1 Überblick über die Verlustverrechnung
2 Der Verlustabzug nach § 10d EStG
2.1 Allgemeiner Überblick
2.2 Verlustabzug bei Ehegatten
2.3 Verlustabzug im Erbfall
3 Literaturhinweise
4 Verwandte Lexikonartikel
Aktuelles: »Corona Maßnahmen«
Zweites Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (zweites Corona-Steuerhilfegesetz) vom 29.6.2020 (BGBl I 2020, 1512):
Der Verlustrücktrag nach § 10d EStG wird für die Jahre 2020 und 2021 auf 5 Mio. € bzw. 10 Mio. € (bei Zusammenveranlagung) erhöht. Die Grenzen für den Verlustvortrag bleiben unberührt.
Zusätzlich wird ein Mechanismus eingeführt, um den Verlustrücktrag für 2020 unmittelbar finanzwirksam schon mit der Steuererklärung 2019 nutzbar zu machen (§ 111 EStG »Vorläufiger Verlustrücktrag«).
Drittes Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Drittes Corona-Steuerhilfegesetz) vom 10.3.2021 (BGBl I 2021, 330):
Der steuerliche Verlustrücktrag aus dem Jahr 2020 in das Jahr 2019 und aus dem Jahr 2021 in das Jahr 2020 wird verdoppelt, und zwar von 5 Mio. € auf 10 Mio. € im Fall der Einzelveranlagung und von 10 Mio. € auf 20 Mio. € im Fall der Zusammenveranlagung (§ 10d Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 18b EStG n.F.).
Durch den neuen § 111 Abs. 9 EStG soll auch für die Steuerfestsetzung 2020 ein vorläufiger Verlustrücktrag eingeführt werden. Auf diese Weise kann ein Verlustrücktrag aus dem Veranlagungszeitraum 2021 vorab berücksichtigt werden und mindert die Steuer 2020.
Mit dem Vierten Corona-Steuerhilfegesetz vom 22.6.2022 (BGBl I 2022, 911) werden Investitionsanreize geschaffen sowie Bürger und Wirtschaft bei der Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie weiterhin unterstützt. Bzgl. des Verlustabzugs ergeben sich folgende Änderungen:
Die vorübergehende Anhebung der Höchstbetragsgrenzen beim Verlustrücktrag gem. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG von 5 Mio. € auf 10 Mio. € bei Einzelveranlagung bzw. von 10 Mio. € auf 20 Mio. € bei Zusammenveranlagung gilt nunmehr für Verluste der Jahre 2020 bis 2023.
Ab dem Verlustentstehungsjahr 2022 wird zudem der Verlustrücktrag von einem auf zwei Jahre erweitert. Zugleich wird das bislang gem. § 10d Abs. 1 Satz 5 und 6 EStG bestehende Wahlrecht dahingehend eingeschränkt, dass ab dem Verlustentstehungsjahr 2022 nicht mehr auf Antrag teilweise auf die Anwendung des Verlustrücktrags verzichtet werden kann.
Unter einem Verlust (→ Verluste) im ertragsteuerlichen Sinn versteht man das negative Ergebnis einer Einkunftsart. Verluste können sich bei den Gewinn- als auch bei den Überschusseinkunftsarten ergeben. Verluste werden bei der ESt-Veranlagung wie folgt berücksichtigt:
Horizontaler Verlustausgleich | Berücksichtigung innerhalb derselben Einkunftsart |
Vertikaler Verlustausgleich | Berücksichtigung bei der Bildung der Summe der Einkünfte |
Verlustabzug (§ 10d EStG) |
|
Abb.: Berücksichtigung von Verlusten
Zum horizontalen und vertikalen Verlustausgleich s. → Gesamtbetrag der Einkünfte.
Ergeben sich im Rahmen der Einkunftsermittlung so hohe Verluste – also negative Einkünfte –, dass diese nicht durch den horizontalen bzw. vertikalen Verlustausgleich ausgeglichen werden können, so ist im Ergebnis die ESt für den betroffenen Veranlagungszeitraum = 0 €. Die entstandenen Verluste können sich in diesem Fall nicht in voller Höhe auf die ESt des jeweiligen Veranlagungszeitraums auswirken. Dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit folgend, ermöglicht daher § 10d EStG, die nicht ausgeglichenen Verluste in anderen Jahren zu berücksichtigen.
§ 10d Abs. 1 Satz 1 EStG definiert den Verlustrücktrag:
Negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, sind bis zu einem Betrag von 1 000 000 €, bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26b zusammenveranlagt werden, bis zu einem Betrag von 2 000 000 € vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen abzuziehen.
Verlustabzug nach § 10d EStG | |
Verlustrücktrag | Verlustvortrag |
Auf Antrag des Stpfl. ist ganz oder teilweise von der Anwendung des Verlustrücktrags abzusehen. Im Antrag ist die Höhe des Verlustrücktrags anzugeben. | zeitlich unbegrenzt; bis zur Höhe eines Sockelbetrages von 1 Mio. € können Verluste unbeschränkt vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (Mittelstandskomponente). Für zusammenveranlagte Ehegatten wird der Sockelbetrag verdoppelt. Den 1 Mio. € übersteigenden Gesamtbetrag der Einkünfte kann der Stpfl. bis zu 60 % für einen Verlustvortrag nutzen. |
Abb.: Verlustabzug nach § 10d EStG ab VZ 2004
Gem. § 10d Abs. 1 Satz 1 EStG können Verluste bis zu einem Betrag von 1 000 000 €, bei zusammenveranlagten Ehegatten bis zu einem Betrag von 2 000 000 € vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums abgezogen werden (Verlustrücktrag). In den folgenden Veranlagungszeiträumen sind sie, soweit kein Rücktrag erfolgt, bis zu einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1 Mio. € unbeschränkt, darüber hinaus bis zu 60 % des 1 Mio. € übersteigenden Gesamtbetrags der Einkünfte abzuziehen (§ 10d Abs. 2 EStG). Diese zeitliche Streckung des Verlustabzugs soll eine Mindestgewinnbesteuerung aktiver Einkünfte sicherstellen.
BFH vom 22.8.2012
Mit Urteil vom 22.8.2012 (I R 9/11, BStBl II 2013, 512) nahm der BFH zur Mindestbesteuerung i.S.d. § 10d Abs. 2 EStG Stellung.
Leitsatz
Die sog. Mindestbesteuerung verstößt in ihrer Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung des Verlustvortrags nicht gegen Verfassungsrecht.
Hier ist zu beachten, dass der Verlustabzug personenbezogen betrachtet werden muss. Nur der, der den Verlust erzielt hat, kann ihn grds. auch geltend machen. Dies gilt im Rahmen der jeweiligen Einzelveranlagung der Ehegatten i.S.v. § 26a EStG. Wird eine Zusammenveranlagung durchgeführt, verdoppelt sich der Höchstbetrag für den Verlustrücktrag, unabhängig davon, wer von beiden die negativen Einkünfte erzielt hat.
Mit Beschluss vom 17.12.2007 (GrS 2/04, BStBl II 2008, 608) hat der Große Senat die Vererblichkeit des Verlustvortrags des Erben beseitigt. Danach kann der Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrag nach § 10d EStG in Zukunft nicht mehr zur Minderung seiner eigenen ESt geltend machen. Aus Gründen des Vertrauensschutzes ist die neue, für die Stpfl. ungünstigere Rechtsprechung allerdings erst in solchen Erbfällen anzuwenden, die nach Veröffentlichung dieses Beschlusses eintreten werden. Der Große Senat begründet seine Entscheidung wie folgt: Der Übergang des vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustvortrags auf den Erben könne weder auf zivilrechtliche noch auf steuerrechtliche Vorschriften und Prinzipien gestützt werden. Die ESt sei eine Personensteuer. Sie erfasse die im Einkommen zu Tage tretende Leistungsfähigkeit der einzelnen natürlichen Personen und werde daher vom Grundsatz der Individualbesteuerung und vom Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit beherrscht. Hiermit sei es unvereinbar, die beim Erblasser nicht verbrauchten Verlustvorträge auf den Erben zu übertragen (s.a. Pressemitteilung Nr. 29/08 des BFH vom 12.3.2008, LEXinform 0174046).
Sikorski, Technik des Verlustausgleichs nach § 10d EStG, NWB 2011, 2191; Hechtner, Neuregelungen zur Anpassung der Vorauszahlungen 2019 und zum Verlustrücktrag aus 2020, NWB 2020, 2374; Ruesch, Praxisrelevante Verlustabzugs- und Verlustausgleichsbeschränkungen im Einkommensteuerrecht und die Vererblichkeit von Verlustvorträgen/Anwendungsfragen, Fallbeispiele und Praxishinweise, NWB Beilage 2020; Dellner, Veranlagte Verluste 2020 und ihre Auswirkung auf den Veranlagungszeitraum 2019/Praxisfragen und Anwendungshinweise zu den neuen Möglichkeiten der Verlustverrechnung, NWB 2021, 925.
→ Einkünfte aus Kapitalvermögen
→ Lohnsteuerermäßigungsverfahren
→ Verluste
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