1 Anwendungsbereich und Zweck
2 Voraussetzungen
3 Wirtschaftsgüter für die Festwertbildung
3.1 Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens
3.2 Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens
4 Unzulässigkeit der Festwertbildung
5 Festwertbildung
5.1 Allgemeines
5.2 Anlagevermögen
5.3 Umlaufvermögen
6 Festwertüberprüfung
7 Literaturhinweise
8 Verwandte Lexikonartikel
Nach § 240 Abs. 3 HGB können WG des beweglichen Sachanlagevermögens (→ Anlagevermögen, → Abnutzbare Wirtschaftsgüter) sowie Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe abweichend vom allgemeinen Grundsatz der Einzelbewertung (→ Bewertung von Wirtschaftsgütern) mit einem Festwert angesetzt werden. Das Festwertverfahren gilt entsprechend dem Maßgeblichkeitsgrundsatz auch für das Steuerrecht (§ 5 Abs. 1 EStG, R 5.4 Abs. 3 EStR und H 5.4 [Festwert] EStH, BMF vom 8.3.1993, BStBl I 1993, 276; EStH 2021 Anhang 9 II, Voraussetzungen für den Ansatz von Festwerten sowie deren Bemessung). Bei Anwendung dieses Bewertungsvereinfachungsverfahrens sind die Wertansätze in der Handelsbilanz in die Steuerbilanz zu übernehmen (vgl. BMF vom 12.3.2010, BStBl I 2010, 239). Das Festwertverfahren ist nicht anwendbar bei WG des Vorratsvermögens (→ Vorratsvermögen), die zum Verkauf bestimmt sind (BFH Urteil vom 21.8.2012, X B 5/12, BFH/NV 2013, 35).
Zweck des Festwertverfahrens ist eine Vereinfachung der Bestandsaufnahme und damit der Bewertung. Im Festwertverfahren wird für einen bestimmten Bestand an WG eine Festmenge zu Festpreisen bewertet. Sowohl die Menge als auch der Preis werden grundsätzlich über mehrere Jahre konstant gehalten. Es wird dabei unterstellt, dass sich die laufenden Zu- und Abgänge in etwa ausgleichen.
Die Bewertung mit einem Festwert setzt voraus, dass
die Gegenstände regelmäßig ersetzt werden und ihr Gesamtwert für das Unternehmen von nachrangiger Bedeutung ist. Bei der Beurteilung der Nachrangigkeit ist auf die Bilanzsumme abzustellen (s.a. BMF vom 8.3.1993, BStBl I 1993, 276). Der Gesamtwert der für einen einzelnen Festwert in Betracht kommenden WG ist für das Unternehmen grundsätzlich von nachrangiger Bedeutung, wenn er an den dem Bilanzstichtag vorangegangenen fünf Bilanzstichtagen im Durchschnitt 10 % der Bilanzsumme nicht überstiegen hat;
ihr Bestand in seiner Größe, seinem Wert und seiner Zusammensetzung nur geringen Veränderungen unterliegt und
in der Regel alle drei Jahre eine körperliche Bestandsaufnahme durchgeführt wird. Für Gegenstände des beweglichen Anlagevermögens, die zulässigerweise mit einem Festwert angesetzt worden sind, ist spätestens an jedem fünften Bilanzstichtag eine körperliche Bestandsaufnahme vorzunehmen (R 5.4 Abs. 3 EStR).
WG des Anlagevermögens, deren Nutzungsdauer zwölf Monate nicht übersteigt (kurzlebige WG), sind bei der Festbewertung nicht zu berücksichtigen (H 5.4 [Festwert] EStH).
Für unbewegliche WG des Anlagevermögens (→ Bewertung von Wirtschaftsgütern) wird ein Festwert regelmäßig nicht in Betracht kommen, weil zum einen die Voraussetzung des regelmäßigen Ersatzes nicht erfüllt sein wird und zum anderen das unbewegliche Wirtschaftsgut (Grundstück oder Gebäude) für den Stpfl. grundsätzlich nicht von nachrangiger Bedeutung ist.
Für bewegliche WG des Anlagevermögens (→ Bewertung von Wirtschaftsgütern) hat die Festbewertung in der Praxis Bedeutung erlangt. Soweit für bewegliche, selbständig nutzungsfähige WG des Anlagevermögens die GWG-Regelung bzw. die Sammelpostenregelung des § 6 Abs. 2 bzw. Abs. 2a EStG anzuwenden ist, kann kein Festwert gebildet werden. Dies gilt entsprechend für WG, deren Nutzungsdauer nicht über einen Bilanzstichtag hinausreicht (kurzlebige Wirtschaftsgüter). Ansonsten kommt die Festbewertung bei den WG des beweglichen Anlagevermögens in Betracht, die in größerer Zahl vorhanden sind und die in einem betrieblichen Funktionszusammenhang stehen. So wird das Festwertverfahren typischerweise z.B. für
Bestecke, Geschirr und Wäsche im Hotel- und Gaststättenbereich,
Gerüstteile bei Maler- oder Dachdeckerbetrieben (Ausnahme: Gerüstbauer, da in dessen Bilanz diese WG nicht nachrangig sind),
Schalungsteile bei Bauunternehmen
Flaschen und Kästen im Brauereigewerbe,
Kleingeräte verschiedener Art,
Formen, Walzen, Modelle,
Werkzeugbestände des Anlagevermögens
usw. angewandt.
Im Bereich des Umlaufvermögens können Festwerte nur für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe gebildet werden (→ Vorratsvermögen); ein Festwert für Waren und Erzeugnisse scheidet somit aus. In der Regel werden Festwerte in diesem Bereich vor allem für Kleinmaterial, Ersatzteile, bestimmte Verbrauchstoffe wie Heizstoffe, Öle, Fette usw. gebildet.
Unzulässig ist die Bildung eines Festwerts bei Handelswaren, Halbfertig- und Fertigerzeugnissen, immateriellen WG und Beteiligungen, bei unbeweglichen WG, bei geringwertigen sowie kurzlebigen WG.
Voraussetzung für die erstmalige Bildung eines Festwerts ist eine körperliche Bestandsaufnahme.
Ein Festwert kann erstmals gebildet werden, wenn ein jährlich annähernd gleich bleibender Bestand vorhanden ist. Es ist für die Bildung des Festwertes zu berücksichtigen, dass sich zukünftige Zugänge sowie laufende Absetzungen für Abnutzungen und Abgänge in etwa ausgleichen müssen. Der Festwert soll dem buchmäßigen Bilanzwert entsprechen, der sich ergeben würde, wenn die im Festwert zusammengefassten WG laufend aktiviert und ganz normal auf ihre Nutzungsdauer abgeschrieben würden. Dieses Erfordernis wird normalerweise dann erreicht, wenn ein Festwert erst nach der planmäßigen Abschreibung der WG des Anlagevermögens auf einen Anhaltewert von 40 bis 50 % der tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten gebildet wird. Erst dann hat der Stpfl. ein Wahlrecht, auf das Festwertverfahren überzugehen. Der Anhaltewert stellt die Durchschnittswertigkeit der tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten der im Bestand enthaltenen Wirtschaftsgüter dar; der zusammengefasste fiktive Buchwert, der sich für die im Festwert enthaltenen WG im Falle einer Einzelbewertung ergeben würde, beträgt also in der Regel zwischen 40 und 50 % der tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Dabei ist von der steuerlich zulässigen linearen oder degressiven Absetzung für Abnutzung auszugehen. Erhöhte Absetzungen oder Sonderabschreibungen dürfen dagegen bei der Ermittlung des Anhaltewerts nicht berücksichtigt werden. Individuelle Umstände der einzelnen im Festwert enthaltenen WG, die bei einer Einzelbewertung dieser WG berücksichtigt werden könnten, bleiben bei der Ermittlung der Durchschnittswertigkeit außer Betracht. Der Anhaltewert ist sodann als Durchschnittswert der im Festwert enthaltenen WG an den folgenden Bilanzstichtagen beizubehalten (EStH Anhang 9 II).
Bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen kann ein Festwert gebildet werden. Zu den Voraussetzungen und zur Berechnung s. die Ausführungen zum → Vorratsvermögen.
Ob die Voraussetzungen für die Bildung eines Festwertes vorliegen, ist in bestimmten Zeitabständen durch eine körperliche Bestandsaufnahme nachzuweisen (vgl. R 5.4 Abs. 3 EStR). Anhand dieser Bestandsaufnahme wird der Ansatz der bisherigen Menge und des bisherigen Werts überprüft und ggf. angepasst.
Ist der bei der notwendigen Überprüfung festgestellte Wert niedriger als der bisherige Festwert, so kann dieser niedrigere Wert angesetzt werden. Übersteigt der ermittelte Wert den bisherigen Festwert um mehr als 10 %, so gilt ein neuer Festwert. Die erforderliche Zuaktivierung ist aus den AK bzw. HK der im abgelaufenen Geschäftsjahr zugegangenen, unter den Festwert fallende Gegenstände vorzunehmen. Sind diese Kosten niedriger als der Zuschreibungsbetrag, so wird der neue Festwert am ersten Bilanzstichtag noch nicht erreicht. Der Wert muss dann aus den Kosten in den Folgejahren weiter aufgestockt werden, bis der neue Festwert erreicht ist (R 5.4 Abs. 3 EStR).
Abb.: Ansatz des Festwerts
Horschitz u.a., Finanz und Steuern Bd. 1, 14. A, 19 und 212.
→ Bewertung von Wirtschaftsgütern
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