Endlich Schluss mit den hohen Steuerzinsen
Es hat mal wieder viele Jahre gebraucht – doch nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden: Die mittlerweile völlig überhöhten Zinsen bei der Steuer in Höhe von 6 % pro Jahr sind nicht nur realitätsfern, sondern auch verfassungswidrig. Und zwar schon seit 2014. Doch was bedeutet das Urteil der höchsten Richter in Karlsruhe genau? Wen betrifft es, greift das nur bei Steuernachzahlungen oder auch bei Steuererstattungen? Gilt es rückwirkend – und vor allem: wie hoch ist der neue Zinssatz? Die Antworten zu diesen Fragen gibt es hier bei uns im Blog von smartsteuer.
Ab wann gibt es eigentlich Zinsen bei der Steuer?
Nun, das ist recht einfach zu beantworten: Zinsen werden ab dem 15. Monat nach Ablauf des jeweiligen Steuerjahres fällig. Pro Monat sind es stolze 0,5 % Zinsen, macht dann die erwähnten 6 % im Jahr. Das gilt sowohl für Steuernachzahlungen, aber auch für Steuererstattungen. Wer zum Beispiel nicht zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet war – und sich etwa drei Jahre Zeit ließ – konnte zur Erstattung auch noch Zinsen mitnehmen.
6 % – ein Traum aus der Vergangenheit
Eigentlich unglaublich: Die 6 % Zinsen haben sich seit 60 Jahren nicht geändert. Doch während man früher mit den 6 % nie so weit weg war vom tatsächlichen Zinsniveau, sind wir spätestens seit der Finanzkrise nun schon seit mehr als zehn Jahren immer nahe dem Nullpunkt. Dieses Missverhältnis stand zwar oft in der Diskussion und der Kritik. Doch geändert hat sich nichts.
Es gab sogar schon 2018 ein Urteil des Bundesfinanzhofes zum Thema – in einem Einzelfall. Ausführlich können Sie das übrigens in diesem Blogartikel nachlesen.
Im Bundesfinanzministerium hat man das sicher auch bemerkt – und nix getan. Vielleicht lag es ja auch daran, dass der Fiskus bis zu einer Milliarde Euro Überschuss mit den Zinsen pro Jahr machte. Zumindest bis 2018.
Der Fall und das Urteil
Geklagt hatten vor dem Bundesverfassungsgericht zwei Unternehmen, deren Gewerbesteuer nach einer Prüfung deutlich nach oben gesetzt worden war – inklusive beträchtlicher Zinsen in sechsstelliger Höhe. Und wenn Sie jetzt sagen, was hab ich mit Gewerbesteuer zu tun: Die Zinsregelung betraf und betrifft Einkommen-, Körperschaft-, Vermögen-, Umsatz- und Gewerbesteuer.
Das Bundesverfassungsgericht entschied nun, dass der Zinssatz von 6 % mindestens seit 2014 verfassungswidrig ist (Az: 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17). Bis 2013 waren die Zinsen zwar auch schon in den Keller gegangen, aber der Zinssatz sei noch in einem rechten Verhältnis gewesen, so das Gericht. Ab 2014 sei er aber „evident realitätsfern“ gewesen.
Wird jetzt rückwirkend alles noch mal aufgerollt?
Jein. Das Gericht entschied auf der einen Seite, dass alles bis 2018 in Bestandskraft bleibt. Wohl auch, weil der Verwaltungsaufwand zu groß wäre.
Auf der anderen Seite sagte das Gericht aber auch, dass alle seit 2019 noch offenen („vorläufigen“) Bescheide korrigiert werden müssen. In der Regel dürften die Steuerbescheide und insbesondere die Zinsfestsetzung seit dieser Zeit auch noch vorläufig sein. Denn nach dem oben erwähnten Urteil des Bundesfinanzhofs im Jahr 2018 hatten die Finanzämter schon reagiert – und ab Mai 2019 die Zinsfestsetzung auf vorläufig „gesetzt“. Die angemahnte Korrektur des Gerichts lässt sich damit immerhin in den meisten Fällen recht leicht umsetzen.
Wen betrifft das?
Es betrifft alle, die ab 2019 irgendetwas mit Zinsen bei der Steuererklärung zu tun hatten. Also nicht nur Unternehmen und Privatpersonen, die zu einer Steuernachzahlung auch noch fette Zinsen zahlen mussten. Sondern auch die, die von den imposanten 6 % profitiert hatten, weil die Zinsen auf ihre Steuererstattung obendrauf kam. Wer also absichtlich immer recht lange mit der Abgabe gewartet hatte, um ja auch noch richtig Zinsen mitnehmen zu können, muss im schlimmsten Fall für die Jahre ab 2019 (Zins-) Geld zurück an den Staat zahlen.
Wie hoch ist der neue Zinssatz?
Tja, wenn wir das wüssten, hätte es gleich ganz oben im Artikel gestanden. Wie üblich kümmert sich das Bundesverfassungsgericht nicht um die Details, muss es ja auch nicht. Stattdessen verpflichtet das Gericht den Gesetzgeber, „eine Neuregelung bis zum 31. Juli 2022 zu treffen, die sich rückwirkend auf alle Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 erstreckt und alle noch nicht bestandskräftigen Hoheitsakte erfasst“.
Der Bund der Steuerzahler fordert, dass der Zinssatz auf deutlich weniger als die Hälfte gesenkt wird, also deutlich unter 3 %. Zudem sei eine regelmäßige Anpassung erforderlich. Die Finanzbehörden wollen jetzt „zügig“ das Urteil umsetzen.
Sehen Sie sich die wichtigsten Punkte gerne auch noch einmal in diesem Video an:
Was bedeutet das konkret für mich?
Wenn Sie seit 2019 Zinsen bei der Steuererklärung zahlen mussten oder welche bei einer Steuererstattung erhalten haben, wird in den allermeisten Fällen der Steuerbescheid automatisch korrigiert werden, solange er noch nicht bestandskräftig war. Ab wann das passieren wird, steht noch nicht fest. Das entsprechende Gesetz muss noch überarbeitet werden.
Überprüfen Sie als Betroffene oder Betroffener aber schon jetzt, was auf den entsprechenden Bescheiden steht. Vor allen Dingen, wenn Sie von den Steuerzinsen profitiert haben sollten. Mit ein bisschen Glück ist Ihr Bescheid ja schon bestandskräftig – und Sie müssen nichts nachzahlen.
Bisherige Kommentare
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Danke für den sehr ausführlichen Artikel. Eine Frage habe ich dazu: Werden auch Zinsen bei der Steuererklärung vor 2017 berücksichtigt? Oder bleibt es dann bei den 6%?
Das kommt ganz darauf an, wann die Steuererklärung angefertigt wurde. Bitte prüfen Sie Ihren Bescheid. Hier finden Sie einen Vermerk in den Erläuterungen.