Verbindliche Auskunft

Stand: 28. März 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeiner Überblick
2 Die gesetzlichen Regelungen im Einzelnen
2.1 Ermessensentscheidung des Finanzamts
2.2 Auskunftsbegehren
2.3 Zuständigkeit
2.4 Bearbeitungsfrist
2.5 Bindungswirkung
3 Gebühren für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft
3.1 Gebührenpflicht
3.2 Bagatellgrenze gem. § 89 Abs. 5 AO
3.3 Ertragsteuerliche Behandlung der Gebühren
3.4 Verfassungsmäßigkeit der Gebühr
4 Erlass einer Rechtsverordnung
5 Form und Inhalt des Antrages gem. § 1 StAuskV
6 Reichweite der Bindungswirkung
7 Rechtsbehelfsmöglichkeiten
8 Abgrenzung zur tatsächlichen Verständigung
9 Literaturhinweise
10 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeiner Überblick

Die Finanzämter und das Bundeszentralamt für Steuern können auf Antrag gem. § 89 Abs. 2 AO und unter den Voraussetzungen der Steuerauskunftsverordnung (StAuskV vom 30.11.2007, BGBl I 2007, 2783, zuletzt geändert durch Art. 4 der Verordnung vom 12.7.2017, BGBl I 2017, 2360). verbindliche Auskünfte erteilen.

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2. Die gesetzlichen Regelungen im Einzelnen

2.1. Ermessensentscheidung des Finanzamts

Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft steht im Ermessen der Finanzbehörde.

2.2. Auskunftsbegehren

Verbindliche Auskünfte können auf Antrag über die steuerliche Beurteilung von genau bestimmten, noch nicht verwirklichten Sachverhalten erteilt werden, wenn daran im Hinblick auf die erheblichen steuerlichen Auswirkungen ein besonderes Interesse besteht (§ 89 Abs. 2 Satz 1 AO).

2.3. Zuständigkeit

Der Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist bei dem FA zu stellen, das bei Verwirklichung des Sachverhalts voraussichtlich zuständig sein würde (§ 89 Abs. 2 Satz 2 AO).

Die Bindungswirkung einer erteilten Auskunft bleibt auch im Falle eines späteren Zuständigkeitswechsels bestehen.

Eine verbindliche Auskunft bindet als Verwaltungsakt die Finanzverwaltung auch dann, wenn ein örtlich unzuständiges Finanzamt sie erteilt hat (FG Münster Urteil vom 17.6.2019, 4 K 3539/16 F, EFG 2019, 1343).

Wird der Antragsteller noch nicht steuerlich geführt, d.h., im Zeitpunkt der Antragstellung ist noch kein FA nach den §§ 18 bis 21 AO zuständig, so ist das Bundeszentralamt für Steuern für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig (§ 89 Abs. 2 Satz 3 AO). Damit haben Investoren aus dem Ausland, die bis dahin in Deutschland nicht steuerpflichtig waren, eine zentrale Anlaufstelle, die ihnen steuerliche Planungssicherheit vermitteln kann. Damit es hinsichtlich der späteren Besteuerung nach Verwirklichung des geplanten Sachverhalts bei den allgemeinen Zuständigkeitsregelungen zu keinen Änderungen kommt, wird ergänzend bestimmt, dass die Auskunft des Bundeszentralamts für Steuern auch für das später zuständige FA verbindlich ist.

2.4. Bearbeitungsfrist

Im Zuge der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens wurde eine Bearbeitungsfrist eingeführt (BGBl I 2016, 1679). Über den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft soll gem. § 89 Abs. 2 Satz 4 AO innerhalb von sechs Monaten ab Eingang des Antrags bei der zuständigen Finanzbehörde entschieden werden. Kann die Finanzbehörde nicht innerhalb dieser Frist über den Antrag entscheiden, ist dies dem Antragsteller unter Angabe der Gründe mitzuteilen. Die Sollregelung soll die Finanzbehörden zu einer schnelleren Bearbeitung bewegen. Kommt kein Verwaltungsakt innerhalb dieser Frist zustande, hat dies keine Auswirkung auf die Entscheidung. Insbesondere kann daraus nicht abgeleitet werden, dass die Auskunft im beantragten Sinn als erteilt gilt.

2.5. Bindungswirkung

Für das FA tritt eine Bindungswirkung ein, wenn der Antragsteller die von der Auskunft abhängig gemachte Disposition getroffen hat. Um einen Vertrauenstatbestand zu schaffen, muss die Auskunft vor der Verwirklichung des Sachverhalts erteilt und ursächlich für seine Verwirklichung gewesen sein.

Für die Auslegung eines finanzamtlichen Schreibens als verbindliche Auskunft ist nicht entscheidend, dass der Antrag auf Erteilung der Auskunft womöglich nicht den formellen Anforderungen entsprochen haben mag bzw. ob dem FA etwaige formale Anforderungen bekannt gewesen seien (BFH Urteil vom 12.8.2015, I R 45/14, BFHE 251, 119; BFH/NV 2016, 261). Als Verwaltungsakt gelten für die verbindliche Auskunft i.S.d. § 89 Abs. 2 Satz 1 AO die für Verwaltungsakte allgemein geltenden Grundsätze der Auslegung nach dem sog. Empfängerhorizont (entsprechend § 133 BGB). Hat der Stpfl. eine auf eine abschließende und verbindliche Klärung einer formulierten Rechtsfrage gerichtete Anfrage an das FA gerichtet und beantwortet das FA die ihm vom Steuerpflichtigen gestellte einkommensteuerrechtliche Frage durch ein inhaltlich abgeschlossenes und verbindlich formuliertes Schreiben mit hinreichender Bestimmtheit und unter Hinweis darauf, die aufgeworfene Frage erst nach Anhörung der vorgesetzten Behörde und darüber hinaus in Abstimmung mit dem (rheinland-pfälzischen) Ministerium der Finanzen beantwortet zu haben, kann das Schreiben als verbindliche Auskunft auszulegen sein.

Wurde die verbindliche Auskunft durch das Bundeszentralamt für Steuern erteilt, hat das später zuständige FA zu prüfen, ob der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt mit dem bei der Beantragung der verbindlichen Auskunft vorgetragenen Sachverhalt in allen wesentlichen Punkten übereinstimmt.

Eine verbindliche Auskunft bindet als Verwaltungsakt die Finanzverwaltung auch dann, wenn ein örtlich unzuständiges Finanzamt sie erteilt hat (FG Münster Urteil vom 17.6.2019, 4 K 3539/16 F, EFG 2019, 1343).

3. Gebühren für die Bearbeitung von Anträgen auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft

3.1. Gebührenpflicht

Gem. § 89 Abs. 3 AO wird für die Bearbeitung eines Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft eine Gebühr erhoben. Die Gebühr ist vom Antragsteller innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe ihrer Festsetzung zu entrichten (§ 89 Abs. 3 Satz 3 AO). Die Gebühr ist durch schriftlichen Bescheid gegenüber dem Antragsteller festzusetzen. Wird eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Antragstellern einheitlich erteilt, ist nur eine Gebühr zu erheben; in diesem Fall sind alle Antragsteller Gesamtschuldner der Gebühr (§ 89 Abs. 3 Satz 2 AO) Diese Regelung ist erstmals auf nach dem 22.7.2016 eingegangene Anträge anzuwenden (Art. 97 § 25 Abs. 2 Satz 2 EGAO). Die Auswirkungen der Neufassung des § 89 Abs. 3 AO n.F. auf Fälle der im BFH-Urteil vom 27.11.2019 (II R 24/17, BStBl II 2020, 528; LEXinform 0951330) beschriebenen Art sind offen.

Nach § 89 Abs. 2 Satz 6 AO kann mit der Rechtsverordnung bestimmt werden, unter welchen Voraussetzungen eine verbindliche Auskunft gegenüber mehreren Beteiligten einheitlich zu erteilen ist und welche Finanzbehörde in diesem Fall für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist.

Gegen die Gebührenfestsetzung ist der Einspruch (→ Einspruchsverfahren) gegeben. Die Gebühren stellen steuerliche Nebenleistungen i.S.d. § 3 Abs. 4 AO dar (s. BMF vom 12.3.2007, BStBl I 2007, 227, Nr. 4).

Im Regelfall richtet sich die Höhe der Gebühr nach dem Gegenstandswert (§ 89 Abs. 4 AO). Gegenstandswert ist der Wert, den die verbindliche Auskunft für den Antragsteller hat. Dies entspricht im Grundsatz der Regelung in § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes. Der Gegenstandswert einer erteilten Auskunft richtet sich nach dem gestellten Antrag und den sich daraus ergebenden steuerlichen Auswirkungen. Dafür ist auf die Differenz zwischen dem Steuerbetrag, der aufgrund der von dem Antragsteller vorgetragenen Rechtsauffassung entstehen würde, und dem Steuerbetrag abzustellen, der sich bei einer von der Finanzbehörde vertretenen entgegengesetzten Rechtsauffassung ergeben würde. Steuerliche Auswirkungen, die sich mittelbar ergeben können, die jedoch nicht selbst zum Gegenstand des Antrags auf verbindliche Auskunft gemacht worden sind, werden bei der Bemessung der Auskunftsgebühr nicht berücksichtigt (BFH Urteil vom 22.4.2015, IV R 13/12, BStBl II 2015, 989, BFHE 250, 295).

Der Antragsteller soll den Gegenstandswert selbst bestimmen und zusammen mit den hierfür maßgebenden Umständen angeben. Die Finanzbehörde soll diese Berechnung der Gebührenfestsetzung zugrunde legen, sofern dies nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt.

Das BMF-Schreiben vom 12.3.2007 (BStBl I 2007, 227) nimmt zu der Kostenermittlung für die Erteilung verbindlicher Auskünfte Stellung. Danach ist für die Bestimmung des Gegenstandswerts die steuerliche Auswirkung des vom Antragsteller dargelegten Sachverhalts maßgebend. Bei Dauerschuldverhältnissen ist auf die steuerliche Auswirkung im Jahresdurchschnitt abzustellen.

Kann der Antragsteller ausnahmsweise keinen Gegenstandswert ermitteln oder führen seine Angaben zu offensichtlich unzutreffenden Werten, hat die Finanzbehörde den Gegenstandswert durch Schätzung zu ermitteln. Ist der Gegenstandswert auch nicht durch Schätzung bestimmbar, ist eine Zeitgebühr zu berechnen; sie beträgt 50 € je angefangene halbe Stunde. Beträgt die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden, wird keine Gebühr erhoben (Steuervereinfachungsgesetz 2011, BGBl I 2011, 2132). Im Fall der Rücknahme eines Antrags auf verbindliche Auskunft führt AEAO zu § 89 Nr. 4.5.2 nicht zu einer Ermessensreduzierung auf null in der Weise, dass die Gebührenermäßigung (§ 89 Abs. 7 Satz 2 AO) nach den Maßgaben der Bemessung einer Zeitgebühr auszurichten ist (BFH vom 4.5.2022, I R 46/18, BFH/NV 2022, 1079). Die Antragsrücknahme lässt den Gebührenzweck der Vorteilsabschöpfung nicht vollständig entfallen.

Wenn sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, bestimmt sich die Gebühr nach § 39 Abs. 2 GKG (Gerichtskostengesetz vom 5.5.2004, BGBl I 2004, 818). Danach ist der Gegenstandswert auf 30 Mio. € begrenzt. Beträgt der Gegenstandswert weniger als 10 000 €, wird keine Gebühr erhoben (Steuervereinfachungsgesetz 2011, BGBl I 2011, 2132). Bei einem Gegenstandswert i.H.v. 20 000 € fällt eine Gebühr von 265 €, bei einem Gegenstandswert i.H.v. 50 000 € eine Gebühr von 456 € an. Zur Höhe der Gebühr siehe Anlage 2 zu § 34 GKG. Die Gebühr beträgt höchstens 91 456 €; bei ab dem 1.8.2013 gestellten Anträgen höchstens 109 736 €.

Das Aufkommen der Gebühren für verbindliche Auskünfte steht nach § 3 Abs. 5 AO jeweils der Körperschaft zu, der die Finanzbehörde angehört, die für die Erteilung der verbindlichen Auskunft zuständig ist.

Die o.g. Änderungen treten am Tag nach der Verkündung des Gesetzes in Kraft.

Hinweis:

Normale Auskünfte sind wie bisher gebührenfrei. Wenn sich also ein Bürger im FA nach der künftigen steuerlichen Behandlung bestimmter Ausgaben (z.B. Fahrtkosten für den Weg zur Arbeitsstätte oder Abzug von Kinderbetreuungskosten) erkundigt, erhält er diese Auskunft auch weiterhin unentgeltlich.

3.2. Bagatellgrenze gem. § 89 Abs. 5 AO

Die Gebührenpflicht wird auf wesentliche und aufwändige Fälle beschränkt und bei Bagatellfällen soll auf eine entsprechende Kostenbelastung verzichtet werden. Die Bagatellgrenze für den Gegenstandswert, ab dem die Gebühr erhoben wird, beträgt 10 000 € (§ 89 Abs. 5 AO). Ist ein Gegenstandswert nicht bestimmbar und kann er auch nicht durch Schätzung bestimmt werden, ist eine Zeitgebühr zu berechnen. Diese beträgt 50 € je angefangene halbe Stunde Bearbeitungszeit. Beträgt die Bearbeitungszeit weniger als zwei Stunden, wird keine Gebühr erhoben.

3.3. Ertragsteuerliche Behandlung der Gebühren

Die OFD Münster hat mit Vfg. vom 10.4.2008 (DB 2008, 958) zur ertragsteuerlichen Behandlung der Gebühren für verbindliche Auskünfte Stellung genommen. Durch das JStG 2007 wurde der Katalog der steuerlichen Nebenleistungen in § 3 Abs. 4 AO um Gebühren für verbindliche Auskünfte (§ 89 Abs. 3 AO) ergänzt. Die Aufwendungen des Stpfl. für diese Gebühren können bei entsprechender beruflicher oder betrieblicher Veranlassung dem Grunde nach Werbungskosten oder Betriebsausgaben darstellen.

Nach § 12 Nr. 3 EStG dürfen Steuern vom Einkommen und sonstige Personensteuern sowie die USt auf dort näher bestimmte Umsätze nicht von den Einkünften oder vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Nebenleistungen unterliegen ebenfalls dem Abzugsverbot, soweit sie auf nicht abziehbare Steuern entfallen.

Gebühren für verbindliche Auskünfte sind daher als steuerliche Nebenleistungen vom Abzug ausgeschlossen, wenn sich die verbindliche Auskunft auf nicht abziehbare Steuern bezieht (§ 12 Nr. 3 EStG). Die GewSt stellt nur noch bis einschließlich des VZ 2007 eine abziehbare Steuer dar (§ 4 Abs. 5b EStG).

3.4. Verfassungsmäßigkeit der Gebühr

Mit Urteil vom 20.5.2008 (1 K 46/07, EFG 2008, 1342, LEXinform 5006804) hat das FG Baden-Württemberg die Verfassungsmäßigkeit der Gebühr für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft bestätigt (Erledigung des Revisionsverfahrens ohne Sachentscheidung, Az. des BFH: VIII R 22/08). Die Gebührenpflichtigkeit der Erteilung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 Abs. 3 Satz 1 AO ist verfassungsgemäß, da es sich um eine »individuelle Dienstleistung« der Finanzverwaltung handelt, die dem Auskunftssuchenden einen individuellen Vorteil gewährt. Ein verfassungsrechtlich bedenklicher Eingriff in die Berufsausübung steuerberatender Berufe liegt nicht vor. Die Verfassungsmäßigkeit der Gebühr ist auch bei einer Ablehnung der Erteilung einer verbindlichen Auskunft gegeben (FG Hessen rechtskräftiges Urteil vom 6.7.2011, 4 K 3139/09, EFG 2011, 1938).

Die gebührenpflichtige verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 3 AO unterscheidet sich von der gebührenfreien »verbindlichen Zusage« einer Außenprüfung nach §§ 204 ff. AO dadurch, dass es um die Beurteilung eines vom Stpfl. nicht verwirklichten, hypothetischen Sachverhalts geht. Die Komplexität des Steuerrechts zwingt den Staat nicht, verbindliche Auskünfte gebührenfrei anzubieten. Die Erhebung einer Mindestgebühr für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Ebenso hat das Finanzgericht Niedersachsen gegen die gesetzlich normierte Gebührenpflicht für die einem Steuerpflichtigen erteilte verbindliche Auskunft keine verfassungsrechtlichen Bedenken (Urteil vom 24.6.2010, 6 K 12181/08, EFG 2010, 1562, LEXinform 5010668). Die Gebühren seien wegen der mit der Auskunft verursachten Kosten und des damit verbundenen (individuell zurechenbaren) Vorteils sachlich legitimiert.

4. Erlass einer Rechtsverordnung

Nach § 89 Abs. 2 Satz 5 AO ist das BMF ermächtigt, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zu Form, Inhalt und Voraussetzungen des Antrags auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft und zur Reichweite der Bindungswirkung zu treffen. Das BMF hat am 30.11.2007 (BStBl I 2007, 820; BGBl I 2007, 2783) die Steuer-Auskunftsverordnung (StAuskV) erlassen. § 1 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und § 2 Abs. 2 StAuskV in der am 20.7.2017 geltenden Fassung sind erstmals auf Anträge auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft anzuwenden, die nach dem 1.9.2017 bei der zuständigen Finanzbehörde eingegangen sind. Das Bayerische Landesamt für Steuern gibt mit seiner Verfügung vom 4.7.2018 (S-0224 2.1-21/4 St 43) Hinweise zur Erteilung verbindlicher Auskünfte i.S.d. § 89 Abs. 2 AO (LEXinform 5236651). Ergänzende Ausführungen s. Verfügung vom 25.1.2021 (S 0224.2.1-21/10 St43).

5. Form und Inhalt des Antrages gem. § 1 StAuskV

Der Antrag muss gem. § 1 StAuskV schriftlich oder elektronisch bei der nach § 89 Abs. 2 Satz 2 oder Satz 3 der AO zuständigen Finanzbehörde gestellt werden und folgende Angaben enthalten:

  • Die genaue Bezeichnung des Antragstellers (Name, Wohnort, ggf. Steuernummer),

  • eine umfassende und in sich abgeschlossene Darstellung eines ernsthaft geplanten, im Wesentlichen noch nicht verwirklichten Sachverhalts (keine unvollständige, alternativ gestaltete oder auf Annahmen beruhende Darstellung, Verweisung auf Anlagen nur als Beleg),

  • die Darlegung des besonderen steuerlichen Interesses,

  • eine ausführliche Darlegung des Rechtsproblems mit eingehender Begründung des eigenen Rechtsstandpunktes,

  • die Formulierung konkreter Rechtsfragen (wobei globale Fragen nach den eintretenden Rechtsfolgen nicht ausreichen),

  • die Erklärung, dass über den zur Beurteilung gestellten Sachverhalt bei keiner anderen Finanzbehörde eine verbindliche Auskunft beantragt wurde sowie

  • die Versicherung, dass alle für die Erteilung der Auskunft und für die Beurteilung erforderlichen Angaben gemacht wurden und der Wahrheit entsprechen.

Bei Sachverhalten, die mehreren Personen steuerlich zuzurechnen sind (§ 179 Abs. 2 Satz 2 AO), ist § 89 Abs. 2 Satz 6 AO i.V.m. § 1 Abs. 2 StAuskV zu beachten. In diesen Fällen kann eine verbindliche Auskunft nur von allen Beteiligten gemeinsam beantragt werden.

Das FA ist nicht verpflichtet, eigens für die zu erteilende Auskunft Ermittlungen durchzuführen.

Die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist ausgeschlossen, wenn der Sachverhalt im Wesentlichen bereits verwirklicht ist. Über Rechtsfragen, die sich aus einem bereits abgeschlossenen Sachverhalt ergeben, ist ausschließlich im Rahmen des Veranlagungs- oder Feststellungsverfahrens zu entscheiden.

Verbindliche Auskünfte werden nicht erteilt in Angelegenheiten, bei denen die Erzielung eines Steuervorteils im Vordergrund steht (z.B. Prüfung von Steuersparmodellen, Feststellung der Grenzpunkte für einen Gestaltungsmissbrauch oder für das Handeln eines ordentlichen Geschäftsleiters).

6. Reichweite der Bindungswirkung

Die verbindliche Auskunft ist für die Besteuerung des Antragstellers bindend, wenn der später verwirklichte Sachverhalt von dem der Auskunft zugrunde gelegten Sachverhalt nicht oder nur unwesentlich abweicht. Die verbindliche Auskunft ist nicht bindend, wenn sie zuungunsten des Stpfl. dem geltenden Recht widerspricht. Um dies überprüfen zu lassen, steht dem Steuerpflichtigen der Rechtsweg gegen den Steuerbescheid offen. Die materielle Richtigkeit der Auskunft wird im Besteuerungsverfahren ggf. im Rahmen der Anfechtung des Steuerbescheids vom FG umfassend geprüft (BFH Urteil vom 29.2.2012, IX R 11/11, BStBl II 2012, 651).

Der BFH hat mit Urteil vom 17.9.2015 (III R 49/13, BStBl II 2017, 37) entschieden, dass eine verbindliche Zusage des FA Bindungswirkung nur zugunsten, nicht zulasten des Stpfl. entfaltet. Betrifft sie eine einheitliche und gesonderte Feststellung, so können sich die anfechtungsberechtigten Feststellungsbeteiligten grundsätzlich nur einvernehmlich auf sie berufen. Geschieht dies nicht, so entfällt die Bindungswirkung auch dann, wenn sich einzelne Feststellungsbeteiligte unter Verstoß gegen ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht von ihr lösen.

Im Fall der Gesamtrechtsnachfolge geht die Bindungswirkung entsprechend § 45 AO auf den Rechtsnachfolger über.

Die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft entfällt ab dem Zeitpunkt, in dem die Rechtsvorschriften, auf denen die Auskunft beruht, aufgehoben oder geändert werden.

Unbeschadet der §§ 129 bis 131 AO kann eine verbindliche Auskunft mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben oder geändert werden, wenn sich herausstellt, dass die erteilte Auskunft unrichtig war.

7. Rechtsbehelfsmöglichkeiten

Bei der verbindlichen Auskunft handelt es sich um einen Verwaltungsakt nach § 118 Satz 1 AO (BFH, Urteil vom 29.2.2012, IX R 11/11, BStBl II 2012, 651). Gegen die erteilte verbindliche Auskunft wie auch gegen die Ablehnung der Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist der Einspruch gegeben (§ 347 AO). Im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren ist die Sache in vollem Umfang, d.h. auch in materiell-rechtlicher Hinsicht, zu prüfen (§ 367 Abs. 2 AO). Weicht die Finanzbehörde bei der Erteilung der verbindlichen Auskunft vom Rechtsstandpunkt des Antragstellers ab (sog. Negativauskunft), ist der Inhalt der erteilten verbindlichen Auskunft im gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren nur auf seine sachliche Richtigkeit hin zu prüfen, d.h. darauf, ob die Finanzbehörde den zur Prüfung gestellten Sachverhalt zutreffend erfasst hat und die gegenwärtige rechtliche Einordnung des zur Prüfung gestellten Sachverhalts in sich schlüssig und nicht evident rechtsfehlerhaft ist. Eine materiell-rechtliche Überprüfung der finanzbehördlichen Auffassung durch das Gericht bleibt mangels Bindungswirkung der Negativauskunft (vgl. Nr. 3.6.3 des AEAO zu § 89) einem Rechtsbehelfsverfahren gegen den späteren Steuerbescheid/Feststellungsbescheid vorbehalten (vgl. BFH Urteil vom 29.2.2012, IX R 11/11, BStBl II 2012, 651; vgl. Nr. 3.7 des AEAO zu § 89).

8. Abgrenzung zur tatsächlichen Verständigung

Im Gegensatz zur verbindlichen Auskunft bezieht sich die → Tatsächliche Verständigung ausschließlich auf abgeschlossene Sachverhalte. Wirkt sich allerdings der in der tatsächlichen Verständigung festgelegte Sachverhalt auch in die Zukunft aus und sollte sie sich nach dem Willen der Beteiligten auch hierauf erstrecken, tritt unter der Voraussetzung gleichbleibender Verhältnisse insoweit ebenfalls eine Bindungswirkung ein (z.B. Festlegung der Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes oder Abgrenzung von Erhaltungsaufwand (→ Gebäude, Ausbau/Umbau) und Herstellungsaufwand (→ Herstellungskosten).

9. Literaturhinweise

Hannig, Steuerplanungssicherheit und Verfahrensbeschleunigung durch Nutzung kooperativer Handlungsinstrumente, NWB 29/2015, 2166; Prof. Dr. Seer und Geitmann, Die verbindliche Auskunft in Umwandlungsfällen, Steuer und Studium Beilage 1/2015; Oppel/Eiling, Verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO, Steuer und Studium 2/2016, 88; Seer, Verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2–7 AO, Steuer und Studium 10/2016, 601; Rätke, Einholung einer verbindlichen Auskunft nach § 89 AO, BBK Nr. 15 vom 3.8.2018, 714; Wenzel, Bindung von Schlussbesprechungen nach Betriebsprüfungen, NWB 44/2022, 3120.

10. Verwandte Lexikonartikel

Einspruchsverfahren

Tatsächliche Verständigung

Verwaltungsakt

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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