29.04.2022 · Arbeitnehmer · smart leben ·
Lesezeit: 3 Min.

Darum tappen wir in die Schnäppchenfalle

Sonderangebote hier, Super-Sale da, 70 % auf alles – aber nur noch heute. Ob im Supermarkt, Schuhgeschäft oder Onlineshop: Mit der Aussicht auf ein gelungenes Schnäppchen scheint bei uns – auch bei mir – kurzzeitig der Verstand auszusetzen. Und dann kaufen wir etwas, von dem wir kurz zuvor nicht mal wussten, dass wir das tun würden. Und es eigentlich nicht mal brauchen. Sagen wir es so: Wir können nicht mal so richtig was dafür! Warum das so ist – und wie Sie (und ich) wenigstens seltener solche Kauferlebnisse machen, erfahren Sie heute hier im Blog von smartsteuer.

Die Psyche kauft mit ein

In den letzten Jahrzehnten wurde durch zahlreiche Studien und Experimente immer klarer belegt, wie wir zum Kaufen verführt werden – und unser Gehirn dabei ausgeschaltet wird. Und Tricks gibt es sehr viele…

  • Mengenrabatt: Vor mehr als 14 Jahren machte die WDR-Sendung „Quarks & Co“ das folgende Experiment. Putzutensilien, das Stück für 59 Cent. Und zusätzlich ein knalliges Sonderangebot: 3 Stück für 1,99 €. Sie ahnen es, das Sonderangebot ging gut weg. Obwohl es teurer war als drei Stück im Einzelkauf für 1,77 €. 
  • Goldene Mitte: Drei ähnliche Produkte, mit unterschiedlicher Ausstattung und Preis. Meist entscheiden wir uns für das preislich mittlere Produkt. Geübte Verkäufer können es so darauf anlegen, dass sie gerade damit die größte Gewinnspanne haben. Und wir können uns immer noch rechtfertigen, dass wir immerhin nicht das teuerste Produkt gekauft haben.
  • Gratisprobe: Probieren Sie doch mal diese köstliche Avocado-Creme – am Ende haben wir meist nicht nur probiert, sondern die Creme und oft sogar noch zwei, drei andere dazu gekauft. Der Hauptgrund: Wir spüren (nicht immer, aber häufig) eine innere Verpflichtung zum Kauf, wir wollen uns damit quasi bedanken.

Und es gibt noch viel mehr… ein Beispiel kommt jetzt noch. 

Klassisches Experiment

Die internationale Zeitung „The Economist“ hatte vor einigen Jahren mehrere Abo-Angebote: 

A: Das Online-Abo für die Webseite für 59 $
B: Die gedruckte (Print-) Ausgabe im Abo für 125 $
C: Online- und Print-Abo zusammen für 125 $

Mehr als 100 Management-Studenten sollten sich entscheiden:
A: 16 %
B: 0 %
C: 84 %
Keiner nahm also das Angebot B – warum auch, es kostet genauso viel wie Angebot C, bietet aber weniger. 

Nun wurde das Angebot 2 gestrichen, das ja ohnehin keiner wollte. Überraschenderweise änderte sich das Ergebnis deutlich:
A: 68%
C: 32%
Nur, weil ein völlig sinnloses Angebot dabei war (Angebot B), verkaufte sich das teuerste Angebot C deutlich besser. Ohne das Angebot B drehten sich die Werte.

Was passiert denn nun in unserem Gehirn?

Früher konnte man nur ahnen, warum wir bei Schnäppchen quasi unseren Verstand verlieren,  heutzutage lässt sich das mit moderner Technik belegen. Das hat zum Beispiel ein Forschungsteam um Christian Elger und Bernd Weber im Life & Brain Center in Zusammenarbeit mit der Universität Bonn getan. Die Testpersonen in einem Kernspintomografen sahen verschiedene Produkte von Obst bis Computer und Auto. Dann kam der Preis und die Personen sollten entscheiden, ob sie das Produkt kaufen würden. Der Clou: Bei einem Teil der Preise gab es auch noch ein fettes Rabattsymbol. Das Ergebnis fasst Weber in diesem Artikel so zusammen:

„Im Gegensatz zur einfachen Preisangabe führten zusätzlich angezeigte Rabattsymbole zu einer signifikanten Aktivierung von Belohnungsarealen im Gehirn. Offenbar sind Rabattsymbole schon so tief in unser Gehirn eingebrannt, dass ihr Auftauchen Gefühle wie ‚Da kann ich ein Schnäppchen machen‘ weckt – ein Gefühl, das die Erwartung hervorruft, belohnt zu werden. Natürlich beeinflusst dies das Verhalten in Richtung Kaufentscheidung.“

Und zudem kam es zumindest bei einem Teil zu einer gedrosselten Aktivität im Vorderhirn – oder einfacher: der Verstand setzt aus. 

Sind wir wirklich wehrlos dagegen?

Ist es wirklich so einfach? Da ist ein ungeheurer Kaufanreiz, wir fühlen uns unterbewusst glücklich, der (rationale) Verstand setzt kurz aus – und fertig?
Ganz so einfach ist es zum Glück dann doch nicht. So zeigen die meisten Untersuchungen bisher „nur“, wie der Blutfluss im Gehirn läuft. Was tatsächlich „gedacht“ wird, bleibt zum Glück „geheim“. Zudem funktioniert unser Belohnungssystem zwar spontan und automatisch. Aber es gibt zum Glück auch noch andere Hirnbereiche wie den „orbitofrontalen Kortex“, wo unsere früheren Erfahrungen gespeichert sind und schließlich eine Gesamteinschätzung vorgenommen wird. Wenn man sich denn nicht von seinem Glücksgefühl überrollen lässt… 

Was bedeutet das konkret für mich?
Schnäppchen lösen im Gehirn einiges aus, unkontrolliert von Ihnen. Es kann also nur darum gehen – mit meinen einfachen Worten gesagt, dass man vielleicht erst mal innehält, bevor man tatsächlich kauft. Etwas runterkommt von dem Glücksgefühl und sich selbst Zeit gibt, um eine rationale Entscheidung zu treffen.


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