02.12.2015 · Selbstständige · smart leben ·
Lesezeit: 5 Min.

Praxistipps zur Honorarfindung

Viele Selbstständige und Freiberufler haben in der Gründungsphase das Gefühl, dass sie unbedingt sehr günstig sein müssen, um Aufträge zu bekommen – auf alle Fälle günstiger als der Wettbewerb. Die Honorarfindung ist nicht einfach.

Was beim Verkauf von Produkten noch in manchen Konstellationen ein Vorteil sein mag, ist bei Dienstleistungen ein Fehler. Problematisch ist dann nämlich unweigerlich, dass man nur schwer wieder aus viel zu niedrigen Stunden und Tagessätzen herauskommt, wenn man einmal damit angefangen hat:

Es ist keine gute Idee, einen Kunden mit einem verlockenden Preis an Land zu ziehen, um ihn von der eigenen Arbeit zu überzeugen. Denn dieser Kunde wird dann nicht bereitwillig beim nächsten Auftrag mehr zahlen als beim ersten, nur weil Sie sich das so überlegt haben.

Nicht einmal, wenn Sie ihm den ersten Auftrag als Kennenlernangebot angekündigt haben, wird er plötzlich gerne einen höheren Preis bezahlen.

Wenn Sie unbedingt mit Rabatten locken möchten, geben Sie also höchstens einen kleinen Nachlass auf den Folgeauftrag – aber einen Nachlass, der eindeutig als entgegenkommende Ausnahme gekennzeichnet ist.

Sonst gewöhnen Sie Ihre Kunden an den falschen Preis oder (schlimmer noch) die falschen Kunden an sich. Ebenso ist es für Gründer fatal, weit unter Preis zu arbeiten, nur um endlich Referenzen zu bekommen.

Es stimmt zwar, das Sammeln von Erfahrungen und ersten Referenzen in der Existenzgründungsphase sehr wichtig ist. Aber wer für viel zu wenig Geld arbeitet, kann keine Krankenversicherung zahlen oder Rücklagen aufbauen und verbaut sich außerdem selbst den finanziellen Handlungsspielraum.

Wie finden Sie also heraus, welcher Stundensatz der richtige ist?

Honorarfindung durch Markt- und Wettbewerbsbeobachtung und Networking

Wer zu teuer ist, bekommt keine Aufträge. Wer viel zu preiswert ist, gibt sich eine Blöße dem Wettbewerb gegenüber – macht aber außerdem den Markt für alle kaputt, auch für sich selbst.

Erfahrungsaustausch, Beobachtung des Wettbewerbs und Networking helfen, ein gutes Gefühl für machbare Preise zu bekommen. Kosten die Mitbewerber viel mehr? Viel weniger?

Was steht in Ausschreibungen, was sagt die Erfahrung in Projekten den erzeugten Zeitaufwand betreffend?

Was nicht funktioniert: Stundensätze oder Pauschalen, die von den Durchschnittsgehältern angestellter Spezialisten oder Dienstleister abgeleitet werden.

In die Kalkulationen von Selbstständigen werden immer viele weitere Faktoren einfließen, die in der Situation eines angestellten Mitarbeiters nicht auftreten.

Wer auf Netzwerktreffen geht, sich in Social Networking Gruppen auf Facebook und XING tummelt und sich regelmäßig mit anderen aus der gleichen Branche austauscht, wird schnell einen Instinkt dafür entwickeln können, was ein marktüblicher Stundensatz ist.

Eine Zeiterfassung für sämtliche Routine- und Projektaufgaben hilft dabei, ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Summen oder Pauschalen für welche Projekte angesetzt werden können, damit es sich für alle Beteiligten rechnet.

Außerdem ist es wichtig, dass Sie sich und dem Kunden klar machen, welches Problem Sie für ihn lösen. Als Grafiker erstellen Sie nicht einfach nur ein Bild. Sie helfen dabei, eine Marke aufzubauen und ein Produkt an den Käufer zu bringen.

Als Programmierer leisten Sie nicht nur X Stunden Developer-Tätigkeit, sondern stellen Ihrem Kunden beispielsweise eine Plattform bereit, mit der er Umsatz generiert oder Zeit spart. Sie liefern nicht einen Brocken losgelöste Leistung, sondern unterstützen konkret und ohne Umwege Ihre Kunden bei der Erreichung von geschäftlichen Zielen.

Das darf ihn dann auch einen normalen Stundensatz kosten.

Warum Dumping-Preise keine gute Idee sind und keinen Wettbewerbsvorteil bringen

Es ist ein Fehler, wenn Sie Ihre Stundensätze so niedrig festsetzen, dass Sie gerade noch so eben mit Müh und Not davon überleben können.

Nehmen Sie sich und Ihre Tätigkeit ernst. Das Finanzamt tut es auch. Spätestens wenn Sie komfortabel mit smartsteuer ihre Steuererklärung abliefern, drängt sich diese Erkenntnis wieder in den Vordergrund:

Ihre Einkünfte müssen versteuert werden, Ihre Ausgaben wollen gedeckt sein und unternehmerisch zu planen ist außerdem eine der Voraussetzungen für Erfolg. Das bedeutet für Sie, von Anfang an daran zu denken, dass Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung und eventuell später zur freiwilligen Arbeitslosenversicherung erwirtschaftet werden müssen.

Ebenso wie Büro- und Verwaltungskosten, Arbeitsmittel, Weiterbildung und nicht zuletzt Rücklagen. Dafür brauchen Sie eine Preis-Strategie, die Ihnen ausreichend Handlungsspielraum lässt.

Als »Sonderangebot« senden Sie als Dienstleister einfach das falsche Signal. Bedenken Sie, dass ein deutlich spürbarer Preisnachlass in der freien Wirtschaft selten für bewährte Qualität steht.
Statt auf extrem niedrige Preise zu setzen, woraufhin dann nicht genug Geld hereinkommt, setzen Sie doch lieber auf Markenaufbau, Image und gute Qualität.

Akquise und pfiffige Eigenwerbung für marktübliche Preise sind nämlich langfristig ausnahmslos besser als Dumping-Angebote.

Mit extrem niedrigen Preisen werden Sie mehr Kunden anziehen, doch mit normalen Tarifen verdienen Sie das gleiche Geld in viel, viel kürzerer Zeit – Zeit, die Ihnen für die Familie bleibt oder für Akquise und Fortbildung genutzt werden kann.

Sie fühlen sich auch gleich ganz anders, wenn Sie Ihre eigenen Tätigkeit ausreichend wertschätzen: Billig arbeiten fühlt sich billig an und ist frustrierend. Das sollten Sie vermeiden.
Qualität von Leistung bis Rate ist eine bessere Grundlage für langfristigen unternehmerischen Erfolg als das qualvolle Vorwärtskämpfen durch Sondertarife.

Preiserhöhungen durchsetzen ist schwierig, vor allem bei Bestandskunden

Sie tun sich einen Gefallen, wenn Sie von Anfang an auf tragfähige Raten achten. Denn Ihre Kunden werden in der Regel mit Unverständnis darauf reagieren, wenn Sie Ihre Sätze erst im Nachhinein noch drastisch anpassen wollen.

Neue Kunden sollten Sie nur zum regulären Stundensatz annehmen und bei den Bestandskunden vorsichtig zum Jahresende oder bei Vertragsverlängerungen kleinere Erhöhungen einführen.

Nicht jeder Kunde wird eine Erhöhung einfach akzeptieren, einige werden gehen und wieder andere werden handeln wollen. Wenn Sie ein wenig höher gehen als nötig, können Sie sich anschließend wieder etwas herunterhandeln lassen – ein kleiner Trick, der oft funktioniert (aber auch Kunden kosten kann, die eine große Preisanhebung nicht akzeptieren möchten).

Fest steht, dass Ihre Überlegungen nicht immer helfen werden und dass es sowohl alte als auch neue Geschäftskontakte geben wird, die einzig und alleine über den Preis eine Entscheidung treffen. Es ist und bleibt ein Lernprozess, welcher Preis der richtige ist. Nur Routine hilft, schneller und souveräner ein Angebot zu erstellen.

Ein Trost für alle frischgebackenen Selbstständigen, die darüber grübeln, ob ein Auftrag vielleicht deswegen nicht zustande kam, weil sie zu teuer waren: Es ist nicht gut, wenn jedes Ihrer Angebote sofort angenommen wird. Denn dann sind Sie auf jeden Fall zu preiswert.

Juliane Jug
Verfasst von:
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