Steuergeheimnis

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Auch Steuererklärungen stehen unter einem strengen Datenschutz. Sie fallen unter das Steuergeheimnis.
  • Das Steuergeheimnis wird dann verletzt, wenn ein behördlicher Amtsträger über die Verhältnisse der steuerkundigen Person unberechtigt Auskunft gibt.
  • Steuern dürfen offengelegt werden, wenn:
    • ein laufendes Straf- oder Gerichtsverfahren die Offenlegung für nötig hält
    • die betroffene Person einvernehmlich zustimmt
    • der Steuerpflichtige vorsätzlich falsche Angaben macht und Steuerverfolgungsbehörden Einsicht verlangen
    • ein schweres Vergehen gegen den Staat oder eine Straftat öffentlichen Interesses vorliegt

Inhaltsverzeichnis

1 Bedeutung des § 30 AO
2 Zur Geheimhaltung verpflichtete Personen
2.1 Amtsträger
2.2 Den Amtsträgern gleichgestellte Personen
3 Geschützte Verhältnisse
4 Zulässige Offenbarungen
4.1 Offenbarung bei Zustimmung des Betroffenen (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO)
4.2 Offenbarung zur Durchführung eines außersteuerlichen Verfahrens
4.3 Offenbarung aus zwingendem öffentlichen Interesse
4.4 Auskunft an die Gemeinden für Zwecke der Grundsteuer und Gewerbesteuer
4.5 Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen an die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung, die Bundesagentur für Arbeit und die Künstlersozialkasse
5 Einzelfälle aus der Rechtsprechung
5.1 Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung
5.2 Akteneinsichtsrecht in nach § 30 AO geschützte Verhältnisse Dritter
5.3 Kindergeldbescheinigung für einen nachrangig Berechtigten
5.4 Sammelauskunftsverfahren zu Daten der Nutzer einer Internetplattform
5.5 Steuergeheimnis im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung
6 § 30a AO – Aufhebung durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG)
7 Steuergeheimnis und Datenschutzgrundverordnung
8 Literaturhinweise

1. Bedeutung des § 30 AO

Durch das Steuergeheimnis wird alles geschützt, was dem Amtsträger oder einer ihm gleichgestellten Person in einem der in § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c AO genannten Verfahren über den Stpfl. oder anderen Personen bekannt geworden ist. Unbedeutend ist insoweit, ob die Tatsachen für die Besteuerung von Bedeutung sind oder nicht. Das Steuergeheimnis erstreckt sich folglich auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse einer natürlichen oder juristischen Person.

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Nicht dem Steuergeheimnis unterliegen allerdings Verhältnisse, die jedermann zugänglich oder die in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind.

2. Zur Geheimhaltung verpflichtete Personen

Nach § 30 AO haben Amtsträger und die diesen gleichgestellten Personen das Steuergeheimnis zu wahren. Eine zeitliche Begrenzung zur Wahrung des Steuergeheimnisses besteht nicht. Auch nach Ausscheiden der zur Geheimhaltung verpflichteten Personen aus ihrem Dienst- oder Beschäftigtenverhältnis haben diese das Steuergeheimnis zu wahren. Ebenso besteht eine Geheimhaltungsverpflichtung bei Wechsel oder Verlassen der Dienststelle oder auch dann, wenn der geschützte Dritte nicht mehr existiert.

2.1. Amtsträger

Nach § 7 AO ist Amtsträger, wer nach deutschem Recht

  • Beamter oder Richter ist;

  • in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht (zu diesem Personenkreis gehören z.B. Minister und Notare);

  • sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Dies sind insbesondere Verwaltungsangestellte, soweit sie nicht lediglich als Hilfskräfte bei öffentlichen Aufgaben mitwirken (z.B. Registratur- und Schreibkräfte).

Der Begriff des Amtsträgers ist darüber hinaus u.a. im Zusammenhang mit

  • der Haftungsbeschränkung (§ 32 AO),

  • der Ausschließung und Ablehnung von Personen in einem Verwaltungsverfahren (§§ 82 ff. AO) und

  • der → Selbstanzeige (§ 371 Abs. 2 AO)

von Bedeutung.

2.2. Den Amtsträgern gleichgestellte Personen

Zu den den Amtsträgern gleichgestellten Personen gehören die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 30 Abs. 3 Nr. 1 AO). Dies sind Bedienstete, die bei einer Behörde, die öffentliche Aufgaben wahrnimmt, beschäftigt sind, z.B. Hausmeister, Kraftfahrer, Schreibkräfte. Amtsträgern gleichgestellt sind auch amtlich zugezogene Sachverständige (§ 30 Abs. 3 Nr. 2 AO) oder Unternehmen und deren Mitarbeiter, die Hilfstätigkeiten für die öffentliche Verwaltung erbringen.

3. Geschützte Verhältnisse

Dem Schutz des § 30 AO unterliegen alle Verhältnisse »eines anderen«, also Verhältnisse des Stpfl. in allen in § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO angesprochenen Verfahren, darüber hinaus aber auch die Verhältnisse Dritter, insbesondere der auskunftspflichtigen Personen sowie Gewährspersonen, die den Finanzbehörden Angaben über steuerliche Verhältnisse anderer machen (AEAO zu § 30 Nr. 1).

Dem Schutz des Steuergeheimnisses unterliegt alles, was dem Amtsträger oder einer ihm gleichgestellten Person in einem der in § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c AO erwähnten Verfahren über den Stpfl. oder andere Personen bekannt geworden ist, und zwar unabhängig davon, ob der Stpfl. sich selbst offenbart oder ob die Verhältnisse von der Finanzbehörde ermittelt worden sind. Auch ein Kindergeldverfahren unterliegt als Verwaltungsverfahren in Steuersachen i.S.d. § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO dem Schutz des Steuergeheimnisses (BFH Beschluss vom 16.1.2013, III S 38/11, BFH/NV 2013, 701).

Mit Beschluss vom 27.6.2012 (5 B 1463/11, DVBl 2012, 1113) hat das OVG Münster entschieden, dass Journalisten keinen Anspruch auf Auskunft haben, wo die Steuerfahndung tätig wird. Das Steuergeheimnis des jeweils Betroffenen habe insoweit Vorrang vor dem presserechtlichen Auskunftsanspruch, da es auch die Tatsache, ob eine Außenprüfung oder Steuerfahndung erfolgt, umfasse.

4. Zulässige Offenbarungen

Die Absätze 4 und 5 des § 30 AO erlauben die Offenbarung der in § 30 Abs. 2 AO geschützten Verhältnisse, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Die Finanzbehörde ist, sofern eine der in § 30 Abs. 4 und 5 AO genannten Voraussetzungen vorliegt, zur Offenbarung befugt, jedoch nicht verpflichtet.

Eine Offenbarung ist z.B. zulässig,

  • wenn der Betroffene zustimmt,

  • zur Durchführung eines steuerlichen Verfahrens,

  • zur Durchführung eines Steuerstraf- oder Bußgeldverfahrens,

  • wenn sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist (siehe dazu Auflistung der Vorschriften in der AEAO zu § 30 Nr. 5),

  • wenn im Steuerstraf- oder Steuerordnungswidrigkeitsverfahren Erkenntnisse über außersteuerliche Straftaten gewonnen wurden,

  • zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer nichtsteuerlichen Straftat, wenn die Tatsachen ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht bekannt geworden sind,

  • soweit für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht (§ 30 Abs. 4 Nr. 5 AO),

  • nach § 31 AO. Eine Offenbarung gegenüber den Künstlersozialkassen und den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung ist nur zulässig, soweit die Angaben für die Festsetzung von Beiträgen benötigt werden,

  • nach § 31a AO. Die Offenbarung ist zulässig, wenn und soweit sie der Bekämpfung der Schwarzarbeit bzw. der illegalen Beschäftigung nicht deutscher ArbN dient. Nach § 31a Abs. 3 AO können Sozialleistungsträgern und Subventionsgebern Tatsachen mitgeteilt werden, die zur Aufhebung eines Verwaltungsaktes, aufgrund dessen Sozialleistungen erbracht worden sind oder erbracht werden oder die zur Erstattung von Sozialleistungen führen können. Eine Offenbarung ist bereits zulässig, wenn die Möglichkeit besteht, dass gewährte Sozialleistungen oder Subventionen zurückgefordert werden können. Ein Auskunftsersuchen des Sozialleistungsträgers oder Subventionsgebers ist nicht erforderlich (AEAO zu § 31a),

  • nach § 31b AO. Nach § 31b Satz 2 AO besteht eine Offenbarungsverpflichtung im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Geldwäsche. Durch die Ergänzung von § 31b AO durch das Gesetz zur Modernisierung und Entbürokratisierung des Besteuerungsverfahrens (BGBl I 2010, 1768) wurde die Zulässigkeit von Mitteilungen auch in Ordnungswidrigkeitsangelegenheiten i.S.d. Geldwäschegesetzes gesetzlich verankert. Durch das Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention (BGBl I 2011, 2959) erfolgte mit Wirkung zum 29.12.2011 eine Anpassung der geänderten Begrifflichkeiten in § 11 Abs. 1 Satz 1 GWG. Mit Wirkung vom 31.12.2014 wurde § 31b AO durch Art. 1 Nr. 2 des Zollkodex-Anpassungsgesetzes vom 22.1.2014 neu gefasst. Die Finanzbehörden haben bei Vorermittlungen und Ermittlungsverfahren der Strafverfolgungsbehörden (einschließlich der Zollfahndung) wegen Geldwäscheverdachts oder Verdachts der Terrorismusfinanzierung auf deren Anfrage nach § 31b Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO die erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Gleiches gilt bei Anfragen der zuständigen Behörden nach § 16 Abs. 2 und § 17 Abs. 3 GwG zur Durchführung von Verwaltungsverfahren nach § 16 Abs. 1 GwG und zur Durchführung von Bußgeldverfahren nach § 17 GwG gegenüber Verpflichteten nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 bis 13 GwG (§ 31b Abs. 1 Nr. 3 und 4 AO). Der Betroffene ist über eine beabsichtigte oder erstattete Meldung oder ein daraufhin eingeleitetes Ermittlungsverfahren nicht zu informieren, da ansonsten dessen Zweck gefährdet würde.

4.1. Offenbarung bei Zustimmung des Betroffenen (§ 30 Abs. 4 Nr. 3 AO)

Nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO ist die Offenbarung zulässig, soweit der Betroffene zustimmt. Betroffener ist nicht nur der Verfahrensbeteiligte selbst, sondern auch jeder andere, dessen Verhältnisse durch § 30 AO geschützt werden (z.B. Geschäftsführer, Geschäftspartner, Arbeitnehmer, Empfänger von Zahlungen und anderen Vorteilen). Sind mehrere Personen betroffen, so müssen alle ihre Zustimmung zur Offenbarung eines Sachverhalts erteilen. Stimmen einzelne Personen nicht zu, so dürfen die geschützten Verhältnisse derjenigen, die ihre Zustimmung nicht erteilt haben, nicht offenbart werden.

4.2. Offenbarung zur Durchführung eines außersteuerlichen Verfahrens

Gem. § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. a AO dürfen im Steuerstrafverfahren oder Steuerordnungswidrigkeitsverfahren gewonnene Erkenntnisse über außersteuerliche Straftaten an Gerichte und Strafverfolgungsbehörden für Zwecke der Strafverfolgung weitergeleitet werden. Die Finanzbehörden können daher z.B. die Staatsanwaltschaft auch über sog. Zufallsfunde unterrichten. Voraussetzung ist jedoch stets, dass die Erkenntnisse im Steuerstraf- oder Bußgeldverfahren selbst gewonnen wurden.

Gem. § 30 Abs. 4 Nr. 4 Buchst. b AO ist eine Offenbarung von Kenntnissen zur Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer nichtsteuerlichen Straftat uneingeschränkt zulässig, wenn die Tatsachen der Finanzbehörde ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung oder unter Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht bekannt geworden sind. Tatsachen sind der Finanzbehörde ohne Bestehen einer steuerlichen Verpflichtung bekannt geworden, wenn die Auskunftsperson nicht zuvor durch die Finanzbehörde zur Erteilung einer Auskunft aufgefordert worden ist. Ein Verzicht auf ein Auskunftsverweigerungsrecht (siehe §§ 101 ff. AO) kann nur angenommen werden, wenn dem Berechtigten sein Auskunftsverweigerungsrecht bekannt war; dies setzt in den Fällen des § 101 AO eine Belehrung voraus.

4.3. Offenbarung aus zwingendem öffentlichen Interesse

Eine Offenbarung ist gem. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO zulässig, soweit für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht. § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO enthält eine beispielhafte Aufzählung von Fällen, in denen ein zwingendes öffentliches Interesse zu bejahen ist. Bei anderen Sachverhalten ist ein zwingendes öffentliches Interesse nur gegeben, wenn sie in ihrer Bedeutung einem der in § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO erwähnten Fälle vergleichbar sind. Liegt ein zwingendes öffentliches Interesse vor, macht es für die Zulässigkeit der Offenbarung keinen Unterschied, ob die Finanzbehörde aufgrund eigener Erkenntnisse von Amts wegen die zuständige Behörde informiert oder ob die zuständige Behörde unter Schilderung der Umstände, die das Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses begründen, die Finanzbehörde um Auskunft ersucht.

Die Gewerbebehörden können bei Vorliegen eines zwingenden öffentlichen Interesses für Zwecke eines Gewerbeuntersagungsverfahrens über die Verletzung steuerlicher Pflichten unterrichtet werden, die mit der Ausübung des Gewerbes, das untersagt werden soll, im Zusammenhang stehen (vgl. im Einzelnen BMF Schreiben vom 19.12.2013, BStBl I 2014, 19).

Weitere ausführliche Erläuterungen vgl. AEAO zu § 30, Nr. 8.

4.4. Auskunft an die Gemeinden für Zwecke der Grundsteuer und Gewerbesteuer

Soweit die Verwaltung der Realsteuern (Grundsteuer und Gewerbesteuer) den Gemeinden übertragen worden ist, gelten die Vorschriften über das Steuergeheimnis entsprechend. Diesbezügliche Auskunftsersuchen der Gemeinden werden von den Finanzämtern beantwortet, sofern diese dem von den Gemeinden betriebenen Besteuerungsverfahren dienen (§ 30 Abs. 4 Nr. 1 AO) oder aber durch Gesetz ausdrücklich zugelassen sind (§ 30 Abs. 4 Nr. 2 AO).

Auskünfte, die dem bei der Gemeinde anhängigen Stundungs- oder Erlassverfahren (→ Erlass gem. § 227 AO) dienen, dürfen von dem Finanzamt nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO erteilt werden.

Das FA räumt im Rahmen seiner Anordnung der Außenprüfung nach §§ 193 ff. AO i.V.m. § 21 Abs. 3 FVG der Gemeinde ihr Recht zur Teilnahme an einer Außenprüfung ein (BFH vom 23.1.2020, III R 9/18, BStBl II 2020, 436). Dabei muss die Finanzbehörde zur Wahrung des Steuergeheimnisses im Einzelnen sorgfältig prüfen, ob die Offenbarung bestimmter Informationen der Durchführung des Verfahrens dient und verhältnismäßig ist. Zudem hat die Offenbarung den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu genügen. Das Recht zur Offenbarung der im Besteuerungsverfahren vom FA erlangten Kenntnisse gegenüber der Gemeinde darf nur dem Zweck dienen, der Gemeinde eine wirksame Durchsetzung ihres Steueranspruchs zu ermöglichen (BFH Beschluss vom 4.5.207, IV B 10/17, BFH/NV 2017, 1009). Es ist ernstlich zweifelhaft, ob das Recht einer Gemeinde auf Teilnahme an einer Außenprüfung des FA für gewerbesteuerliche Zwecke ohne Einschränkungen besteht, wenn das geprüfte Unternehmen Geschäftsbeziehungen mit der Gemeinde unterhält. Das Recht zur Offenbarung der im Besteuerungsverfahren vom FA erlangten Kenntnisse gegenüber der Gemeinde darf nur dem Zweck dienen, der Gemeinde eine wirksame Durchsetzung ihres Steueranspruchs zu ermöglichen, nicht aber dazu, ihr einen Vorteil bei einer wirtschaftlichen Betätigung zu verschaffen.

4.5. Mitteilung von Besteuerungsgrundlagen an die Träger der gesetzlichen Sozialversicherung, die Bundesagentur für Arbeit und die Künstlersozialkasse

Die Finanzämter sind nach § 31 Abs. 2 AO verpflichtet, die nach § 30 AO geschützten Verhältnisse des Betroffenen gegenüber der Bundesagentur für Arbeit, der Künstlersozialkasse und den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung mitzuteilen, soweit die Angaben für die Feststellung der Versicherungspflicht oder die Festsetzung von Beiträgen einschließlich der Künstlersozialabgabe benötigt werden.

Nach § 31 Abs. 2 AO besteht keine Ermächtigung zur Mitteilung geschützter Daten, soweit es um die Bewilligung oder Rückforderung von Leistungen dieser Einrichtungen geht.

Zu den Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung gehören

  • die gesetzlichen Krankenversicherungen (nicht private Krankenversicherungen; eine ständig aktualisierte Liste der auskunftsberechtigten Krankenkassen kann unter http://www.gkv-spitzenverband.de eingesehen werden, AEAO zu § 31 Nr. 2),

  • die bei den Krankenkassen angesiedelten Pflegekassen,

  • die Unfallversicherungsträger,

  • die Rentenversicherungsträger.

Die Künstlerkasse wird geführt durch die Unfallkasse des Bundes.

Auskünfte sind zu erteilen, soweit die Angaben für die Feststellung der Versicherungspflicht oder die Festsetzung von Beiträgen benötigt werden. Zu beachten ist insoweit das verlängerte Steuergeheimnis nach § 30 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c AO. Die mitgeteilten Daten dürfen vom Empfänger der Auskunft nur unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 4 AO offenbart werden. Insbesondere dürfen sie vom Empfänger der Auskunft nur für die Zwecke verwendet werden, für die sie übermittelt wurden. Die (straf)rechtliche Verantwortung für die Beachtung des verlängerten Steuergeheimnisses trägt allein der Empfänger.

5. Einzelfälle aus der Rechtsprechung

5.1. Elektronische Übermittlung der Umsatzsteuer-Voranmeldung

Die Verpflichtung eines Unternehmers, seine Umsatzsteuer-Voranmeldungen dem Finanzamt grundsätzlich durch Datenfernübertragung elektronisch zu übermitteln, ist verfassungsgemäß und verletzt nicht das Steuergeheimnis nach § 30 AO (BFH Beschluss vom 14.4.2015, V B 158/14, BFH/NV 2015, 1115).

5.2. Akteneinsichtsrecht in nach § 30 AO geschützte Verhältnisse Dritter

Das Akteneinsichtsrecht erstreckt sich nicht auf solche Unterlagen, die versehentlich bei Gericht eingereicht und vom Gericht wegen Wahrung des Steuergeheimnisses an das Finanzamt zurückgesandt wurden (BFH Beschluss vom 10.4.2015, III B 42/14, BFH/NV 2015, 1102).

5.3. Kindergeldbescheinigung für einen nachrangig Berechtigten

Das Steuergeheimnis steht der Ausstellung einer Kindergeldbescheinigung für den nachrangig Berechtigten nicht entgegen (BFH Urteil vom 27.2.2014, III R 40/13, BStBl II 2014, 783). Jedem Stpfl., der Anspruch auf Kindergeld gem. § 62 i.V.m § 63 Abs. 1 EStG hat, ist auf Antrag eine Bescheinigung über das für das Kalenderjahr ausgezahlte Kindergeld zu erteilen. Daher kann auch ein sog. nachrangig Berechtigter, also ein Berechtigter, dessen Anspruch gegenüber der Anspruchsberechtigung einer anderen Person gem. § 64 Abs. 2 EStG zurücktritt, die Erteilung einer solchen Bescheinigung verlangen.

5.4. Sammelauskunftsverfahren zu Daten der Nutzer einer Internetplattform

Die Beantwortung eines Sammelauskunftsersuchens der Steuerfahndung zu Daten der Nutzer einer Internethandelsplattform kann nicht wegen einer privatrechtlich vereinbarten Geheimhaltung dieser Daten abgelehnt werden (BFH Urteil vom 16.5.2013, II R 15/12, BStBl II 2014, 225).

5.5. Steuergeheimnis im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung

Mit Beschluss vom 30.3.2021 (VII B 62/20, BStBl II 2021, 587) hat der BFH entschieden, dass das Steuergeheimnis (§ 30 AO) der Offenbarung steuerlicher Verhältnisse eines Beteiligten im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen regelmäßig auch dann nicht entgegensteht, wenn bereits streitig ist, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Durchführung eines solchen Feststellungsverfahrens (hier: Vorliegen einer GbR) gegeben sind.

6. § 30a AO – Aufhebung durch das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG)

Das Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz wurde am 24.6.2017 veröffentlicht (BGBl I 2017, 1682) und ist am 25.6.2017 in Kraft getreten. Darin wird § 30a AO aufgehoben. Nach Art. 97 § 1 Abs. 11 Satz 2 EGAO ist § 30a AO ab dem 25.6.2017 auch für Sachverhalte nicht mehr anzuwenden, die vor diesem Zeitpunkt verwirklicht worden sind. Durch die Aufhebung des § 30a AO haben Kreditinstitute dieselben Pflichten wie andere auskunftspflichtige Personen.

7. Steuergeheimnis und Datenschutzgrundverordnung

Das BMF hat mit Schreiben vom 12.1.2018 (BStBl I 2018, 175) den AEAO zu § 30 AO an die Datenschutz-Grundverordnung und die datenschutzrechtlichen Neuregelungen der AO mit Wirkung ab 25.5.2018 angepasst.

8. Literaturhinweise

Bilsdorfer, Das Steuergeheimnis – Inhalt, Umfang und Einschränkungen der Geheimhaltungsverpflichtung nach § 30 AO, NWB Fach 2, 9005; Tormöhlen, Die Durchbrechung des Steuergeheimnisses im zwingenden öffentlichen Interesse, AO-StB 2011, 309; Baum, Zahlreiche Änderungen der AO im Jahr 2022, NWB 7/23, 460.

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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