02.02.2017 · Selbstständige · smart arbeiten ·
Lesezeit: 4 Min.

Steuerparadies für Selbstständige?

Man hört immer wieder davon – Steueroasen. Gerade frische Unternehmensgründer spitzen da die Ohren und spielen oft sogar mit Auswanderungsgedanken. Schließlich geht je nach Unternehmensform und Einkommenshöhe etwa knapp die Hälfte des Einkommens an den Fiskus! Kein Wunder also, dass gerade Freelancer im Online-Business ihre Ortsunabhängigkeit auch voll ausschöpfen wollen. Doch finden Sie in so einem vermeintlichen Steuerparadies als Selbstständiger auch wirklich optimale Voraussetzungen?

Die Steuer-Situation für Selbstständige in Deutschland

Bevor Sie sich ernsthaft mit einem Ortswechsel auseinandersetzen, sollten Sie sich erstmal das deutsche Steuersystem ein wenig genauer anschauen. Denn auch wenn man immer wieder Klagen darüber hört, wissen gerade Gründer oft nicht genau, was überhaupt steuerlich von ihnen verlangt wird.

Deutschland ist tatsächlich durch eine Vielzahl an Steuern charakterisiert. Neben Einkommens- und Umsatzsteuer warten unter anderem auch die Verbraucher-, Besitz-, Verkehrs-, oder Kirchensteuer darauf rechtzeitig bezahlt zu werden. Hinzu kommen noch jede Menge Pflichtversicherungen!

Trotzdem, Deutschland ist und bleibt aus steuerlicher Perspektive ein vergleichsweise teures Pflaster. Doch wo genau müsstest du eigentlich hin, um von günstigeren Steuersätzen zu profitieren?

Steuerparadies für Selbstständige in Europa und der Welt

Zugegeben – in Deutschland warten nicht gerade wenige Steuer-Verpflichtungen. Doch sieht es in anderen Teilen der Welt steuerlich wirklich so viel rosiger aus? Tatsache ist, dass nicht jedes Land so viele und hohe Steuern kassiert wie Deutschland.

Klar finden besonders Freelancer so eine Chance für ihre Gründung attraktiv – gerade wenn sie im Online-Business tätig, und damit ortsunabhängig sind, können Sie ihren Arbeitsplatz flexibel wählen.

Das sind die bekanntesten Steueroasen weltweit:

  • Bermudas
  • Cayman Islands
  • Jersey
  • Barbados
  • Hong Kong
  • Curaçao
  • Mauritius
  • Britische Jungferninseln.

Wem das zu exotisch ist, der findet Steueroasen auch in Europa. Durchaus auch mit dem Auto erreichbar sind etwa:

  • die Schweiz
  • Luxemburg
  • Tschechien
  • die Niederlanden
  • oder auch Irland.

Klarerweise ist es für Laien nicht leicht, sich einfach so über Nacht in ein neues Leben aufzumachen. Diverse Online Anbieter wittern hier ihre große Chance und bieten ihre Unterstützung an. Doch genau dabei sollten Sie vorsichtig sein, denn unter diesen Anbietern tummeln sich auch viele schwarze Schafe!

Fakt ist aber auch, dass es ohne professionelle Hilfe kaum zu schaffen ist, sich in einem Steuerparadies niederzulassen. Zu kompliziert sind die Vorgaben, Gesetze und lokalen bürokratischen Gegebenheiten!

Rechtlich gesehen ist diese Art der Steuervermeidung übrigens legal. Ethisch gesehen ist das jedoch ein anderes Thema, schließlich zahlen Ihre Mitbürger brav und regelmäßig ihre Beiträge ans heimische Finanzamt. Ihr Ansehen im Freundes- und Bekanntenkreis könnte also durchaus unter der „Steuerflucht“ leiden!

Aktuell arbeitet die EU im Übrigen an einem neuen Regelwerk, um zukünftig solche Steuernischen endgültig zu schließen. Doch nicht nur der geplante Riegel der EU könnte Ihren Auswanderungsplänen einen Strich durch die Rechnung machen. Auch das Leben vor Ort gestaltet sich meist schwieriger als zunächst angenommen.

Gründe gegen eine Flucht ins Paradies

Bevor Sie sich endgültig auf eine Entscheidung festnageln, sollten Sie besser noch einmal einige Faktoren überdenken. Denn mit einer Auswanderung starten Sie in ein vollkommen neues Leben.

  1. Soziales Umfeld

Um Steuervorteile auch gewinnbringend nutzen zu können, muss ihr Lebensmittelpunkt in ihrem Wunschland sein. Das bedeutet meist, dass Sie alle bekannten Gesichter zurücklassen. Freunde und Familie stehen nicht mehr an ihrer Seite und Sie müssen sozial gesehen im wahrsten Sinne des Wortes bei null anfangen. Außerdem kommen noch Kosten für lange Heimfahrten oder teure Flüge hinzu, wenn Sie Besuche nach Hause planen.

  1. Fremde Sprache

Dieser Punkt ist nicht zu vernachlässigen. Denn gerade die Bürokratie wird in der ersten Zeit ihr treuster Begleiter sein – oder eben ihr schlimmster Feind. Je nach Land können Wartezeiten und Missverständnisse ihren Unternehmensplänen schaden. Ein logischer Schritt wäre also ein ortskundiger Berater – doch der arbeitet natürlich auch nicht umsonst. Hier kann unter anderem ein versteckter Kostenfaktor liegen.

  1. Kulturunterschiede

Sind Sie auch wirklich bereit für ein hohes Maß an Anpassung? Sind Sie offen gegenüber fremden Kulturen und neuen Herausforderungen? Diese Fragen sollten Sie möglichst nicht erst vor Ort aus dem Gleichgewicht bringen.

  1. Lebensqualität

Natürlich kommt es in erster Linie auf ihre Auftragslage an, doch es ist nicht unwahrscheinlich, dass Sie sich auf eine andere Lebensqualität einstellen müssen. Möglicherweise ist ihr Lebensstandard niedriger, die Infrastruktur schlechter, sowie die hiesige Kriminalitätsrate höher als in Deutschland. Diese Faktoren tragen also nicht unbedingt zur Lebensqualität bei!

  1. Altersvorsorge

Gerne vernachlässigt man in der Gründereuphorie die Altersvorsorge. Arbeitnehmer sollten sich natürlich im Allgemeinen mit diesem Thema auseinandersetzen – aber gerade Freelancer betrifft dieser Punkt speziell. Denn Selbstständige sind nicht Teil der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie sind also nicht automatisch abgesichert. Bei einer Rückkehr kann das ein großer Nachteil werden.

Ob sich ein Ausweichmanöver für Selbstständige ins Steuerparadies also wirklich lohnt, kann nicht zu 100% abgeklärt werden. Neben den offensichtlicheren Gefahren, haben auch kleine Faktoren das Potenzial, ihre Steuervorteile ganz schnell wieder auszugleichen. Ihr Sozialleben fängt wieder von vorne an, Sie brauchen Geld für Heimatbesuche, möglicherweise Übersetzer und Sie müssen sich generell an ein völlig anderes Leben anpassen. Ob sich das Ganze für Sie persönlich und finanziell rechnet, müssen Sie persönlich entscheiden.


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