09.11.2021 · Arbeitnehmer · smart steuern ·
Lesezeit: 4 Min.

Schwärzer wird’s nicht – das neue Schwarzbuch ist da

Normalerweise macht man zum 49. Geburtstag kein großes Fass auf. Aber beim mittlerweile legendären Schwarzbuch des Bundes der Steuerzahler muss es natürlich eine Ausnahme von der Regel geben. Wie gewohnt gibt es auch in der 49. Ausgabe 100 Beispiele skurriler, unsinniger oder einfach fehlgeschlagener Projekte – bei denen unser aller Steuergeld verschwendet wurde. Wir stellen Ihnen einige davon genauer vor. 

Über sieben Brücken musst du gehen 

Sie tauchen gleich mehrfach auf: Brücken. Wir haben drei rausgesucht:

  • In Castrop-Rauxel (NRW) gibt es eine 40 Jahre alte Brücke, die einfach nur so da steht, weshalb sie „So-da-Brücke“ genannt wird. Geplant als Teil einer Ortsumgehung, weiß heute keiner mehr so richtig, warum die Brücke immer noch einsam und verlassen auf der Wiese steht. 1980 war die Brücke immerhin noch vergleichsweise günstig: rund 950.000 DM wurden „nur“ in den Sand gesetzt. 
  • Derzeit wird im hessischen Weilburg eine schicke neue Brücke gebaut, weil die Stadt den Steg an der benachbarten Eisenbahnbrücke nicht selbst instandsetzen wollte. Statt geschätzter 380.000 € ist mit Kosten von mehr als zwei Millionen € zu rechnen. Die aber zum Großteil vom Land und nicht von der Stadt getragen werden.
  • Im Hochsauerlandkreis (NRW) fließt die Essel. Und in Eslohe führt eine Straßenbrücke drüber. Der Gehweg dazu ist auch stolze 1,75 Meter breit. Zu wenig, entschied die Stadt. Und ließ unmittelbar daneben eine zwei Meter breite Fußgängerbrücke bauen. Kosten: 95.000 € – wovon die Stadt selbst nur 38.000 € zahlen musste.

Digital ist besser

Unter dem Stichwort Digitalisierung gibt es auch gleich mehrere Fälle. Sie zeigen allesamt, dass der Weg Deutschlands in eine digitale Zukunft steinig ist – und vor allem teuer, oft teurer als geplant. 

  • Kennen Sie die „Autobahn-App“? Ich kannte sie auch nicht. Die App der bundeseigenen Autobahn GmbH soll Autofahrer schnell zum Ziel bringen und etwa Verkehrsmeldungen, E-Ladestationen sowie Rast- und Parkplätze anzeigen. Hm, kennen Sie vielleicht alles von Ihrem Navi oder Google Maps. Und das Versprechen der Betreiber, dass es in der App exklusive Daten geben würde, entpuppte sich als falsch. So wurden eben mal mindestens 1,2 Millionen € an Steuergeldern ausgeben. Für eine App, die kaum jemand braucht – und die in den App-Stores nicht mal zwei von fünf Sternen bekommt.
  • Der Landkreis Bautzen in Sachsen konnte sich freuen: Hier fand eines der größten Breitbandausbauprojekte Deutschlands mit 105 Millionen € statt. Doch es wurde schlecht geplant und sich offenbar auf altes Kartenmaterial verlassen. Die Folgen: Kleingartenanlagen erhielten zum Beispiel Anschlüsse, Wohnsiedlungen wurden hingegen vergessen. Nun gibt es ein neues Projekt für 83,3 Millionen €, um 5.900 weitere, bisher vergessene oder nicht erfasste Adressen anzuschließen.
  • Um die Technik der Bundesverwaltung zeitgemäß, effizient und sicher aufzustellen, hat die Bundesregierung 2015 das Projekt „IT-Konsolidierung Bund“ beschlossen. Das ging offenbar nie so richtig voran, 2020 erfolgte eine Neustrukturierung. Ursprünglich war ein mittlerer dreistelliger Millionenbetrag veranschlagt, mittlerweile sind es schon 3,4 Milliarden €. Und weil das Projekt deutlich länger dauern wird, dürfte es noch mehr werden.

Ruf mich an! 

Gehen wir zurück in die digitale Steinzeit. Da warben die Finanzämter ab September 2020 in gedruckten Medien und auf Facebook sowie auf Instagram. Nicht etwa für die Abgabe von Steuererklärungen – sondern für Anrufe: „Das klären wir am besten sofort. Telefonisch“. Zu sehen war die Festnetznummer des jeweiligen Finanzamts. Auch gut: „Sie rufen an. Wir gehen ran.“ Nun, der Hintergrund ist zwar klar. In der Coronazeit sollen die Leute nicht kommen, sondern besser anrufen, wenn sie ein Anliegen haben. Aber dafür mehr als 200.000 € Steuergelder ausgeben? Muss wohl nicht sein.

Fußball ist unser Leben

Hier geht es um zwei Vereine aus dem Norden. 

  • Der traditionsreiche VfB Lübeck freute sich, als man 2020 endlich wieder im Profifußball in der 3. Liga angekommen war. Das Stadion genügte allerdings nicht den Anforderungen. Es gab aber eine Ausnahmegenehmigung – für eine Saison. Danach musste nachgebessert sein. Nun, es kam wie es kommen musste. Nach dem letzten Heimspiel der Saison stand der VfB schon als Absteiger fest. Einen Tag später begannen aber trotzdem die Bauarbeiten. Knapp zwei Millionen € geben Stadt und Land dafür aus. Alles Steuergelder für einen Verein, der mittlerweile im Mittelfeld der Regionalliga Nord rumdümpelt.
  • Sportlich besser läuft es beim FC Hansa Rostock. Der letzte DDR-Meister spielt seit diesem Jahr endlich wieder in der 2. Bundesliga. Doch finanziell steht es nicht so gut. 23 Millionen € sollen die Schulden mittlerweile betragen. Zudem braucht das Ostseestadion eine Sanierung. Die zweifelhafte mögliche Lösung: Die Stadt kauft das Stadion für 15 Millionen €. Dabei hatte sie es für eine symbolische D-Mark dem Verein überlassen, der nun eine Pacht zahlen soll. Die Sanierung soll noch mal 14 Millionen € kosten. Kommt das alles zustande, würde das den Steuerzahler um die 30 Millionen € kosten. Und die Höhe der Pachteinnahmen hängt von der jeweiligen Liga ab. Bleibt also für die Stadt Rostock zu hoffen, dass der Verein nicht den Weg des VfB Lübeck geht.

Guter Radweg – muss jetzt weg

In den Städten sind sie mittlerweile oft zu sehen: farbig markierte Radwege auf der eigentlichen Straße. Diese sogenannten Schutzstreifen wurden vom Bundesverkehrsministerium auch außerorts erprobt. Von 2003 bis 2018. Unter anderem in Niedersachsen in den Landkreisen Northeim und Grafschaft Bentheim auf rund 14 Kilometern. Das kostete damals rund 261.000 €. Ein Schnäppchen im Vergleich zum Bau neuer Radwege. Die gemachten Erfahrungen waren auch gut, eine forschungsbegleitende Lenkungsgruppe empfahl 2017 den Weiterbetrieb. Das Verkehrsministerium fordert aber zur Überraschung aller den „Rückbau“ der Streifen. Nun, das Abfräsen der Markierungen und die Wiederherstellung der Fahrbahn kosteten den Steuerzahler 763.000 €.
In Baden-Württemberg fand man eine bessere Lösung: Das Forschungsprojekt wurde in Eigeninitiative verlängert – und es kamen sogar noch neue Strecken hinzu. 

Wenn Sie mehr wissen wollen: Auf Schwarzbuch.de gibt es noch viel mehr Beispiele. Dort können Sie auch das gedruckte Schwarzbuch kostenfrei bestellen.

Bisherige Kommentare (Selber ein Kommentar hinterlassen)

  • Avatar Herms Dembeck sagt:

    Seit vielen Jahren erhalte ich das Schwarzbuch und ärgere mich Jahr für Jahr über diese wahn -und unsinnigen Verschwendungen.
    Oft genug sind die verantwortlichen Verursacher namentlich bekannt.
    Was geschieht denen ? Keine Regreßansprüche ? Keine arbeitsrechtlichen Schritte ?
    Keine Wiedergutmachungen ? Keine Strafanzeigen ?
    Darüber ist im Schwarzbuch nichts zu lesen.


Kommentar schreiben (* Pflichtfelder)