/12, LEXinform 0929023; s.a. Pressemitteilung des FG Münster vom 15.2.2012, LEXinform 0437547).

      Für den Begriff der »Behinderung« i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. c EStDV ist auf § 2 Abs. 1 SGB IX abzustellen (BFH Urteil vom 18.6.2015, VI R 31/14, BStBl II 2016, 40, → Menschen mit BehinderungPflegekosten). Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Ob im Einzelfall eine Behinderung i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. c EStDV i.V.m. § 2 Abs. 1 SGB IX vorliegt, hat das FG aufgrund der ihm obliegenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen.

      Nach dem BFH-Urteil vom 15.1.2015 (VI R 85/13, BStBl II 2015, 586) setzt die Anerkennung von außergewöhnlichen Belastungen im Falle von psychotherapeutischen Behandlungen und der medizinisch erforderlichen auswärtigen Unterbringung eines an einer Behinderung leidenden Kindes des Steuerpflichtigen voraus, dass die in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStDV normierten Nachweise erbracht werden. Diese Nachweise können nicht durch andere Unterlagen ersetzt werden (Anmerkung vom 5.6.2015, LEXinform 0880051),

    4. die Notwendigkeit der Betreuung des Stpfl. durch eine Begleitperson, sofern sich diese nicht bereits aus dem Nachweis der Behinderung nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 EStDV ergibt,

    5. medizinische Hilfsmittel, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB V (s.o. unter 1.) anzusehen sind (s.a. Anmerkung vom 31.1.2013, LEXinform 0943499). Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB V sind nur solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Ein Treppenlift ist danach kein Hilfsmittel im Sinne dieser Legaldefinition. Angesichts des insoweit eindeutigen Wortlauts des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV und des abschließenden Charakters der Katalogtatbestände in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a bis f EStDV ist die Zwangsläufigkeit und damit die medizinische Notwendigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines solchen Hilfsmittels nicht formalisiert nachzuweisen. Die erforderlichen Feststellungen zur medizinischen Notwendigkeit für die Maßnahme sind nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu treffen, beispielsweise durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens (BFH Urteil vom 6.2.2014, VI R 61/12, BStBl II 2014, 458 und Pressemitteilung des BFH Nr. 27/2014 vom 9.4.2014, LEXinform 0441627; s.a. Geserich, NWB 2014, 2004 und H 33.1–33.4 [Medizinische Hilfsmittel …] EStH). Wie der BFH betont, ist ein von einem Beteiligten vorgelegtes Sachverständigengutachten im finanzgerichtlichen Verfahren lediglich als Privatgutachten zu behandeln und damit als urkundlich belegter Parteivortrag zu würdigen. Ein solches Gutachten kann daher nicht als Nachweis für die Richtigkeit des klägerischen Vortrags gewertet werden. Da weder das FA noch das FG die Sachkunde besitzen, um die medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Maßnahme zu beurteilen, ist das FG aufgrund seiner Verpflichtung zur Sachaufklärung (§ 76 FGO) gehalten, gegebenenfalls von Amts wegen ein entsprechendes Gutachten zu erheben;

    6. wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie (s.u. Alternative Medizinmethoden, Legasthenieerkrankung). Wissenschaftlich nicht anerkannt i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist eine Behandlungsmethode dann, wenn Qualität und Wirksamkeit nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (BFH Urteil vom 26.6.2014, VI R 51/13, BStBl II 2015, 9, Anmerkung vom 28.10.2014, LEXinform 0652495 sowie Geserich, NWB 2014, 3396). Zur wissenschaftlichen Anerkennung einer Behandlungsmethode s.a. das BFH-Urteil vom 18.6.2015 (VI R 68/14, BStBl II 2015, 803).

      Mit Urteil vom 17.4.2013 (5 K 71/11, LEXinform 5014979, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 27/13) hat das FG Schleswig-Holstein zur Anerkennung der Aufwendungen für Heileurythmie als außergewöhnliche Belastung entschieden, dass die heileurythmische Behandlung keine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV sei, weil sie als eine anthroposophische Behandlungsmethode (s.u.) einer der in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgeführten besonderen Therapierichtungen zuzuordnen sei, zu denen die Anthroposophie gehöre (s.a. Mitteilung des FG Schleswig-Holstein vom 25.6.2013, LEXinform 0439878). Mit Urteil vom 26.2.2014 (VI R 27/13, BStBl II 2014, 824) hat der BFH die Rechtsauffassung des FG Schleswig-Holstein (Urteil vom 17.4.2013, 5 K 71/11, LEXinform 5014979) bestätigt (s.u. unter dem Gliederungspunkt Einzelfälle-ABC sowie Pressemitteilung des BFH Nr. 44/2014 vom 18.6.2014, LEXinform 0441982). Die Heileurythmie ist ein Heilmittel i.S.d. §§ 2 und 32 SGB V. Die Zwangsläufigkeit entsprechender Aufwendungen im Krankheitsfall kann durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nachgewiesen werden. Ein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung ist nicht erforderlich.

      Mit Urteil vom 18.6.2015 (VI R 68/14, BStBl II 2015, 803) bestätigt der BFH die Rechtsausführungen des FG Schleswig-Holstein in dessen Urteil vom 1.10.2014 (2 K 272/12, EFG 2015, 33, LEXinform 5017092), wonach es sich bei der Liposuktion (s.u.) um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode (s.u. Wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden) handelt. In diesem Sinne hatten bereits das OVG Lüneburg (Urteil vom 22.1.2013, 5 LB 50/11, juris – keine Beihilfe) und auch das BSG (Urteil vom 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R, LEXinform 1553065) erkannt (s.a. Mitteilung des Schleswig-Holsteinischen FG vom 30.1.2015, LEXinform 0442875 sowie Anmerkung vom 4.9.2015, LEXinform 0880081).

    Der zu erbringende Nachweis muss vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestellt worden sein. Nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStDV ist der geforderte Nachweis durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V) zu erbringen.

    Kosten für die Teilnahme an medizinischen Seminaren zum Umgang mit frühtraumatisierten Kindern bei den Pflegeeltern sind als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig (FG Münster vom 27.1.2017, 4 K 3471/15, EFG 2017, 576, LEXinform 5019869, rkr.). Dass die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht den formellen Anforderungen des § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStDV genügen, ist unerheblich, da es sich nicht um eine psychotherapeutische Behandlung, sondern um die Schulung einer nicht erkrankten Kontaktperson handelt (s.a. FG Münster Mitteilung vom 15.3.2017, LEXinform 0446094).

    Zu den Anforderungen an ein nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 und 2 EStDV erforderliches amtsärztliches Gutachten zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall hat das FG Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 4.7.2018 (1 K 1480/16, EFG 2019, 689, LEXinform 5021739, rkr.) Folgendes entschieden:

    Aus der Verwendung des Begriffs »amtsärztliches Gutachten« in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStDV folgt nicht, dass der Amtsarzt sich in einem nach Form, Inhalt und Umfang wissenschaftlichen Anforderungen entsprechenden Gutachten zur Zwangsläufigkeit der Aufwendungen äußern müsste. Aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift sowie aus dem Vergleich mit der ebenfalls den Anforderungen des § 64 Abs. 1 Satz 1 EStDV genügenden »Bescheinigung« eines Medizinischen Dienstes einer Krankenversicherung ergibt sich, dass auch ein amtsärztliches Attest ausreichend ist.

    Im Urteilsfall wurde eine wissenschaftlich nicht anerkannte Heilbehandlung durchgeführt (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV). Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit wurde ein privatärztliches Attest vorgelegt. Das Attest war um ein Dienstsiegel der Kreisverwaltung und einen Stempelaufdruck »Die Angaben werden amtsärztlich bestätigt« ergänzt worden. Nach Auffassung des FA stellte die knappe Äußerung des Amtsarztes kein »Gutachten« dar.

    Das Gutachten des Amtsarztes mit dem Stempelaufdruck ist, so das FG, zwar an Knappheit nicht zu unterbieten, in der Konsequenz aber ausreichend, um im Sinne des Gesetzes den Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen für die Behandlung im Naturheilzentrum zu erbringen (s. Anmerkung vom 19.3.2019, LEXinform 0881372 sowie FG Rheinland-Pfalz Pressemitteilung vom 4.1.2019, LEXinform 0449172);

  3. Durch eine Bescheinigung des behandelnden Krankenhausarztes. Betroffen sind Aufwendungen für Besuchsfahrten zu einem für längere Zeit in einem Krankenhaus liegenden Ehegatten oder Kind des Stpfl., in dem bestätigt wird, dass der Besuch des Stpfl. zur Heilung oder Linderung einer Krankheit entscheidend beitragen kann.

Zusätzlich zu § 64 EStDV regeln die Verwaltungsanweisungen in R 33.4 Abs. 1 EStG die Nachweisführung bestimmter Krankheitskosten. Bei Aufwendungen für eine Augen-Laser-Operation ist die Vorlage eines amtsärztlichen Attests nicht erforderlich. Bei einer andauernden Erkrankung mit anhaltendem Verbrauch bestimmter Arznei-, Heil- und Hilfsmittel reicht die einmalige Vorlage einer Verordnung. Wurde die Notwendigkeit einer Sehhilfe in der Vergangenheit durch einen Augenarzt festgestellt, genügt in den Folgejahren die Sehschärfenbestimmung durch einen Augenoptiker. Als Nachweis der angefallenen Krankheitsaufwendungen kann auch die Vorlage der Erstattungsmitteilung der privaten Krankenversicherung oder der Beihilfebescheid einer Behörde ausreichen. Diese Erleichterung entbindet den Stpfl. aber nicht von der Verpflichtung, dem FA die Zwangsläufigkeit, Notwendigkeit und Angemessenheit nicht erstatteter Aufwendungen auf Verlangen nachzuweisen. Wurde die Notwendigkeit einer Kur offensichtlich im Rahmen der Bewilligung von Zuschüssen oder Beihilfen anerkannt, genügt bei Pflichtversicherten die Bescheinigung der Versicherungsanstalt und bei öffentlich Bediensteten der Beihilfebescheid.

Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen für eine medizinische Maßnahme, die nicht zweifelsfrei der Linderung oder Heilung einer Krankheit dienen, wie z.B. für Aufwendungen für plastische Operationen und anderer Operationen im Bereich der Schönheitspflege (z.B. Fettabsaugen) nimmt der Erlass des FinMin Schleswig-Holstein vom 12.3.2013 (VI 313 – s 2284 – 187, DB 2013, 732, LEXinform 5234444) ausführlich Stellung (s.a. Anmerkung vom 23.4.2013, LEXinform 0652104 und unten Einzelfälle-ABC »Schönheitsoperationen«): Ist nicht eindeutig erkennbar, ob die medizinische Maßnahme der Heilung oder Linderung einer Krankheit dient, befindet sich der Stpfl. nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen im Zweifel in der Beleg- und Nachweispflicht darüber, dass es sich bei seinen Aufwendungen um Krankheitskosten handelt. Der Stpfl. hat die Zweckbestimmung seiner Behandlung anhand geeigneter Unterlagen nachzuweisen. Ein Attest des behandelnden Arztes genügt grundsätzlich nicht. Sofern die Behandlung medizinisch indiziert ist, ist davon auszugehen, dass dem Steuerpflichtigen entsprechende Befundberichte vorliegen und er diese zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit vorlegen kann. Die Umstände des Einzelfalles sind zu berücksichtigen (Art der Maßnahme, Krankheitsbild, Gründe für die fehlende Erstattung). Der Nachweis einer medizinischen Indikation gilt auf jeden Fall dann als erbracht, wenn sich die Krankenversicherung oder der Beihilfeträger an den Behandlungskosten beteiligt hat. Sollte die medizinische Notwendigkeit der Behandlung streitig werden, dann erleichtert ein bereits vor Beginn der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zur medizinischen Notwendigkeit der Behandlung die Nachweisführung.

Der BFH hat mit Urteil vom 19.4.2012 (VI R 74/10, BStBl II 2012, 577) entschieden, dass die vom Gesetzgeber eingeführten formellen Anforderungen an den Nachweis bestimmter Krankheitskosten (für deren Anerkennung als außergewöhnliche Belastung) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sind. Die in § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 angeordnete rückwirkende Geltung des § 64 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ist unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ebenfalls nicht zu beanstanden. Sie ist von der Ermächtigung des § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 gedeckt und deshalb im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich unbedenklich.

Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die ESt auf Antrag ermäßigt, wenn einem Stpfl. zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Stpfl. gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung) erwachsen. Hierzu können auch Aufwendungen im Krankheitsfall gehören. Bestimmte Krankheitskosten, bei denen die medizinische Notwendigkeit nicht offensichtlich ist, dürfen allerdings nur noch berücksichtigt werden, wenn der Stpfl. ihre Zwangsläufigkeit z.B. durch ein amtsärztliches Gutachten nachweist. Eine entsprechende gesetzliche Regelung (§ 33 Abs. 4 EStG und § 64 EStDV) hat der Gesetzgeber durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 eingeführt. Der Gesetzgeber hat damit auf die Änderung einer langjährigen Rspr. reagiert. Der BFH hatte 2010 dem seit jeher verlangten formellen Nachweis mangels einer gesetzlichen Grundlage eine Absage erteilt (BFH Urteile vom 11.11.2010 VI R 17/09, BStBl II 2011, 969 und VI R 16/09, BStBl II 2011, 966).

Die Kläger machten u.a. die Kosten für einen Kuraufenthalt als außergewöhnliche Belastungen geltend. Sie hatten die medizinische Notwendigkeit der Kur jedoch nicht durch ein vor Kurbeginn ausgestelltes amtsärztliches oder vergleichbares Attest belegt. FA und FG ließen die Aufwendungen deshalb nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zu. Die Revision der Kläger war ebenfalls erfolglos. Auf die strenge Art des Nachweises kann nach geltendem Recht nicht (mehr) verzichtet werden. Die nun vom Gesetzgeber geregelten Anforderungen an den Nachweis bestimmter Krankheitskosten sind von Verfassungswegen nicht zu beanstanden. Auch der Umstand, dass die neuen Nachweisregelungen rückwirkend in allen noch offenen Fällen anzuwenden sind, ist verfassungsrechtlich unbedenklich; darin liegt keine unzulässige Rückwirkung (Pressemitteilung des BFH Nr. 49/12 vom 27.6.2012, LEXinform 0438110 sowie Schmitz-Herscheidt, NWB 2012, 2917). Mit Urteil vom 21.2.2018 (VI R 11/16, BStBl II 2018, 469) bestätigt der BFH seine Rspr. vom 19.4.2012 (VI R 74/10, BStBl II 2012, 577) indem er feststellt, dass dem in § 33 Abs. 4 EStG i.d.F. des StVereinfG 2011 und in § 64 Abs. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 geregelten Verlangen, die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall formalisiert nachzuweisen, nach § 84 Abs. 3f EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 auch im Veranlagungszeitraum 2009 Rechnung zu tragen ist. Dies begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

3. Übernahme der Krankheitskosten für einen Unterhaltsberechtigten

Krankheitskosten für einen Unterhaltsberechtigten können beim Unterhaltspflichtigen insoweit als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, als der Unterhaltsberechtigte nicht in der Lage ist, die Krankheitskosten selbst zu tragen (H 33.1–33.4 [Krankheitskosten, 2. Spiegelstrich] EStH).

Zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung eines Angehörigen in einem Altenpflegeheim als außergewöhnliche Belastungen hat der BFH mit Urteil vom 30.6.2011 (VI R 14/10, BStBl II 2012, 876) entschieden, dass diese Aufwendungen als Krankheitskosten unter § 33 Abs. 1 EStG fallen. Abziehbar sind neben den Pflegekosten auch die Kosten, die auf die Unterbringung und Verpflegung entfallen, soweit es sich hierbei um gegenüber der normalen Lebensführung entstehende Mehrkosten handelt. Eine Aufteilung derartiger Kosten in Unterhaltskosten i.S.v. § 33a EStG und Krankheitskosten i.S.v. § 33 EStG kommt nicht in Betracht. Bei Unterhaltsaufwendungen besteht kein Wahlrecht zwischen einem Abzug nach § 33 EStG oder nach § 33a EStG (§ 33a Abs. 4 EStG; s.a. → Heimunterbringung).

Alle Aufwendungen für die krankheitsbedingte Unterbringung von Angehörigen in einem Altenpflegeheim fallen unter § 33 EStG, Aufwendungen für deren altersbedingte Heimunterbringung unter § 33a Abs. 1 EStG. Ein Wahlrecht besteht nicht. Sind die eigenen Einkünfte und Bezüge der pflegebedürftigen, heimuntergebrachten Person, die diese für ihren Unterhalt einsetzt, sowohl über dem Regelsatz des SGB XII als auch über 8 004 €, ist bei Anwendung des § 33 EStG eine Haushaltsersparnis nicht zu berücksichtigen. Zwar sieht R 33.3 Abs. 2 Satz 2 EStH vor, dass eine Haushaltsersparnis mit dem in § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG genannten Höchstbetrag – im Streitjahr 8 004 € – der abziehbaren Aufwendungen anzusetzen ist, wenn bei einer Heimunterbringung wegen Pflegebedürftigkeit der private Haushalt aufgelöst wird. Ein solcher Abzug kommt allerdings dann nicht in Betracht, wenn – wie im Streitfall – die eigenen Einkünfte und Bezüge der pflegebedürftigen Person, die diese für ihren Unterhalt einsetzt, sowohl über den Regelsätzen für die Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) des betreffenden Jahres liegen als auch über dem von der Verwaltung als Haushaltsersparnis anzusetzenden Wert von 8 004 €; vgl. FG Köln vom 26.1.2017, 14 K 2643/16.

4. Werbungskosten und Betriebsausgaben

4.1. Grundsätzliches zur Berücksichtigung der Krankheitskosten

Aufwendungen, die ein berufstätiger Stpfl. für seine Gesundheit macht, gehen wie die Ausgaben für Verpflegung, Wohnung, Erholung usw. gleichzeitig den privaten und beruflichen Lebensbereich des Stpfl. an und müssen deshalb nach der Regel des § 12 Nr. 1 EStG den nicht als Betriebsausgaben oder → Werbungskosten abziehbaren Kosten der Lebenshaltung zugerechnet werden, sofern sie nicht – ganz oder teilweise – klar und eindeutig durch die berufliche Tätigkeit veranlasst sind (s.a. BMF vom 6.7.2010, BStBl I 2010, 614, Rz. 4). Kosten der Lebensführung, die bereits durch die Vorschriften zur Berücksichtigung des steuerlichen Existenzminimums (Grundfreibetrag, Freibeträge für Kinder) pauschal abgegolten sind, sind insbes. Aufwendungen für persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens (z.B. Erhaltung der Gesundheit).

Werbungskosten bzw. → Betriebsausgaben, nämlich Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 4 Abs. 4 EStG), liegen vor, wenn sie durch den Beruf oder durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Sie sind beruflich/betrieblich veranlasst, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden.

4.2. Berücksichtigung von Krankheitskosten zusätzlich zur Entfernungspauschale

Unfallkosten auf beruflichen Fahrten sind nach der Verwaltungsmeinung außergewöhnliche Kosten, die neben den gesetzlichen Entfernungspauschalen berücksichtigt werden können (H 9.10 [Unfallschäden] LStH sowie BMF vom 31.10.2013, BStBl I 2013, 1376, Tz. 4 zu den Entfernungspauschalen). Allerdings hat das FG Nürnberg mit rechtskräftigem Urteil vom 4.3.2010 (4 K 1497/2008, EFG 2010, 1125, LEXinform 5010049) entgegen H 9.10 [Unfallschäden] LStH entschieden, dass Aufwendungen infolge eines Verkehrsunfalls nicht als Werbungskosten geltend gemacht werden können, da gem. § 9 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG sämtliche Aufwendungen eines ArbN für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte durch die Entfernungspauschale abgegolten werden. Diese Rechtsauffassung geht allerdings mit der bisherigen BFH-Rspr. nicht konform. Wie der BFH in seinem Urteil vom 21.8.2012 (VIII R 33/09, BStBl II 2013, 171) entschieden hat, kann der nichtselbstständig tätige Stpfl. die mit seinem privaten Pkw auf einer Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte entstandenen Unfallkosten grundsätzlich nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG abziehen (s.a. BMF vom 31.10.2013, BStBl I 2013, 1376, Tz. 4).

Beachte:

Mit Urteil vom 20.3.2014 (VI R 29/13, BStBl II 2014, 849) hat der BFH entschieden, dass Reparaturaufwendungen infolge einer Falschbetankung nicht als Werbungskosten abziehbar sind. Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 EStG sind durch die Entfernungspauschalen »sämtliche Aufwendungen« abgegolten, die durch die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte und durch die Familienheimfahrten veranlasst sind.

Aus dem klaren Wortlaut der Norm ergibt sich, dass auch außergewöhnliche Kosten unabhängig von ihrer Höhe unter die Abgeltungswirkung fallen. Das Wort »sämtliche« ist insoweit eindeutig. Eine entsprechende Abgeltungsregelung enthielt die bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2000 geltende Gesetzesfassung gerade nicht.

Es begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass durch die Entfernungspauschale auch außergewöhnliche Aufwendungen abgegolten werden. Der Gesetzgeber hat das ihm eingeräumte Regelungsermessen nicht überschritten (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 46/2014 vom 25.6.2014, LEXinform 0442007).

Der BFH hat ausdrücklich nur den Fall des Falschbetankens entschieden. Fraglich ist, ob dieses Urteil auch auf Unfallkosten anzuwenden ist und zukünftig der Verwaltungsmeinung widerspricht. M.E. ist das Urteil eindeutig, da der BFH ganz allgemein die »außergewöhnlichen Aufwendungen« mit der Entfernungspauschale als abgegolten ansieht (s.a. Anmerkung vom 1.7.2014, LEXinform 0652410 sowie Schneider, NWB 28/2014, 2078).

Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 24.6.2014 (4 K 3997/11, LEXinform 5017541) die Unfallkosten entsprechend der Verwaltungsregelung als Werbungskosten anerkannt. Das Revisionsverfahren ist durch Beschluss des BFH vom 11.7.2016 (VI R 76/14, LEXinform 0950116) abgeschlossen (Erledigung der Hauptsache).

Das FG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 23.2.2016 (1 K 2078/15, EFG 2016, 519, LEXinform 5018875, rkr.) entschieden, dass die Unfallkosten durch die Entfernungspauschale abgegolten sind (s.a. FG Rheinland-Pfalz Pressemitteilung vom 6.4.2016, LEXinform 0444305 sowie Anmerkung vom 31.5.2016, LEXinform 0947832).

Das Sächsische FG hat mit Urteil vom 18.5.2018 (4 K 194/18, EFG 2019, 685, LEXinform 5021943, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 40/18, LEXinform 0952069) entschieden, dass Behandlungs- und Krankheitskosten nach einem Autounfall auf dem Weg zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte – wie die Unfallkosten selbst – mit der Entfernungspauschale des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG abgegolten sind (Verweis auf das FG Rheinland-Pfalz vom 23.2.2016, s.o.).

Aufwendungen in Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden, die durch einen Unfall auf einer beruflich veranlassten Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eingetreten sind, können gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten abgezogen werden. Sie werden von der Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale nicht erfasst. Diese erstreckt sich nur auf fahrzeug- und wegstreckenbezogene Aufwendungen; vgl. BFH vom 19.12.2019, VI R 8/18. Im Schreiben vom 18.11.2021, BStBl I 2021, 2315 nimmt das BMF Stellung zur Abgeltungswirkung der Entfernungspauschale und fügt unter Rz. 30 das o.g. Urteil ein: Zu den neben der Entfernungspauschale berücksichtigungsfähigen Unfallkosten gehören sowohl fahrzeug- und wegstreckenbezogene Aufwendungen (entgegen BFH vom 19.12.2019, VI R 8/18, BStBl II 2020, 291) als auch Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beseitigung oder Linderung von Körperschäden, die durch einen Unfall auf einer beruflich veranlassten Fahrt zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte eingetreten sind.

4.3. Typische Berufskrankheiten

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des BFH (BFH Urteil vom 11.7.2013, VI R 37/12, BStBl II 2013, 815), dass Aufwendungen zur Verminderung oder Behebung gesundheitlicher Störungen, die typischerweise mit der betreffenden Berufstätigkeit verbunden sind, Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben sein können, wenn es sich um typische Berufskrankheiten handelt oder der Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf eindeutig feststeht (BFH Urteile vom 17.7.1992, VI R 96/88, BFH/NV 1993, 19; vom 23.10.1992, VI R 31/92, BStBl II 1993, 193; vom 9.2.1962, VI 10/61 U, BStBl III 1962, 235; vom 22.4.2003, VI B 275/00, BFH/NV 2003, 1052; vom 9.11.2015, VI R 36/13, BFH/NV 2016, 194, LEXinform 0929939), besonders bei allen körperlichen Schäden, die der Stpfl. bei der Ausübung seines Berufs oder auf dem Weg zur Arbeitsstätte durch Unfall erlitten hat (BFH Urteil vom 9.2.1962, VI 10/61 U, BStBl III 1962, 235).

Ein Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Entstehung der Krankheit ist im Allgemeinen leicht festzustellen, wenn die Krankheit durch eine äußere Einwirkung, besonders durch einen Unfall, hervorgerufen worden ist. Bei inneren Leiden, die nicht typische Berufskrankheiten sind, ist aber ein solcher Zusammenhang oft schwer festzustellen. Eine innere Krankheit wird in ihrer Entstehung und ihrem Ablauf von mannigfachen Faktoren bestimmt. Wesentlich sind z.B. die Konstitution des Betroffenen, sein Alter und seine Lebenshaltung; auch die Art des Berufs und das Maß der beruflichen Belastung können zwar oft von Einfluss sein. Es ist aber nach den bisherigen Erkenntnissen der Medizin kaum möglich, den Einfluss der verschiedenen Faktoren so zuverlässig gegeneinander abzugrenzen, dass die Besteuerung daran anknüpfen könnte. Im Allgemeinen muss man deshalb annehmen, dass bei inneren Erkrankungen, soweit sie nicht als typische Berufskrankheiten anerkannt werden, nicht eindeutig und klar abzugrenzen ist, wieweit ihre Entstehung ausschließlich oder überwiegend auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (BFH Urteil vom 9.2.1962, VI 10/61 U, BStBl III 1962, 235).

Auf Grund des § 9 Abs. 1 und 6 und des § 193 Abs. 8 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl I 1997, 2623) erlassen. Danach werden die Berufskrankheiten in der Anlage zur BKV aufgeführt. Die Anlage ist in folgende sechs Bereiche gegliedert:

  1. Durch chemische Einwirkungen verursachte Krankheiten wie

    • Erkrankungen durch Blei oder seine Verbindungen,

    • Erkrankungen durch Beryllium oder seine Verbindungen,

    • Erkrankungen durch Kohlenmonoxid,

    • Schleimhautveränderungen, Krebs oder andere Neubildungen der Harnwege durch aromatische Amine;

  2. durch physikalische Einwirkungen verursachte Krankheiten wie

    • Meniskusschäden nach mehrjährigen andauernden oder häufig wiederkehrenden, die Kniegelenke überdurchschnittlich belastenden Tätigkeiten,

    • Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbel durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, die zu chronischen oder chronisch-rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen (der Halswirbelsäule) geführt haben,

    • Druckschädigung der Nerven,

      Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugenhaltung, die zu chronischen oder chronisch-rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen (der Lendenwirbelsäule) geführt haben,

    • Lärmschwerhörigkeit,

    • grauer Star durch Wärmestrahlung;

  3. durch Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten sowie Tropenkrankheiten wie

    • von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten;

  4. Erkrankungen der Atemwege und der Lungen, des Rippenfells und Bauchfells wie

    • Quarzstaublungenerkrankung (Silikose),

    • Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs,

    • Erkrankungen der tieferen Atemwege und der Lungen durch Rohbaumwoll-, Rohflachs- oder Rohhanfstaub;

  5. Hautkrankheiten wie

    • Hautkrebs oder zur Krebsbildung neigende Hautveränderungen durch Ruß, Rohparaffin, Teer, Anthrazen, Pech oder ähnliche Stoffe;

  6. Krankheiten sonstiger Ursache wie

    • Augenzittern der Bergleute.

Durch die Verordnung zur Änderung der BKV (BKV-ÄndV) vom 5.9.2002 (BGBl I 2002, 3541) wird die BKV u.a. in Nr. 4 der Berufskrankheiten ergänzt um Lungenkrebs durch Einwirkung von kristallinem Siliziumdioxid bei nachgewiesener Quarzstaublungenerkrankung.

Die Zweite Verordnung zur Änderung der BKV vom 11.6.2009 (BGBl I 2009, 1273) ergänzt die BKV u.a. in der Nr. 1 um Erkrankungen des Blutes, des blutbildenden und des lymphatischen Systems durch Benzol; in der Nr. 2 um Gonarthrose durch Tätigkeit im Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13 000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht; in der Nr. 4 um

  • Lungenkrebs durch polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von mindestens 100 Benzo(a)pyren-Jahren,

  • Lungenkrebs durch das Zusammenwirken von Asbestfaserstaub und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis, die einer Verursachungswahrscheinlichkeit von mindestens 50 % nach der Anlage 2 entspricht,

  • Lungenfibrose durch extreme und langjährige Einwirkung von Schweißrauchen und Schweißgasen.

Die Dritte Verordnung zur Änderung der BKV vom 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2397) ergänzt die BKV in der Nr. 1 um die Nr. 1319 (Larynxkarzinom durch intensive und mehrjährige Exposition gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen), in der Nr. 2 um die

  1. (Druckschädigung des Nervus medianus im Karpaltunnel (Karpaltunnel-Syndrom) durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen) und

  2. (Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung [Hypothenar-Hammer-Syndrom und Thenar-Hammer-Syndrom]),

in der Nr. 5 um die Nr. 5103 (Plattenepithelkarzinome oder multiple aktinische Keratosen der Haut durch natürliche UV-Strahlung.

Am 1.8.2017 trat die Vierte Verordnung zur Änderung der BK vom 10.7.2017 (BGBl I 2017, 2299) in Kraft. Die Liste der Berufskrankheiten (Anlage 1 zur BKV) wurde um die BK-Nummern 1320, 1321 und 2115 erweitert. Darüber hinaus wurden bei den BK-Nummern 4104 und 4113 weitere anerkennungsfähige Erkrankungen aufgenommen.

Zuletzt wurde die BKV durch die fünfte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 29.6.2021 ergänzt: Nach Nr. 2115 wird folgende Nr. 2116 eingefügt: Koxarthrose durch Lastenhandhabung mit einer kumulativen Dosis von mindestens 9 500 Tonnen während des Arbeitslebens gehandhabter Lasten mit einem Lastgewicht von mindestens 20 kg, die mindestens zehnmal pro Tag gehandhabt wurden.

Mit Urteil vom 26.10.2010 (5 K 435/06, LEXinform 5011139, rkr.) hat das FG Sachsen die Aufwendungen einer Berufsgeigerin für eine therapeutische Behandlung und gymnastische Übungen nach der »Mensendieck«-Methode als Werbungskosten anerkannt. Die Berufsgeigerin litt an einem Impingement-Syndrom der linken Schulter mit anhaltenden Spannungen, Funktionsstörungen und Schmerzen im Schulterbereich sowie an schmerzbedingter Fehlhaltung der Wirbelsäule.

Die Aufwendungen sind beruflich veranlasst, und zwar auch dann, wenn die Aufwendungen nicht von der Krankenkasse erstattet werden und es sich bei dem Impingement-Syndrom nicht um eine Berufskrankheit i.S.v. § 9 Abs. 1 SGB VII handelt.

Hinweis:

Als Impingement-Syndrom bezeichnet man in der Orthopädie und Unfallchirurgie eine Funktionsbeeinträchtigung der Gelenkbeweglichkeit der Schulter. Der Begriff Impingement beschreibt den Prozess, bei dem die krankhaften Gelenksveränderungen durch kräftige und ruckhafte Bewegungen zustande kommen und anatomische Strukturen im Gelenk zusammenstoßen. Nach dem klinischen Wörterbuch Pschyrembel versteht man unter Impingement-Syndrom eine Funktionsbeeinträchtigung des Schultergelenkes durch chronische Überlastung.

Burn-out ist keine typische Berufskrankheit. Ein Werbungskostenabzug der Behandlungskosten ist daher nicht möglich (FG München Urteil vom 26.4.2013, 8 K 3159/10, EFG 2013, 1387, LEXinform 5015162, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 36/13, LEXinform 0929939). Psychische Erkrankungen treten in praktisch allen Bevölkerungsschichten gleichermaßen in zumindest erheblichem Umfang auf. Das gilt auch für Krankheitsbilder wie »Burn-out« oder ähnliche durch akute Belastungssituationen ausgelöste psychische Erkrankungen (s.a. Anmerkung vom 30.7.2013, LEXinform 0652171). Mit Beschluss vom 9.11.2015 (VI R 36/13, BFH/NV 2016, 194, LEXinform 0929939) hat der BFH die Rechtsausführungen des FG München bestätigt (s.a. Anmerkung vom 8.3.2016, LEXinform 0947603). Aufwendungen, die ein berufstätiger Stpfl. für seine Gesundheit macht, können gleichzeitig den privaten und beruflichen Lebensbereich des Stpfl. betreffen. Sie können deshalb nur dann als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, sofern sie – ganz oder teilweise – klar und eindeutig durch die berufliche Tätigkeit veranlasst sind. S.u. Einzelfälle-ABC »Burn-out«.

5. Schulgeldzahlungen/Besuchsfahrten als außergewöhnliche Belastung

Mit Urteil vom 12.5.2011 (VI R 37/10, BStBl II 2013, 783) hat der BFH entschieden, dass Aufwendungen für den Schulbesuch eines hochbegabten Kindes als außergewöhnliche Belastungen abziehbar sein können, wenn der Schulbesuch medizinisch angezeigt ist.

Im Streitfall wechselte der Sohn der Kläger, bei dem ein Intelligenzquotient von 133 festgestellt worden war, von der zweiten in die vierte Grundschulklasse. Anschließend besuchte er ein Gymnasium. Aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten empfahl sowohl der Allgemeine Sozialdienst als auch die Hausärztin des Kindes den Besuch einer Hochbegabtenschule in Schottland. Da eine solche Schule für die Altersgruppe, in der sich das Kind in den Streitjahren befand, in Deutschland nicht verfügbar war, sei die Unterbringung in Schottland therapeutisch notwendig, um der Fehlentwicklung des Kindes entgegenzuwirken und eine bleibende seelische und soziale Schädigung zu verhindern. Ein nachträglich hinzugezogener Amtsarzt bestätigte diese Diagnose.

In ihren Einkommensteuererklärungen machten die Kläger Schul- und Internatskosten i.H.v. jährlich ca. 25 000 € erfolglos als außergewöhnliche Belastungen geltend, weil die medizinische Notwendigkeit der Internatsunterbringung des Kindes nicht durch ein zuvor erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen worden war.

Auf die Revision der Kläger hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Da der Nachweis einer Krankheit und der medizinischen Indikation der Behandlung nach der neuen BFH-Rspr. nicht mehr zwingend durch ein vor Beginn der Behandlung eingeholtes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. Attest eines öffentlich-rechtlichen Trägers geführt werden muss, vielmehr auch noch später und durch alle geeigneten Beweismittel geführt werden kann, wird das FG nun zu prüfen haben, ob der Besuch der schottischen Schule wegen der Hochbegabung des Kindes medizinisch angezeigt war. In einem solchen Fall können die geltend gemachten Kosten unmittelbare Krankheitskosten sein. Dies gilt dann auch für Kosten einer auswärtigen der Krankheit geschuldeten Internatsunterbringung, selbst wenn diese zugleich der schulischen Ausbildung dient (Pressemitteilung des BFH Nr. 61/11 vom 10.8.2011, LEXinform 0436768).

Anmerkung:

Auch nach der Neufassung des § 64 EStDV i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 ist ein Nachweis vor Beginn der Maßnahme nicht erforderlich, da die Aufwendungen für den Schulbesuch des Kindes nicht in § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV genannt sind. Zum Privatschulbesuch s.a. R 33.4 Abs. 2 EStR und H 33.1–33.4 [Schulbesuch] EStH (Geserich, NWB 2011, 2761). S.u. Schulgeldzahlungen.

Aufwendungen für Fahrten zwischen der Familienwohnung und einer Privatschule eines am Asperger-Syndrom sowie an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (ADHS) leidenden Kindes sind, falls keine ärztliche Bescheinigung vorliegt, die die medizinische Notwendigkeit des Privatschulbesuchs zur Linderung/Heilung der Erkrankung des Kindes bestätigt, nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar. Die Feststellung, dass es sich bei den im Zusammenhang mit dem Schulbesuch angefallenen Fahrtkosten um unmittelbare Krankheitskosten im Sinne dieser Rspr. handelt, kann der Senat bereits deshalb nicht treffen, weil es an ärztlichen Bescheinigungen fehlt, die die medizinische Notwendigkeit des (Privat-)Schulbesuchs zur Linderung/Heilung der Erkrankung des Sohnes bestätigen; vgl. FG Köln vom 20.3.2019, 4 K 1961/16.

6. Einzelfälle-ABC

6.1. Abmagerungskur

Der Abzug von Aufwendungen für die Teilnahme am Optifast-Programm als außergewöhnliche Belastung setzt voraus, dass ihre medizinische Notwendigkeit durch ein vor Behandlungsbeginn ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Attest nachgewiesen wird (BFH Urteil vom 29.5.2007, III B 37/06, BFH/NV 2007, 1865, LEXinform 5903735). Bei einem Optifast-Programm handelt es sich um ein in speziellen Therapiezentren unter Betreuung durch Ärzte, Ernährungsfachkräfte, Krankenschwestern, Sport- und Bewegungstherapeuten sowie Psychologen durchgeführtes Programm zur langfristigen Therapie von Übergewicht. Nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStDV ist der Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes vor Beginn der Heilmaßnahme zu erbringen.

6.2. Adipositas

Aufwendungen hierfür sind ggf. agB (Krankheitskosten); der Krankheitswert einer Adipositas bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Aufwendungen für die Teilnahme an einem sog. Optifast-Programm zur langfristigen Therapie von Übergewicht sind als agB nur dann abziehbar, wenn sich aus einem vor Behandlungsbeginn ausgestellten amts- oder vertrauensärztlichen Attest zweifelsfrei entnehmen lässt, dass der Stpfl. krank und die den Aufwendungen zugrunde liegende Behandlung medizinisch indiziert ist. Bei dem Krankheitswert der Adipositas handelt es sich nicht um eine Rechts-, sondern um eine Tatfrage, die nur im konkreten Einzelfall und damit nicht vom Revisionsgericht zu entscheiden ist; vgl. BFH vom 29.5.2007, III B 37/06.

Zur Liposuktion vgl. u.a. FG München vom 15.12.2020, 15 K 2606/19.

6.3. Allergie

Allergiebettzeug gehört nicht – wie z.B. Brillen, Hörgeräte usw. – zu den Heilmitteln im engeren Sinne, die ohne besondere Nachweise typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden. Die medizinische Notwendigkeit seiner Anschaffung ist – wie bei Maßnahmen zur Beseitigung von Schadstoffen – durch ein vorher erstelltes amtsärztliches Attest nachzuweisen; eine fachärztliche Empfehlung genügt nicht (BFH Urteil vom 14.12.2007, III B 178/06, BFH/NV 2008, 561, LEXinform 5904185). Zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der Aufwendungen s. die Änderung der Rspr. im BFH-Urteil vom 11.11.2010 (VI R 16/09, BStBl II 2011, 966 und VI R 17/09, BStBl II 2011, 969). Der BFH hat unter Änderung der bisherigen Rspr. entschieden, dass Krankheit und medizinische Indikation der den Aufwendungen zugrundeliegenden Behandlung nicht länger vom Stpfl. nur durch ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. ein Attest eines anderen öffentlich-rechtlichen Träger nachgewiesen werden können. Nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStDV (s.o.) ist aber weiterhin ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes vor Beginn der Maßnahme erforderlich.

Aufwendungen für das Fällen der das Wohnhaus umgebenden Birken können als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden, wenn sie wegen der Birkenpollenallergie des minderjährigen Kindes anfallen. Die medizinische Notwendigkeit ist, da das Fällen von Bäumen auch anderen Zwecken dienen kann, durch ein vorher ausgestelltes amtsärztliches Attest nachzuweisen. Ein nachträgliches Attest kann ausnahmsweise ausreichen, wenn der Amtsarzt den früheren Gesundheitszustand des Kindes aufgrund von apparatemedizinischen Befunden, die vor der Beseitigung der Birken erhoben wurden, zuverlässig beurteilen kann (BFH Urteil vom 15.3.2007, III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841).

6.4. Alternative Medizinmethoden

Der BFH hat mit Urteil vom 2.9.2010 (VI R 11/09, BStBl II 2011, 119) entschieden, dass Aufwendungen für eine immunbiologische Krebsabwehrtherapie als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG abgezogen werden können.

Die Ehefrau des Klägers wurde wegen einer schweren Krebserkrankung der Bauchspeicheldrüse operiert. Im Anschluss an die Operation unterzog sie sich einer immunbiologischen Krebsabwehrtherapie mit Ukrain. Das Präparat ist weder in Deutschland noch in anderen europäischen Ländern als Arzneimittel zugelassen. Zu der alternativen Krebsabwehrtherapie hatte der Hausarzt, ein Facharzt für Allgemeinmedizin, Chirotherapie und Naturheilverfahren, geraten, da eine konventionelle Chemotherapie wegen des geschwächten Gesundheitszustandes der Patientin und einer Tumorkachexie nicht möglich sei. In ihrer ESt-Erklärung machten der Kläger und seine später verstorbene Ehefrau die Behandlungskosten i.H.v. 30 000 € als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG geltend. Das FA ließ die geltend gemachten Aufwendungen nicht zum Abzug zu und wurde darin zunächst vom FG bestätigt.

Der BFH versagte im Urteil vom 21.2.2018 (BFH vom 21.2.2018, VI R 11/16) zum einen den Abzug von Krankheitskosten für erworbene Medikamente und Präparate um Arzneimittel (Nachweis nach § 65 Abs. 1 Nr. 1 EStdV). Die Kläger konnten keine Verordnungen eines Arztes oder Heilpraktikers mehr vorlegen. Die nachträglichen ärztlichen Schreiben aus dem Jahre 2010 und 2011 waren deshalb bereits keine ärztlichen Verordnungen, weil sie sich nicht konkret auf die einzelnen, jeweils erworbenen Medikamente und Präparate bezogen. Des anderen wurde der Abzug für eine Reiki-Behandlung versagt. Reiki, ein aus den beiden japanischen Wörtern rei (Geist, Seele) und ki (Lebensenergie) zusammengesetztes Kunstwort, steht für eine esoterische Behandlung von Kranken, die wissenschaftlich nicht anerkannt ist. Hier hat der Senat festgestellt, es handele sich bei den Kosten für die Behandlung um Krankheitskosten, die allerdings nicht anzuerkennen seien, weil es an einem amtsärztlichen Gutachten fehle.

Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen s. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV.

S.a. Anthroposophische Behandlungsmethode, Delfintherapie, Magnetfeldtherapie, Liposuktion, wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden.

6.5. Anthroposophische Behandlungsmethode

S. Heileurythmie und wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden. Mit Urteil vom 26.2.2014 (VI R 27/13, BStBl II 2014, 824) hat der BFH zur Anerkennung der Aufwendungen für Heileurythmie als außergewöhnliche Belastung entschieden, dass die heileurythmische Behandlung eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV sei, weil sie als eine anthroposophische Behandlungsmethode einer der in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgeführten besonderen Therapierichtungen zuzuordnen sei, zu denen die Anthroposophie gehöre (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 44/2014 vom 18.6.2014, LEXinform 0441982). § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV fordert den strengen amtlichen Nachweis nur bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden, nicht aber bei wissenschaftlich umstrittenen Behandlungsmethoden. Auch die Behandlungsmethoden der in § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB V aufgeführten besonderen Therapierichtungen, zu denen die Homöopathie, Anthroposophie (mit dem Heilmittel »Heileurythmie«) und Phytotherapie gehören, sind wissenschaftlich anerkannte Heilmethoden, die nach festgelegten Regeln in der Praxis individuell angewandt und kontinuierlich mit modernen wissenschaftlichen Methoden weiter entwickelt werden.

Hinweis:

Zur Bedeutung der Anthroposophischen Medizin s. die Erläuterungen auf der Homepage der »Gesellschaft Anthroposophischer Ärzte in Deutschland«.

Die Anthroposophische Medizin erkennt die naturwissenschaftliche Medizin zur Erfassung der körperlichen, physischen Ebene des Organismus grundsätzlich an und bezieht den gesamten Bereich moderner Labordiagnostik und apparativer Untersuchungstechniken mit ein. Sie erweitert darüber hinaus ihre Untersuchungen auf die höhere Ebene der Lebens-Organisation, durch die die physischen Stoffe und Prozesse des Körpers zu einem lebensfähigen Organismus zusammengefügt werden.

I.S.d. Anthroposophischen Medizin kommt durch die Erlebnisfähigkeit des menschlichen Organismus eine weitere, eine »seelische« Ebene in Betracht, die sich in den letzten Jahrzehnten als Psychosomatische Medizin oder Anthropologische Medizin etabliert hat.

Die vier Organisationsebenen (Körper, Leben, Seele, Geist), die sich aus der Menschenkunde der Anthroposophie ergeben, sind bei einer ärztlichen Diagnostik und Therapie i.S.d. Anthroposophischen Medizin bei jedem Patienten in ihrer unterschiedlichen Bedeutung zu erfassen.

6.6. Aspirin

S. Medikamente.

6.7. Ayurveda-Behandlung

Mit Ayurveda werden altindische Heilmethoden bezeichnet, die zunehmend, u.a. auch im Zusammenhang mit Erholungsreisen, angeboten werden. Dabei wird insbesondere die verjüngende und entspannende Wirkung dieser Behandlung hervorgehoben. Aufwendungen für Maßnahmen aus dem Bereich der sog. »Wellness« die geeignet sind, das Wohlbefinden zu steigern, Stresserscheinungen zu beheben oder vorbeugend Krankheiten entgegenzuwirken, entstehen nicht zwangsläufig und sind daher nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Andererseits können auch Aufwendungen aus dem Bereich der alternativen Medizin Krankheitskosten und damit außergewöhnliche Belastungen sein (Kurzbeitrag vom 15.9.2001, LEXinform 0351654).

Aufwendungen für eine Ayurveda-Behandlung können nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn die medizinische Notwendigkeit dieser Behandlung im Einzelfall durch ein vor ihrem Beginn erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen ist. Hinzu kommt, dass Behandlungen im Bereich der Ayurveda-Medizin auch als vorbeugende, der Gesundheit allgemein dienende Maßnahme im Rahmen von Erholungsreisen angeboten werden. Ferner ist diese Behandlungsmethode nicht unumstritten, sodass nicht ohne Weiteres eine Heilbehandlung unterstellt werden kann (BFH Urteil vom 1.2.2001, III R 22/00, BStBl II 2001, 543). Zum Nachweis s.a. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStDV (s.o.).

6.8. Behindertengerechter Um- bzw. Neubau

Während behindertengerechte Umbaumaßnahmen grds. als agB begünstigt sind, stellen für den BFH die Mehrkosten für die Anschaffung eines größeren Grundstücks zum Bau eines behindertengerechten Bungalows keine agB dar; vgl. BFH vom 17.7.2014, VI R 42/13. Diese entstehen nicht zwangsläufig und sind vornehmlich nicht der Krankheit oder Behinderung geschuldet, sondern in erster Linie Folge des frei gewählten Wohnflächenbedarfs des Stpfl.

Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau einer Motoryacht erwachsen dem Stpfl. nicht zwangsläufig und sind deshalb nicht als außergewöhnliche Belastung i.S.d. § 33 EStG zu berücksichtigen; vgl. BFH Beschluss vom 2.6.2015, VI R 30/14.

Zur Berücksichtigung der Mehraufwendungen für den behindertengerechten Um- oder Neubau eines Hauses als außergewöhnliche Belastungen s. → Menschen mit Behinderung sowie die Anmerkung vom 21.5.2013 unter LEXinform 0652124. Die Aufwendungen i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG sind grundsätzlich in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem der Stpfl. sie geleistet hat. Der Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen nach dem Abflussprinzip nur im Jahr der Verausgabung stellt keine sachliche Unbilligkeit (§ 163 AO) dar (BFH Urteil vom 12.7.2017, VI R 36/15, BStBl II 2017, 979). Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde mit Beschluss des BVerfG vom 12.6.2018 (1 BvR 33/18, LEXinform 0951803) nicht zur Entscheidung angenommen (s.a. Brandis, DStR 44/2018, 2298).

Wirken sich außergewöhnliche Belastungen in dem Veranlagungszeitraum, in dem sie geleistet werden, mangels eines hinreichenden Gesamtbetrags der Einkünfte nicht aus, sieht das Gesetz keine Möglichkeit vor, den restlichen Betrag in einen anderen Veranlagungszeitraum zu übertragen oder ähnlich der Regelung in § 82b EStDV auf mehrere Veranlagungszeiträume zu verteilen. § 10d EStG gilt nur für Einkünfte, nicht aber für außergewöhnliche Belastungen oder Sonderausgaben. Ebenso fehlt eine § 7 EStG oder § 82b EStDV vergleichbare Regelung in § 33 EStG.

Aufwendungen für die Anlage eines rollstuhlgerechten Weges im Garten eines Einfamilienhauses können nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG berücksichtigt werden, wenn sich auf der anderen Seite des Hauses eine Terrasse befindet, die mit dem Rollstuhl erreichbar ist. In einem solchen Fall fehlt es an der Zwangsläufigkeit, da ein Zugang zum Garten bereits gewährleistet ist; vgl. FG Münster vom 15.1.2020, 7 K 2740/18 E.

6.9. Behindertenpauschbetrag

Der → Behindertenpauschbetrag kommt in Betracht wegen der Aufwendungen für

  • die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens,

  • die Pflege sowie

  • einen erhöhten Wäschebedarf.

Mit der Körperbehinderung zusammenhängende, sich aber infolge ihrer Einmaligkeit der Typisierung des § 33b EStG entziehende Kosten sowie zusätzliche Krankheitskosten können als außergewöhnliche Kosten nach § 33 EStG geltend gemacht werden. Hierzu zählen z.B. Aufwendungen für Heilbehandlungen, Kuren, Arzneimittel und bestimmte Kfz-Kosten (→Menschen mit Behinderung). Von § 33b Abs. 1 EStG werden demgegenüber Pflege- und Heimkosten sowie Aufwendungen für einen erhöhten Wäschebedarf erfasst. Neben dem Abzug von Pflegeaufwendungen gem. § 33 Abs. 1 EStG darf der Behindertenpauschbetrag nicht geltend gemacht werden. Zur Berücksichtigung von Aufwendungen für einen »Epilepsiehund« s. das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 30.11.2016 (2 K 2338/15, LEXinform 5019854) unter → Behindertenpauschbetrag.

6.10. Bekleidungskosten von Transsexuellen

Transsexualität ist eine einer Krankheit vergleichbare Disposition des Menschen, sodass dadurch veranlasste Aufwendungen bei den außergewöhnlichen Belastungen abgesetzt werden können, wenn es sich um unmittelbare Krankheitskosten handelt. Aufwendungen für die Anschaffung von Kleidung und Schuhen allerdings, die ein Transsexueller zur Vorbereitung auf die Geschlechtsumwandlung während eines Alltagstests trägt, sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar (BFH Urteil vom 25.10.2007, III R 63/06, BFH/NV 2008, 544).

6.11. Besuch eines Sportstudios

BFH Urteil vom 14.8.1997 (III R 67/96, BStBl II 1997, 732): Aufwendungen für die Ausübung eines Sports (hier: Besuch eines ärztlich betreuten Sportstudios) können als Krankheitskosten nur dann außergewöhnliche Belastungen sein, wenn der Sport nach genauer Einzelverordnung und unter Verantwortung eines Arztes, Heilpraktikers oder einer sonst zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Person betrieben wird, um eine Krankheit oder ein Gebrechen zu heilen oder zu seiner Besserung oder Linderung beizutragen. Der Nachweis, dass die Ausübung des Sports für die Heilung oder Linderung einer Krankheit erforderlich ist, muss durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV bescheinigt werden.

Aufwendungen für Fitnessstudio-Rückentraining können nicht als außergewöhnliche Belastung steuerlich berücksichtigt werden, wenn nicht ein vor der Behandlung erstelltes Amts- oder vertrauensärztliches Gutachten die medizinische Notwendigkeit der Maßnahme klar ergibt und das Trainingsprogramm detailliert von einem Arzt bzw. einer vergleichbare zur Ausübung der Heilkunde gesetzlich zugelassenen Person »programmiert« ist. Durch die Instruktion eines Trainers, die zu den üblichen Leistungen eines Sportstudios gehört, wird diese »Programmierung« nicht ersetzt; vgl. FG München vom 3.12.2008, 1 K 2183/07.

Allein der Umstand, dass die Sportausübung für einen Stpfl. infolge eines körperlichen Leidens besonders dringlich notwendig oder ratsam ist, um seine Beschwerden zu lindern oder einer Verschlimmerung seines Leidens vorzubeugen, macht die Ausübung des Sports nicht zu einer Heilbehandlung und die mit ihr verbundenen Kosten nicht zu außergewöhnlichen Belastungen (FG Sachsen Urteil vom 24.1.2011, 8 K 1403/09, LEXinform 5011586, rkr.).

Nach einem Urteil des FG Köln vom 30.1.2019 (7 K 2297/17, LEXinform 5022334) sind Aufwendungen für den Besuch eines Fitness- und Gesundheitsclubs jedenfalls dann nicht als außergewöhnliche Belastungen i.S.d. § 33 EStG zu berücksichtigen, wenn der Stpfl. keine ärztliche Verordnung i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV vorlegt, sondern lediglich pauschale ärztliche Bescheinigungen, nach denen allgemein Sporttherapie, Krankengymnastik, Bewegungsübungen, Massagen und Bewegungsübungen im Bewegungsbad unter therapeutischer Anleitung benötigt und Aufbautraining der Muskulatur durch Bewegungsbäder, Muskeltraining sowie Gymnastikkurse angeraten werden. Es ist bereits fraglich, ob und inwieweit es sich bei den Fitnessstudiobeiträgen und den aus den Fitnessstudiobesuchen folgenden Fahrtkosten überhaupt um unmittelbare Krankheitskosten und nicht vielmehr um Kosten für vorbeugende oder allgemein gesundheitsfördernde Maßnahmen handelt, die zu den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG gehören.

S.a. Thermalbäder.

6.12. Besuchsfahrten

Aufwendungen für Besuchsfahrten zu dem Ehegatten oder einem Kind des Stpfl. im Krankenhaus sind dann abzugsfähig, wenn die medizinische Veranlassung durch eine Bescheinigung des behandelnden Krankenhausarztes konkret nachgewiesen ist (s.a. BFH Beschluss vom 12.1.2011, VI B 97/10, BFH/NV 2011, 640, LEXinform 5905986 und Anmerkung vom 24.3.2011, LEXinform 0940431); so auch § 64 Abs. 1 Nr. 3 EStDV.

Aufwendungen für Fahrten zum Besuch eines kranken Angehörigen sind, auch wenn die Besuche unmittelbar der Heilung oder Linderung der Krankheit gedient haben, wegen fehlender Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG abzugsfähig, wenn auf die Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruches nach § 670 BGB verzichtet worden ist (FG München Urteil vom 22.9.2008, 7 K 4430/06, LEXinform 5007178, rkr.).

Der Nachweis erfolgt durch eine Bescheinigung des behandelnden Krankenhausarztes und ist notwendig für Besuchsfahrten zu einem für längere Zeit in einem Krankenhaus liegenden Ehegatten oder Kind des Stpfl., in dem bestätigt wird, dass der Besuch des Stpfl. zur Heilung oder Linderung einer Krankheit entscheidend beitragen kann (§ 64 Abs. 1 Nr. 3 EStDV).

Aufwendungen sind nicht zwangsläufig, wenn sie durch die Inanspruchnahme anderweitiger Ersatzmöglichkeiten abgewendet werden können, sofern deren Ausschöpfung nicht ausnahmsweise unzumutbar ist (BFH Urteil vom 20.9.1991, III R 91/89, BStBl II 1992, 137). Der Stpfl. kann daher ihm entstandene Kosten nur dann als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd geltend machen, statt eine anderweitige Ersatzmöglichkeit zu verfolgen, wenn es sich um eine Ersatzmöglichkeit von geringer wirtschaftlicher Auswirkung handelt (vgl. BFH Urteil vom 7.3.1975, VI R 98/72, BStBl II 1975, 629) oder wenn er andere anerkennenswerte Gründe hat, sie nicht auszuschöpfen, z.B. weil er seinem ArbG eine bestimmte Krankheit nicht mitteilen möchte (BFH Urteil vom 20.9.1991, III R 91/89, BStBl II 1992, 137). Von dem Stpfl. wird erwartet, dass er seine Ansprüche in nachhaltiger und überprüfbarer Weise geltend macht (BFH Urteile vom 18.6.1997, III R 84/96, BStBl II 1997, 805 und 20.9.1991, III R 91/89, BStBl II 1992, 137). Im Streitfall wäre es der Klägerin zuzumuten gewesen, zumindest zu versuchen, sich die Fahrtkosten von ihrer Mutter erstatten zu lassen. Da es sich nach Darstellung der Kläger um Fahrten handelte, die die Kläger – da zur Heilbehandlung erforderlich – ausschließlich im Interesse der Mutter durchgeführt haben, haben die Kläger gegenüber der Mutter zivilrechtlich einen Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB. Da die Eltern der Klägerin nach den vorgelegten Rentenbescheinigungen zumindest über Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung i.H.v. monatlich netto rund 1 590 € verfügten, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass die Mutter in der Lage war, die den Klägern entstandenen Kosten ganz oder teilweise zu tragen. Die Geltendmachung der Forderung war den Klägern auch nicht unzumutbar. Da die Aufwendungen nach Darstellung der Kläger nicht aus Besuchen zur Pflege der familiären Beziehungen resultierten, sondern der Heilung bzw. Linderung der Krankheit der Mutter gedient haben und damit im alleinigen Interesse der Mutter stattfanden, ist nicht ersichtlich, warum die Geltendmachung eines Ersatzanspruches sittenwidrig oder gar als Nötigung anzusehen sei. Da die Kläger von vornherein auf die Geltendmachung eines Ersatzanspruches verzichtet haben, sind die Zwangsläufigkeit und damit eine außergewöhnliche Belastung zu verneinen.

6.13. Bettzeug

S. Allergie.

6.14. Bioresonanztherapie

Aufwendungen für eine Bioresonanztherapie, deren Notwendigkeit nicht durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachgewiesen ist, sind nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar; vgl. FG Köln vom 21.3.2018, 3 K 544/17. Die Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH war unzulässig; vgl. BFH vom 7.2.2019, VI B 71/18. Das Gericht bezieht sich bei seiner Entscheidung auf die ausführliche Stellungnahme der Fachkommission der schweizerischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie zu den Bioresonanz- und Elektroakupunkturgeräten in der Schweizerischen Ärztezeitung 2006, 50 ff.; den Beitrag des Bundes Deutscher Heilpraktiker e.V. unter www.bdh-online.de/lexikon/bioresonanz-therapie, abgerufen 19.3.2018; den Beitrag der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchungen von Parawissenschaften e.V. unter gwup.org/Inhalte/77-themen/komplementaer-und-alternativmedizin-cam/843-bioresonanztherapie, abgerufen am 19.3.2018, und den Beitrag Biofeedback und Bioresonanz unter www.biofeedback.co.at/de/alles-ueber-biofeedback/news-und-artikel/artikel-zu-biofeedback-und-bioresonanz, abgerufen am 19.3.2018. Der Senat hat den Kläger hierauf in der mündlichen Verhandlung hingewiesen, dieser hat dem nichts entgegengesetzt.

6.15. Birkenpollenallergie

S. Allergie.

6.16. Bulimie

Bulimie ist medizinisch als Krankheit zu werten. Sie tritt meist bereits unter Heranwachsenden oder im frühen Erwachsenenalter auf. Bei dieser Ess- und Brechsucht handelt es sich um eine psychogene Essstörung, bei der in exzessiver Weise Nahrungsmengen in kürzester Zeit zugeführt und anschließend Maßnahmen (z.B. selbstinduziertes Erbrechen usw.) ergriffen werden, um das Körpergewicht in einem (sub)normalen Rahmen zu halten (FG Münster Urteil vom 19.2.2019, 12 K 302/17, EFG 2019, 623, LEXinform 5022029, rkr. unter 2.). Durch Bulimie verursache erhöhte Lebensmittelkosten sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Aufwendungen für Lebensmittel sind regelmäßig keine Aufwendungen i.S.d. § 33 EStG. Vielmehr sind es Kosten der privaten Lebensführung, die einem Abzugsverbot unterliegen. Krankheitskosten können nach § 33 EStG nur berücksichtigt werden, wenn sie zum Zweck der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen. Lebensmittel sind keine Arzneimittel und die Aufwendungen damit auch keine typischen Krankheitskosten. Die zusätzlichen Kosten dienen nicht der Heilung oder Linderung der Krankheit. Vielmehr sind sie Ausdruck ihrer Krankheit (Anmerkung vom 14.5.2019, LEXinform 0881502; FG Münster Mitteilung vom 15.4.2019, LEXinform 0449661).

6.17. Burn-out

Burn-out ist keine typische Berufskrankheit. Ein Werbungskostenabzug der Behandlungskosten ist daher nicht möglich. Nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStDV muss für eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung ein vorheriges amtsärztliches Attest vorgelegt werden (FG München Urteil vom 26.4.2013, 8 K 3159/10, EFG 2013, 1387, LEXinform 5015162, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 36/13, LEXinform 0929939). Mit Beschluss vom 9.11.2015 (VI R 36/13, BFH/NV 2016, 194, LEXinform 0929939) hat der BFH die Rechtsausführungen des FG München bestätigt (s.a. Anmerkung vom 8.3.2016, LEXinform 0947603). Im Urteilsfall führte der Kläger zur Begründung der beruflichen Veranlassung der Aufwendungen aus, er sei aufgrund der Fusion seines ArbG nicht wie erwartet zum Prokuristen ernannt, sondern bei der Beförderung übergangen worden. Man habe ihm mit einer Vertragsanpassung gedroht, die aus seiner Sicht einer Degradierung gleichgekommen wäre. Daraufhin sei es zu akuten gesundheitlichen Beschwerden gekommen.

Der BFH ist der Tatsachenwürdigung durch das FG gefolgt, wonach im Streitfall kein offenkundiger Zusammenhang der Erkrankung des Klägers mit seiner Berufstätigkeit zu erkennen sei. Aus dem Inhalt des Attests ergab sich insbesondere nicht, dass der Kläger berufsbedingt an einem sog. »Burn-out« litt, so dass im Streitfall auch dahinstehen konnte, ob bei einem sog. »Burn-out« ein offenkundiger Zusammenhang zwischen der Erkrankung und dem Beruf angenommen werden kann. Beschrieben wurde lediglich ein diffuses Bild körperlicher und psychischer Beschwerden, die bereits vor der erwähnten Umstrukturierung bestanden und sich danach verstärkt hätten. Weder wurden die Beschwerden nach Art eines klinischen Befunds näher beschrieben (z.B. Intensität, Häufigkeit) noch wurde nachvollziehbar erläutert, dass ein eindeutiger Zusammenhang zwischen den Beschwerden und der Berufstätigkeit des Klägers bestand. Allein der zeitliche Ablauf war angesichts des beschriebenen Charakters gerade durch psychische Faktoren mitbestimmter Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht geeignet, einen offenkundigen Zusammenhang zum Beruf zu begründen.

Anderer Rechtsauffassung ist allerdings das FG Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 22.8.2012 (2 K 1152/12, LEXinform 5015640, rkr.). Danach können die Kosten der Behandlung einer psychosomatischen Erkrankung (Burn-out) als Werbungskosten bei den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit berücksichtigt werden, wenn die Erkrankung durch Mobbing am Arbeitsplatz verursacht wurde. Im Streitfall war der lang andauernde, täglich zu erlebende konkrete berufliche Konflikt offensichtlich für das klägerische Erschöpfungssyndrom mit depressiven Strömungen ausschlaggebend gewesen. Dies hat neben dem Hausarzt letztlich auch der Psychotherapeut bestätigt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass es sich insoweit um Gefälligkeitsatteste handelt (s.a. Anmerkung vom 30.7.2013, LEXinform 0652171).

Hinweis:

Leistungen des ArbG zur Verbesserung des allgemeinen Gesundheitszustands der ArbN und zur betrieblichen Gesundheitsförderung (hier Kurse für Ernährung und gegen Burn-out) können zu steuerbarem Arbeitslohn führen, wenn sich die Vorteile bei objektiver Würdigung aller Umstände als Entlohnung und nicht lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen. Eine gesunde, leistungsbereite und leistungsfähige Arbeitnehmerschaft liegt im Übrigen stets im eigenbetrieblichen Interesse des ArbG. Daraus folgt aber nicht, dass das eigenbetriebliche Interesse des ArbG an der Gesunderhaltung seiner ArbN es von vornherein ausschließt, eine Zuwendung an die ArbN zur Gesundheitsförderung als Arbeitslohn zu qualifizieren.; vgl. BFH vom 21.11.2018, VI R 10/17.

6.18. Delfintherapie

Aufwendungen für Behandlungen mit wissenschaftlich umstrittenen Methoden wie für eine Delfintherapie sind – mögen sie auch nicht auf den ersten Blick wertlos sein – grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn die medizinische Indikation durch ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten oder ein Attest eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers nachgewiesen wird. Eine nachträgliche amtsärztliche Begutachtung kommt nur für Sachverhalte in Betracht, für die die Rspr. erstmals den Nachweis der Zwangsläufigkeit durch ein amtsärztliches Attest verlangt oder wenn das Vorliegen einer Erkrankung und der darauf bezogenen ärztlichen Therapie aufgrund objektiver Befunde und Untersuchungen feststellbar ist (BFH Urteil vom 15.11.2007, III B 205/06, BFH/NV 2008, 368). Zum Nachweis der Krankheitskosten s.a. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV.

S.a. Alternative Medizinmethoden und wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden.

6.19. Diätverpflegung

Mehraufwendungen für eine Diätverpflegung sind nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar. Diese Regelung ist selbst dann nicht verfassungswidrig, wenn die Diät an die Stelle medikamentöser Behandlung tritt (FG Münster Urteil vom 16.11.2011, 10 K 200/10 E, LEXinform 5013102, rkr.). Diese Grundsätze gelten auch für Mehraufwendungen, die den Eltern für die glutenfreie Ernährung ihres an Zöliakie (Glutenunverträglichkeit) erkrankten Kindes entstehen (BFH Urteil vom 9.10.2003, III B 139/02, BFH/NV 2004, 187). Mit Urteil vom 21.6.2007 (III R 48/04, BStBl II 2007, 880) bestätigt der BFH seine Rspr. und stellt zusätzlich fest, dass gegen das gesetzliche Verbot der Berücksichtigung von Aufwendungen für Diätverpflegung keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (H 33.1–33.4 [Diätverpflegung] EStH). Aufwendungen für glutenfreie Diätverpflegung können auch bei ärztlicher Verordnung nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abgezogen werden (FG Köln Urteil vom 13.9.2018, 15 K 1347/16, EFG 2019, 350, LEXinform 5021824, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 48/18, LEXinform 0952204; s.a. Anmerkung vom 26.3.2019, LEXinform 0881390).

Mit Urteil vom 14.4.2015 (VI R 89/13, BStBl II 2015, 703) hat der BFH entschieden, dass Aufwendungen für ärztlich verordnete Arzneimittel i.S.v. § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) nicht dem Abzugsverbot für Diätverpflegung nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG unterfallen. Vom Abzugsverbot nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG werden nur Aufwendungen für Diätlebensmittel, nicht aber Arzneimittel i.S.d. § 2 AMG erfasst. Dies gilt auch dann, wenn die Arzneimittel im Rahmen einer Diät eingenommen würden. Aufwendungen hierfür sind vielmehr als Krankheitskosten nach § 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen, wenn die Einnahme der Medikamente einer Krankheit geschuldet und die Medikation durch ärztliche Verordnung nachgewiesen ist. Der BFH hat die Rechtssache an das FG zurückverwiesen, da das FG nicht festgestellt hat, ob es sich bei den von der Klägerin eingenommenen Präparaten um Nahrungsergänzungsmittel i.S.d. § 1 der Nahrungsergänzungsmittelverordnung und damit um Lebensmittel oder ob es sich um Arzneimittel i.S.d. § 2 AMG handelt (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 50/2015 vom 22.7.2015, LEXinform 0443421 sowie Anmerkung vom 27.7.2015, LEXinform 0947051).

Aufwendungen für Arzneimittel i.S.d. § 2 AMG unterfallen nicht dem Abzugsverbot für Diätverpflegung nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG. Die Einholung einer amtlichen Auskunft des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ist ein geeignetes Beweismittel zur Klärung der Arzneimitteleigenschaft i.S.d. § 2 AMG; vgl. FG Düsseldorf vom 24.1.2017, 10 K 2300/15 E.

Der Ansatz der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG bei Krankheitskosten begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Dies gilt auch bei Krankheitskosten, die aufgrund eines vereinbarten Selbstbehalts von der privaten Krankenversicherung nicht erstattet werden; vgl. BFH Beschluss vom 4.11.2021, VI R 48/18.

6.20. Dispokinese

Entstehen einer Orchestermusikerin, die unter akuten Einschränkungen im Hals-Nacken-Schulterbereich leidet, Aufwendungen für sog. Dispokinese, handelt es sich hierbei um Krankheitskosten und damit um eine steuerlich nur beschränkt abziehbare außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG und nicht um unbeschränkt berücksichtigungsfähige Werbungskosten nach § 9 EStG. Das hat das Hessische FG mit Urteil vom 13.12.2011 (12 K 2569/10, DStRE 2013, 261, LEXinform 5014119, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 37/12, LEXinform 0929337) entschieden.

Geklagt hatte eine Orchestermusikerin, die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezog. In ihrer ESt-Erklärung machte sie Aufwendungen von ca. 1 000 € für sog. Dispokinese geltend. Die Aufwendungen seien entstanden, weil sie aufgrund akuter Einschränkungen in der Schulter ihrer Erwerbstätigkeit als Musikerin nicht habe nachgehen können. Zur Behandlung dieser Erkrankung sei Krankengymnastik verordnet worden. Zudem habe sie Aufwendungen für eine Dispokinese-Fortbildung getätigt. Bei Dispokinese handele es sich um eine von Musikern für Musiker entwickelte ganzheitlich orientierte Schulungsform. Diese pädagogische Maßnahme habe zum Ziel, die Spielfähigkeit durch Veränderung der Haltung und der Eigenwahrnehmung zu verbessern. Der Musiker erlerne zahlreiche Übungen, die es ihm ermöglichten, auch in einer Auftrittsituation bessere Leistungen zu erbringen. Damit diene die Dispokinese der Erhaltung und Sicherung der Einnahmen als Berufsmusikerin, was den unbeschränkten Werbungskostenabzug zur Folge haben müsse.

Das Hessische FG sah hingegen in den Aufwendungen für die Dispokinese lediglich beschränkt abziehbare Krankheitskosten. Denn die Klägerin habe die Dispokinesesitzungen – nachdem die Besuche bei der Krankengymnastin nicht den erhofften Erfolg gebracht hätten – absolviert, um ihre Gesundheit wieder herzustellen bzw. zu erhalten. Zwar bestehe kein Zweifel daran, dass die Klägerin aufgrund der Dispokinese über eine verbesserte Körperhaltung verfügt habe und ihr Instrument schmerzfrei habe führen können. Diese Auswirkungen und die damit einhergehende Verbesserung des Spiels als Musikerin machen die Aufwendungen aber nicht zu Werbungskosten. Denn die Aufwendungen seien aufgebracht worden, um die gesundheitlichen Probleme zu bewältigen. Dabei handele es sich jedoch nur um steuerlich beschränkt abzugsfähige Krankheitskosten (s.a. Pressemitteilung des Hessischen FG vom 18.10.2012, LEXinform 0438626).

6.21. Einlegesohlen

Mit Urteil vom 20.8.2010 (15 K 514/08, LEXinform 5011727, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 74/10, LEXinform 0928134) hat das FG Niedersachsen entschieden, dass die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen i.H.v. 19,90 € für die bei Aldi und Deichmann angeschafften Einlegesohlen nicht als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen sind. Nach der Rspr. des BFH, der das Gericht folgt, sind krankheitsbedingte Maßnahmen und die dadurch veranlassten Aufwendungen regelmäßig aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig, soweit sie entweder der Heilung dienen oder den Zweck verfolgen, die Krankheit – in der Person des Kranken – erträglich zu machen. In diesem Sinne werden auch Aufwendungen für medizinische Hilfsmittel typisierend als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt. Der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach bedarf es dann nicht (BFH Urteil vom 9.8.1991, III R 54/90, BStBl II 1991, 920).

Keine außergewöhnliche Belastung wird allerdings durch Aufwendungen begründet, die nicht unter den Begriff der Heilbehandlung im hier maßgeblichen Sinne fallen. Nur vorbeugende, der Gesundheit ganz allgemein dienende Maßnahmen oder die mit einer Krankheit verbundenen Folgekosten erwachsen nach ständiger Rspr. nicht zwangsläufig. Für die mitunter schwierige Trennung von Krankheitskosten einerseits und lediglich gesundheitsfördernden Vorbeuge- oder Folgekosten andererseits ist die Vorlage eines zeitlich vor der Aufwendung erstellten amts- oder vertrauensärztlichen Attests, dem sich zweifelsfrei entnehmen lässt, dass die den Aufwendungen zugrunde liegende Maßnahme medizinisch indiziert ist, zu fordern (BFH Urteil vom 9.8.1991, III R 54/90, BStBl II 1991, 920).

Mit Urteil vom 19.4.2012 (VI R 74/10, BStBl II 2012, 577) bestätigt der BFH die Rechtsauffassung des FG Niedersachen. In ständiger Rspr. geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Stpfl. aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit (z.B. Medikamente, Operation) oder mit dem Ziel getätigt werden, die Krankheit erträglich zu machen, beispielsweise Aufwendungen für einen Rollstuhl.

Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne dass es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach bedarf. Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten. Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden, also medizinisch indiziert sind.

Allerdings hat der Stpfl. die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) sowie bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich.

S.a. Medizinische Hilfsmittel.

6.22. Eizellspende

S. Künstliche Befruchtung; beachte auch anhängiges Revisionsverfahren beim BFH unter Az. VI R 36/19: Ob und in welcher Höhe (auch für Eizellenspende oder medizinisch nicht erfolgversprechende Behandlung) sind Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung in den Fällen, in denen eine Präimplantationsdiagnostik oder vergleichbare Verfahren gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 ESchG zulässig sind, als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig?

6.23. Entziehungskur

Aufwendungen für eine Entziehungskur stellen stets Krankheitskosten dar; vgl. BFH vom 25.3.2003, III B 67/02. Geklärt ist auch, dass Aufwendungen für eine Nachbehandlung Alkoholkranker den Krankheitskosten zuzurechnen und damit als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein können, wenn diese Behandlung medizinisch indiziert ist.

6.24. Fahrtkosten

Aufwendungen für Fahrten zwischen der Familienwohnung und einer Privatschule eines am Asperger-Syndrom sowie an einer hyperkinetischen Störung des Sozialverhaltens (ADHS) leidenden Kindes sind, falls keine ärztliche Bescheinigung vorliegt, die die medizinische Notwendigkeit des Privatschulbesuchs zur Linderung/Heilung der Erkrankung des Kindes bestätigt, nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar; vgl. FG Köln vom 20.3.2019, 4 K 1961/16.

6.25. Fettabsaugung

S. Schönheitsoperationen und wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden.

6.26. Geschlechtsumwandlung

Hat die Krankenkasse einer transsexuellen Steuerpflichtigen die Übernahme der Kosten für eine geschlechtsumwandelnde Operation in einem geeigneten Vertragskrankenhaus zugesagt, lässt die Stpfl. die Operation stattdessen zur Vermeidung einer mindestens einjährigen Wartezeit auf eine Operation in Deutschland durch einen ihrer Auffassung nach besser geeigneten Operateur in Thailand durchführen und erstattet die Krankenkasse lediglich wegen der Nichtdurchführung der Operation in einem Vertragskrankenhaus die Kosten nicht, so sind die Aufwendungen für die Operation in Thailand mangels Zwangsläufigkeit nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig; vgl. FG München vom 14.9.2021, 6 K 2485/20.

6.27. Gruppentreffen suchtgefährdeter Menschen

Die Kosten für eine Gruppentherapie oder Entziehungskur im Rahmen der Behandlung einer Alkoholerkrankung können zu einer berücksichtigungsfähigen außergewöhnlichen Belastung führen (Urteil FG Münster vom 16.11.2011, 10 K 200/10 E, LEXinform 5013102, rkr.).

Unter Änderung seiner bisherigen Rspr. hat der BFH mit Urteilen vom 11.11.2010 (VI R 17/09, BStBl II 2011, 969 und VI R 16/09, BStBl II 2011, 966) entschieden, dass zur Geltendmachung von Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen der Nachweis einer Krankheit und der medizinischen Indikation der Behandlung nicht mehr zwingend durch ein vor Beginn der Behandlung eingeholtes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten bzw. Attest eines öffentlich-rechtlichen Trägers geführt werden muss. Der Nachweis kann vielmehr auch noch später und durch alle geeigneten Beweismittel geführt werden (s.o. Allergie). Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall s.o. die Erläuterungen zu § 33 Abs. 4 i.V.m. § 64 EStDV.

6.28. Haarausfall beim Mann

S. Toupet.

6.29. Haartransplantation

Das FG Niedersachsen entschied mit Urteil vom 2.2.2000, 12 K 161/98, dass es sich bei den Kosten der Haartransplantation um keine außergewöhnliche Belastung handelt. Eine derartige Operation gehört regelmäßig in den kosmetischen Bereich. Sie wird in aller Regel nicht aus medizinischen, sondern aus rein ästhetischen Gründen und aus Gründen des seelischen Wohlbefindens des Betroffenen durchgeführt, so dass eine Zwangsläufigkeit zu verneinen ist. Die Grenze zwischen den steuerrechtlich unbeachtlichen persönlichen Gründen und der medizinischen Erforderlichkeit einer solchen Operation ist fließend. Es sind grds. strenge Anforderungen an den Nachweis der medizinischen Notwendigkeit einer solchen Operation zu stellen. Grds. ist für die Berücksichtigung derartiger Aufwendungen deshalb die Vorlage eines vor Beginn der Behandlung ausgestellten amtsärztlichen Zeugnisses erforderlich. Ein solches amtsärztliches oder auch vertrauensärztliches Zeugnis hat der Kläger in diesem Fall nicht vorgelegt. Er hat eine Bescheinigung seines Hausarztes eingereicht, die nicht ausreicht.

6.30. Hand- und Fußcremes

S. Medikamente

6.31. Heileurythmie

S. die Erläuterungen des BFH-Urteils vom 26.2.2014 (VI R 27/13, BStBl II 2014, 824) unter »Anthroposophische Behandlungsmethode«.

Hinweis:

Auszüge aus der Klageschrift: »Die Grundelemente der Heileurythmie sind die in Bewegung umgewandelten Laute unserer Sprache, die je nach Indikation und therapeutischer Zielsetzung spezifisch angewandt werden. Die Gestaltungsdynamik, die in der Lautbildung, d.h. im Aussprechen von Vokalen und Konsonanten, enthalten sei, werde in der Heileurythmie in Bewegung umgesetzt und erlebbar gemacht. Heileurythmie wird seit mehreren Jahrzehnten auf ärztliche Verordnung sowohl im ambulanten, stationären und palliativen Bereich u.a. bei akuten, chronischen oder degenerativen Erkrankungen des Nervensystems, des Herz-Kreislaufsystems, des Stoffwechselsystems und des Bewegungsapparates angewendet.

Bei der Heileurhythmie handelt es sich um eine nichtärztliche Bewegungstherapie innerhalb der anthroposophischen Medizin. Sie stellt also eine spezifische Behandlungsmethode innerhalb der Therapierichtung der anthroposophischen Medizin dar. Sie werde in Einzelbehandlungen von entsprechend qualifizierten Therapeuten (Heileurythmisten), die den Patienten in spezifische therapeutische Körperbewegungen einweisen, ausgeführt.«

S.a. Anthroposophische Behandlungsmethode

6.32. Kaufzwang

Aufwendungen eines manisch-depressiven Stpfl. zur Befriedigung seiner Stimmungen können möglicherweise nicht als unabwendbar angesehen werden. Aufwendungen eines manisch-depressiven Stpfl., der in einer manischen Phase in einen Kaufzwang verfällt, belasten den Stpfl. nicht, denn er erhält mit der gekauften Ware einen Gegenwert zu den aufgewandten Kosten (FG München Urteil vom 10.3.2008, 13 K 2392/05, LEXinform 5006638, rkr.).

6.33. Klimaheilbehandlung

Aufwendungen für eine Klimaheilbehandlung am Toten Meer können nur dann als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden, wenn die medizinische Notwendigkeit dieser Behandlung im Einzelfall durch ein vor ihrem Beginn erstelltes amtsärztliches Attest nachgewiesen ist (BFH Urteil vom 17.7.2003, III R 5/02, BFH/NV 2003, 1568).

Der Stpfl. hat die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) erforderlich (s.a. BFH Urteil vom 19.4.2012, VI R 74/10, BStBl II 2012, 577 sowie die Pressemitteilung des BFH Nr. 49/12 vom 27.6.2012, LEXinform 0438110).

S. Wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden, Thermalbäder.

6.34. Krankengeld, Krankenhaustagegeld, Krankentagegeld

Bei der Prüfung, ob ein Stpfl. durch Krankheitskosten außergewöhnlich belastet ist (§ 33 EStG), sind zwar nicht die Bezüge aus einer Krankentagegeldversicherung, wohl aber die Bezüge aus einer Krankenhaustagegeldversicherung zu berücksichtigen, und zwar insoweit, als Krankenhauskosten angefallen sind. Die Krankenhauskosten werden ohne eine Kürzung der Haushaltsersparnis anerkannt (BFH Urteil vom 22.10.1971, VI R 242/69, BStBl II 1972, 177 und H 33.1–33.4 [Krankenhaustagegeldversicherung] EStH).

Das Krankengeld der gesetzlichen Krankassen und das Krankentagegeld der privaten Krankenversicherung werden ohne Rücksicht auf die durch die Krankheit angefallen Kosten als Ausgleich für den Verdienstausfall gezahlt. Die Leistungen sind – im Gegensatz zu Leistungen aus einer Krankenhaustagegeldversicherung – kein Ersatz für Krankheitskosten (H 33.1–33.4 [Krankentagegeldversicherung] EStH).

Nach dem BFH-Urteil vom 13.11.2014 (III R 36/13, BStBl II 2015, 563) ist es auch nach der Einführung des sog. Basistarifs in der privaten Krankenversicherung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass zwar das Krankengeld aus der gesetzlichen Krankenversicherung, nicht aber das Krankentagegeld aus einer privaten Krankenversicherung in den → Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG einbezogen wird (s.a. Anmerkung vom 19.3.2015, LEXinform 0946695).

6.35. Krebsabwehrtherapie

S. Alternative Medizinmethoden.

6.36. Künstliche Befruchtung

Aufwendungen eines Ehepaares für eine heterologe künstliche Befruchtung können als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen sein (BFH Urteil vom 16.12.2010, VI R 43/10, BStBl II 2011, 414; Änderung der Rspr. im BFH-Urteil vom 18.5.1999, III R 46/97, BStBl II 1999, 761; H 33.1–33.4 [Künstliche Befruchtung] EStH; Teller, DStR 44/2018, 2318).

In ständiger Rspr. geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Stpfl. aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel erbracht werden, die Krankheit erträglich zu machen. Im Hinblick auf die für den Abzug nach § 33 EStG erforderliche Zwangsläufigkeit wird nicht danach unterschieden, ob ärztliche Behandlungsmaßnahmen oder medizinisch indizierte Hilfsmittel der Heilung dienen oder lediglich einen körperlichen Mangel ausgleichen sollen. Aufwendungen für Zahnersatz, für medizinische Hilfsmittel im engeren Sinne wie Brillen, Hörapparate und Rollstühle sowie für medizinische Hilfsmittel im weiteren Sinne wie Blindencomputer oder Treppenschräglifte werden regelmäßig als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, obwohl durch sie der körperliche Mangel nicht behoben, sondern ebenfalls »umgangen« oder kompensiert wird. An der Ausnahme im BFH-Urteil vom 28.7.2005 (III R 30/03, BStBl II 2006, 495) – kein Abzug von Aufwendungen für künstliche Befruchtungen einer unverheirateten Frau – hält der BFH nicht länger fest.

An dieser Rspr. hält der BFH nicht länger fest. Vielmehr sind auch Aufwendungen für eine medizinisch angezeigte heterologe künstliche Befruchtung als Krankheitskosten zu beurteilen und damit als steuermindernde außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 14/2011 vom 21.2.2011, LEXinform 0436204sowie Anmerkung vom 3.3.2011, LEXinform 0940363).

Aufwendungen für eine Heilbehandlung sind u.a. nur dann als agB berücksichtigungsfähig, wenn die Heilbehandlung von einer zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Person entsprechend den Richtlinien der Berufsordnung der zuständigen Ärztekammer durchgeführt worden ist. Daran fehlt es bei der sog. Eizellspende – bei der im Ausland einer fremden Frau entnommene Eizellen mit Samen des Ehemannes der Stpfl. befruchtet werden und ein so gebildeter Embryo in die Gebärmutter der Ehefrau transferiert wird – da die Vornahme der für die Stpfl. insoweit durchgeführten Maßnahmen wegen ihrer Strafbarkeit nach § 1 Embryonenschutzgesetz gerade nicht den Berufsordnungen der in Deutschland zugelassenen Ärzte entspricht. Weder der Umstand, dass in Deutschland die Vornahme der Einzelspende nur für die behandelnden Personen, nicht aber für die Empfängerin der Eizellspende strafbewehrt ist, noch der Umstand, dass bei Erfolg der vorgenommenen Maßnahmen ein von der Stpfl. geborenes Kind zivilrechtlich als Kind der Stpfl. und ihres Ehemannes anerkannt worden wäre, noch der Umstand, dass die Eizellspende in anderen EU-Staaten zulässig ist, rechtfertigt einen Steuerabzug; vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 11.2.2015, 2 K 2323/12, EFG 2015, 925 Nr. 11.

Mit Urteil vom 23.7.2015 (6 K 93/13 E, EFG 2015, 2071, LEXinform 5018314, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 47/15, LEXinform 0950539) hat das FG Münster entschieden, dass Kosten für die künstliche Befruchtung einer unfruchtbaren Frau, die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt, keine außergewöhnlichen Belastungen darstellen. Mit Urteilen vom 5.10.2017 (VI R 47/15, BStBl II 2018, 350 sowie VI R 2/17, ohne Fundstelle – im Wesentlichen Inhaltsgleich mit Entscheidung VI R 47/15) hat der BFH die Entscheidung des FG Münster (bzw. FG Hessen vom 15.11.2016, 9 K 1718/13, LEXinform 5019756) aufgehoben und entschieden, dass Aufwendungen einer empfängnisunfähigen (unfruchtbaren) Frau für eine heterologe künstliche Befruchtung durch In-vitro-Fertilisation (IVF) als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) auch dann zu berücksichtigen sind, wenn die Frau in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt. Da die Aufwendungen dazu dienen, die Fertilitätsstörung der Steuerpflichtigen auszugleichen, sind sie als insgesamt – einschließlich der auf die Bereitstellung und Aufbereitung des Spendersamens entfallenden Kosten – auf dieses Krankheitsbild abgestimmte Heilbehandlung darauf gerichtet, die Störung zu überwinden. Eine Aufteilung der Krankheitskosten kommt insoweit nicht in Betracht.

Der BFH erkennt in ständiger Rechtsprechung Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität an, wenn diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird (BFH Urteil vom 17.5.2017, VI R 34/15, BStBl II 2018, 344, s.u.). Als außergewöhnliche Belastungen sind Kosten für eine künstliche Befruchtung nur zu berücksichtigen, wenn die aufwandsbegründende Behandlung insbesondere nicht gegen das deutsche Embryonenschutzgesetz (ESchG) verstößt und mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte im Einklang steht (BFH Urteil vom 17.5.2017, VI R 34/15, BStBl II 2018, 344, s.u.).

Nach den Feststellungen des FG konnte die Klägerin aufgrund einer primären Sterilität (Unfruchtbarkeit) ohne medizinischen Eingriff nicht schwanger werden. Demzufolge hat das FG die gegebene Empfängnisunfähigkeit der Klägerin zutreffend als Krankheit und die vorgenommene IVF als aus medizinischer Sicht erforderliche Heilbehandlung beurteilt.

Die IVF ist eine zur Behandlung dieser Krankheit – bei Mann wie Frau – spezifisch erforderliche medizinische Leistung. Unerheblich ist, dass mit den ärztlichen Maßnahmen nicht bezweckt ist, die Ursachen der Fertilitätsstörung zu beseitigen oder Schmerzen und Beschwerden zu lindern. Denn dem Begriff der Linderung einer Krankheit wohnt gerade nicht inne, dass damit auch eine Behebung ihrer Ursachen verbunden ist. Von der Linderung einer Krankheit kann vielmehr schon dann gesprochen werden, wenn die ärztliche Tätigkeit auf die Abschwächung oder eine partielle oder völlige Unterbindung oder Beseitigung von Krankheitsfolgen gerichtet ist oder -wie vorliegend- eine Ersatzfunktion für ein ausgefallenes Organ bezweckt wird (BFH Urteil vom 5.10.2017, VI R 47/15, BStBl II 2018, 350, Rz. 15).

Unschädlich ist, dass die IVF mit heterologem Samen durchgeführt wurde. Im Fall einer gleichgeschlechtlichen (Frauen-)Partnerschaft ist bereits vom Grund her eine künstliche Befruchtung unter Verwendung homologen Samens, d.h. des Samens des Ehemannes oder des Partners in stabiler Partnerschaft ausgeschlossen, das betroffene Paar vielmehr auf die Verwendung von heterologem Samen, d.h. Spendersamen, angewiesen. Die künstliche Befruchtung einer unter Sterilität leidenden Frau in fester Partnerschaft zielt – wie auch eine homologe oder heterologe künstliche Befruchtung wegen Sterilität eines heterosexuellen Partners – auf die Beseitigung der Kinderlosigkeit des Paares unter Ersetzung der durch Krankheit behinderten Körperfunktion der sterilen Frau durch eine medizinische Maßnahme.

Aufwendungen für eine Heilbehandlung sind u.a. nur dann als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig, wenn die Heilbehandlung von einer zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Person entsprechend den Richtlinien der Berufsordnung der zuständigen Ärztekammer durchgeführt worden ist. Daran fehlt es bei der sog. Eizellspende – bei der im Ausland einer fremden Frau entnommene Eizellen mit Samen des Ehemannes der Steuerpflichtigen befruchtet werden und ein so gebildeter Embryo in die Gebärmutter der Ehefrau transferiert wird – da die Vornahme der für die Steuerpflichtige insoweit durchgeführten Maßnahmen wegen ihrer Strafbarkeit nach § 1 Embryonenschutzgesetz gerade nicht den Berufsordnungen der in Deutschland zugelassenen Ärzte entspricht. Weder der Umstand, dass in Deutschland die Vornahme der Eizellspende nur für die behandelnden Personen, nicht aber für die Empfängerin der Eizellspende strafbewehrt ist, noch der Umstand, dass bei Erfolg der vorgenommenen Maßnahmen ein von der Steuerpflichtigen geborenes Kind zivilrechtlich als Kind der Steuerpflichtigen und ihres Ehemannes anerkannt worden wäre, noch der Umstand, dass die Eizellspende in anderen EU-Staaten zulässig ist, rechtfertigt einen Steuerabzug (Urteil FG Berlin-Brandenburg vom 11.2.2015, 2 K 2323/12, EFG 2015, 925, LEXinform 5017693, rkr. sowie Pressemitteilung des FG Berlin-Brandenburg vom 27.4.2015, LEXinform 0443137).

Mit Urteil vom 17.5.2017 (VI R 34/15, BStBl II 2018, 344) bestätigt der BFH die Rechtsprechung des FG Berlin-Brandenburg vom 11.2.2015 (2 K 2323/12, LEXinform 5017693) indem er urteilt, dass Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abgezogen werden können, wenn die Behandlung nach inländischen Maßstäben nicht mit dem ESchG oder anderen Gesetzen vereinbar ist. In seinem Urteil setzt sich der BFH intensiv mit der Frage auseinander, unter welchen Voraussetzungen ein Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG vorliegt (s.a. Anmerkung vom 29.8.2017, LEXinform 0948979).

In seinem Urteil vom 5.10.2017 (VI R 47/15, BStBl II 2018, 350, s.o.) befasst sich der BFH erneut mit der Frage, ob Aufwendungen einer empfängnisunfähigen, in einer festen bzw. festgefügten Partnerschaft lebenden Frau – und damit ohne Rücksicht auf ihren Familienstand – für Maßnahmen zur Sterilitätsbehandlung durch IVF als außergewöhnliche Belastung abziehbar sein können. Die Rechtsprechung des BFH – wie oben ausgeführt – stellt darauf ab, dass die Maßnahme zur Sterilitätsbehandlung in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen wird. Für die Prüfung dieser Frage ist dabei in der Regel die Richtlinie heranzuziehen, die von der Ärztekammer des die Behandlung durchführenden Arztes erlassen wurde. Wird die Behandlung im Ausland durchgeführt, ist es ausreichend, wenn der Steuerpflichtige diese zumindest in einem Bundesland hätte durchführen können. Nach den Feststellungen des BFH stehen die Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen des Freistaats Bayern sowie der Länder Berlin und Brandenburg der bei der Klägerin vorgenommenen Kinderwunschbehandlung nicht entgegen. Aber auch in Hessen hätte sie die Behandlung vornehmen können (BFH Urteil vom 5.10.2017, VI R 47/15, BStBl II 2018, 350, Rz. 22). Dass die Klägerin sich gleichwohl gezwungen sah, die Behandlung in Dänemark vornehmen zu lassen, ist deshalb unschädlich. Anhaltspunkte dafür, dass die Behandlung gegen das ESchG verstoßen haben könnte, liegen nicht vor (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 2/2018 vom 3.1.2018, LEXinform 0447629).

Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität sind als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig, wenn diese Behandlung in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird und mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht, also nicht nach nationalem Recht (insbes. Embryonenschutzgesetz – ESchG) verboten ist. Die Aufwendungen für eine in Deutschland verbotene, im Ausland aber zulässige und deswegen im Ausland durchgeführte reproduktionsmedizinische Behandlung einer Frau mit Eizellen ihrer Schwester sind daher nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar; insoweit liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu einer künstlichen Befruchtung mittels einer Drittsamenspende vor; vgl. FG München vom 8.10.2019, 6 K 1471/17.

Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als Behandlung bei Sterilität sind als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigungsfähig, wenn diese Behandlung in Übereinstimmung mit den Richtlinien der Berufsordnungen für Ärzte vorgenommen wird und mit der innerstaatlichen Rechtsordnung im Einklang steht, also nicht nach nationalem Recht verboten ist. Die Aufwendungen für eine in Deutschland verbotene, im Ausland aber zulässige und deswegen im Ausland durchgeführte reproduktionsmedizinische Behandlung einer Frau mit Eizellen ihrer Schwester sind daher nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar; insoweit liegt keine unzulässige Ungleichbehandlung im Verhältnis zu einer künstlichen Befruchtung mittels einer Drittsamenspende vor. Erforderlich für den Abzug als außergewöhnliche Belastung ist, dass die künstliche Befruchtung mit dem Ziel erfolgt, die auf einer »Krankheit« der Frau (Empfängnisunfähigkeit) oder des Mannes (Zeugungsunfähigkeit) beruhende Kinderlosigkeit zu beheben. Das Alter der Frau, die bei Beginn der Kinderwunschbehandlung das 40. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, stellt keinen Umstand dar, der einer Berücksichtigung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen entgegenstehen würde. Es liegen weder Anzeichen dafür vor, dass die durchgeführte Behandlung in diesem Alter als medizinisch nicht erfolgversprechend zu erachten wäre, noch kann davon ausgegangen werden, dass eine Schwangerschaft in diesem Alter keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr finden würde. Hat eine Frau im Alter von 37 bis 39 Jahren nach natürlich eingetretenen Schwangerschaften insgesamt vier Fehlgeburten infolge chromosomaler Mutationen erlitten, war deswegen nach einer ärztlichen Stellungnahme eine Kinderwunschbehandlung medizinisch indiziert und waren eine Präimplantationsdiagnostik oder vergleichbare Verfahren gem. § 3 Abs. 2 Satz 2 ESchG zulässig, so sind die Aufwendungen für eine zulässigerweise mit eigenen Eizellen der Frau durchgeführte künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung abziehbar (im Streitfall: ICSI-Therapie mit anschließender Trophektoderm-Biopsie); vgl. FG München vom 8.10.2019, 6 K 1423/17.

Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung können als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG zu berücksichtigen sein. Dafür ist es erforderlich, dass die künstliche Befruchtung mit dem Ziel erfolgt, die auf einer »Krankheit« der Frau oder des Mannes beruhende Kinderlosigkeit zu beheben. Eine chromosomale Translokation mit erheblichen hieraus resultierenden Risiken und möglichen Folgen für ein auf natürlichem Weg gezeugtes Kind ist als Krankheit einzuordnen; vgl. Niedersächsisches FG vom 14.12.2021, 6 K 20/21; Revision anhängig unter VI R 2/22.

6.37. Kur

6.37.1. Nachweis

Der Stpfl. hat die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) erforderlich (s.a. BFH Urteil vom 19.4.2012, VI R 74/10, BStBl II 2012, 577 sowie die Pressemitteilung des BFH Nr. 49/12 vom 27.6.2012, LEXinform 0438110).

Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall s.o. die Erläuterungen zu § 33 Abs. 4 i.V.m. § 64 EStDV. Zur Erleichterung der Nachweisführung s. R 33.4 Abs. 1 Satz 7 EStR.

6.37.2. Kinderkuren

Die Kosten von Heilkuren von Kindern können grundsätzlich nur dann als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden, wenn die Notwendigkeit der Kur durch eine vor ihrem Antritt erstellte amtsärztliche Bescheinigung bestätigt wird und das Kind während der Kur in einem Kinderheim untergebracht ist. Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall s.o. die Erläuterungen zu § 33 Abs. 4 i.V.m. § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV.

Aufwendungen für den Kuraufenthalt eines Kindes können als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein, wenn die Kur aufgrund der Erkrankungen des Kindes medizinisch angezeigt war. Die mit dem Kuraufenthalt zusammenhängenden Aufwendungen sind nur dann nach § 33 EStG zu berücksichtigen, wenn das Kind während der Kur in einer Kurklinik untergebracht worden ist oder nachgewiesen wird, dass und warum der Kurerfolg ausnahmsweise auch bei einer anderweitigen Unterbringung erreicht werden kann; vgl. BFH vom 5.10.2011, VI R 88/10.

6.37.3. Begleitperson

Die Berücksichtigung von Kosten einer Begleitperson während einer medizinisch indizierten Kur als außergewöhnliche Belastung setzt grundsätzlich voraus, dass die krankheits- oder altersbedingte Notwendigkeit der Begleitung durch ein vor Reiseantritt eingeholtes amtsärztliches Gutachten oder eine andere, diesem gleichzustellende Bescheinigung nachgewiesen wird (BFH Urteil vom 17.12.1997, III R 35/97, BStBl II 1998, 298). Zum Nachweis s.a. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStDV.

6.37.4. Kurreisen

Mit Urteil vom 20.8.2010 (15 K 514/08, LEXinform 5011727, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 74/10, LEXinform 0928134) hat das FG Niedersachsen zur Unterscheidung von Kuren und Kurreisen entschieden. Der BFH hat mit Urteil vom 19.4.2012 (VI R 74/10, BStBl II 2012, 577) die Rechtsauffassung des FG Niedersachsen bestätigt.

Nach der Rspr. des BFH sind Aufwendungen für eine der Behandlung einer Krankheit dienende Reise (Kur) nur dann als Krankheitskosten anzusehen, wenn die Reise zur Heilung oder Linderung der Krankheit nachweislich notwendig ist und eine andere Behandlung nicht oder kaum erfolgversprechend erscheint. Zum Nachweis der Notwendigkeit einer solchen Reise ist es regelmäßig erforderlich, dass der Stpfl. ein vor Antritt der Kur ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis vorlegt und sich am Zielort einer unter ärztlicher Kontrolle stehenden Heilbehandlung unterzieht.

Aus den von einem Hausarzt ausgestellten Überweisungs- und Abrechnungsscheinen ergibt sich nicht, dass der Stpfl. die Reise unternommen hat, um im Kurort mehrfach bzw. täglich einen Arzt aufzusuchen. Der Hausarzt hatte in diesem Zusammenhang für den Aufenthalt lediglich Krankengymnastik dreimal in der Woche angeordnet. Des Weiteren erfolgte die Überweisung an den »Arzt am Urlaubsort« »kurativ« zur »Mit- bzw. Weiterbehandlung«. Vielmehr ergibt sich aus den Belegen, dass der Stpfl. im Kurort während des Aufenthalts – von dem ortsansässigen Arzt verordnet – Großmassagen, Fangopackungen und Thermalbewegungsbäder erhalten hatte. Weiteres ist den Unterlagen nicht zu entnehmen. Damit sind die Aufenthalte als Kurreisen zu qualifizieren, denn sowohl nach der Rspr. des BFH als auch nach allgemeiner Auffassung wird die planmäßige, über längere Zeit und in einem Kurort durchgeführte Anwendung besonders zusammengestellter Heilmittel als Kur bezeichnet (BFH Urteil vom 17.12.1997, III R 32/97, BFH/NV 1998, 839; H 33.1–33.4 [Kur – Erholungsurlaub/Abgrenzung zur Kur] EStH).

Die Angabe »in tropischem Klima« in einem amtsärztlichen Attest reicht zur Bestimmung des Kurorts nicht aus mit der Folge, dass Kosten für die Überwinterung eines an Kälteallodynie Leidenden in Thailand nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind; vgl. FG Münster vom 23.2.2022, 7 K 2261/20/E.

6.37.5. Badekur

Das FG Münster hat mit Urteil vom 6.9.2011 (1 K 2809/08 E, EFG 2012, 700, LEXinform 5012765, rkr.) entschieden, dass Kosten für eine Badekur, bei der keine laufende ärztliche Überwachung stattfindet, keine außergewöhnlichen Belastungen (§ 33 EStG) darstellen.

Der Kläger unternahm gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Reise in einen Kurort und machte Aufwendungen der Ehefrau für Kuranwendungen (Thermalbäder, Wassergymnastik, Rückenschule), Unterkunft und Verpflegung als außergewöhnliche Belastungen geltend. Während des Aufenthalts hatte die Ehefrau zwei Mal einen Kurarzt aufgesucht, der ihr die Anwendungen empfohlen hatte. Das beklagte FA berücksichtigte die Aufwendungen im Rahmen der ESt-Veranlagung nicht. Der Umstand, dass derartige Aufwendungen in Vorjahren als außergewöhnliche Belastungen anerkannt wurden, begründet keinen Vertrauenstatbestand, da jede Kurmaßnahme für sich auf die Notwendigkeit nach § 33 Abs. 1 EStG zu beurteilen ist.

Das FG erkannte die Kosten ebenfalls nicht als außergewöhnliche Belastungen an, da es sich um eine Erholungsreise gehandelt habe. Die Anwendungen hätten nicht der Linderung konkreter Krankheiten, sondern lediglich der Gesundheitsvorsorge und der Steigerung des Wohlbefindens gedient. Eine anzuerkennende Kurreise liege nur dann vor, wenn eine laufende ärztliche Überwachung des Patienten am Kurort erfolge. Eine bloße ärztliche Beratung ohne schriftlichen Kurplan genüge dafür nicht (Pressemitteilung FG Münster vom 15.11.2011, LEXinform 0437206).

6.37.6. Fahrtkosten

Als Kosten der Fahrt zu einem Kurort, in dem ein Stpfl. eine nach § 33 EStG berücksichtigungsfähige Badekur macht, sind regelmäßig die Kosten der öffentlichen Verkehrsmittel anzusetzen. Die Kosten für die Benutzung des eigenen Pkw sind nur ausnahmsweise berücksichtigungsfähig, wenn nämlich besondere persönliche Verhältnisse des Stpfl. dies erfordern (BFH Urteil vom 30.6.1967, VI R 104/66, BStBl III 1967, 655; H 33.1–33.4 [Kur – Fahrtkosten] EStH).

Mit Urteil vom 3.12.1998 (III R 5/98, BStBl II 1999, 227) hält der an seiner Rspr. fest, dass die als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Fahrtkosten bei Benutzung eines Pkw nur i.H.d. Kosten für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels abzugsfähig sind, es sei denn, es bestand keine zumutbare öffentliche Verkehrsverbindung.

Erleidet ein Stpfl. auf dem Weg von der ärztlich verordneten Kur nach Hause einen Autounfall, kann er die dadurch bedingten Reparaturaufwendungen dann nicht als außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) in Abzug bringen, wenn er die Fahrt auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln hätte durchführen können. Da somit bereits die Fahrt mit dem Pkw nicht zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG war, sind auch die damit in Zusammenhang stehenden Unfallaufwendungen nicht als zwangsläufig anzusehen. Ein Abzug der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung scheidet demnach aus (FG München Urteil vom 6.12.2002, 1 K 4707/01, LEXinform 0814252).

Aufwendungen eines Stpfl. für Besuchsfahrten zu seinem eine Heilkur durchführenden Ehegatten sind keine außergewöhnliche Belastung (BFH Urteil vom 16.5.1975, VI R 132/72, BStBl II 1975, 536).

6.37.7. Übernahme von Kurkosten durch den Arbeitgeber

Übernimmt der ArbG die Kosten einer Kur des ArbN, kommt nach dem Urteil des BFH vom 11.3.2010 (VI R 7/08, BStBl II 2010, 763) eine Aufteilung in Arbeitslohn und eine nicht der LSt unterliegende Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse nicht in Betracht. Eine Kur könne nur einheitlich beurteilt und nicht in betriebsfunktionale Bestandteile und Elemente mit Vorteilscharakter unterteilt werden.

Nach der Rspr. des BFH stellen Vorteile, die der ArbG aus eigenbetrieblichem Interesse gewährt, keinen Arbeitslohn dar, wenn eine Gesamtwürdigung ergibt, dass der mit der Vorteilsgewährung verfolgte betriebliche Zweck ganz im Vordergrund steht. Bei einer gemischt veranlassten Zuwendung kann eine Aufteilung in Arbeitslohn und Zuwendung im betrieblichen Eigeninteresse in Betracht kommen. In der Übernahme von Kurkosten durch den ArbG hat der BFH bislang grundsätzlich Arbeitslohn gesehen.

Im Streitfall war der Kläger, ein Fluglotse, arbeitsvertraglich verpflichtet, sich auf Verlangen seines ArbG in regelmäßigen Abständen einer sog. Regenerierungskur zu unterziehen. Im Streitjahr nahm der Kläger an einer solchen vierwöchigen Kur in einem Hotel in Timmendorfer Strand teil. Das FA erfasste die Übernahme der Kurkosten durch den ArbG als zusätzlichen Arbeitslohn. Das FG gab der Klage insoweit statt, als es die Kosten nur zur Hälfte dem Arbeitslohn des Klägers zurechnete. Der BFH hob diese Entscheidung auf und wies die Klage ab. Die Entscheidung entspricht der bisherigen BFH-Rspr., nach der die Übernahme von Kurkosten durch den ArbG grundsätzlich zu Arbeitslohn führt; BFH vom 5.11.1993, VI R 56/93. Hingegen können Maßnahmen zur Vermeidung berufsbedingter Krankheiten eines leitenden Angestellten, die vom ArbG veranlasst sind, im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des ArbG liegen und stellen somit keinen Arbeitslohn dar.

6.38. Lebensmittelkosten

Durch Bulimie (Ess- und Brechsucht) verursachte überhöhte Lebensmittelkosten stellen keine außergewöhnlichen Belastungen i.S.d. § 33 EStG dar; vgl. FG Baden-Württemberg vom 21.4.1994, 8 K 227/93, EFG 1995, 262.

Das Abzugsverbot für Aufwendungen für Diätverpflegung nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG ist verfassungsgemäß; vgl. BFH Beschluss vom 4.11.2021, VI R 48/18.

6.39. Legasthenieerkrankung

Die Aufwendungen zur Behandlung einer Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie), isolierten Lesestörung oder isolierten Rechtschreibstörung können als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG abgezogen werden, wenn die medizinische Notwendigkeit (Indikation) der Behandlung, für die die jeweiligen Aufwendungen entstanden sind, nachgewiesen wird. Lediglich der Nachweis über das Vorliegen der Krankheit (Diagnose), ohne einen Nachweis der medizinischen Indikation der gewählten Behandlungsmethode, ist für den Abzug der Behandlungsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung nicht ausreichend (BayLfSt vom 10.10.2016, S 2284.1.1–18/1 St 32, LEXinform 5236147).

Nach dem BFH-Urteil vom 11.11.2010 (VI R 17/09, BStBl II 2011, 969) ist zunächst festzustellen, ob die Lese- und Rechtschreibschwäche Krankheitswert besitzt. Danach hat der Stpfl. die Entstehung außergewöhnlicher Belastungen nachzuweisen. Als Nachweisverpflichteter trägt er das Risiko, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger im Nachhinein die medizinische Indikation der streitigen Behandlung möglicherweise nicht mehr verlässlich feststellen kann. Dieser Gefahr kann der Stpfl. entgehen, wenn er vor Beginn der Behandlung auf eigene Initiative ein amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis einholt. Die Entscheidung, eine vorherige Begutachtung durchführen zu lassen, obliegt jedoch dem Stpfl. als dem Herrn des finanzgerichtlichen Verfahrens und darf nicht von der Rechtsprechung zum ungeschriebenen Tatbestandsmerkmal erhoben werden.

Nach § 64 Abs. 2 EStDV haben die zuständigen Gesundheitsbehörden auf Verlangen des Stpfl. die für steuerliche Zwecke erforderlichen Gesundheitszeugnisse, Gutachten oder Bescheinigungen auszustellen.

Wenn eine solche Legasthenie im engeren Sinn einer medizinisch indizierten Behandlung unterworfen wird, können die entsprechenden Kosten unmittelbare Krankheitskosten sein. Dies gilt dann auch für Kosten einer auswärtigen Internatsunterbringung, selbst wenn diese zugleich der schulischen Ausbildung dient. § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG steht dem Abzug des Schulgelds als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 1 EStG in einem solchen Fall nicht entgegen (BFH Beschluss vom 17.4.1997, III B 216/96, BStBl II 1997, 752). Die Zwangsläufigkeit dieser Aufwendungen hat der Stpfl. dann nach § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStDV durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zu erbringen, wenn eine medizinisch erforderliche auswärtige Unterbringung eines an Legasthenie leidenden Kindes des Stpfl. notwendig ist. Der zu erbringende Nachweis muss vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestellt worden sein (§ 64 Abs. 1 Satz 2 EStDV; s.u. Schulgeldzahlungen).

Aufwendungen der Eltern für die Behandlung der Legasthenie ihrs Kindes stellen i.d.R. Ausbildungs- und nicht Krankheitskosten dar. Sie sind daher durch das Kindergeld mit abgegolten, so dass daneben eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung i.S.v. § 33 EStG ausscheidet; vgl. BFH vom 1.12.1978, VI R 149/75.

Kosten, die um der schulischen Förderung des Kindes willen aufgewendet werden, sind allerdings nicht nach § 33 EStG anzuerkennen, auch wenn der Besuch der – auswärtigen – Schule aus sozialen, psychologischen oder pädagogischen Gründen erfolgt. Derartige Aufwendungen sind lediglich als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG beschränkt abziehbar (→ Schulgeld).

Ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des medizinischen Dienstes (§ 275 SGB V) ist lediglich in folgenden Fällen notwendig (BayLfSt vom 10.10.2016, S 2284.1.1–18/1 St 32, LEXinform 5236147):

  1. Psychotherapeutische Behandlung.

    Die medizinische Indikation einer psychotherapeutischen Behandlung ist nach 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStDV durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (275 SGB V) erforderlich. Eine Psychotherapie ist jede mittels wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist (1 Abs. 3 Satz 1 PsychThG). Eine psychotherapeutische Behandlung kann nur von einem Psychotherapeuten durchgeführt werden.

  2. Auswärtige Unterbringung.

    Erfolgt die Behandlung der Lese- und/oder Rechtschreibstörung im Rahmen einer auswärtigen Unterbringung (z.B. Internat) ist ebenfalls ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (275 SGB V) für den Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung notwendig (64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStDV).

  3. Wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode.

    Wird die Behandlung durch eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode durchgeführt, ist die Zwangsläufigkeit der Behandlung ebenfalls durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (275 SGB V) nachzuweisen.

    Ob eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode vorliegt, kann durch allgemein zugängliche Fachgutachten bestimmt werden (BFH Urteil vom 18.6.2015, VI R 68/14, BStBl II 2015, 803).

Zur Nachweisführung s. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStDV sowie BFH-Urteil vom 19.4.2012 (VI R 74/10, BStBl II 2012, 577; s.o. Allergie).

6.40. Leihmutterschaft

Ein aus zwei Männern bestehendes Ehepaar kann Aufwendungen für eine in den USA durchgeführte Leihmutterschaft nicht als außergewöhnliche Belastungen geltend machen; FG Münster vom 7.10.2021, 10 K 3172/19 E.

6.41. Liposuktion

S. Fettabsaugung und Wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden

Das FG Schleswig-Holstein hat mit Urteil vom 14.8.2013 (5 K 238/12, EFG 2013, 1846, LEXinform 5015432, rkr.) entschieden, dass Aufwendungen für die ambulant operative Entfernung überstehenden Fettgewebes (Liposuktion) infolge eines Lip-/Lymphödems, die damit unmittelbar im Zusammenhang stehenden Fahrtkosten zur Vorbesprechung und zu dem Operationstermin selbst sowie die im Zuge der Operation entstandenen Medikamentenkosten als medizinisch indizierte Krankheitskosten zwangsläufig i.S.d. § 33 EStG sein können. S.a. BFH Urteil vom 26.6.2014 (VI R 51/13, BStBl II 2015, 9). Nach dem BFH-Urteil vom 18.6.2015 (VI R 68/14, BStBl II 2015, 803) handelt es sich bei der Liposuktion um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode (s.u. Wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden). Maßgeblich ist der Stand der Wissenschaft zum Zeitpunkt der Behandlung bzw. Operation (Urteil FG Rheinland-Pfalz vom 18.8.2016, 4 K 2173/15, EFG 2016, 1704, LEXinform 5019347, rkr.). Nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV wird bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden als Nachweis ein amtsärztliches Gutachten oder die Bescheinigung des Medizinischen Dienstes verlangt (s.a. FG Baden-Württemberg Urteil vom 27.9.2017, 7 K 1940/17, EFG 2017, 1954, LEXinform 5020629; Pressemitteilung des FG Baden-Württemberg vom 15.11.2017, LEXinform 0447383).

Da es sich bei der Liposuktion im Streitjahr 2016 nicht um eine wissenschaftliche Behandlungsmethode gehandelt hat, setzt der Abzug der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung voraus, dass der Nachweis der Zwangsläufigkeit der Maßnahmen und Aufwendungen nach § 33 Abs. 4 EStG in Verbindung mit § 64 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStDV durch ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes einer Krankenversicherung – MDK – erbracht wird, die jeweils vor Beginn der Behandlung ausgestellt worden sein müssen; vgl. FG München vom 15.12.2020, 15 K 2606/19.

Im Jahr 2018 handelt es sich bei einer Liposuktion, die zur Behandlung eines Lipödems durchgeführt wird, um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV; vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 17.8.2021, 5 K 1321/20.

6.42. Magnetfeldtherapie

Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit von Aufwendungen kann ein erst nachträglich ausgestelltes amtsärztliches Attest ausnahmsweise ausreichen, wenn von dem Stpfl. nicht erwartet werden konnte, dass er die Notwendigkeit erkennt, eine amtsärztliche Begutachtung im Vorhinein vornehmen zu lassen, weil ein derartiges Erfordernis für bestimmte Aufwendungen erstmals höchstrichterlich aufgestellt worden ist. Diese Voraussetzungen sind bei der Magnetfeldtherapie nicht gegeben. Denn es handelt sich um eine nicht allgemein anerkannte Methode. Stpfl. können in solchen Fällen nicht ohne weiteres davon ausgehen, solche Maßnahmen stellten eine mögliche Behandlungsmethode dar (BFH Urteil vom 20.11.2003, III B 44/03, BFH/NV 2004, 335).

Zur Nachweisführung s. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV sowie BFH Urteil vom 19.4.2012 (VI R 74/10, BStBl II 2012, 57). Ein qualifizierter Nachweis i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV ist bei krankheitsbedingten Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, wie z.B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, Sauerstoff-, Chelat- und Eigenbluttherapie, erforderlich (BFH Urteil vom 26.6.2014, VI R 51/13, BStBl II 2015, 9; s.a. Anmerkung vom 28.10.2014, LEXinform 0652495).

S.a. Alternative Medizinmethoden und Wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden.

6.43. Maschendrahtzaunersatz

Mit Urteil vom 30.4.2012 (5 K 1934/11, LEXinform 5013595, rkr.) hat sich das FG Rheinland-Pfalz mit der Frage befassen müssen, ob die Aufwendungen für den Ersatz eines Maschendrahtzauns durch einen blickdichten Holzlattenzaun als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können.

Sachverhalt:

Der Sohn der Kläger leidet an einer Autismuserkrankung, mit der eine starke Weglauftendenz einhergeht. Die Kläger hatten bereits um einen Teil ihres Grundstücks als Weglaufschutz einen Maschendrahtzaun mit einem abschließbaren Tor für 350 € errichtet, was vom FA im Rahmen der Veranlagung als außergewöhnliche Belastung anerkannt worden war.

Im Folgejahr ersetzten die Kläger den auf der Grundstücksseite zu den Nachbarn gelegenen Maschendrahtzaun durch einen höheren blickdichten Holzlattenzaun. In der ESt-Erklärung beantragten sie die Anerkennung der Aufwendungen für den Holzzaun in Höhe von rd. 750 € als außergewöhnliche Belastung. Das wurde von den Klägern unter Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung damit begründet, dass die Umzäunung wegen der Autismuserkrankung des Sohnes notwendig gewesen sei, um eine Selbstgefährdung des Kindes zu verhindern. Da FA lehnte hingegen die begehrte Berücksichtigung der Aufwendungen bei den außergewöhnlichen Belastungen u.a. mit der Begründung ab, es handele sich weder um mittelbare noch um unmittelbare Krankheitskosten.

Mit der Klage trugen die Kläger weiter vor, der geschlossene Weglaufzaun sei – ähnlich einem Rollstuhl oder einer Rollstuhlrampe – ein Hilfsmittel, um die Krankheit des Sohnes erträglicher zu machen, daher seien die Kosten zwangsläufig entstanden.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, Ziel der außergewöhnlichen Belastung sei es, zwangsläufige Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf zu berücksichtigen, die sich wegen ihrer Außergewöhnlichkeit einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen würden. Ausgeschlossen seien die üblichen Aufwendungen der Lebensführung, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten seien. Aufwendungen zur Errichtung eines Gartenzauns könnten nicht in diesem Sinne als außergewöhnlich angesehen werden, da ein Gartenzaun zu den üblichen baulichen Anlagen eines Eigenheims gehöre. Die Kosten dafür gehörten daher zu den üblichen Kosten der Lebensführung. Zudem habe sich der Senat nach den vorgelegten Lichtbildern überzeugen können, dass es sich um einen dekorativ gestalteten, traditionellen Holzlattenzaun handele. Die Weglauftendenz des Sohnes möge zwar generell für die Beurteilung der Zwangsläufigkeit einer außergewöhnlichen Belastung von Bedeutung sein, das ändere aber nichts daran, dass den Klägern durch die Errichtung des Zaunes keine höheren Aufwendungen entstanden seien als der überwiegenden Anzahl der Stpfl. Außerdem sei im konkreten Streitfall nicht ersichtlich, dass mit dem errichteten Holzzaun – der sich nur auf einem kleinen Teil des Grundstücks erstrecke – der Weglauftendenz des Kindes tatsächlich wirksam begegnet werden könne. Soweit der Zaun außerdem Schutz vor dem Hund des Nachbarn bieten solle, sehe das Gericht nicht ausschließlich die Behinderung des Kindes als maßgeblichen Beweggrund für seine Errichtung an. Denn in dieser Funktion schütze der Zaun vor einer von außen kommenden von der Behinderung unabhängigen Gefahr. Insofern handele es sich – anders als bei einem Treppenlift oder einer Rollstuhlrampe – nicht um einen behinderungsbedingten Einsatz eines Hilfsmittels.

6.44. Medikamente

Zu den ohne ärztliche Verordnung angeschafften entzündungshemmenden Medikamenten, Schmerzmitteln, Hand- und Fußcremes hat das FG Niedersachsen mit Urteil vom 20.8.2010 (15 K 514/08, LEXinform 5011727, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 74/10, LEXinform 0928134) wie folgt entschieden: Nach ständiger Rspr. des BFH können Aufwendungen eines Stpfl. für Arzneimittel als außergewöhnliche Belastung in der Regel nur anerkannt werden, wenn ihre durch Krankheit bedingte Zwangsläufigkeit und Notwendigkeit durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen ist. Werden Arzneimittel ohne derartige schriftliche Verordnungen gekauft, können die Aufwendungen hierfür ausnahmsweise dann als außergewöhnliche Belastungen anerkannt werden, wenn es sich um eine länger dauernde Krankheit handelt, deren Vorliegen schon früher nachgewiesen oder glaubhaft gemacht wurde und die einen laufenden Verbrauch bestimmter Medikamente erfordert (BFH Urteil vom 6.4.1990, III R 60/88, BStBl II 1990, 958). Der Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen im Interesse der Trennung zwischen echten Arzneimitteln und anderen Aufwendungen ist in besonderem Maße geboten, sodass der Kauf von nicht rezeptpflichtigen Medikamenten nur dann zum Abzug führt, wenn sie nach Gegenstand und Menge spezifiziert verordnet worden sind, und zwar unabhängig davon, ob es sich um eine akute oder um eine Dauererkrankung handelt. Soweit die Kläger somit den Abzug von Aufwendungen für allgemeine Schmerzmittel und eine Entzündungssalbe ohne ärztliche Verordnung begehren, können sie schon deshalb keinen Erfolg haben, weil eine ärztliche Verordnung nicht vorgelegt worden ist. Im Übrigen haben die Kläger auch nicht nachgewiesen, dass diese Mittel zur Linderung ihrer Krankheit erforderlich sind. Gerade die allgemeinen Schmerzmittel – wie z.B. Aspirin oder Paracetamol – werden von vielen auf Vorrat gekauft, um bei Bedarf bei allgemeinem Unwohlsein oder Kopfschmerzen eingesetzt zu werden. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Aufwendungen für Fuß- oder Handcremes sind schon deshalb nicht berücksichtigungsfähig, weil diese nicht nur zur Linderung von Krankheiten erworben werden.

Auch das FG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 8.7.2013 (5 K 2157/12, EFG 2013, 1767, LEXinform 5015420, rkr.) entschieden, dass Medikamente für die Hausapotheke (wie z.B. Schmerzmittel oder Erkältungspräparate) ohne ärztliche Verordnung nicht als außergewöhnliche Belastung steuerlich geltend gemacht werden können (s.a. Pressemitteilung des FG Rheinland-Pfalz vom 23.8.2013, LEXinform 0440613).

Zum Nachweis der Zwangsläufigkeit der Aufwendungen s. unter Medizinische Hilfsmittel.

6.45. Medizinische Fachliteratur

Aufwendungen für medizinische Fachliteratur sind keine außergewöhnliche Belastung (H 33.1–33.4 [Medizinische Fachliteratur] EStH). Denn derartige Aufwendungen entstehen nicht durch die eigentliche Heilbehandlung, sondern in einem Stadium, das dem Entschluss, einen bestimmten Arzt aufzusuchen oder sich einer bestimmten Therapie zu unterziehen, noch weit vorgelagert ist.

6.46. Medizinische Hilfsmittel

Nach der Rspr. des BFH sind Kosten für die Anschaffung von medizinischen Hilfsmitteln im weiteren Sinne nur dann als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, wenn die medizinische Notwendigkeit ihrer Anschaffung durch ein vor der Anschaffung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, also eine Unvoreingenommenheit verbürgende sachverständige Stellungnahme (BFH Urteil vom 14.8.1997, III R 67/96, BStBl II 1997, 732), nachgewiesen wird. Medizinische Hilfsmittel in diesem weiteren Sinne sind solche Gegenstände, die nach der Lebenserfahrung nicht nur von Kranken zur Heilung ihrer Krankheit oder zur Linderung der durch ihre Krankheit verursachten Beschwerden, sondern mitunter auch von gesunden Menschen angeschafft werden, um ihre Gesundheit zu erhalten oder ihren Lebenskomfort zu steigern. Nur bei der Anschaffung von Hilfsmitteln, die, wie Brillen, Hörapparate und Rollstühle, nach der Lebenserfahrung ausschließlich von Kranken angeschafft werden und bei denen häufig eine Anpassung an die individuellen Gebrechen des Steuerpflichtigen erforderlich ist (medizinische Hilfsmittel im engeren Sinn), kann typisierend davon ausgegangen werden, dass ihr Kauf medizinisch indiziert ist und deshalb auf eine Prüfung der Zwangsläufigkeit dem Grunde nach mit Hilfe der vorgenannten Aufklärungsmittel verzichtet werden. Es gibt keinen Satz der Lebenserfahrung, dass nur Kranke einen relativ teuren und mit verstellbarer Lehne und verstellbarem Sitz ausgestatteten Sessel anschaffen. Der krankheitsbedingte Bedarf für einen besonders gestalteten Gegenstand der allgemeinen Lebensführung und (von einem Gesunden angeblich gescheute) Mehrkosten eines solchen Gegenstandes sind indes für die Abgrenzung einer außergewöhnlichen Belastung von den steuerlich irrelevanten sonstigen Kosten der Lebensführung ungeeignet(BFH Urteil vom 14.10.1997, III R 27/97, BFH/NV 1998, 571; H 33.1–33.4 [Medizinische Hilfsmittel] EStH).

Allerdings hat der Stpfl. die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV) sowie bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV), erforderlich (BFH Urteil vom 19.4.2012, VI R 74/10, BStBl II 2012, 577).

Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB V sind nur solche technischen Hilfen, die getragen oder mit sich geführt werden können, um sich im jeweiligen Umfeld zu bewegen, zurechtzufinden und die elementaren Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Ein Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV kann nur gefordert werden, wenn ein medizinisches Hilfsmittel diese Merkmale erfüllt. Ein Treppenlift erfüllt nicht die Anforderungen dieser Legaldefinition eines medizinischen Hilfsmittels, sodass die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen für den Einbau eines Treppenlifts nicht formalisiert nachzuweisen ist (BFH Urteil vom 6.2.2014, VI R 61/12, BStBl II 2014, 458; s.o. unter dem Gliederungspunkt »Gesetz und Verwaltungsregelung zum Nachweis von Krankheitskosten«).

S.a. Einlegesohlen.

6.47. Medizinische Seminare für Pflegeeltern

Kosten für die Teilnahme an medizinischen Seminaren zum Umgang mit frühtraumatisierten Kindern sind bei Pflegeeltern als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig (FG Münster Urteil vom 27.1.2017, 4 K 3471/15, EFG 2017, 576, LEXinform 5019869, rkr.). Die Klägerin nahm an von einer Ärztin entwickelten und durchgeführten Seminaren für Eltern frühtraumatisierter Kinder teil. Die Kosten hierfür, die die Krankenversicherung nicht übernommen hatte, machten die Kläger als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das FG Münster führt aus, dass die Teilnahme der Klägerin an diesen Seminaren durch die Krankheit des Pflegekindes veranlasst gewesen ist. Die Einbeziehung Angehöriger könne auch zur Behandlung einer Krankheit notwendig sein.

6.48. Nahrungsergänzungsmittel

S. Diätverpflegung.

6.49. Neurodermitisbehandlung am Toten Meer

Der BFH lehnt im Urteil vom 7.7.2013, III R 5/02, die Anerkennung der Aufwendung als außergewöhnliche Belastung ab. Der 34-jährige Kläger leidet seit seiner Kindheit an Neurodermitis und Bronchitis. Das Versorgungsamt bescheinigte ihm einen Grad der Behinderung von 40 % Er hielt sich in einem Hotel am Toten Meer in Israel auf. Ausweislich des Entlassungsberichts des behandelnden israelischen Arztes unterzog er sich dort einer mehrtägigen Klimaheilbehandlung. Für die Reise, die er über einen Reiseveranstalter gebucht hatte, entstanden ihm Kosten (i.H.v. damals ca. 6 600 DM). Von einer Inanspruchnahme der Krankenkasse sah E ab, da diese nicht für Kuraufwendungen aufkam. Letzten Endes scheiterte der Abzug an den Nachweiserfordernissen. Entgegen der Auffassung des FG kann auf die vorherige Vorlage eines amtsärztlichen Attests auch dann nicht verzichtet werden, wenn – aus der Sicht des FG – über die Notwendigkeit der Durchführung einer Heilkur keine Zweifel bestehen und es nach Sachlage als ausgeschlossen erscheint, dass der Aufenthalt am Kurort durch andere Zwecke mitveranlasst sei.

6.50. Schönheitsoperationen

Aufwendungen für Heilbehandlungen werden typisierend als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigt, ohne dass die Aufwendungen dem Grunde und der Höhe nach geprüft werden. Heilbehandlungen sind Maßnahmen, die entweder der Heilung einer Krankheit dienen oder den Zweck verfolgen, die Krankheit erträglich zu machen und ihre Folgen zu lindern (BFH Urteil vom 17.7.1981, VI R 77/78, BStBl II 1981, 711). Der Begriff der Heilbehandlung umfasst dabei alle Eingriffe und andere Behandlungen, die nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zu dem Zweck angezeigt sind und vorgenommen werden, Krankheiten, Leiden, Körperschäden, körperliche Beschwerden oder seelische Störungen zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern. Der medizinischen Wertung hat die steuerliche Beurteilung nämlich zu folgen.

Hiervon abzugrenzen sind Behandlungen, die lediglich aus kosmetischen Erwägungen heraus – ohne medizinische Notwendigkeit und ohne therapeutisches Ziel – vorgenommen werden. Die Aufwendungen für derartige Behandlungen fallen nicht unter den Begriff der Heilbehandlung und sind somit keine Krankheitskosten, sondern Kosten der privaten Lebensführung, die nach § 12 Nr. 1 EStG (→ Lebensführungskosten) steuerlich unbeachtlich sind.

Ist nicht eindeutig erkennbar, ob die medizinische Maßnahme der Heilung oder Linderung einer Krankheit dient, befindet sich der Stpfl. nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen im Zweifel in der Beleg- und Nachweispflicht darüber, dass es sich bei seinen Aufwendungen um Krankheitskosten handelt.

Das FG Rheinland-Pfalz hat mit Urteil vom 20.5.2014 (5 K 1753/13, EFG 2014, 1586, LEXinform 5016622, rkr.; s.a. Pressemitteilung des FG Rheinland-Pfalz vom 27.10.2014, LEXinform 0442483) die Frage geklärt, ob Aufwendungen für eine Brustoperation als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sind. Danach besteht bei einer Mammaasymmetrie ein Anspruch auf Krankenbehandlung nur dann, wenn diese einen Krankheitswert hat. Der ist nur dann gegeben, wenn die Betroffene in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt ist oder an einer entstellend wirkenden Abweichung vom Regelfall leidet. Psychische Folgen einer Entstellung, die keinen Krankheitswert erreicht, sind mit den Mitteln der Psychotherapie zu lindern.

Bis zur Änderung seiner langjährigen Rspr. mit den Urteilen vom 11.11.2010 (VI R 16/09, BStBl II 2011, 966 und VI R 17/09, BStBl II 2011, 969) forderte der BFH in diesen Fällen zum Nachweis der Aufwendungen stets ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Attest.

  • Aufwendungen für die operative Entfernung einer Fettschürze sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn vor der Operation kein amts- oder vertrauensärztliches Attest eingeholt wurde, aus dem sich die medizinische Notwendigkeit ergibt (FG Hamburg Urteil vom 6.6.2008, 5 K 24/07, LEXinform 5006989, rk.).

  • Aufwendungen für eine operative Fettabsaugung und die operative Behandlung herabgesunkener Augenlider sind nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn der Stpfl. vor Beginn der Maßnahmen kein amts- oder vertrauensärztliches Attest eingeholt hat, aus dem sich zweifelsfrei die medizinische Indikation der Operationen ergibt. Bei Operationen, die häufig nur aus kosmetischen Gründen durchgeführt werden, ist es dem Steuerpflichtigen zuzumuten, fachlichen Rat einzuholen, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für derartige Operationen steuerlich berücksichtigt werden (BFH Urteil vom 24.11.2006, III B 57/06, BFH/NV 2007, 438).

Mit der Änderung seiner Rspr. hält der BFH nicht mehr an diesem formalisierten Nachweisverlangen fest.

Im Steuervereinfachungsgesetz 2011 (s.o.) wurden in Reaktion auf diese Rspr.-änderung in § 64 Abs. 1 EStDV die bisherigen Verwaltungsanweisungen (R 33.4 EStR 2008) zum Nachweis von Krankheitskosten im Wesentlichen gesetzlich festgeschrieben (s.a. BFH Urteil vom 19.4.2012, VI R 74/10, BStBl II 2012, 577).

Der Anwendungskatalog des § 64 Abs. 1 EStDV enthält jedoch keine Regelung für Operationen aller Art, d.h. es gibt keine Regelung nach der ein vor Beginn der Maßnahme ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Attest gefordert werden kann.

Nach dem Erlass des FinMin Schleswig-Holstein vom 12.3.2013 (VI 313 – S 2284 – 187, DB 2013, 732, LEXinform 5234444) ist in solchen Fällen wie folgt zu verfahren:

Der Stpfl. hat die Zweckbestimmung seiner Behandlung anhand geeigneter Unterlagen nachzuweisen. Ein Attest des behandelnden Arztes genügt grundsätzlich nicht. Sofern die Behandlung medizinisch indiziert ist, ist davon auszugehen, dass dem Stpfl. entsprechende Befundberichte vorliegen und er diese zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit vorlegen kann. Die Umstände des Einzelfalles sind zu berücksichtigen (Art der Maßnahme, Krankheitsbild, Gründe für die fehlende Erstattung).

Der Nachweis einer medizinischen Indikation gilt auf jeden Fall dann als erbracht, wenn sich die Krankenversicherung oder der Beihilfeträger an den Behandlungskosten beteiligt hat.

Sollte die medizinische Notwendigkeit der Behandlung streitig werden, dann erleichtert ein bereits vor Beginn der Behandlung ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung zur medizinischen Notwendigkeit der Behandlung die Nachweisführung (s.a. Anmerkung vom 23.4.2013, LEXinform 0652104).

Ein unschöner Übergang im Bereich des Mons pubis ohne weitere funktionelle Störung stellt im Regelfall keine Erkrankung dar, der die Zwangsläufigkeit der Kosten in tatsächlicher Hinsicht i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG begründet; vgl. FG Nürnberg vom 1.10.2020, 4 K 1023/18. Die Revision ist unter VI B 95/20 anhängig. Der BFH wird sich mit folgender Frage auseinandersetzten: Können Operationskosten für eine Fettreduktion im Bereich des Mons pubis als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden?

6.51. Schulgeldzahlungen

Unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG sind Schulgeldzahlungen als Sonderausgaben zu berücksichtigen (→ Schulgeld).

Aufwendungen für den Besuch einer Privatschule aus Anlass einer ADHS-Erkrankung können nur dann als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähige unmittelbare Krankheitskosten darstellen, wenn der Privatschulbesuch zum Zwecke der Heilbehandlung erfolgt und dort eine spezielle, unter der Aufsicht medizinisch geschulten Fachpersonals durchgeführte Heilbehandlung stattfindet (vgl. BFH Urteil vom 11.11.2010, VI R 17/09, BStBl II 2011, 969). Eine Berücksichtigung derartiger Aufwendungen setzt bei auswärtiger Unterbringung des Kindes überdies voraus, dass der Nachweis ihrer Zwangsläufigkeit vor Beginn der Heilmaßnahme durch Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung geführt wird. Dieses in § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. c EStDV für den Fall der medizinisch erforderlichen auswärtigen Unterbringung eines an einer Behinderung leidenden Kindes normierte Nachweiserfordernis ist im Wege einer teleologischen Extension auch bei der krankheitsbedingten auswärtigen Unterbringung eines Kindes anzuwenden.

Ersetzt oder ergänzt der Besuch einer bestimmten Schule eine psychotherapeutische Behandlungsmaßnahme, ergibt sich dieses formelle Nachweiserfordernis auch aus der teleologischen Extension der die Aufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung betreffenden Vorschrift des § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. b EStDV (FG Düsseldorf Urteil vom 14.3.2017, 13 K 4009/15, EFG 2017, 992, LEXinform 5020154, rkr.). S.o. Legasthenieerkrankung.

6.52. Thermalbäder

Die im Zusammenhang mit einem Kuraufenthalt anfallenden Reise- und Übernachtungskosten sind nur dann als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn die Notwendigkeit der Kurreise durch ein vor Antritt der Kur ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Zeugnis nachgewiesen wird und der Stpfl. sich am Kurort einer unter ärztlicher Kontrolle stehenden Heilbehandlung unterzieht. Dies gilt auch dann, wenn der Besuch von Thermal- und Bewegungsbädern am Kurort nachweislich zu einer zeitweiligen Linderung der Beschwerden des Stpfl. führt; vgl. FG München vom 27.3.2001, 10 K 603/99.

Die Aufwendungen für Maßnahmen, die nicht ihrer Art nach eindeutig der Linderung oder Heilung einer Krankheit dienen, oder für die Ausübung von Sport gehören grundsätzlich zu den nichtabziehbaren Kosten der Lebensführung i.S.d. § 12 Nr. 1 EStG und sind daher mit dem Grundfreibetrag abgegolten. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur dann in Betracht, wenn der Sport nach genauer Einzelverordnung und unter Verantwortung eines Arztes, Heilpraktikers oder einer sonst zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Person betrieben wird (FG Nürnberg Urteil vom 30.4.2014, 3 K 363/13, LEXinform 5016610, rkr.).

S.a. Besuch eines Sportstudios, Klimaheilbehandlung, Wassergymnastik.

6.53. Tierarztkosten

Tierarztkosten, die wegen der Diabetes-Erkrankung eines Hundes angefallen sind, der auf Anraten des behandelnden Arztes zur Behandlung einer Erkrankung des Stpfl. angeschafft wurde, sind jedenfalls dann nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig, wenn die Notwendigkeit des Hundes zur Behandlung der Krankheit nicht durch ein vorheriges amtsärztliches Attest nachgewiesen wurde (FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 5.12.2006, 6 K 2079/06, LEXinform 5003792, rkr.). Die Haltung von Haustieren ist nicht zwangsläufig. Hierdurch verursachte Tierarztkosten sind daher nicht als agB berücksichtigungsfähig (im Streitfall: Katzen); vgl. FG München vom 21.4.2009, 13 K 3210/06.

6.54. Tomatis-Therapie

Die für den Abzug als außergewöhnliche Belastung erforderliche Zwangsläufigkeit fehlt, wenn auf den Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung (im Streitfall: eine Horch- bzw. Hörtherapie nach Tomatis zur Behandlung einer krankhaften Überempfindlichkeit gegenüber Schall) nicht nachgewiesen wird, dass es sich um eine wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode handelt und ein vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nicht vorgelegt werden kann; vgl. Niedersächsisches FG vom 16.6.2020, 9 K 182/19.

6.55. Toupet

Auch bei nicht erblich bedingtem Haarausfall eines Mannes ist die Anschaffung eines Toupets regelmäßig keine außergewöhnliche Belastung (FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 12.11.2008, 2 K 1928/08, LEXinform 5007519, rkr.).

6.56. Trinkgelder

Trinkgelder sind nicht zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 1 EStG, und zwar unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Leistung selbst als außergewöhnliche Belastung zu beurteilen ist. Der Stpfl. ist zwar aus tatsächlichen Gründen gezwungen, bei Krankheiten medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Trinkgeld wird aber von ihm – anders als das Entgelt für die erbrachte Leistung – zivilrechtlich nicht geschuldet. Auch wenn kein Trinkgeld erbracht wird, hat der Stpfl. Anspruch auf eine sachgemäße Behandlung seiner Krankheit und kann diese auch erwarten (BFH Urteil vom 30.10.2003, III R 32/01, BStBl II 2004, 270; H 33.1–33.4 [Trinkgelder] EStH).

Trinkgelder sind unabhängig von der zugrundeliegenden Leistung nicht zwangsläufig. In dem BFH-Urteil vom 19.4.2012, VI R 74/10, BStBl II 2012, 577 entschied der BFH u.a., dass Trinkgelder für das Behandlungspersonal bei Leistungen im Zusammenhang von Krankengymnastik nicht abziehbar seien. Denn Trinkgeld wird von Stpfl., anders als das Entgelt für eine erbrachte Leistung, zivilrechtlich nicht geschuldet. Auch wenn kein Trinkgeld erbracht wird, hat der Stpfl. Anspruch auf eine sachgemäße Behandlung seiner Krankheit und kann diese auch erwarten.

6.57. Vorauszahlungen

Die Vorauszahlung der gesamten Kosten einer sich über mehrere Jahre erstreckenden Zahnbehandlung, die als außergewöhnliche Belastung im Jahr der Zahlung geltend gemacht wird, kann als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO) zu werten sein, wenn kein wirtschaftlich vernünftiger außersteuerrechtlicher Grund für die Vorauszahlung ersichtlich ist. Hiervon ist auszugehen, wenn der Stpfl. im Jahre des Erhalts einer hohen Abfindung ausnahmsweise der Spitzenprogression unterliegt und er in diesem Jahr aufgrund eines lediglich als Kostenvoranschlag und nicht etwa als Festpreiszusage zu wertenden Schreibens der Zahnklinik seinen vollen mutmaßlich zu erbringenden Eigenanteil für eine umfangreiche Zahnsanierung i.H.v. 45 000 € vorauszahlt, wirtschaftlich angemessen jedoch eine Zahlung jeweils nach Erbringung der – weitaus überwiegend erst in den Folgejahren erbrachten – zahnärztlichen Leistungen gewesen wäre (FG München Urteil vom 12.5.2014, 7 K 3486/11, EFG 2014, 1683, LEXinform 5016792, rkr.; s.a. Anmerkung vom 30.9.2014, LEXinform 0652475). Rechtsfolge der Anwendung des § 42 AO im Streitfall ist, dass als außergewöhnliche Belastung nur der Teil der Kosten der Zahnbehandlung im Streitjahr abzugsfähig ist, der im Falle einer angemessenen Gestaltung entstanden wäre.

6.58. Wassergymnastik

Mit Urteil vom 20.8.2010 (15 K 514/08, LEXinform 5011727, Revision eingelegt, Az. BFH: VI R 74/10, LEXinform 0928134) hat das FG Niedersachsen zur Berücksichtigung der Aufwendungen für Wassergymnastik und Bewegungsbäder Folgendes entschieden (Rechtsprechung bestätigt durch BFH Urteil vom 19.4.2012, VI R 74/10, BStBl II 2012, 577): Nach der Rspr. des BFH sind Aufwendungen für eine Heilbehandlung im eigentlichen Sinne typisierend als zwangsläufig i.S.d. § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG anzusehen. Dies gilt aber nur für die Aufwendungen, die unmittelbar zum Zwecke der Heilung einer Krankheit getätigt werden oder mit dem Ziel gemacht werden, die Krankheit erträglicher zu machen. Hingegen gehören mit einer Krankheit verbundene Folgekosten ebenso wie Kosten für eine vorbeugende oder der Gesundheit ganz allgemein dienende Maßnahme, die nicht gezielt der Heilung oder Linderung von Krankheiten dienen, nicht zu den Krankheitskosten in diesem Sinne (BFH Urteil vom 3.12.1998, III R 5/98, BStBl II 1999, 227). Weil die medizinische Erforderlichkeit von Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können, schwer zu beurteilen ist, verlangt der BFH in diesen Fällen grundsätzlich ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, aus dem sich die Krankheit und die medizinische Notwendigkeit der den Aufwendungen zugrunde liegenden Maßnahmen zweifelsfrei ergibt (BFH Urteil vom 21.4.2005, III R 45/03, BStBl II 2005, 602). Ärztliche Bescheinigungen des Medizinischen Dienstes einer Krankenversicherung stehen einem Attest gleich (R 33.4 Abs. 1 EStR).

Aufwendungen für die eigentliche Heilbehandlung werden typisierend als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, ohne das es im Einzelfall der nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG an sich gebotenen Prüfung der Zwangsläufigkeit des Grundes und der Höhe nach Bedarf. Eine derart typisierende Behandlung der Krankheitskosten ist zur Vermeidung eines unzumutbaren Eindringens in die Privatsphäre geboten. Dies gilt aber nur dann, wenn die Aufwendungen nach den Erkenntnissen und Erfahrungen der Heilkunde und nach den Grundsätzen eines gewissenhaften Arztes zur Heilung oder Linderung der Krankheit angezeigt (vertretbar) sind und vorgenommen werden, also medizinisch indiziert sind.

Allerdings hat der Stpfl. die Zwangsläufigkeit von Aufwendungen im Krankheitsfall in einer Reihe von Fällen formalisiert nachzuweisen. Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel (§§ 2, 23, 31 bis 33 SGB V) ist dieser Nachweis nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 durch eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers zu führen; bei Aufwendungen für Maßnahmen, die ihrer Art nach nicht eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen können und deren medizinische Indikation deshalb schwer zu beurteilen ist, verlangt § 64 Abs. 1 Nr. 2 EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011 ein vor Beginn der Heilmaßnahme oder dem Erwerb des medizinischen Hilfsmittels ausgestelltes amtsärztliches Gutachten oder eine vorherige ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (§ 275 SGB V). Ein solcher qualifizierter Nachweis ist beispielsweise bei Bade- und Heilkuren (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. a EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011) sowie bei medizinischen Hilfsmitteln, die als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB V anzusehen sind (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. e EStDV i.d.F. des StVereinfG 2011), erforderlich (BFH Urteil vom 19.4.2012, VI R 74/10, BStBl II 2012, 577).

S.a. Thermalbäder.

6.59. Wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethoden

Wissenschaftlich anerkannt ist eine Behandlungsmethode dann, wenn Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies wird angenommen, wenn »die große Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte, Wissenschaftler)« die Behandlungsmethode befürwortet und über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der Methode zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein. Ob eine Behandlungsmethode als wissenschaftlich anerkannt anzusehen ist, hat das FG aufgrund der ihm obliegenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls festzustellen (BFH Urteil vom 26.6.2014, VI R 51/13, BStBl II 2015, 9). Der qualifizierte Nachweis i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Buchst. f EStDV ist nur bei wissenschaftlich nicht anerkannten Behandlungsmethoden erforderlich (s.o. Anthroposophische Behandlungsmethode). Mit Urteil vom 18.6.2015 (VI R 68/14, BStBl II 2015, 803) bestätigt der BFH die Rechtsausführungen des FG Schleswig-Holstein in dessen Urteil vom 1.10.2014 (2 K 272/12, EFG 2015, 33, LEXinform 5017092), wonach es sich bei der Liposuktion (s.o.) um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode handelt. In diesem Sinne hätte bereits das OVG Lüneburg (Urteil vom 22.1.2013, 5 LB 50/11, juris – keine Beihilfe) und auch das BSG (Urteil vom 16.12.2008, B 1 KR 11/08 R, LEXinform 1553065) erkannt (s.a. Mitteilung des Schleswig-Holsteinischen FG vom 30.1.2015, LEXinform 0442875 sowie Anmerkung vom 4.9.2015, LEXinform 0880081). S.a. FinBeh Hamburg vom 9.10.2015 (S 2284 –2012/013-52, ohne Fundstelle).

6.60. Zahn-Implantate

Der dem Stpfl. von dritter Seite nicht erstattete Teil der Aufwendungen für den Ersatz verlorener Zähne durch Kronen auf implantierten künstlichen Zahnwurzeln (Implantate) kann als außergewöhnliche Belastung abgezogen werden. Dass die gesetzliche Krankenversicherung nur die Aufwendungen für herausnehmbare Prothesen bzw. bei fest implantiertem Zahnersatz nur einen kleinen Teil der Kosten übernimmt, schließt den Steuerabzug nicht aus (FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 28.11.2007, 2 K 5507/04 B, EFG 2008, 544, LEXinform 5006480, rkr.). Bei den Aufwendungen für die Zahn-Implantate handelt es sich nicht um vorbeugend angefallene Aufwendungen oder um Aufwendungen im Zusammenhang mit sog. alternativen oder Außenseitermethoden i.S.v. wissenschaftlich umstrittenen Methoden. Die Einordnung der Aufwendungen als Kosten für Hilfsmittel im engeren Sinne steht für das Gericht außer Frage. Die vom Stpfl. gewählte Methode der Versorgung bei einem Verlust von Zähnen ist neben der Möglichkeit einer herausnehmbaren Prothese heute gängiger Standard und wird entsprechend auch in der Gebührenordnung der Zahnärzte behandelt. Sie stellt keine Außenseitermethode dar. Die Aufwendungen des Stpfl. waren auch zwangsläufig i.S.d. § 33 EStG. Der Stpfl. muss sich auch nicht auf die preiswertere Möglichkeit einer Versorgung mit herausnehmbarem Zahnersatz verweisen lassen (s.a. FG München Urteil vom 12.5.2014, 7 K 3486/11, EFG 2014, 1683, LEXinform 5016792, rkr.). S.o. unter Vorauszahlungen.

6.61. Zwischenheimfahrten bei einer Begleitperson

BFH Urteil vom 3.12.1998 (BStBl II 1999, 227): Wird ein fünfjähriges Kind von einer Begleitperson zum Zwecke einer amtsärztlich bestätigten Heilbehandlung im Rahmen eines vier- bis fünfstündigen Aufenthalts zu einer besonderen Behandlungseinrichtung gefahren und von dort wieder abgeholt, so sind auch die Aufwendungen für die Zwischenheimfahrten der Begleitperson als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen, wenn es der Begleitperson unzumutbar ist, die Behandlung abzuwarten. Der Senat hält an seiner Rspr. fest, dass die als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigenden Fahrtkosten bei Benutzung eines Pkw nur i.H.d. Kosten für die Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels abzugsfähig sind, es sei denn, es bestand keine zumutbare öffentliche Verkehrsverbindung.

7. Ermittlung der zumutbaren Belastung

Die zumutbare Belastung gem. § 33 Abs. 1, Abs. 3 EStG ist auch bei Krankheitskosten verfassungsgemäß (BFH Urteil vom 21.2.2018, VI R 11/16, BStBl II 2018, 469; Bestätigung der BFH-Urteile vom 2.9.2015, VI R 32/13, BStBl II 2016, 151; vom 25.4.2017, VIII R 52/13, BStBl II 2017, 949 bzw. Beschluss vom 29.9.2016, III R 62/13, BStBl II 2017, 259). Die dagegen eingelegten Verfassungsbeschwerden wurden mit Beschluss des BVerfG vom 18.9.2018 (2 BvR 221/17, LEXinform 0951356; BFH-Beschluss III R 62/13) und vom 6.6.2018 (2 BvR 1936/17, LEXinform 0951580; BFH-Urteil VIII R 52/13) nicht zur Entscheidung angenommen.

Hinweis:

Unter dem Az. VI R 18/19 (LEXinform 0952355) ist beim BFH die Rechtsfrage anhängig, ob Krankheitskosten, die bei Beamten beihilfefähig wären (z.B. Kosten für Zahnimplantat und Brille) bei anderen Stpfl. ohne Kürzung um die zumutbare Belastung als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt werden können. Mit Urteil vom 5.2.2018 (10 K 1153/16, LEXinform 5021864) hat das FG Baden-Württemberg dies ausgeschlossen, da insoweit keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von ArbN gegenüber Beamten in Form eines gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses vorliegt und daher eine von den geltenden Vorschriften des § 33 Abs. 1 und Abs. 3 EStG abweichende Berücksichtigung der beihilfefähigen Aufwendungen verfassungsrechtlich nicht geboten ist.

Abweichend von der bisherigen (durch die Rechtsprechung gebilligten) Verwaltungsauffassung, wonach sich die Höhe der zumutbaren Belastung ausschließlich nach dem höheren Prozentsatz richtet, sobald der Gesamtbetrag der Einkünfte eine der in § 33 Abs. 3 Satz 1 EStG genannten Grenzen überschreitet, ist die Regelung so zu verstehen, dass nur der Teil des Gesamtbetrags der Einkünfte, der den im Gesetz genannten Grenzbetrag übersteigt, mit dem jeweils höheren Prozentsatz belastet wird (BFH Urteil vom 25.4.2017, VIII R 52/13, BStBl II 2017,949, Rz. 61). S. dazu auch das BFH-Urteil vom 19.1.2017 (VI R 75/14, BStBl II 2017, 684; Baltromejus, NWB 26/2017, 1940).

Beispiel:

Einzelveranlagung ohne Kinder; Gesamtbetrag der Einkünfte 51 130 €.

Lösung:

Bisherige Vorgehensweise

Neue Vorgehensweise

Gesamtbetrag der Einkünfte

51 130 €

51 130 €

Zumutbare Belastung

51 130 × 6 % =

3 068 €

15 340 € × 5 % =

767 €

35 790 € × 6 % =

2 147 €

Gesamt

3 068 €

2 914 €

Beispiel:

Zusammenveranlagung mit einem Kind; Gesamtbetrag der Einkünfte 51 130 €.

Lösung:

Bisherige Vorgehensweise

Neue Vorgehensweise

Gesamtbetrag der Einkünfte

51 130 €

51 130 €

Zumutbare Belastung

51 130 × 3 % =

1 534 €

15 340 € × 2 % =

307 €

35 790 € × 3 % =

1 074 €

Gesamt

1 534 €

1 381 €

Zur Ermittlung der zumutbaren Belastung s. → Außergewöhnliche Belastungen.

8. Literaturhinweise

Bilsdorfer, Nachweis der Zwangsläufigkeit von Krankheitskosten, Steuer & Studium 2012, 608; Ritzrow, Aufwendungen für behinderungs- bzw. krankheitsbedingte Baumaßnahmen an Gebäuden, Steuer & Studium 2012, 209; Geserich, Nachweis der Zwangsläufigkeit von krankheitsbedingten Aufwendungen, NWB 2014, 2004; Geserich, Außergewöhnliche Belastungen im Fall wissenschaftlich nicht anerkannter Behandlungsmethoden, NWB 2014, 3396; Schneider, Außergewöhnliche Belastungen und Krankheitskosten, NWB 2/2016, 96; Bergan, Stufenweise Berechnung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG, NWB 32/2017, 2412; Baltromejus, Stufenweise Berechnung der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG, NWB 26/2017, 1940; Brandis, Außergewöhnliche Belastung und Abflussprinzip vs. Absetzung für Abnutzung, DStR 44/2018, 2298; Teller, Die künstliche Befruchtung im Wandel der Rechtsprechung, DStR 44/2018, 2318; Gerauer, Pauschale Bonuszahlungen einer gesetzlichen Krankenkasse, NWB 37/2020, 2718.

9. Verwandte Lexikonartikel

Außergewöhnliche Belastungen

Menschen mit Behinderung

Beseitigung von Umweltbelastungen

Heimunterbringung

Pflegekosten

Schulgeld

Trinkgelder

Unterhaltsaufwendungen

Werbungskosten

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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