08.06.2015 · Arbeitnehmer · smart steuern ·
Lesezeit: 3 Min.

Hexenverbrennungen, schlafende Richter und die Toiletten-Tagebücher (Teil 2)

Weil der erste Teil so schön war, habe ich gleich eine zweite Sammlung komischer Fälle für Sie zusammengestellt. Lehnen Sie sich zurück und erfreuen Sie sich an den folgenden Urteilen.

Eyes Wide Shut oder: der schlafende Richter

Ruhiger ging es 2011 in einem Verfahren vor dem Bundesfinanzhof, der höchsten Instanz der Finanzgerichtsbarkeit, zu. Die Kläger waren der festen Überzeugung, dass das Gericht der vorherigen Instanz nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Denn: Einer der Richter sei während der mündlichen Verhandlung eingeschlafen. Diese Argumentation ist auf den ersten Blick nachvollziehbar: Ein Gericht gilt als nicht vorschriftsmäßig besetzt (mit der Folge eines Verfahrensfehlers), wenn ein Richter während der mündlichen Verhandlung schläft und deshalb wesentlichen Vorgängen nicht folgt.

Der betroffene (ehrenamtliche) Richter hatte dazu erklärt, mit Sicherheit behaupten zu können, nicht geschlafen zu haben. Allerdings schließe er manchmal kurz die Augen, wenn er eine Sache überdenke.

Der Bundesfinanzhof lehnte einen Verfahrensfehler ab:

„Dass die Voraussetzungen für einen Verfahrensfehler vorliegen, könne erst dann angenommen werden, wenn sichere Anzeichen für das Schlafen wie beispielsweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder eindeutige Anzeichen von fehlender Orientierung gerügt würden. Ein Richter könne dem Vortrag während der mündlichen Verhandlung auch mit (vorübergehend) geschlossenen Augen und geneigtem Kopf folgen. Deshalb müsse derjenige, der sich darauf beruft, ein Gericht sei wegen eines in der mündlichen Verhandlung eingeschlafenen Richters nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen, konkrete Tatsachen vortragen, welche eine Konzentration des Richters auf wesentliche Vorgänge in der mündlichen Verhandlung ausschließen.

Derartige sichere Anzeichen ergäben sich aus dem Vorbringen der Kläger nicht. Ihr Vorbringen beschränke sich im Wesentlichen darauf, der Richter habe während der mündlichen Verhandlung von 13:00 Uhr bis 13:04 Uhr die Augen bei zur Seite geneigtem Kopf geschlossen gehalten und teilnahmslos gewirkt; er sei dann plötzlich wieder erwacht.“

Merke: Ein Stups zur rechten Zeit sorgt auch für mehr Gerechtigkeit.

Verbrannte Hexen

Die letzte überlieferte Hinrichtung einer Hexe in Mitteleuropa fand 1793 statt. Dass das Thema Hexenverbrennungen damit aber nicht erledigt war, bekamen die Richter des Finanzgerichts München im Jahr 1989 zu spüren.

Der Kläger des Verfahrens beschäftigte Arbeitnehmer, die sowohl der evangelischen als auch der römisch-katholischen Kirche angehörten. Er weigerte sich, für diese Kirchenlohnsteuer einzubehalten und an das beklagte Finanzamt abzuführen. Stattdessen beantragte er bei Gericht, „ihn bis auf weiteres vom ‚aufgezwungenen Inkassodienst für kriminell tätig gewesene Religionsgesellschaften, hier speziell römisch-katholische und evangelische Religionsgesellschaft“, freizustellen.

Seine Begründung: In Verantwortung der vom Finanzamt unterstützten und bereicherten Religionsgesellschaften seien seine Vorfahren im Jahre 1664 grausam gefoltert und sodann am 23. 2.1664 auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden. Die Erinnerung an diese mehr als unmenschliche Behandlung im Glaubenswahn dieser Religionsgemeinschaften machte es ihm als direktem Nachfolger subjektiv unmöglich, Inkassodienst zur weiteren Bereicherung dieser Religionsgesellschaften zu leisten.

Das Gericht hatte allerdings kein Einsehen und wies die Klage ab.

Post vom Amt? Panikattacke!

Nicht mit Hexen, sondern mit einer Phobie gegen amtliche Schreiben durfte sich das Finanzgericht Rheinland-Pfalz befassen.

In diesem Fall begehrte die Klägerin eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da sie eine Frist wegen „einer Phobie gegen amtliche Schreiben“ versäumt hatte.

Von der „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ wird gesprochen, wenn ein Verfahrensbeteiligter Fristen unverschuldet versäumt hat, jedoch so gestellt wird, als hätte er die Frist nicht versäumt.

Die Klägerin erklärte, dass sie unter Angstzuständen leide, die durch amtliche Schreiben ausgelöst würden. Daher lasse sie Post mehrere Wochen, teilweise sogar monatelang im Briefkasten. Sie habe sich wiederholt in psychologische Behandlung begeben wollen, schäme sich jedoch ihres Leidens zu sehr.

Das Gericht lehnte die Wiedereinsetzung ab. Es fehlte ihm an der schuldlosen Verhinderung, da eine andere volljährige Person die amtlichen Schreiben hätte öffnen können.

Hund verschleppt zur Abholung bereitgelegten Brief

Mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzte sich auch das Finanzgericht Sachsen auseinander.

Der Kläger, ein Landwirt, begründete seinen Antrag damit, dass auf seinem Hof die „Landzustellung“ erfolge. In der dabei üblichen Weise habe er ein Schriftstück im Eingangsbereich seines Anwesens zur Abholung durch den Postzusteller bereitgelegt. Mit diesem Schriftstück hatte er einen fristgebunden Antrag an das Finanzamt gesendet. Das aber lehnte den Antrag hinterher wegen verspäteter Einreichung ab.

Dabei war es doch gar nicht seine Schuld: Durch einen Zufall habe er in einer Scheune Briefe gefunden, die er zur Postabholung bereitgelegt habe. Sie hätten etwas „ramponiert“ ausgesehen. Seit Mai des Jahres besitze er einen jungen Schäferhund, der sich frei bewegen könne. Dieser habe die Briefe „wohl als Spielzeug angesehen und sie in die Scheune geschleppt“.

Nicht wirklich überraschend: Das Finanzgericht lehnte den Antrag ab. Der Kläger sei für das von ihm geschaffene Verlustrisiko allein verantwortlich.

Der arme Hund, der.


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