Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften

Stand: 18. August 2020

1. Vorbemerkungen

I.R.d. Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes wurden bereits Entlastungen für Einzelkaufleute dahingehend geregelt, dass bei Unterschreiten von mehreren Größenmerkmalen eine Befreiung von der Pflicht der Buchführung und der Aufstellung von Jahresabschlüssen ungesetzt wurde. Einer Entlastung der Kleinst-KapG standen bisher indes zwingende europarechtliche Vorgaben entgegen. Kleinstbetriebe in der Rechtsform einer KapG oder einer haftungsbeschränkten Personenhandelsgesellschaft ohne voll haftende natürliche Personen (z.B. GmbH & Co. KG) unterliegen derzeit ungeachtet ihrer Größe oder des erzielten Ergebnisses umfangreichen Vorgaben für die Rechnungslegung. Die europarechtlichen Vorgaben wurden zwischenzeitlich mit der am 14.3.2012 verabschiedeten Richtlinie 2012/6/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 78/660/EWG des Rates über den Jahresabschluss von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen hinsichtlich Kleinstbetrieben (Micro-Richtlinie) beseitigt. Nunmehr können die Mitgliedstaaten auch KapG, die aufgrund ihrer geringen Größe typischerweise nicht grenzüberschreitend tätig sind und für die eine Rechnungslegung mit übermäßigem Aufwand verbunden ist, von einigen genau bezeichneten Anforderungen befreien. In der Anwendung wurden nunmehr sog. Kleinst-KapG von Teilen der Buchführungspflicht befreit. Das Gesetz soll bestimmte Optionen der Micro-Richtlinie im Wege der Änderung des Handelsgesetzbuchs (HGB) umsetzen und damit der Verringerung der Verwaltungslasten von insbesondere kleinen mittelständischen Unternehmen dienen. Gewisse Einschränkungen sind hingegen durch die Änderungen des Bilanzrichtlinienumsetzungsgesetzes (BilRuG) zu beachten (vgl. Tz. 4).

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2. Zeitlicher Ablauf

Die Bundesregierung hatte mit Datum vom 19.9.2012 einen entsprechenden Gesetzentwurf verabschiedet. Der Bundestag hat den Gesetzentwurf am 29.11.2012 auf der Grundlage der Beschlussempfehlung und des Berichts seines Rechtsausschusses – BT-Drs. 17/11702 – unverändert angenommen. Der Bundesrat hat am 2.11.2012 zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bilanzrechts für Kleinst-KapG (BR-Drs. 558/12) unter Berücksichtigung der Empfehlungen seiner Ausschüsse (BR-Drs. 558/1/12) Stellung genommen (BR-Drs. 558/12(B)). Mit Beschluss vom 14.2.2012 hat der Bundesrat das MicroBilG akzeptiert, in dem er auf die Einberufung eines Ausschusses i.S.d. Art. 77 Abs. 2 GG verzichtet hat.

3. Inhaltliche Änderungen im Detail

3.1. Allgemeines

Kernstück der Änderungen ist zunächst, dass in dem neu eingefügten § 267a HGB eine Definition der sog. Kleinst-KapG festgelegt wird. Als Kleinst-KapG gilt danach eine KapG, die an zwei aufeinanderfolgenden Abschlussstichtagen zwei der drei nachfolgenden Merkmale nicht überschreitet:

  • Umsatzerlöse bis 700 000 €,

  • Bilanzsumme bis 350 000 € sowie

  • durchschnittliche zehn beschäftigte Arbeitnehmer.

Wie schon bei den bisherigen Größenklassenbestimmungen nach § 267 HGB versteht sich auch nach § 267a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB der Schwellenwert für die Bilanzsumme als Bilanzsumme abzüglich eines auf der Aktivseite ausgewiesenen Jahresfehlbetrags i.S.d. § 268 Abs. 3 HGB. Hinsichtlich der Ermittlung der durchschnittlichen Arbeitnehmerzahl gelten die Regelungen des § 267 Abs. 5 HGB, wonach der Durchschnitt aus dem arithmetischen Mittel der Summe der jeweils zum Quartalsende Beschäftigten zu ermitteln ist. Teilzeitbeschäftigte zählen hierbei voll (Zählung nach Köpfen), Auszubildenden und Praktikanten werden jedoch bei der Arbeitnehmeranzahl nicht mit erfasst. Gleiches gilt für § 267 Abs. 4 und 6 HGB. Entsprechend ist im Falle einer Neugründung auch dann eine Befreiung gegeben, wenn mindestens zwei der drei Schwellenwerte am aktuellen Abschlussstichtag unterschritten werden.

Unabhängig von Größenklassen kommen die Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften nicht in Betracht für Genossenschaften (§ 336 Abs. 2 HGB), Banken und Versicherungen (§§ 340a Abs. 2 und 341a Abs. 2 HGB) und kapitalmarktorientierte KapG (§ 267 Abs. 3 HGB).

Gem. § 264a HGB finden die Vorschriften entsprechend Anwendung auf KapG gleichgestellte Personenhandelsgesellschaften wie typischerweise die GmbH & Co. KG. Im Übrigen gelten für Kleinst-KapG gem. § 267a Abs. 2 HGB alle Regelungen für kleine KapG, sofern nicht für die Kleinst-KapG eine speziellere Regelung greift.

Sofern eine Kleinst-KapG i.S.d. Gesetzes anzunehmen ist, sind diverse Erleichterungen im Bereich der Rechnungslegung und Offenlegung zu beachten:

3.2. Befreiung von der Bilanzierung – Erleichterung der Bilanzierung

Kleinstunternehmen können gem. § 264 HGB auf die Erstellung eines Anhangs zur Bilanz vollständig verzichten, wenn sie bestimmte Angaben (u.a. zu Haftungsverhältnissen) unter der Bilanz ausweisen. Ferner werden weitere Optionen zur Verringerung der Darstellungstiefe im Jahresabschluss eingeräumt (z.B. vereinfachte Gliederungsschemata). Konkret wird in § 266 HGB zunächst eine verkürzte Gliederung gestattet, welche die Gliederungstiefe in den § 266 Abs. 2 und Abs. 3 HGB auf die Buchstabengliederungspunkte beschränkt. Dies entspricht einer äußert verdichteten Darstellungsweise. Ob hiermit die gewünschte Vereinfachung erreicht wird, wird sich indes erst in der Praxis zeigen, da selbst für diese Gliederungstiefe eine buchhalterische Behandlung notwendig ist.Ergänzend wird zudem eine verkürzte Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung (vgl. § 275 HGB) erlaubt. Kleinst-KapG können anstelle der Staffelungen nach § 275 Abs. 2 und 3 HGB die Gewinn- und Verlustrechnung wie folgt darstellen:

  1. Umsatzerlöse,

  2. sonstige Erträge,

  3. Materialaufwand,

  4. Personalaufwand,

  5. Abschreibungen,

  6. sonstige Aufwendungen,

  7. Steuern,

  8. Jahresüberschuss/Jahresfehlbetrag.

3.3. Befreiung vom Anhang

Auf die Erstellung eines Anhangs kann verzichtet werden, wenn im Gegenzug bestimmte Angaben (z.B. Kredite an Geschäftsführer) unter der Bilanz ausgewiesen werden.

Kleinst-KapG müssen, wenn sie zukünftig auf einen Anhang verzichten wollen, nur noch die Haftungsverhältnisse (Verbindlichkeiten aus der Begebung und Übertragung von Wechseln, Bürgschaften, Wechsel- und Scheckbürgschaften und Gewährleistungsverträgen sowie Haftungsverhältnisse aus der Bestellung von Sicherheiten für fremde Verbindlichkeiten, §§ 251, 268 Abs. 7 HGB) darstellen und Angaben zu Vorschüssen und Krediten an Mitglieder der Geschäftsführung oder Aufsichtsorgane machen, sofern diese Sachverhalte eingetreten sind (getrennt nach Personengruppen, unter Angabe von vereinbarten Zinssätzen, weiteren wesentlichen Bedingungen, ggf. im Geschäftsjahr erfolgten Tilgungen, § 264 Abs. 1 HGB n.F. i.V.m. § 285 Nr. 9 Buchst. c HGB).

Für Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien besteht darüber hinaus die Pflicht, Angaben zu eigenen Aktien unter der Bilanz zu machen (§ 160 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AktG).

Kleinstunternehmen ist es auch in Zukunft allerdings freigestellt, freiwillig weitere Angaben unter der Bilanz zu machen oder – wie bisher – einen Anhang aufzustellen, sofern sie dies für erforderlich halten.

3.4. Wegfall der Pflicht zur Veröffentlichung

Die derzeitige Offenlegungspflicht durch elektronische Einreichung zum Unternehmensregister wurde modifiziert: Entweder erfolgt die Veröffentlichung wie bisher oder die elektronische Einreichung zum Unternehmensregister wird nur zur Hinterlegung der Offenlegungsunterlagen durchgeführt (§ 326 Abs. 2 HGB n.F.).

Im Falle einer bloßen Hinterlegung können Dritte auf Antrag und gegen Gebühr eine Kopie der Bilanz erhalten. Die Kleinst-KapG haben zusätzlich zu der Bilanz dem Bundesanzeiger gegenüber die Mitteilung zu machen, dass sie zwei der drei in § 267a Abs. 1 HGB genannten Merkmale für die nach § 267 Abs. 4 HGB maßgeblichen Abschlussstichtage nicht überschreiten. Eine Pflicht zur Übermittlung der konkreten Umsatz- und Mitarbeitergrößen des Unternehmens ist nicht festgeschrieben, um die Unternehmen von unnötigem Verwaltungsaufwand zu entlasten. Allerdings kann der Betreiber des Bundesanzeigers die Angaben durch Nachfragen überprüfen.

Kleinst-KapG müssen sich gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 Justizverwaltungskostenordnung mit derzeit 3 € Jahresgebühr an den Kosten des Unternehmensregisters beteiligen.

Bei einer Hinterlegung der Bilanz von Kleinst-KapG ist diese für Dritte nur auf Antrag an das Unternehmensregister als kostenpflichtige elektronische Kopie (derzeit vorgesehen: 4,50 € pro Bilanz) erhältlich. Es bleibt jedoch dabei, dass die Einsichtnahme und damit die Antragstellung jedermann gestattet sind.

So werden insbesondere keine Begründungen oder Nachweise über ein begründetes Interesse für die Einsichtnahme verlangt. Allerdings muss sich der Antragsteller vor Einsicht selbst beim Unternehmensregister registrieren, um Einsicht nehmen zu können. Eine Auswertung, wer oder auch anonym wie häufig die eigenen Daten jedoch abgerufen werden, erhalten die Unternehmen, deren Abschlüsse hinterlegt werden, nicht.

3.5. Einschränkung bei der Zeitwertbewertung

Kleinst-KapG, die die Erleichterungen des MicroBilG in Anspruch nehmen, dürfen allerdings keine Zeitwertbewertung gem. § 246 Abs. 2 i.V.m. § 253 Abs. 1 HGB für insolvenzgesichertes Deckungsvermögen (sog. Planvermögen) vornehmen, sondern dürfen dieses höchstens zu den Anschaffungskosten bewerten. Eine Verrechnung gem. § 246 Abs. 2 HGB erfolgt in diesen Fällen gleichwohl.

3.6. Besonderheiten bei Konzerngesellschaften

Eine weitere Erleichterung wird mit dem MicroBilG in § 264 Abs. 3 HGB für Konzern-tochterunternehmen von bestimmten Auslandsmüttern (§ 264 Abs. 3 HGB) erreicht. Hierfür sind gesetzlich fünf kumulativ zu erbringende Voraussetzungen zu erfüllen.

Die ergänzenden Vorschriften für KapG und Kapital- und Co-Gesellschaften von Tochterunternehmen in der Rechtsform einer KapG, die in einen Konzernabschluss eines Mutterunternehmen mit Sitz innerhalb eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einbezogen ist, brauchen unter bestimmten Voraussetzungen nicht beachtet werden. Bislang war diese erhebliche Befreiung nur Tochterunternehmen von Mutterunternehmen mit Sitz im Inland vorbehalten und es mussten pflichtgemäß erstellte Konzernabschlüsse sein.

Hierfür sind gesetzlich fünf kumulativ zu erbringende Voraussetzungen zu erfüllen.

3.7. Zeitliche Anwendung

Die Neuregelungen sind für alle Geschäftsjahre gelten, deren Abschlussstichtag nach dem 30.12.2012 liegt.

Hinweis:

Mit dem Gesetz zur Änderung des Handelsgesetzbuchs (BGBl I 2013, 3746) wurden ergänzend zum MicroBilG für kleinste und kleine KapG im handelsrechtlichen Ordnungsgeldverfahren Erleichterungen beschlossen, wenn sie zwar ihren Publizitätspflichten nachkommen wollen, aber Fristen versäumen. Die Änderungen gelten für Abschlüsse, deren Abschlussstichtag nach dem 30.12.2012 liegt, also erstmals für die Abschlüsse 2012.

Abgesenkt werden (gemäß § 335 Abs. 4 Satz 2 HGB) die Mindestordnungsgelder i.H.v. 2 500 €

  • für kleinste Unternehmen auf 500 € und

  • für kleine Unternehmen auf 1 000 €,

wenn das Unternehmen verspätet auf eine Ordnungsgeldandrohung des Bundesamtes reagiert und die Offenlegung, wenn auch verspätet, nachgeholt hat, bevor das Bundesamt weitere Schritte einleitet.

Außerdem wird ein Recht auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand eingeführt, wenn ein Unternehmen die Sechswochenfrist zur Nachholung der Offenlegung unverschuldet nicht einhalten konnte. Zur Nachholung der Offenlegung erhalten die Unternehmen dann noch einmal sechs Wochen Zeit (§ 335 Abs. 5 HGB).

4. Einschränkungen durch das BilRuG

Im Juli 2015 ist das Gesetz zur Umsetzung der Bilanzrichtlinie 2013/34/EU (BilRUG) in Kraft getreten. Durch das BilRUG ergeben sich zahlreiche Änderungen und Neuerungen in verschiedenen Einzelgesetzen (z.B. HGB, AktG, GmbHG), die erstmals verpflichtend für Jahresabschlüsse ab 2016 zu beachten sind.

Keine Kleinstkapitalgesellschaften und damit insbesondere nicht mehr von den Erleichterungen der

  • verkürzten Bilanz,

  • verkürzten Gewinn- und Verlustrechnung,

  • Befreiung von der Verpflichtung zur Aufstellung eines Anhangs,

  • Hinterlegung statt Veröffentlichung

begünstigt sind allerdings ab 2016 per Definition:

  1. Investmentgesellschaften i.S.d. § 1 Abs. 11 Kapitalanlagegesetzbuch (»Investmentgesellschaften sind Investmentvermögen in der Rechtsform einer Investmentaktiengesellschaft oder Investmentkommanditgesellschaft«),

  2. Unternehmensbeteiligungsgesellschaften i.S.d. § 1a Abs. 1 des Gesetzes über Unternehmensbeteiligungsgesellschaften (»Unternehmensbeteiligungsgesellschaften sind die von der zuständigen Behörde als Unternehmensbeteiligungsgesellschaften anerkannten Gesellschaften«) oder

  3. reine Verwaltungsholdings/Unternehmen, deren einziger Zweck darin besteht, Beteiligungen an anderen Unternehmen zu erwerben sowie die Verwaltung und Verwertung dieser Beteiligungen wahrzunehmen, ohne dass sie unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Unternehmen eingreifen, wobei die Ausübung der ihnen als Aktionär oder Gesellschafter zustehenden Rechte außer Betracht bleibt.

Insbesondere der Zusatz »ohne dass sie unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Unternehmen eingreifen« sollte die regelmäßig zur Geschäftsführung berufene Komplementär-GmbH einer klassischen GmbH & Co. KG nach wie vor als Kleinstkapitalgesellschaft gelten lassen, da diese kraft ihrer Geschäftsführerstellung ja eben gerade in das operative Geschäft der Beteiligung an der KG eingreift.

Auch wenn eine Beteiligungsgesellschaft bei einer Mehrzahl von Tochtergesellschaften in die Geschäftsführung nur eines dieser Gesellschaften mittelbar oder unmittelbar eingreift, besteht der Zweck nicht mehr einzig in dem »Erwerb«, der »Verwaltung« und der »Verwertung« von Beteiligungen, wie es die Richtlinie wortwörtlich verlangt.

Gem. §§ 336 Abs. 3, 337 HGB gelten die Erleichterungen für Kleinstkapitalgesellschaften allerdings nun auch für Kleinstgenossenschaften.

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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