1 Fallgestaltungen bei der Verwertung von Sicherungsgut
1.1 Zivilrechtliche Grundlagen
1.2 Umsatzsteuerliche Folgen der Sicherungsübereignung
1.2.1 Umsatzsteuerliche Folgen der Verwertung durch SN (Variante a)
1.2.2 Umsatzsteuerliche Folgen der Verwertung durch SG (Variante b)
2 Bedeutung von Sicherungsabrede und Verwertungsreife
2.1 BFH vom 23.7.2009
2.2 Beratungskonsequenzen
3 Literaturhinweise
4 Verwandte Lexikonartikel
Im Zusammenhang mit der Verwertung von Sicherungsgut hatte der BFH zunächst über Sachverhalte wie die folgenden zu entscheiden:
Beispiel 1:
Ein Unternehmer (nachfolgend kurz der Sicherungsgeber = SG) erwirbt einen neuen PKW, den er fremdfinanziert und daher einer Bank (nachfolgend kurz der Sicherungsnehmer = SN) zur Sicherheit übereignet. Als SG das Darlehen nicht mehr bedienen kann,
verlangt SN die Herausgabe des Pkw und veräußert ihn an den Kunden K (Variante a),
veräußert SG das Fahrzeug im eigenen Namen, aber für Rechnung des SN (Variante b).
Bei der Sicherungsübereignung verpflichtet sich SN, das sicherungsübereignete Eigentum nicht zu verwerten, solange SG seinen ihm obliegenden Verpflichtungen (im Beispiel aus dem Kreditvertrag) nachkommt. SG überträgt das Eigentum, da er den unmittelbaren Besitz der Sache behalten möchte, auf SN durch ein sog. Besitzmittlungsverhältnis (§ 930 BGB i.V.m. § 868 BGB). SN ist damit Eigentümer und mittelbarer Besitzer:
Zahlt SG das Darlehen zurück, hat er gegen SN einen Anspruch auf Rückübereignung der Sache. Hierbei kann auch vertraglich der automatische Rückfall des Eigentums auf SG vereinbart werden (»auflösende Bedingung«, § 158 Abs. 2 BGB).
Kommt SG seinen Darlehensverpflichtungen nicht nach, tritt der »Sicherungsfall« ein; SN ist dann zur Verwertung des sicherungsübereigneten Gegenstands berechtigt.
Die Sicherungsübereignung verschafft SN zivilrechtliches, aber kein wirtschaftliches Eigentum i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO. Die Vereinbarung der Sicherungsübereignung führt damit mangels Verschaffung der Verfügungsmacht noch nicht zu einer Lieferung von SG an SN (Abschn. 3.1 Abs. 3 Satz 1 UStAE).
In dem Zeitpunkt, in dem SN von seinem Verwertungsrecht Gebrauch macht, finden zwei Lieferungen statt (sog. »Doppelumsatz«, BFH Urteil vom 20.7.1978, V R 2/75, BStBl II 1978, 684; BFH Urteil vom 4.6.1987, V R 57/79, BStBl II 1987, 741; BFH Beschluss vom 19.7.2007, V B 222/06, BStBl II 2008, 163; Abschn. 1.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE):
Abb.: Verwertung durch SN
Die erste Lieferung (von SG an SN) ist eine sog. »ruhende« Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG.
Bei der zweiten Lieferung (von SN an K) handelt es sich um eine sog. »bewegte« Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 6 UStG.
Die beiden Lieferungen erfolgen im Abstand einer juristischen Sekunde voneinander.
Bei der ersten Lieferung gilt es zu beachten, dass gem. § 13b Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 UStG Leistungsempfänger SN Schuldner der Umsatzsteuer ist (vgl. Abschn. 1.2 Abs. 3 n. F., Abschn. 13b.1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 UStAE). SG hat damit eine Nettorechnung zu erteilen.
SN unterliegt (auch als Bank) nicht dem Vorsteuerabzugsverbot des § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG, weil die von SG empfangene Lieferung nicht für steuerfreie Kreditumsätze, sondern zur Erbringung der steuerpflichtigen PKW-Lieferung an K verwendet wird. SN erteilt K damit (bei unterstellter Steuerbarkeit) eine Bruttorechnung.
Die Finanzverwaltung nahm in der Vergangenheit (vgl. z.B. Abschn. 2 Abs. 1 Satz 4 UStR 2005) auch dann einen Doppelumsatz an, wenn SG das Sicherungsgut vereinbarungsgemäß im eigenen Namen, jedoch auf Rechnung des SN veräußerte. Nach der Rechtsprechung des BFH ist jedoch bei Verwertung durch SG von einem »Dreifachumsatz« auszugehen; auch die Finanzverwaltung teilt diese Auffassung nunmehr (vgl. Abschn. 1.2 Abs. 1a UStAE):
Abb.: Verwertung durch SG
Erste Lieferung von SG an SN: Die Verwertung des Sicherungsguts (durch Veräußerung von SG an K) im eigenen Namen, jedoch für Rechnung des SN, führt dazu, dass die ursprüngliche Sicherungsübereignung zu einer Lieferung erstarkt. SN (die Bank) erhält endgültig auch die wirtschaftliche Verfügungsbefugnis über das Sicherungsgut, wenn er bei Eintritt des Sicherungsfalls über den SG die Verwertung des Sicherungsguts veranlasst. Die Lieferung erfolgt »ruhend« i.S.d. § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG. Damit ist insoweit unerheblich, ob SN das Sicherungsgut selbst verwertet (vgl. Variante a) oder die Verwertung dem SG überlässt; insbesondere kommt es ebenfalls zum schon beschriebenen Übergang der Steuerschuld nach § 13b UStG.
Zweite Lieferung von SN an SG: Des Weiteren kommt es nach § 3 Abs. 3 UStG zu einer Rücklieferung des SN (Kommittent) an den SG (Kommissionär). Auch diese Lieferung erfolgt »ruhend« i.S.d. § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG. Die Lieferung ist unter den weiteren Voraussetzungen steuerbar und steuerpflichtig; SN erteilt SG damit eine Bruttorechnung.
Dritte Lieferung von SG (Kommissionär) an K: Diese Lieferung ist die »bewegte« i.S.v. § 3 Abs. 6 UStG und unter den weiteren Voraussetzungen steuerbar und steuerpflichtig. SG erteilt dem K damit eine Bruttorechnung. Es kommt nicht gem. § 13b Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 Satz 1 UStG zu einem Übergang der Steuerschuld, da Abnehmer der 3. Lieferung nicht der SN selbst ist.
Der BFH hatte auch zu klären, ob die zur Annahme eines Doppel- bzw. Dreifachumsatzes bei einer Sicherungsübereignung erforderliche Verwertungsreife schon vor Kündigung des zu Grunde liegenden Darlehens gegeben sein kann:
Beispiel 2:
Bank B – die Klägerin – ließ sich für ein dem Teppichhändler T gewährtes »Allzweck-Darlehen« dessen Warenlager übereignen. Nach der ursprünglichen Sicherungsvereinbarung konnte T die Waren im normalen Geschäftsgang verkaufen und von den Erlösen neue Ware einkaufen, die wiederum vom Raumsicherungsvertrag erfasst waren. Bei Vorliegen eines wichtigen (Kündigungs-)Grundes für das Darlehen sollte B nach vorheriger Androhung das Sicherungsgut verwerten dürfen.
Im Streitjahr 1999 stimmte B einem Ausverkauf zur Umstrukturierung mit der ausdrücklichen Maßgabe zu, dass der Erlös zur Rückführung des Darlehens verwendet wird. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde mangels Masse abgelehnt.
Das FA ging von einer Verwertung für Rechnung der B aus; das FG Saarland (Urteil vom 14.2.2007, 1 K 1276/03, EFG 2007, 795) teilte diese Auffassung.
Der BFH hat zunächst noch einmal seine bisherige Rechtsauffassung bestätigt, dass SG mit der Übereignung beweglicher Gegenstände zu Sicherungszwecken unter Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 930 BGB) noch keine Lieferung an SN ausführt. Zur Lieferung wird der Übereignungsvorgang erst mit der Verwertung des Sicherungsguts, gleichgültig, ob SN das Sicherungsgut dadurch verwertet, dass er es selbst veräußert, oder dadurch, dass SG das Gut im Auftrag und für Rechnung des SN veräußert. Neu ist die Erkenntnis, dass – veräußert SG das Sicherungsgut an einen Dritten – ein Dreifachumsatz (Veräußerung für Rechnung des SN) erst dann vorliegt, wenn aufgrund der konkreten Sicherungsabrede oder aufgrund einer hiervon abweichenden Vereinbarung die Verwertungsreife eingetreten ist (BFH Urteil vom 23.7.2009, V R 27/07, BStBl II 2010, 859).
Lösung 2:
Im Urteilsfall führte die zwischen B und T zunächst vereinbarte Sicherungsabrede noch nicht zur Verwertungsreife. Denn nach der Sicherungsabrede war B erst nach Androhung mit Nachfristsetzung zur Verwertung befugt. Dementsprechend konnte die T zunächst grundsätzlich frei entscheiden, ob Verkaufserlöse an B abgeführt wurden oder neue Waren erworben und diese als Sicherungsgut einbracht wurden.
Dieses Wahlrecht bestand aufgrund der für den Ausverkauf zwischen T und B getroffenen Vereinbarungen nicht mehr. Nunmehr bestand B darauf, dass der Verkaufserlös aus dem genehmigten Sonder-Ausverkauf der Waren zur Rückführung der Darlehensschuld einzubezahlen war. Jedenfalls dadurch, dass T auf der Grundlage dieser neuen »Anweisung« den Ausverkauf entsprechend den Vorgaben der B durchführte, kam es zu einer Änderung der zwischen den Parteien ursprünglich vereinbarten Sicherungsabrede; damit war die Verwertung für Rechnung der B geregelt. Somit lag im Streitfall aufgrund des mit Zustimmung der B durchgeführten Ausverkaufes die für die Annahme eines Dreifachumsatzes erforderliche Verwertungsreife im Zeitpunkt der Lieferungen durch T an die einzelnen Erwerber vor.
Die Lieferung an den Dritten muss als Verwertungsgeschäft im Rahmen der Sicherungsübereignung einzuordnen sein. Bei einer
Veräußerung im Rahmen der ordentlichen Geschäftstätigkeit des SG (vgl. Abschn. 1.2 Abs. 1a Satz 3 Halbsatz 1 u. Satz 8 Halbsatz 1 UStAE unter Hinweis auf das Besprechungsurteil) oder
zur Auswechslung des SG unter Fortführung des Sicherungseigentums (vgl. Abschn. 1.2 Abs. 1a Satz 3 Halbsatz 2 UStAE unter Hinweis auf BFH Urteil vom 9.3.1995, V R 102/89, BStBl II 1995, 564)
liegt hingegen nur eine einfache Lieferung des Bankkunden an den Dritten, seinen Kunden, vor.
Der Dreifachumsatz konnte nach der bisherigen Rechtsprechung schon aufgrund der bloßen Veräußerung des Sicherungsguts und Weiterleitung des Verkaufserlöses an die Bank gegeben sein. Die Entscheidung des BFH sorgt nun für Klarheit: zu einem Doppel- und Dreifachumsatz kann es nur kommen, wenn die Verwertung aufgrund der Verwertungsreife für Rechnung der Bank erfolgt.
Ob Verwertungsreife eingetreten ist, hängt vom Gesamtpaket der konkreten Sicherungsvereinbarung ab:
Zunächst ist auf den zwischen den Parteien getroffenen konkreten (ausdrücklichen) Sicherungsvertrag abzustellen; dieser definiert, unter welchen Voraussetzungen die Verwertungsreife eintritt.
Danach ist zu prüfen, ob diese ursprünglich getroffene Abrede zwischenzeitlich durch konkludent, mündlich oder schriftlich getroffene Vereinbarungen abgeändert wurde und die Verwertungsreife damit abweichend von den in der Klausel festgelegten Bedingungen eintritt.
Das Abstellen auf die Verwertungsreife ermöglicht damit zwar theoretisch eine rechtssichere Abgrenzung zwischen einfachem Umsatz und Dreifachumsatz, befreit den Berater jedoch nicht von einer intensiven Sachverhaltsaufklärung. Auf die Zuleitung und Prüfung der schriftlichen Sicherungsvereinbarung darf sich der Berater nicht beschränken.
Weimann in Weimann/Lang, Umsatzsteuer – national und international, 4. Auflage Stuttgart 2015, § 3 Anm. 22 ff.
→ Sicherungsgut, Verwertung in der Insolvenz
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