Ist Deutschland wirklich Vizeweltmeister?

Was für eine blöde Frage, natürlich ist Deutschland Weltmeister. Im Fußball zumindest, wer erinnert sich nicht an das Siegtor von Mario Götze im Endspiel der WM 2014. Doch kürzlich kam Deutschland nun auch noch zum Vize-Titel. Wie das, werden Sie fragen. Nun, eine OECD-Studie befasste sich mit der Abgabenlast, die in den Industrieländern zu leisten ist. Und so titelte Spiegel Online dann „Deutschland ist Zahl-Vizeweltmeister“. Wir haben uns die Studie mal genauer angeschaut – denn ganz so einfach ist die Sache dann doch nicht.
Hohe Abgabenlast – aber was wurde da eigentlich ermittelt?
Ganz klar, wir zahlen in Deutschland nicht wenig Steuern. Hinzu kommen noch die Sozialabgaben, also die Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Und dadurch bleibt bei vielen kaum mehr als die Hälfte vom Brutto- als Nettoeinkommen übrig. Und diese Grafik scheint das Ganze auch zu bestätigen. Platz 2 hinter Belgien bei der Abgabenlast mit 49,4 Prozent – die Überschrift von Spiegel Online ist also bestätigt.
Doch wie so oft lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Was fällt dabei auf? Zur Abgabenlast gehören auch die Sozialabgaben, die der Arbeitgeber leistet. Die spielen beim Brutto-/Netto-Vergleich aber für den Arbeitnehmer keine Rolle. Zudem beziehen sich die Grafik (und der Vize-Titel) auf alleinstehende Arbeitnehmer ohne Kinder. Nun ist Deutschland immer noch – zum Glück – ein Land, das nicht nur aus dieser Gruppe besteht. Schaut man sich auf dieser OECD-Seite mal an, wie die Abgabenlast für eine Familie mit einem Alleinverdiener und zwei Kindern aussieht, rutscht Deutschland auf Platz 9 in der Gesamtwertung zurück. Bei der Einkommensteuer selbst belegt Deutschland in diesem Fall sogar einen der letzten Plätze (also die Einkommensteuer ist sehr niedrig). Woran das liegt? Nun, das Ehegattensplitting und Kinderfreibeträge senken die Steuerlast erheblich. Zwei Punkte, die in vielen anderen Ländern überhaupt keine Rolle spielen.
Über dem Schnitt – aber dafür gute Sozialleistungen
Die Studie zeigt, dass Deutschland generell über dem Durchschnitt der 35 OECD-Staaten liegt. Sie lässt aber außer acht, dass die Sozialabgaben in Deutschland zwar vergleichsweise hoch sind – dafür aber auch entsprechende Leistungen bei Krankheit, Arbeitslosigkeit und Rente enthalten sind. In vielen Industrieländern müssen Arbeitnehmer hier privat vorsorgen und erhalten bestenfalls eine kleine Grundsicherung. Hinzu kommt, dass Kinder in der Regel kostenlos familienversichert sind. Aber – und nun wollen wir die Lage nicht besser machen als sie ist: Die skandinavischen Länder mit ebenfalls sehr guten Sozialleistungen schneiden in der OECD-Studie besser ab als Deutschland. Was aber auch daran liegen kann, dass dort an anderer Stelle (Alkohol, Tabak, Ökosteuer) kräftiger vom Staat hingelangt wird als hier. Die Studie beschäftigt sich aber nur mit Einkommensteuer und Sozialabgaben.
Zahlreiche Abzugsmöglichkeiten
Kommen wir nun zum letzten Kritikpunkt – und da sind wir bei unserem ureigenen Thema. Die Studie untersucht die Brutto- und Nettolöhne. Wie Sie als Leser dieses Blogs sicher wissen, haben Arbeitnehmer in Deutschland aber die Möglichkeit, ihre Steuerlast zu drücken – indem Sie eine Einkommensteuererklärung machen. Am besten natürlich mit unserer Online-Lösung smartsteuer.
Zahlreiche Werbungskosten wie die Pendlerpauschale oder doppelte Haushaltsführung, Vorsorgeaufwendungen, Unterhaltszahlungen, haushaltsnahe Dienstleistungen oder außergewöhnliche Belastungen – all das (und noch mehr) können Arbeitnehmer von der Steuer absetzen. In vielen anderen Ländern dürften das Fremdwörter sein.
Da hat das viel zu komplizierte deutsche Steuersystem dann doch auch mal seine Vorteile.
Zusammenfassung: Laut einer OECD-Studie liegt die Abgabenlast aus Einkommensteuer und Sozialbeiträgen in Deutschland über dem Durchschnitt der 35 Industriestaaten. Allerdings trifft die Bezeichnung Zahl-Vizeweltmeister nur für die ledigen und kinderlosen Arbeitnehmer zu.
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