Mr. Cum-Ex steht vor dem Richter
Na, klingelt es bei Ihnen? Cum-Ex, da war doch was. Richtig, eine weltumspannende Steuer-Masche, um im großen Umfang auch den deutschen Staat um Milliarden zu bringen. Jetzt steht die deutsche Schlüsselfigur Hanno Berger (71) vor dem Landgericht Bonn. Es geht um schwere Steuerhinterziehung und Betrug in drei Fällen zwischen 2007 und 2013 – und eine Schadenssumme von 278 Millionen €. Wir erklären Ihnen, wie Cum-Ex funktionierte, welche Rolle dabei Berger zugeschrieben wird und was dem Mann droht.
Der Cum-Ex-Skandal
Wir verweisen an dieser Stelle zuerst auf unseren Blogartikel „So funktionierte der größte Steuerbetrug aller Zeiten„. Bei Cum-Ex ging es kurz gesagt darum, dass rund um den Dividenden-Stichtag so getrickst wurde, dass die in diesem Zusammenhang einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach vom Staat erstattet worden ist. Dabei ist zu sagen, dass anders als Privatpersonen, Banken und Fonds die Steuer tatsächlich zurückfordern können. Aber – und das leuchtet wohl ein – nur einmal.
Die Karriere Dr. Hanno Bergers
Der promovierte Jurist arbeitete zuerst in einem Frankfurter Finanzamt und war mit Bankenbetriebsprüfungen betraut. Er wechselte später – das Bild soll hier mal erlaubt sein – auf die dunkle Seite der Macht. Und beriet seit ungefähr 1996 die Reichen und Superreichen dabei, wie sie möglichst wenig Steuern zahlen müssen. Hanno Berger hat Cum-Ex zwar nicht erfunden, die Masche hat wohl ihren Ursprung in britischen Investmentbanken. Aber er hat, so ist die Anklage überzeugt, vermögende Investoren ins Boot geholt und somit das System etabliert – an dem er auch selbst 27 Millionen € in den drei Fällen verdient haben soll.
Spätestens ab 2012 wurde gegen ihn ermittelt. Nach einer Durchsuchung seiner Kanzlei setzte er sich vor zehn Jahren von einem Tag auf den anderen in die Schweiz ab. Seine Hoffnung: Die Schweiz würde ihn wegen Steuerhinterziehung nicht ausliefern. Da aber auch noch Betrug hinzu kam, war es in diesem Februar nach langen Jahren so weit: Berger musste unfreiwillig nach Deutschland zurück – direkt in Untersuchungshaft.
Der Prozess in Bonn
Seit Anfang April läuft nun der Prozess in der ehemaligen Hauptstadt (Az. 62 KLs 2/20). Anfang Juni beginnt am Landgericht Wiesbaden noch ein Prozess gegen Hanno Berger. Klar ist, die Verfahren werden sich wenigstens über Monate hinziehen. Aber, und das dürfte dem „Steueranwalt für die Reichen“ klar sein: Die Chancen, freigesprochen zu werden oder mit einer Bewährungsstrafe davonzukommen, sind nicht sehr groß. Woran das liegt, erklären wir im nächsten Kapitel
Engmaschiges Netz zieht sich zu
Nun, jetzt haben wir den Mund schon recht voll genommen. Und wir wissen auch, dass die Taten erst noch bewiesen werden müssen. Doch was spricht schon im Vorfeld gegen Dr. Hanno Berger?
- Bereits Ende 2016 hatte sein Kanzleipartner bei der Staatsanwaltschaft ausgepackt. Das war nur der Anfang für weitere Kronzeugen.
- Die drei erwähnten Fälle wurden bereits mehrfach vor dem Landgericht Bonn verhandelt, zwei britische Kronzeugen dabei (bereits rechtskräftig) zu Bewährungsstrafen verurteilt. Zwei leitende Mitarbeiter der beteiligten Warburg-Bank erhielten Haftstrafen (noch nicht rechtskräftig). Es ist mithin schon bewiesen, dass es sich um illegale Aktivitäten gehandelt hat.
- Urteil des Bundesgerichtshofs: Der sagte im Juli 2021 klipp und klar, dass Cum-Ex-Geschäfte nicht etwa eine Gesetzeslücke ausnutzen, sondern eine strafbare Steuerhinterziehung sind (1 StR 519/20).
- Urteil des Bundesfinanzhofs: Auch hier im Februar 2022 eine klare Watsche für Cum-Ex. Die obersten Finanzrichter sprachen im Urteil von der „steuerrechtlichen Unzulässigkeit“ von solchen Praktiken der mehrfachen Erstattung von nur einmal abgeführten Steuern (Az. I R 22/20).
Zusammengefasst: Cum-Ex war – das ist höchstrichterlich entschieden – illegal. Zudem gibt es bereits Verurteilungen von Mittätern bei den drei verhandelten Fällen, zum Teil mehrjährige Haftstrafen. Und es gibt mehrere Kronzeugen. Die Staatsanwältin muss jetzt eigentlich „nur noch“ beweisen, dass Hanno Berger an den ihm vorgeworfenen Taten auch wirklich beteiligt war.
Unsere Meinung: Klar könnte man fragen, warum es zehn Jahre dauerte, bis die obersten Gerichte das bestätigten, was schon der gesunde Menschenverstand sagt. Man kann gezahlte Steuern nur einmal zurückfordern. Alles andere ist Betrug. Immerhin ist das aber jetzt auch endgültig entschieden. Und zumindest einige Initiatoren, Gestalter, Helfer und Nutznießer des Cum-Ex-Skandals dürften ordentlich bestraft werden.
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