Verlustabzug nach § 10d EStG

Stand: 2. Mai 2024

Das Wichtigste in Kürze

Inhaltsverzeichnis

1 Überblick über die Verlustverrechnung
2 Der Verlustabzug nach § 10d EStG
2.1 Allgemeiner Überblick
2.2 Verlustrücktrag
2.3 Verlustvortrag
2.4 Mindestbesteuerung
2.5 Verlustabzug bei Ehegatten
2.6 Gesonderte Feststellung des Verlustvortrags
2.7 Verlustabzug im Erbfall
3 Literaturhinweise
4 Verwandte Lexikonartikel

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Die Bundesregierung hat am 30.8.2023 den Entwurf eines »Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz)« beschlossen. Mit dem Gesetz soll die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland gestärkt, das Steuerrecht modernisiert und vereinfacht sowie die Steuerfairness verbessert werden. Insbes. sind auch Verbesserungen beim steuerlichen Verlustabzug geplant. Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 24.11.2023 über das Wachstumschancengesetz abgestimmt und die Einberufung des Vermittlungsausschusses mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung des Gesetzes beschlossen. Im Februar 2024 haben sich Bundestag und Bundesrat im Vermittlungsausschuss auf einen »unechten« Kompromiss ohne die Stimmen von CDU/CSU verständigt. Was letztendlich von dem Entwurf des Gesetzes übrig bleiben wird, ist derzeit völlig offen, da der Bundesrat der Beschlussempfehlung in seiner (geplanten) Sitzung am 22.3.2024 noch zustimmen muss.

1. Überblick über die Verlustverrechnung

Verluste (→ Verluste) können sich im Rahmen der Einkommensteuer bei den Gewinn- als auch bei den Überschusseinkunftsarten ergeben.

Verluste werden bei der ESt-Veranlagung grds. wie folgt berücksichtigt:

Horizontaler Verlustausgleich

Berücksichtigung innerhalb derselben Einkunftsart

Vertikaler Verlustausgleich

Berücksichtigung bei der Bildung der Summe der Einkünfte

Verlustabzug (§ 10d EStG)

  • Verlustrücktrag und -vortrag

  • Abzug wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte

Abb.: Berücksichtigung von Verlusten

Zum horizontalen und vertikalen Verlustausgleich s. → Gesamtbetrag der Einkünfte.

Darüber hinaus sind andere Verlustausgleichs- und -abzugsbeschränkungen zu beachten.

2. Der Verlustabzug nach § 10d EStG

2.1. Allgemeiner Überblick

Ergeben sich im Rahmen der Einkunftsermittlung so hohe Verluste – also negative Einkünfte –, dass diese nicht durch den horizontalen bzw. vertikalen Verlustausgleich ausgeglichen werden können, so ist im Ergebnis die ESt für den betroffenen Veranlagungszeitraum = 0 €. Die entstandenen Verluste können sich in diesem Fall nicht in voller Höhe auf die ESt des jeweiligen Veranlagungszeitraums auswirken. Dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit folgend, ermöglicht daher § 10d EStG, die nicht ausgeglichenen Verluste in anderen Jahren zu berücksichtigen.

Verlustabzug nach § 10d EStG

Verlustrücktrag

§ 10d Abs. 1 EStG

Verlustvortrag

§ 10d Abs. 2 EStG

  • Von Amts wegen zu berücksichtigen.

  • Max. 2 Jahre zurück in den unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraum.

  • Begrenzung der Höhe nach auf grds. 1 000 000 €, bei Zusammenveranlagung 2 000 000 €. (bis VZ 2012 begrenzt auf 511 500 €, bei Zusammenveranlagung bis 1 023 000 €).

  • Zeitlich unbegrenzt.

  • Begrenzung der Höhe nach bis zu einem Sockelbetrag von 1 000 000 €, bei Zusammenveranlagung 2 000 000 €; darüber hinaus bis zu 60 %.

Abb.: Verlustabzug nach § 10d EStG

2.2. Verlustrücktrag

§ 10d Abs. 1 Satz 1 EStG definiert den Verlustrücktrag:

Negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, sind grds. bis zu einem Betrag von 1 000 000 €, bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammenveranlagt werden, grds. bis zu einem Betrag von 2 000 000 € vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen.

Verlustrücktrag der Höhe nach

VZ 2020–2023

Viertes Corona-Steuerhilfegesetz vom 19.6.2022 (BGBl I 2022, 911)

10 000 000 €/20 000 000 €

Ab VZ 2024

Viertes Corona-Steuerhilfegesetz vom 19.6.2022 (BGBl I 2022, 911)

1 000 000 €/2 000 000 €

Abb.: Verlustrücktrag der Höhe nach

Hinweis

Durch das geplante Wachstumschancengesetz soll der Verlustrücktrag wieder auf 10 Mio. €/20 Mio. € für die VZ 2024 und 2025 erhöht werden und danach auf 5 Mio. €/10 Mio. €) dauerhaft festgeschrieben werden, sodass es für die VZ 2024 und 2025 nicht zu einer Absenkung auf 1 Mio. €/2 Mio. € kommt. Vgl. aber die Entwicklung unter »Aktuelles«.

BFH vom 3.5.2023

Mit Urteil vom 3.5.2023 (IX R 6/21, BStBl II 2023, 1002) nahm der BFH Stellung zum Verlustrücktrag und den daraus folgenden Auswirkungen auf den Gesamtbetrag der Einkünfte im Entstehungsjahr.

2.3. Verlustvortrag

In den folgenden Veranlagungszeiträumen sind sie, soweit kein Rücktrag erfolgt, bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. € unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 % des 1 Mio. € übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte abzuziehen (§ 10d Abs. 2 EStG). Diese zeitliche Streckung des Verlustabzugs soll eine Mindestgewinnbesteuerung aktiver Einkünfte sicherstellen.

Hinweis

Durch das geplante Wachstumschancengesetz soll im Rahmen des Verlustvortrags der den Sockelbetrag übersteigende Betrag für 4 Jahre auf dann nur noch 75 % begrenzt werden.

2.4. Mindestbesteuerung

Nach § 10d Abs. 2 EStG sind nicht ausgeglichene negative Einkünfte, die nicht nach § 10d Abs. 1 EStG abgezogen worden sind, in den folgenden Veranlagungszeiträumen bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. € unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 % des 1 Mio. € übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen (Verlustvortrag). Bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammenveranlagt werden, tritt an die Stelle des Betrags von 1 Mio. € ein Betrag von 2 Mio. €.

Der sog. überperiodische Verlustabzug wird also nach § 10d Abs. 2 EStG begrenzt: 40 % der positiven Einkünfte oberhalb eines Schwellenbetrags von 1 Mio. € werden auch dann der Ertragsbesteuerung unterworfen, wenn bisher noch nicht ausgeglichene Verluste vorliegen (sog. Mindestbesteuerung). Damit wird die Wirkung des Verlustabzugs in die Zukunft verschoben. Ob diese Regelung verfassungsgemäß ist, hatte der BFH in einem 2010 entschiedenen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes für ernstlich zweifelhaft gehalten – zumindest für Fälle, in denen der vom Gesetzgeber lediglich beabsichtigte zeitliche Aufschub der Verlustverrechnung zu einem endgültigen Ausschluss der Verlustverrechnung führt (Beschluss vom 26.8.2010, I B 49/10, BStBl II 2011, 826).

Hinweis:

Durch das geplante Wachstumschancengesetz soll die Mindestbesteuerung abgeschwächt werden. Die Quote zur Bestimmung der Mindestbesteuerung soll für die Jahre 2024 bis 2027 auf 80 % erhöht werden und für die ESt und GewSt gelten. Vgl. aber die Entwicklung unter »Aktuelles«.

BFH vom 22.8.2012

Mit Urteil vom 22.8.2012 (I R 9/11, BStBl II 2013, 512) nahm der BFH zur Mindestbesteuerung i.S.d. § 10d Abs. 2 EStG Stellung.

Leitsatz

Die sog. Mindestbesteuerung verstößt in ihrer Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung des Verlustvortrags nicht gegen Verfassungsrecht.

Sachverhalt:

Eine KapGes mit mehr als tausend Gesellschaftern, die die Verwaltung von Vermögensanlagen betrieb, machte im Streitjahr 2004 geltend, dass sie den wegen der Mindestbesteuerung nicht ausgleichfähigen Verlust in der Zukunft nicht mehr würde ausgleichen können.

2.5. Verlustabzug bei Ehegatten

Hier ist zu beachten, dass der Verlustabzug personenbezogen betrachtet werden muss. Nur der, der den Verlust erzielt hat, kann ihn grds. auch geltend machen. Dies gilt im Rahmen der jeweiligen Einzelveranlagung der Ehegatten i.S.v. § 26a EStG. Wird eine Zusammenveranlagung durchgeführt, verdoppelt sich der Höchstbetrag für den Verlustrücktrag, unabhängig davon, wer von beiden die negativen Einkünfte erzielt hat.

2.6. Gesonderte Feststellung des Verlustvortrags

Nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen.

In diesem Zusammenhang beschäftigte sich der BFH im Urteil vom 9.2.2023 (IV R 34/19, BStBl II 2023, 742) mit Verlustausgleichs- und -abzugsbeschränkung bei Zins-Währungsswaps.

2.7. Verlustabzug im Erbfall

Mit Beschluss vom 17.12.2007 (GrS 2/04, BStBl II 2008, 608) hatte der Große Senat die Vererblichkeit des Verlustvortrags des Erben beseitigt. Danach kann der Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrag nach § 10d EStG in Zukunft nicht mehr zur Minderung seiner eigenen ESt geltend machen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes war die neue, für die Stpfl. ungünstigere Rechtsprechung allerdings erst in solchen Erbfällen anzuwenden, die nach Veröffentlichung dieses Beschlusses eintreten werden.

Der Große Senat begründete seine Entscheidung wie folgt: Der Übergang des vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrags auf den Erben könne weder auf zivilrechtliche noch auf steuerrechtliche Vorschriften und Prinzipien gestützt werden. Die ESt sei eine Personensteuer. Sie erfasse die im Einkommen zu Tage tretende Leistungsfähigkeit der einzelnen natürlichen Personen und werde daher vom Grundsatz der Individualbesteuerung und vom Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit beherrscht. Hiermit sei es unvereinbar, die beim Erblasser nicht verbrauchten Verlustvorträge auf den Erben zu übertragen (s.a. Pressemitteilung Nr. 29/08 des BFH vom 12.3.2008, LEXinform 0174046).

Die FinVerw hat sich diesem Urteil angeschlossen (H 10d [Verlustabzug in Erbfällen] EStH 2021).

3. Literaturhinweise

Sikorski, Technik des Verlustausgleichs nach § 10d EStG, NWB 2011, 2191; Hechtner, Neuregelungen zur Anpassung der Vorauszahlungen 2019 und zum Verlustrücktrag aus 2020, NWB 2020, 2374; Ruesch, Praxisrelevante Verlustabzugs- und Verlustausgleichsbeschränkungen im Einkommensteuerrecht und die Vererblichkeit von Verlustvorträgen/Anwendungsfragen, Fallbeispiele und Praxishinweise, NWB Beilage 2020; Dellner, Veranlagte Verluste 2020 und ihre Auswirkung auf den Veranlagungszeitraum 2019/Praxisfragen und Anwendungshinweise zu den neuen Möglichkeiten der Verlustverrechnung, NWB 2021, 925.

4. Verwandte Lexikonartikel

Außerordentliche Einkünfte

Einkommensteuer

Einkünfte aus Kapitalvermögen

Gesamtbetrag der Einkünfte

Gesonderte Feststellung

Lohnsteuerermäßigungsverfahren

Verluste

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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