03.09.2021 · Arbeitnehmer · smart steuern ·
Lesezeit: 3 Min.

Grüne wollen bundesweites Meldeportal gegen Steuerbetrug

Es war wohl der Steuer-Aufreger der Woche. Erst führte der grüne Finanzminister in Baden-Württemberg ein Meldeportal zur Anzeige von Steuervergehen ein. Natürlich gab es heftigen Gegenwind vom politischen Gegner. Doch die grüne Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl, Annalena Baerbock, setzte noch einen drauf. Die nächste Bundesregierung solle das auch deutschlandweit einführen, meinte sie. Was es mit dem Portal genau auf sich hat, welche Reaktionen es gab, warum das eigentlich nicht ganz neu ist und wie die Chancen stehen, dass es tatsächlich im Bund so weit kommt – Sie erfahren es hier.

Baden-Württemberg als Vorreiter?

Wenn nicht gerade Wahlkampf wäre, wäre die Aufregung vermutlich gar nicht so groß gewesen. Baden-Württemberg in Gestalt des grünen Finanzministers Dr. Danyal Bayaz startete „das bundesweit erste anonyme Hinweisgebersystem für Finanzämter.“ Dieses neue Hinweisgeberportal solle Bürgerinnen und Bürgern einen sicheren und anonymen Kommunikationsweg bieten, um Verstöße gegen Straf- und Steuergesetze anzuzeigen.

In der Pressemitteilung erklärt der Finanzminister: „So können wir Steuerbetrug besser verfolgen und für mehr Steuergerechtigkeit sorgen. Außerdem treiben wir die Digitalisierung voran und ermöglichen eine einfache Kommunikation zwischen Steuerverwaltung und Bürgerinnen und Bürgern.“

Wie war es denn bisher?

Nun, jede und jeder konnte auch bisher schon anonym eine Anzeige beim Finanzamt erstatten. Etwa per Post, Anruf oder E-Mail. Das neue an dem Portal ist, dass die Finanzbehörden nun auch Rückfragen stellen können. Wenn bisher wichtige Angaben fehlten, passierte eben auch nichts mehr. Nun gibt es die Rückfragemöglichkeit – weiterhin anonym und sicher über das Portal, wie die Steuerverwaltung betont. Zudem gebe es auch Pflichtfelder, sodass die Behörden mehr mit den anonymen Anzeigen anfangen könnten.

Sturm der Entrüstung

Der FDP-Landesvorsitzende Michael Theurer nennt das Ganze eine „völlig neuen Dimension des Denunziantentums“. Auch das Wort Blockwartmentalität darf nicht fehlen. Selbst der Koalitionspartner in Baden-Württemberg findet die Meldeplattform nicht so prall. Die Grünen würden wieder einmal ihr wahres Gesicht zeigen, sagte der CDU-Landesvize Thorsten Frei. Aber ist das jetzt wirklich ein Steuerpranger, wie die Kritiker meinen? Oder vielleicht ja doch ein Mittel für mehr Steuergerechtigkeit? Fest steht schon mal, dass es nicht reicht, zu schreiben, dass Nachbar X eine Putzfrau habe und die vielleicht schwarz arbeiten könnte. Dieses klassische „dem-Nachbarn-eins-auswischen“ lande sofort im digitalen Papierkorb, heißt es von der Finanzverwaltung. Wer aber zum Beispiel steuerliche Missstände in (s)einem Unternehmen aufdecken will, ein „Whistleblower“ also, dürfte mit der Meldeplattform ein gutes Werkzeug haben. Denn eins ist klar: Steuerbetrug ist auch in Deutschland weit verbreitet, auch im großen Maßstab. Geschätzt gehen dem Fiskus 50 Milliarden € im Jahr durch die Lappen.

Grünen-Kanzlerkandidatin macht die Sache erst groß

Nun wäre es normalerweise nicht mehr viel weitergegangen. Der Finanzminister in Baden-Württemberg wurde auf Twitter und Instagram heftigst attackiert, auch mit strafwürdigen Beleidigungen, die Bayaz zur Anzeige bringen wolle. Auch auf dem neuen Portal selbst machten viele per E-Mail ihrem Ärger Luft, oft auch sehr beleidigend. Schlimm, aber erwartbar und sicher auch bald wieder vorbei.

Doch die Parteivorsitzende des betroffenen Finanzministers hob das Thema flugs auf die Bundesebene. In einer TV-Wahlsendung sagte Annalena Baerbock zum Thema: „Wir müssen Orte schaffen, wo auch gemeldet werden kann, wenn man weiß, dass es zu heftigem Steuerbetrug kommt.“ Das passiere nun in Baden-Württemberg – wäre aber „auch Aufgabe eines Bundesfinanzministers gewesen“, so Baerbock. Und abschließend war sie der Meinung, dass die nächste Bundesregierung das einführen solle. Nun, angesprochen war da wohl der aktuelle Finanzminister und Kanzlerkandidat der SPD, Olaf Scholz. Der blieb aber eher im Ungefähren: Es sei „wichtig, dass wir alle fair unsere Steuern zahlen, und ich gehe davon aus, dass die meisten Bürgerinnen und Bürger das auch tun.“

Deutlich gegen ein Meldeportal zeigte sich FDP-Chef Christian Lindner: Digitalisierung ja, aber wir bräuchten keine staatliche Aufforderung zu Denunziantentum unter Nachbarn.

Das kann also noch spannend werden, zumal ja eine Koalition aus SPD, Grünen und FDP nach der Wahl mittlerweile nicht unwahrscheinlich erscheint…

Unsere Meinung: Ganz klar, ein solches anonymes Meldeportal hat – um sprachlich in Baden-Württemberg zu bleiben – ein Geschmäckle. Aber wenn man sieht, dass das klassische Denunzieren („Mein Nachbar hat so viel Geld, der betrügt doch bei der Steuer.“) komplett ins Leere läuft, überwiegen die Vorteile. Denn Whistleblower haben hier eine Chance, sicher und anonym auf – durchaus auch größere – Steuerdelikte aufmerksam zu machen.

Bisherige Kommentare (Selber ein Kommentar hinterlassen)

  • Avatar Rainer Müller sagt:

    Das ein Herr Scholz sich bei dem Thema „Whistleblowing“ bedeckt hält ist doch klar. Muss er doch selbst Angst haben es könnte einer seine direkte Beteiligung im Wirecard-Skandal aufdecken. Ebenso wie die mangelnde Strafverfolgung einer Bank in Hamburg. Bei der das Nichtstun des Herrn Scholz eine Strafverfolgung vereitelt (verjährt) hat. Und wenn alle Bürger doch so ehrlich sind! Wieso gibt es dann Steuerfahnder? Sind das dann auch nur Denunzianten auf Geheiß der CDU/CSU und SPD, liebe FDP?

  • Avatar Francesco Moccia sagt:

    Naja… das mit dem Nachbarn der zuviel Geld hat, hinkt ein wenig > „umschreiben“ wir das ein wenig anders:“Mein Nachbar ist Kellner… soviel Verdient der nu auch nicht, „Das“ kann der sich wohl ’nur‘ durch die ‚Trinkgelder‘ leisten!?“
    Da werden so einige ‚übereifrige‘ Finanzbeamte sicher ‚hellhörig!‘


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