Garantieverzinsung

Stand: 2. Mai 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Zinsen als Kapitaleinkünfte
2 Einzelfälle/Bedeutung des Zuflusses
3 Einzelne Garantiefälle
3.1 Die isolierte Abtretung von Zinsscheinen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG)
3.2 Kursdifferenzgeschäfte
3.3 Erstattungszinsen
4 Garantiezins und Lebensversicherung
5 Literaturhinweise
6 Verwandte Lexikonartikel

1. Zinsen als Kapitaleinkünfte

Zwei Spezialtatbestände (Zinsen für grundpfandrechtlich gesicherte Forderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG und Diskontbeträge für Wechsel nach § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG) bilden den gesetzlichen Rahmen für die Generalklausel von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Mit einem zurückhaltenden Wortlaut wird die Mannigfaltigkeit der Banken- und Kapitalanlagewelt steuerlich widergespiegelt, aber nur teilweise »eingefangen«. Nur die Erträge (Zinsen) und nicht etwaige Vermögensveränderungen für überlassenes Kapital bilden den Zustandstatbestand. Die Trennung zwischen unbeachtlicher Vermögenssphäre und dem steuerrelevanten Aufwands- und Ertragsbereich ist Auslöser für zahlreiche Finanzinnovationen, die letztlich die Verlagerung des Zuflusszeitpunktes hinsichtlich des Entgelts für das überlassene Kapital zum Gegenstand haben. Der BFH hat gut daran getan, in sämtlichen Entscheidungen diese zeitliche Verschiebung nicht mit dem Vorwurf des Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) zu belegen (BFH vom 12.12.2000, BFH/NV 2001, 789).

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Die strikte Sphärentrennung zwischen Vermögen und Ertrag markiert auch die Trennlinie für unbeachtliche Vermögensverluste (Beispiel: Insolvenz des Emittenten) und nach § 9 EStG abzugsfähige Werbungskosten. Darüber hinaus können Schuldzinsen (Refinanzierungsaufwendungen) für eine spekulative Kapitalanlage nur dann abgezogen werden, wenn insgesamt eine Überschusserzielungsabsicht besteht. Ist bereits im Zeitpunkt des Erwerbs die »Talfahrt« des erworbenen Papiers erkennbar und besteht auch keine Aussicht auf einen positiven Saldo während der vertraglichen Überlassung, scheitert ein Werbungskosten-Abzug an allgemeinen Kriterien (BFH vom 30.3.1999, BFH/NV 1999, 1321).

2. Einzelfälle/Bedeutung des Zuflusses

Beispiel 1:

Kapitalanleger D hält folgende Anlagen:

  1. Ein »klassisches« Sparbuch mit dreimonatiger Kündigungsfrist; der Jahreszins wird am Ende des Jahres 01 gutgeschrieben;

  2. Festgelder (Termineinlagen) mit sechsmonatiger Laufzeit; D verlängert am 11.11.01 um ein weiteres halbes Jahr;

  3. Kommunalobligationen im Nennwert von 50 €/Stück zum Kurswert von 97 % (01). Ein Jahr später erfolgt die Rückzahlung zu 100 % bei 4 %iger Verzinsung;

  4. einen Bundesschatzbrief vom Typ A (Nennbetrag: 100 000 €) und vom Typ B;

  5. eine Index-Anleihe.

Lösung 1:

Papier (ggf. Kurzcharakterisierung)

Zufluss

1.

Sparbuch

Unabhängig von der Gutschrift in 01 oder in 02 (wiederkehrende Einnahmen) in 01 zu erfassen.

2.

Festgelder

Grundsätzlich mit Ablauf des Festschreibungstermins (11.11.01), bei Verlängerung danach (in 02).

3.

Kommunalobligationen

(Wertpapiere, bei denen Aussteller – hier die Gemeinde – dem Inhaber die Rückzahlung in Geld und laufender Verzinsung verspricht)

Die Differenz zwischen dem Ausgabe- und dem Rückzahlungskurs (3 %) und der versprochene Zins von 4 % sind als Einnahme in 02 zu erfassen.

4a.

Bundesschatzbrief Typ A

(Sparanlagen mit laufender, gleichmäßiger Verzinsung)

Nachträgliche jährliche Gutschrift oder Auszahlung ist als Zufluss zu erfassen.

4b.

Bundesschatzbrief Typ B

(Ähnlich den Zerobonds (Nullkupon-Anleihen) enthalten Auf- oder Abzinsungspapiere keinen laufenden Zins. Die Einmalverzinsung liegt im Differenzbetrag zwischen dem Einzahlungs- und dem Einlösungsbetrag.)

Der Zins wird am Ende der Laufzeit (bzw. bei vorzeitiger Rückgabe nach Ablauf der Sperrfrist) nunmehr in einem Betrag zusammengefasst und ist für mehrere Jahre zu erfassen (vgl. auch zur entsprechenden Zinsabschlagregelung (BMF vom 26.10.1992, BStBl I 1992, 693, Rz. 3.1).

5.

Indexanleihe

(Anleihen mit begrenzter Laufzeit, die sich auf einen Wertpapierindex beziehen)

Nur bei garantierter Rückzahlung des Kapitals oder bei zugesagtem Entgelt liegt ein steuerbarer Ertrag nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG vor.

6.

Erstattungszinsen nach § 233a AO

Zufluss bei Auszahlung (LfSt Bayern Verwaltungsanweisung vom 18.2.2011, S 225211-6/2 St32)

3. Einzelne Garantiefälle

3.1. Die isolierte Abtretung von Zinsscheinen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG)

In der Vorschrift sind zwei – zeitlich – unterschiedliche Anwendungsfälle angesprochen. Nach Satz 1 veräußert der Inhaber (oder ehemalige Inhaber) der Schuldverschreibung den – verbrieften – Ertragsanspruch (Zinsschein) bzw. den – nicht verbrieften – Ertragsanspruch (Zinsforderung) vor der Fälligkeit der Erträge.

Im Fall des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b Satz 2 EStG hat der ehemalige Inhaber die Schuldverschreibung verkauft, sich aber die Zinsscheine oder Zinsforderungen zurückbehalten, um sie selbst einzulösen.

Beispiel 2:

S besitzt seit 01 eine Schuldverschreibung mit einem Ausgabewert von 90 € und einem Einlösungswert in fünf Jahren von 100 €. Gleichzeitig sind die Zinsansprüche während dieser Zeit getrennt als Zinskupons verbrieft. S veräußert in 03 den Zinskupon für den Ertragsanspruch des Jahres 04 (sog. Stripped-Bonds)

Lösung 2:

Der Veräußerungspreis für den Kupon ist in 03 gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b Satz. 1 EStG zu erfassen.

Hiervon unberührt bleibt die Erfassung des Differenzbetrages von 10 € nach Einlösung in 05 gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG – ebenfalls in der Person des S.

Variante:

Es ist offensichtlich, dass E das Papier in 01 erworben hat, um mit den negativen Kapitaleinkünften (3 900 € Kosten für die Stückzinsen) die Besteuerungssituation für Kapitaleinkünfte in 01 oder mit den positiven Einkünften für das Jahr 02 (4 000 € und § 20 Abs. 4 EStG) zu »steuern«.

Der BFH hat im Urteil vom 27.7.1999 für einen vergleichbaren Sachverhalt zu Recht Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO angenommen (BStBl II 1999, 769; im Urteilsfall ist ein kleiner Verlust entstanden).

3.2. Kursdifferenzgeschäfte

Kursdifferenzgeschäfte

3.3. Erstattungszinsen

Die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst auch die gem. § 233a AO gezahlten Erstattungszinsen. Diese sollten nur steuerpflichtig sind, wenn sie auf Steuern entfallen, die nicht vom Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG erfasst sind (wie z.B. die Zinsen auf ESt-Erstattung; so jedenfalls der BFH vom 15.6.2010, VIII R 33/07, BFH/NV 2010, 1917). Durch das Jahressteuergesetz 2010 wurde diese Entscheidung aufgehoben. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG bestimmt nun, dass alle Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO nunmehr Erträge i.S.v. Satz 1 und somit steuerpflichtig sind. Die Verfassungsmäßigkeit dieser Zinsbesteuerung wurde vorerst vom FG Münster bestätigt (5 K 3626/03 E). Jedoch stehen in der Sache noch die Revisionsurteile aus (BFH VIII R 1/11, BFH VIII R 36/10). Die Neufassung ist gem. § 52a Abs. 8 EStG rückwirkend auf alle noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungen anzuwenden.

4. Garantiezins und Lebensversicherung

Der Garantiezins ist ein Bestandteil der Gesamtverzinsung langfristiger Lebensversicherungen. Er steht zu Vertragsbeginn fest und gilt für die gesamte Laufzeit der abgeschlossenen Versicherung. Dabei bezieht sich die Mindestverzinsung nur auf den Sparanteil.

Bei Neuversicherungen wird aufgrund der schlechten Erfahrungen in den Jahren der Niedrigverzinsung nur ein Teil des Vertragskapitals garantiert verzinst. Die durchschnittliche aktuelle Garantieverzinsung beträgt in 2020 nur noch 0,9 % (ggb. 2,21 % in 2011).

5. Literaturhinweise

Seiler/Lohr, Behandlung von Zinsen im deutschen und europäischen Steuerrecht, StuB 2005, 109; Kracht, Bewertung von Kapitalmarktprodukten aus steuerlicher Sicht, StuB 2005, 964; Melchior, Das Jahressteuergesetz 2010 im Überblick, DStR 2010, 2481.

6. Verwandte Lexikonartikel

Abgeltungsteuer

Einkünfte aus Kapitalvermögen

Kursdifferenzgeschäfte

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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