04.02.2022 · Arbeitnehmer · smart steuern ·
Lesezeit: 3 Min.

Kampf gegen Steueroasen – mitten in Deutschland

Wir kennen wohl alle berühmte Steueroasen – zumindest vom Namen her. Panama, die Cayman Inseln, Jersey, Luxemburg und einige mehr. Aber hätten Sie gewusst, dass es auch in Deutschland Steueroasen gibt? Mit der gleichen Masche wie in den exotischen Ländern und Inseln: Briefkastenfirmen, die dafür sorgen, dass Unternehmen viel weniger Steuern zahlen als sie eigentlich müssten. Aber warum geht das überhaupt und wie funktioniert das – mitten in Deutschland? Um welche Summen geht es? Und was macht der Staat dagegen? Alle Antworten gibt es hier im Blog von smartsteuer.

Deutsche Steueroasen – gern in der Nähe einer Metropole

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah… Kennen Sie sicher, den Spruch. Und der passt – leicht ironisch – zu unserem Thema heute. Denn warum soll man zur Steuerreduzierung ans gefühlte Ende der Welt reisen, wenn es auch fast direkt vor der Haustür möglich ist. Grünwald – bei München, Zossen – bei Berlin, Monheim am Rhein – bei Düsseldorf und Köln, Lützen – bei Leipzig. Fast jede richtige deutsche Großstadt hat in der Nähe eine Steueroase. 

Was bedeutet Steueroase?

Nun, wir reden hier von der Gewerbesteuer, die Unternehmen zahlen müssen – und zwar an die Kommune, in der sie sitzen. Der Gewerbesteuersatz ist erstmal überall gleich: 3,5 %. Aber: Hinzu kommt der sogenannte Hebesatz – und den kann jede Gemeinde in Eigenregie festlegen. Mindestens 200 % müssen es sein, nach oben gibt es keine Grenze.
Die Idee hinter dieser Regelung ist prinzipiell eine gute. Gemeinden können Unternehmen mit niedrigen Hebesätzen anlocken, die dort am besten Arbeitsplätze schaffen und Gewerbesteuern zahlen. Doch so kam es nicht komplett, denn immer häufiger installierten Unternehmen in einer der deutschen Steueroasen lediglich eine Briefkastenfirma. Im Fall Grünwald (bei München) bedeutet das weniger als die Hälfte Gewerbesteuer im Vergleich zu München. In Zahlen sind das 8,4 % in Grünwald, statt 17,15 % in München. 

Geschäftsmodell Briefkastenfirma

Nochmal, es gibt natürlich auch Firmen, die tatsächlich kurz hinter der Großstadtgrenze ihr Unternehmen haben, um von geringeren Steuersätzen zu profitieren – aber eben dort auch wirklich ihre Geschäfte betreiben. In den deutschen Steueroasen dürfte das eher selten der Fall sein. So kommen auf die rund 11.000 Einwohner Grünwalds rund 9.000 Unternehmen. Und die werden zunehmend auch angelockt von Dienstleistern, die an Unternehmen in deutschen Steueroasen Firmensitze vermitteln. Im Klartext heißt das: Das Unternehmen hat für einen Festpreis einen Briefkasten. Wahlweise kann Post und Telefon weitergeleitet werden…

Die betroffenen Gemeinden, seien wir ehrlich, wollen daran am besten nichts ändern. Denn sie profitieren von den sprudelnden Gewerbesteuereinnahmen. Und verweisen gern darauf, dass alles zulässig sei. Sie schieben den schwarzen Peter an das zuständige Finanzamt weiter. Denn das müsse überprüfen, ob sich hinter den Briefkästen auch noch mehr versteckt – oder eben nicht. Und das ist ganz klar auch ein Erfolgsgeheimnis der Masche: Wie soll ein einfaches Finanzamt mal eben 9.000 Unternehmen überprüfen?

Riesiger Schaden

Experten schätzen, dass durch den Konkurrenzkampf der Kommunen bei der Gewerbesteuer wenigstens eine Milliarde € an Steuergeldern im Jahr verschenkt wird. Und während einzelne Kommunen durch viele zahlende Unternehmen richtig profitieren, stehen viele andere Gemeinden dumm da und wissen nicht, wie sie die notwendigsten Dinge in der Infrastruktur zahlen sollen. Zur Erinnerung: Die Gewerbesteuer soll ja deshalb von Unternehmen an die jeweilige Gemeinde gezahlt werden, weil sie ja unter anderem auch die Infrastruktur des Ortes nutzen.
Das Ärgerlichste an der Sache ist aber, dass vom „Staat“ lange nichts unternommen wurde. Denn eigentlich sollte klar sein, dass hinter vielen der Briefkästen nichts ist – und die Geschäfte des Unternehmens eigentlich ganz woanders stattfinden. Nötig ist aber eine richtige „Betriebsstätte“, wo Leute arbeiten und die wichtigen Entscheidungen des Unternehmens getroffen werden. 

Lange Untätigkeit

Das alles war ja offenbar kein so ganz großes Geheimnis. Aber es scheint so, dass die Finanzverwaltungen von Bund und Ländern sich da einfach rausgehalten haben. Es handelte sich ja auch „nur“ um die kommunale Gewerbesteuer. Doch mittlerweile hat sich das geändert. Beim Bund und in den betroffenen Ländern wirft man mittlerweile zumindest einen genauen Blick auf Steueroasen – und auf die Dienstleister, die die Firmensitze vermitteln. Allerdings ist ganz praktisch noch kaum etwas passiert. Denn allen dürfte klar sein: Die Überprüfung von tausenden mutmaßlich reinen Briefkastenfirmen dürfte vor allem eins brauchen: Leute, die das tun. Das lässt sich nicht einfach zwischendurch von den örtlichen Finanzbeamten erledigen. 

Was bedeutet das konkret für mich?
Praktisch sehr wenig, aber wenn Sie bis hier hin gekommen sind beim Lesen, haben Sie auf jeden Fall eine spannende Geschichte über Steueroasen in Deutschland gelesen. 

Bisherige Kommentare (Selber ein Kommentar hinterlassen)

  • Avatar Merkle Fritz sagt:

    Ganz so einfach ist das mit dem Betrug bei der Gewerbesteuer doch nicht. Der gesamte Gewerbesteuermeßbetrag der Firma von 3,5% wird nicht nach „Briefkästen“ auf die Gemeinden verteilt, sondern entsprechend den Personalkosten pro „Betriebsstätte“. Und wenn in Grünwald nur ein Briefkasten ist und keine – oder unwesentliche – Personalkosten anfallen, erhält Grünwald aus der Verteilung des Gewerbeertrages halt nichts bzw. wenig.
    Nur wenn es in betrügerischer Absicht gelingt, Personalkosten von der richtigen Betriebsstätte wegzubuchen und auf die fiktive Betriebsstätte Grünwald zu buchen, würde das wie oben beschrieben funktionieren.
    Wie diese Firma aber dann ihre Kalkulationen und Betriebswirtschaftlichen Auswertungen richtig, d. h. ohne eine zweite „Nebenbuchhaltung“ machen will ist mir unverständlich.

  • Avatar Bienenstich sagt:

    Das bedeutet sehr wenig für mich persönlich. Ja, aber da sollte man doch mal einen gesellschaftspolitischen Blick drauf werfen: Was wird so viel polemisiert, dass die Kommunen zu wenig finanziell ausgestattet seien, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. Und da ereifern sich vom Bund der Steuerzahler, über viele Politiker, Parteien und Kommunen bis zum Städte-und-Gemeinde-Tag, der Bund oder das Land solle dafür aufkommen. Und das wird zuweilen auch getan. Aber das kann Bund und Land auch nur aus dem üblichen Steuervolumen, also so zu sagen von „unser aller Geld“. Das brauchte aber nicht in der Höhe zu sein, wie Briefkastenfirmen zu Lasten der Kommunen, an deren Sitz sie wirklich eine Betriebsstätte haben, Gewerbesteuern „sparen“. Also den Steuerzahler als Ganzes geht es doch etwas an.
    Warum kann die Bundesregierung kein Gesetz im Bundestag beschließen lassen, dass „Briefkastenfirmen“ als Steuerhinterziehung definiert, damit als strafbar? Alles, was gesetzlich nicht ausdrücklich formuliert ist, wird in dieser Gesellschaft als legal angesehen und für egoistische Zwecke genutzt. Muss das so sein? Oder lässt sich aus dem Verfassungsschutz gemäßen Grundsatz, Eigentum verpflichtet, nicht gesetzlich regeln, was dazu gehört und was dagegen verstößt?

  • Avatar Dr. Christian Schwießelmann sagt:

    Sehr geehrte Frau Pank,

    die Sicht auf den Schaden durch Gewerbesteueroasen ist eine sehr perspektivische, nämlich die des Staates, der häufig Steuergelder verschwendet, in irrsinnige Projekte leitet oder zur Pflege der Wählerklientel derjenigen Parteien einsetzt, die sich ihn zur Beute gemacht haben. Sie könnten den Gewerbesteuerunterbietungswettbewerb auch als Schutzwall des Privateigentums gegen den Steuerstaat lesen oder als Wettbewerbsvorteil gegenüber zentralistischen Ländern. Legale Steuergestaltung und Steuervermeidung sind nichts Verwerfliches, sondern das Resultat der Erdrosselung jeder Selbstverantwortung und unternehmerischer Initiative durch den Fiskus. Vielleicht brauchen wir nicht mehr Kontrollettis in der Finanzverwaltung, sondern ein einfacheres Steuerrecht und weniger leistungsfeindliche Umverteilung.

    Ich freue mich auf den Austausch mit Ihnen!

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Christian Schwießelmann


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