1 Einführung
2 Wer macht die Bilanzberichtigung?
3 Bilanzberichtigung oder Bilanzänderung?
4 Prüfungsschema zur Bilanzberichtigung
5 Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG
5.1 Bilanzansatz als Gegenstand der Bilanzberichtigung
5.2 Bilanzberichtigung und außerbilanzielle Gewinnkorrekturen
5.3 Fehlerhafter Bilanzansatz und Wertaufhellungstheorie
5.4 Berichtigung von Bilanzierungsfehlern
5.4.1 Berichtigung an der Fehlerquelle
5.4.1.1 Die Veranlagung kann nach AO-Vorschriften geändert werden
5.4.1.2 Fehler ohne steuerliche Auswirkung
5.4.2 Keine Bilanzberichtigung an der Fehlerquelle
5.4.2.1 Erfolgswirksame Bilanzberichtigung
5.4.2.2 Erfolgsneutrale Bilanzberichtigung
5.4.2.3 Bilanzberichtigung bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern
5.4.2.4 Bilanzberichtigung bei nicht abnutzbaren Wirtschaftsgütern
6 Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG
6.1 Voraussetzungen
6.2 Vorangegangene Bilanzberichtigung
6.3 Bilanzänderung gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG und Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 Abs. 2 AO
6.4 Enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit der Bilanzberichtigung
6.4.1 Enger sachlicher Zusammenhang
6.4.2 Enger zeitlicher Zusammenhang
6.5 Begrenzung der Höhe nach – Kompensation
6.6 Bilanzänderung bei nachträglich entstandenen Wahlrechten
7 Bilanzberichtigung und Bilanzänderung bei Feststellungsbescheiden
8 Literaturhinweise
9 Verwandte Lexikonartikel
Das Handelsrecht kennt keine gesetzliche Regelung, die Bilanzberichtigung ist aber grundsätzlich möglich. Es fehlt i.d.R. das Bedürfnis an einer rückwirkenden Korrektur. Soweit der Fehler noch vorhanden ist, werden Korrekturen in der Regel erst im folgenden Geschäftsjahr durchgeführt. Dadurch wird auch die Einberufung einer neuen Gesellschafterversammlung bzw. Hauptversammlung vermieden. Die handelsrechtliche Buchführung erschöpft sich i.d.R. in einer Angleichungsbuchung in der ersten noch offenen Buchführung. Auf die handelsrechtliche Seite wird daher im Folgenden nicht weiter eingegangen.
Im Steuerrecht ist die Bilanzberichtigung in § 4 Abs. 2 EStG geregelt. Da die Berichtigung einer Bilanz zu Gewinnänderungen führen kann und dadurch die festgesetzte Steuer verändert wird, sind die Korrektur- und Verjährungsvorschriften (→ Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO, → Verjährung) zu beachten. Fehler zuungunsten müssen gem. § 153 AO angezeigt werden (→ Anzeige- und Berichtigungspflicht gem. § 153 AO), Fehler zugunsten/ohne Auswirkung dürfen gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG geändert werden.
Eine Bilanzberichtigung darf nur der Stpfl. vornehmen (vgl. BFH Urteil vom 13.6.2006, I R 84/05, BStBl II 2007, 94). Die von diesem berichtigten Werte werden wegen des Bilanzenzusammenhangs auch in den Folgejahren zugrunde gelegt.
Hält das Finanzamt eine Bilanz für fehlerhaft, darf es diese Bilanz nicht der Besteuerung zugrunde legen und muss den BV-Vergleich mit auf der Grundlage der Bilanz abgeänderten Werten vornehmen (vgl. H 4.4 [Bilanzberichtigung, 1. Strich] EStH). Macht das FA bei der Richtigstellung einen Fehler, so kann dieser später nicht im Wege einer Bilanzberichtigung wieder korrigiert werden. In einem solchen Fall wird der fehlerhafte Bilanzansatz des Finanzamts jedoch nicht der Gewinnermittlung des folgenden Wirtschaftsjahres zu Grunde gelegt, sondern der zutreffende Ansatz des Stpfl. (vgl. BFH vom 4.11.1999, IV R 70/98, BStBl II 2000, 129). Besteht die Verpflichtung zur Bilanzberichtigung nicht und weicht das FA im Rahmen einer Betriebsprüfung fehlerhaft von der Bilanz des Stpfl. ab, wird dieser Bilanzierungsfehler nicht Teil der maßgeblichen Steuerbilanz, d.h. insoweit entsteht keine von der Bilanz des Stpfl. abweichende Veranlagungsbilanz, die in den Folgejahren über den Bilanzenzusammenhang korrigiert werden könnte. In einem solchen Fall muss vielmehr die richtige Bilanz des Stpfl. für den Betriebsvermögensvergleich im Folgejahr herangezogen werden (vgl. FG Sachsen-Anhalt Urteil vom 27.2.2019, 3 K 972/14, EFG 2019, 857).
Die abweichende Gewinnermittlung der Betriebsprüfung durch Erstellung einer Prüferbilanz stellt keine Bilanzberichtigung dar. Durch den Antrag des Stpfl. auf eine Bilanzänderung im Rahmen der Schlussbesprechung wird jedoch konkludent den Korrekturen zugestimmt, womit eine Bilanzberichtigung durch den Stpfl. vorliegt. Eine Bilanzänderung ist daher schon in der Schlussbesprechung möglich.
Aus § 4 Abs. 2 EStG ergeben sich zwei Möglichkeiten der Korrektur einer Bilanz, die an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpft sind:
Bilanzberichtigung: Ersetzung eines falschen Bilanzansatzes durch einen richtigen Bilanzansatz gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 EStG, R 4.4 Abs. 1 EStR;
Bilanzänderung: Ersetzung eines richtigen Bilanzansatzes durch einen anderen richtigen Bilanzansatz gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG, R 4.4 Abs. 2 EStR. Eine Bilanzänderung muss in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung stehen und sie ist nur zulässig, soweit die Auswirkung der Bilanzberichtigung auf den Gewinn reicht.
Die Korrektur einzelner Bilanzpositionen erfordert nicht zwingend die Erstellung einer neuen Bilanz; es genügen formlose Anmerkungen/Ergänzungen zur Steuerbilanz.
Die Prüfung, ob und wann eine Bilanzberichtigung möglich ist, kann unter Beantwortung der folgenden Fragen erfolgen:
Welcher Bilanzansatz ist falsch?
Bei mehreren falschen Bilanzansätzen hat die Prüfung getrennt zu erfolgen.
Welche Jahre sind fehlerhaft?
Die Bestimmung der Fehlerjahre ist erforderlich, da für jedes Jahr getrennt untersucht werden muss, ob sich eine steuerliche Auswirkung ergibt oder ob eine Korrekturvorschrift für den betroffenen Steuerbescheid greift.
Hat der Fehler eine steuerliche Auswirkung?
Bei fehlerhaften Bilanzansätzen ohne steuerliche Auswirkung kann eine Bilanzberichtigung des Fehlerjahres und aller Folgejahre ohne Beachtung einer Korrekturvorschrift nach der AO erfolgen, da kein Steuerbescheid geändert werden muss.
Sind die Fehlerjahre nach der AO änderbar?
Bei fehlerhaften Bilanzansätzen mit steuerlicher Auswirkung ist eine Bilanzberichtigung der Fehlerjahre nur dann möglich, wenn eine Korrektur der Steuerbescheide nach der AO zulässig ist.
Ist eine Bilanzberichtigung an der Fehlerquelle unzulässig, da ein Fehler mit steuerlicher Auswirkung vorliegt und die betroffenen Steuerbescheide nach der AO nicht mehr änderbar sind, erfolgt gem. R 4.4 Abs. 1 Satz 9 EStR grds. eine erfolgswirksame Bilanzberichtigung im ersten noch offenen Jahr. Ausnahmen hiervon ergeben sich insbesondere bei der Berichtigung von AfA-Fehlern, bei der Bilanzierung von Privatvermögen bzw. der unterlassenen Bilanzierung von notwendigem Betriebsvermögen und bei Verstößen des Stpfl. gegen Treu und Glauben bei bewusstem Ansatz falscher Werte. Eine weitere Ausnahme von der erfolgswirksamen Bilanzberichtigung in der Schlussbilanz des ersten offenen Jahres besteht dann, wenn der Bilanzansatz nunmehr zutreffend ist (z.B. weil das betreffende WG bereits aus dem BV ausgeschieden ist) und folglich kein Bilanzansatz mehr berichtigt werden kann (BFH vom 27.7.2023, IV R 15/20, BFH/NV 2023, 1350).
Die folgenden Ausführungen orientieren sich an den Fragen des Prüfungsschemas.
Die Bilanzberichtigung bezieht sich auf Bilanzansätze, d.h. auf den Ansatz von einzelnen bewertungsfähigen aktiven und passiven WG, aber auch Rückstellungen sowie Rechnungsabgrenzungsposten (R 4.4 Abs. 1 EStR, H 4.4 [Bilanzberichtigung] EStH). Der Grundsatz des formellen Bilanzenzusammenhangs sowie die daraus abgeleitete erfolgswirksame Korrektur fehlerhafter Bilanzansätze gilt nicht nur für den unzutreffenden Ausweis von Wirtschaftsgütern, sondern erfasst grundsätzlich alle in die Vermögensübersicht (Bilanz) aufgenommenen und unzutreffend ausgewiesenen Bilanzposten und damit auch den fehlerhaften Ausweis betrieblicher Beteiligungen an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft (BFH Urteil vom 25.6.2014, I R 29/13, BFH/NV 2015, 27).
Die Erfassung einer Entnahme i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG führt zu einer Gewinn erhöhenden Bilanzberichtigung und damit zur Möglichkeit einer Gewinn mindernden Bilanzänderung (vgl. BMF vom 18.5.2000, BStBl I 2000, 587; BFH Urteil vom 31.5.2007, IV R 54/05, BStBl II 2008, 665). Die Veränderung bei den Einlagen und Entnahmen wirkt sich zwar wegen der damit gleichzeitig verbundenen Gewinnerhöhung oder -minderung per Saldo nicht auf die Höhe des Eigenkapitals aus. Gleichwohl wird durch die Veränderung der einzelnen Teilbeträge des Kapitals bzw. der Eigenkapitalposten die Zusammensetzung des Eigenkapitals geändert. Die damit einhergehende Veränderung des Gewinns i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG rechtfertigt deshalb die Annahme, dass auch die per Saldo ergebnisneutrale Änderung der Eigenkapitalposten eine Bilanzberichtigung i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG darstellt.
Die unterlassene Verbuchung einer Einlage kann nicht erfolgswirksam in einem Folgejahr nach den Grundsätzen des formellen Bilanzenzusammenhangs nachgeholt werden (vgl. BFH vom 17.6.2019, IV R 19/16, BStBl II 2019, 614).
Kein Fall der Bilanzberichtigung liegt vor, wenn sich die Beseitigung eines Fehlers nur auf den Gewinn, nicht aber auf einen Bilanzansatz auswirkt, z.B. Änderung außerbilanzieller Hinzurechnungen etwa gem. § 4 Abs. 4a und Abs. 5 EStG oder Rückgängigmachung des außerbilanziellen Investitionsabzugsbetrags im Abzugsjahr nach § 7g Abs. 3 EStG. Beruht eine Gewinnerhöhung durch die Betriebsprüfung ausschließlich auf der Erhöhung außerbilanzieller Hinzurechnungen, so ist eine Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG zum Ausgleich dieser Gewinnerhöhung nicht zulässig (BFH vom 27.5.2020, XI R 8/18, BStBl II 2020, 772; vgl. hierzu auch BFH Urteil vom 23.1.2008, BStBl II 2008, 669 mit folgendem Leitsatz: »Eine Bilanz kann nicht mit dem Ziel eines niedrigeren Gewinnausweises nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG geändert werden, wenn das Finanzamt den Gewinn zwar höher als vom Unternehmer erklärt ansetzt, dies aber auf einer Berücksichtigung von außerbilanziellen Gewinnerhöhungen beruht.«; so auch BMF vom 13.8.2008, IV C 6-S 2141/07/10004, FMNR712000008, BStBl I 2008, 845).
Beispiel 1:
Anlässlich einer Betriebsprüfung für die Jahre 01 bis 03 wurde ausschließlich festgestellt, dass der Stpfl. seinen wichtigen Geschäftspartnern Geschenke macht, deren Wert jeweils über 35 € liegt
Diese Beträge wurden Gewinn mindernd als Betriebsausgaben gebucht und sind daher nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG außerbilanziell hinzuzurechnen.
Der Stpfl. beantragt in der Schlussbesprechung, für eine am 5.3.01 angeschaffte Maschine (Kaufpreis netto 10 000 €, Nutzungsdauer 10 Jahre) in den Jahren 01 bis 03 die Abschreibung degressiv nach § 7 Abs. 2 EStG statt linear nach § 7 Abs. 1 EStG vorzunehmen.
Ist eine Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG zulässig?
Lösung 1:
Gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG ist eine Bilanzänderung nur zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zu einer Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG steht. Im vorliegenden Fall erfolgt nur eine außerbilanzielle Hinzurechnung der nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben. Eine Korrektur, die keinerlei Auswirkungen auf Bilanzpositionen hat, ist keine Bilanzberichtigung i.S.d. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG. Eine Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG kommt daher nicht in Betracht.
Ein Bilanzansatz ist unzulässig und damit unrichtig bei Verstoß gegen
zwingende Vorschriften des Einkommensteuerrechts,
zwingende Vorschriften des Handelsrechts (Maßgeblichkeitsgrundsatz),
einkommensteuerrechtlich zu beachtende Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung.
Vgl. R 4.4 Abs. 1 Satz 2 EStR.
Ein Bilanzansatz war nach der bisherigen Rspr. fehlerhaft, wenn er objektiv gegen handelsrechtliche oder steuerliche Bilanzierungsvorschriften verstoßen hatte und der Stpfl. bei pflichtgemäßer und gewissenhafter Prüfung nach den im Zeitpunkt der Bilanzerstellung (also einschließlich Wertaufhellungstheorie) bestehenden Erkenntnismöglichkeiten über die zum Bilanzstichtag gegebenen objektiv bestehenden Verhältnisse diesen Verstoß (»subjektiv«) erkennen konnte (BFH vom 5.6.2007, BStBl II 2007, 818 ff.). Der Große Senat des BFH hat auf Vorlage des I. Senats mit Beschluss vom 31.1.2013 (GrS 1/10, BStBl II 2013, 317) die Anwendung des »subjektiven Fehlerbegriffs« im Hinblick auf bilanzielle Rechtsfragen aufgegeben. Auswirkung hat dies bei einer geänderten Rspr. zu einer Bilanzposition. Die Voraussetzungen einer Bilanzberichtigung orientieren sich nur noch daran, ob der Bilanzansatz nach aktueller Rechtslage unzutreffend ist und ob die Bescheide nach den AO-Vorschriften noch korrigiert werden können. Ändert sich die Rspr. im Hinblick auf bilanzielle Rechtsfragen zuungunsten des Stpfl., so ist ergänzend die Vertrauensschutzregelung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO zu beachten (s. hierzu → Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden, Tz. 17). Bei Änderung der Steuerfestsetzung ist so vorzugehen, als hätte die frühere für den Stpfl. günstige Rechtsauffassung nach wie vor Gültigkeit.
Mit der Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs bei Rechtsprechungsänderungen hat sich der Anwendungsbereich der Bilanzberichtigung erheblich erweitert. Bei Änderungen zugunsten des Stpfl. hat dieser künftig ein Wahlrecht zur Bilanzberichtigung (keine Pflicht über § 153 AO). Änderungen der Rspr. zuungunsten des Stpfl. wird häufig § 176 AO entgegenstehen.
Nach diesem Beschluss des Großen Senats ist das Finanzamt im Rahmen der ertragsteuerrechtlichen Gewinnermittlung auch dann nicht an die rechtliche Beurteilung gebunden, die der vom Stpfl. aufgestellten Bilanz zugrunde liegt, wenn diese Beurteilung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung vertretbar war. Das gilt auch für eine in diesem Zeitpunkt von Verwaltung und Rspr. praktizierte, später aber geänderte Rechtsauffassung. Entsprechen Bilanzansätze objektiv nicht den jeweils maßgebenden speziellen bilanzsteuerrechtlichen Vorschriften oder den handelsrechtlichen GoB, ist das Finanzamt, unabhängig von einem Recht oder einer Pflicht des Stpfl., zur Berichtigung der Bilanz gem. § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG zu einer eigenständigen Gewinnermittlung berechtigt und verpflichtet. Die Verpflichtung des Finanzamts, die Gewinnermittlung des Stpfl. ausschließlich auf der Grundlage des für den Bilanzstichtag objektiv geltenden Rechts ohne Rücksicht auf Rechtsansichten des Stpfl. zu prüfen und ggf. zu korrigieren, besteht unabhängig davon, ob sich die unzutreffende Rechtsansicht des Stpfl. zu seinen Gunsten oder zu seinen Lasten ausgewirkt hat. Eine Übergangsregelung wurde vom Großen Senat nicht getroffen.
Rechtskräftige Urteile, die dem Gläubiger eine bis dahin bestrittene Forderung zusprechen, sind als wertbegründende Tatsachen zu behandeln (Bestätigung des Senatsurteils vom 15.11.2011, I R 96/10, BFH/NV 2012, 991). Diese Grundsätze werden durch den BFH-Beschluss vom 31.1.2013, GrS 1/10 (BFHE 240, 162, BStBl II 2013, 317) nicht berührt, da es insoweit nicht um die Berücksichtigung ungeklärter bilanzrechtlicher Fragen, sondern um Grundsätze des Vorsichtsprinzips geht, deren inhaltliche (bilanzrechtliche) Anforderungen geklärt waren und sind (BFH Urteil vom 26.2.2014, I R 12/14, BFH/NV 2014, 1544).
Die Bilanzberichtigung erfolgt grundsätzlich von der Fehlerquelle bis zur aktuellen Bilanz. Nur wenn die Bilanzberichtigung eine Steuer verändert, ist die Berichtigungsmöglichkeit abhängig von
der Korrekturmöglichkeit der Steuerbescheide nach den Änderungsvorschriften der AO,
der Festsetzungsfrist der Steuerbescheide.
Beispiel 2:
Eine Bilanz beinhaltet folgende Fehler:
Ein zum notwendigen BV gehörendes Grundstück wurde nicht aktiviert.
Eine passivierungspflichtige Rückstellung wurde nicht gebildet.
Lösung 2:
Der Fehler hat keine Gewinnauswirkung. Die Bilanzberichtigung ist nicht von den Korrekturvorschriften der AO abhängig. Die Bilanzberichtigung ist bis zur Fehlerquelle möglich.
Es liegt ein Fehler mit Gewinnauswirkung vor. Die Bilanzberichtigung bis zur Fehlerquelle ist nur bei Vorliegen einer Korrekturvorschrift möglich.
Eine Korrektur setzt voraus, dass noch immer ein Bilanzierungsfehler vorliegt. Hat sich durch den Grundsatz des Bilanzenzusammenhangs der Fehler bereits wieder ausgeglichen, bedarf es keiner Berichtigung mehr (vgl. H 4.4 [Richtigstellung …], letzter Satz EStH).
Beispiel 3:
Eine im Jahr 01 für 100 000 € angeschaffte Beteiligung wurde zum 31.12.01 mit 150 000 € bewertet. Zum 31.12.02 hat der Stpfl. eine Teilwertabschreibung i.H.v. 50 000 € gebucht (Buchwert 31.12.02 = 100 000 €). Eine Korrekturvorschrift für den bestandskräftigen ESt-Bescheid 01 ist nicht gegeben.
Zum 31.12.01 wäre eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilanzieren gewesen. Bei Zahlung im Jahr 02 verbuchte der Stpfl. den entsprechenden Aufwand. Eine Korrekturvorschrift für den bestandskräftigen ESt-Bescheid 01 ist nicht gegeben.
Lösung 3:
In beiden Fällen ist keine Bilanzberichtigung mehr erforderlich. Die Fehler haben sich durch den Bilanzenzusammenhang wieder ausgeglichen. Der Totalgewinn der Jahre 01 und 02 ist zutreffend.
Eine Berichtigung an der Fehlerquelle ist in folgenden Fällen möglich:
Die Bilanz ist schon erstellt, aber beim FA noch nicht eingereicht.
Die fehlerhafte Bilanz liegt dem FA vor, die Veranlagung ist noch nicht durchgeführt.
Der Gewinn der fehlerhaften Bilanz wurde der Veranlagung durch das FA zugrunde gelegt, die Einspruchsfrist ist aber noch nicht abgelaufen.
Die fehlerhafte Bilanz liegt der formell bestandskräftigen Veranlagung zugrunde. Der Steuerbescheid kann aber nach AO-Vorschriften korrigiert werden.
Die Bilanzberichtigung an der Fehlerquelle ist erfolgsneutral und wirkt sich auf die Höhe der Ertragsteuern nicht aus
Die Bilanzberichtigung an der Fehlerquelle ist erfolgswirksam, aber die Steuer beträgt vor und nach der Berichtigung 0 € (wegen ausreichender Verlustvorträge oder das zu versteuernde Einkommen liegt unterhalb der Eingangsstufe des ESt-Tarifs).
Vgl. H 4.4 [Berichtigung einer Bilanz …, 1. Strich, 1. Alt.] EStH.
Wird durch das Vorliegen einer Korrekturvorschrift (z.B. § 173 AO) die Bilanzberichtigung an der Fehlerquelle ermöglicht und wirkt sich diese auf die Höhe des Gewinns der Folgejahre aus (z.B. über die AfA), so stellt die Bilanzberichtigung an der Fehlerquelle ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO hinsichtlich der Veranlagung für die Folgejahre dar (BFH Urteil vom 30.6.2005, BStBl II 2005, 809)
Beispiel 4:
Im Januar 02 wird eine Maschine mit einer Nutzungsdauer von acht Jahren zu einem Nettopreis von 80 000 € angeschafft. Es fallen Anschaffungsnebenkosten gem. § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB i.H.v. 2 000 € an, die der Stpfl. als sofort abzugsfähigen Aufwand behandelt. Die Veranlagung 02 ist gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO änderbar. Die Veranlagung des Jahres 03 ist endgültig. Die Jahre 04 bis 06 stehen unter Vorbehalt der Nachprüfung.
Lösung 4:
Liegt ein fehlerhafter Bilanzansatz vor?
Bilanzansatz »Maschine« ist fehlerhaft. § 255 Abs. 1 Satz 2 HGB: »zu den AK gehören auch …«
Welche Bilanzen sind fehlerhaft?
Die Jahre 02 bis 06.
Ist eine Bilanzberichtigung im Fehlerjahr 02 möglich?
Ist eine steuerliche Auswirkung gegeben?
Ja, weil die Anschaffungsnebenkosten als Aufwand gebucht wurden und damit die AfA unzutreffend ist.
Ist eine Korrektur des Fehlerjahres möglich?
Ja, das Jahr 02 kann gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO (laut Vorgabe Sachverhalt) geändert werden.
Eine Bilanzberichtigung 03 ist gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich, weil eine Änderung der Schlussbilanz 02 möglich ist und die Berichtigung eines Bilanzansatzes im Jahr 02 für das Folgejahr ein rückwirkendes Ereignis darstellt. Dies führt zur Änderung der Eröffnungsbilanz 03 mit Gewinnauswirkung im Jahr 03.
Die Jahre 04 bis 06 können gem. § 164 Abs. 2 AO geändert werden.
Vgl. H 4.4 [Berichtigung einer Bilanz …, 1. Strich, 2. Alt.] EStH.
Weil sich keine steuerliche Auswirkung auf die Höhe der veranlagten Ertragsteuern ergibt, darf bis zur Fehlerquelle zurück korrigiert werden. Da eine Änderung der Steuerbescheide nicht notwendig ist, muss auch das Vorliegen einer Korrekturvorschrift nicht geprüft werden.
Aus Vereinfachungsgründen wird das erste noch änderbare Jahr angepasst. Dabei kann die Anfangsbilanz im Rahmen einer scheinbaren oder unechten (gewinnneutralen) Durchbrechung des Bilanzenzusammenhangs berichtigt werden, weil die Schlussbilanz des Vorjahres grds. geändert werden darf. Oder die Schlussbilanz wird über eine (Quasi-)Entnahme/-Einlage berichtigt.
Beispiel 5:
Im Jahr 01 wurde die Einlage eines unbebauten Grundstücks nicht erfasst. Der Einlagewert (= Teilwert) im Jahr 01 betrug 150 000 € und würde im Jahr 04 170 000 € betragen. Die Jahre 01 bis 03 können nicht mehr geändert werden. Die Veranlagungen 04 bis 06 stehen unter Vorbehalt der Nachprüfung. Die Bilanz 07 liegt dem FA bereits vor. Wir befinden uns im Jahr 08.
Lösung 5:
Liegt ein fehlerhafter Bilanzansatz vor?
Der Bilanzansatz »GruBo« ist fehlerhaft, da die Einlage 01 (§ 4 Abs. 1 Satz 8 EStG) nicht verbucht wurde.
Welche Bilanzen sind fehlerhaft?
Die Jahre 01 bis 07.
Sind Bilanzberichtigungen in den Fehlerjahren möglich?
Steuerliche Auswirkung? Nein.
Zeitpunkt der Bilanzberichtigung?
Grundsätzlich wäre die Rückwärtsberichtigung bis zur Fehlerquelle (Schlussbilanz 01) möglich, aber aus Vereinfachungsgründen kann die Berichtigung des ersten noch änderbaren Jahres (hier das Jahr 04) erfolgen.
Einlagewert?
Gem. Urteil des BFH vom 10.12.1997, BStBl II 1998, 377 ist der Wert anzusetzen, mit dem das WG bei von vornherein zutreffender bilanzieller Behandlung in dieser Bilanz erscheinen würde. Daher ist der Einlagewert des Jahres 01 i.H.v. 150 000 € anzusetzen (vgl. H 4.4 [Richtigstellung…], Satz 2 EStH)
Änderungen:
1. Alt.:
Berichtigung der Eröffnungsbilanz des ersten offenen Jahres (hier: 1.1.04) unter scheinbarer Durchbrechung des Bilanzenzusammenhangs (Gewinnauswirkung = 0 €) oder
2. Alt.:
Berichtigung der Schlussbilanz zum 31.12.04 unter Berücksichtigung einer »Quasi«-Einlage.
Buchungssatz: GruBo an Einlage 50 000 € (Gewinnauswirkung = 0 €).
Angleichungsbuchung im Jahr 08. Buchungssatz: GruBo an buchtechnische Einlage 50 000 €.
Beispiel 6:
Der Stpfl. erwirbt im Jahr 01 ein unbebautes Grundstück für private Zwecke. Obwohl er das Grundstück nicht betrieblich nutzt, ist es in den Bilanzen mit den Anschaffungskosten i.H.v. 100 000 € enthalten. Der Teilwert beträgt 250 000 €. Die Jahre 01 bis 03 können nicht mehr geändert werden. Die Veranlagungen 04 bis 06 stehen unter Vorbehalt der Nachprüfung. Die Bilanz 07 liegt dem FA bereits vor. Wir befinden uns im Jahr 08.
Lösung 6:
Lösung wie im Beispiel 5:
Das Grundstück ist notwendiges PV. Der Kauf hat sich steuerlich nicht ausgewirkt, da ein Aktivtausch (Grund und Boden an Bank oder Kasse oder Einlage) [oder Aktiv-Passiv-Tausch (GruBo an Bank als Passivkonto) vorliegt. Eine Bilanzberichtigung ist an der Fehlerquelle im Jahr 01 oder aus Vereinfachungsgründen im Jahr 04 möglich.
Beispiel 7:
Variante zu Beispiel 6:
Der Stpfl. hat im Jahr 03 eine Teilwertabschreibung i.H.v. 30 000 € wegen des Betriebs einer Kompostieranlage in der Nachbarschaft vorgenommen.
Lösung 7:
Eine Berichtigung an der Fehlerquelle ist nicht möglich, da sich durch die Teilwertabschreibung eine steuerliche Auswirkung in einem Zwischenjahr (03) ergibt. Die o.g. Regelung ist hier nicht mehr anwendbar.
Grundsätzlich wäre eine erfolgswirksame Richtigstellung in der Schlussbilanz des ersten noch offenen Jahres erforderlich (vgl. R 4.4 Abs. 1 Satz 9 EStR).
Laut BFH vom 21.6.1972 (BStBl II 1972, 874) und vom 21.10.1976 (BStBl II 1977, 148) kann aus Gründen der Bestandskraft/Verjährung der Vorjahre die vorgenommene Teilwertabschreibung nicht durch Hinzurechnung zum Buchwert rückgängig gemacht werden; es erfolgt eine erfolgsneutrale Berichtigung in der Schlussbilanz des ersten offenen Jahres (keine Bewertung mit dem Teilwert gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG). Vgl. H 4.4 [Zu Unrecht bilanziertes WG des PV] EStH.
Buchungssatz im Jahr 04: Entnahme an Grundstück 70 000 €
Angleichungsbuchung im Jahr 08: Buchtechnische Entnahme an Grundstück 70 000 €
Grundsätzlich erfolgt eine erfolgswirksame Korrektur der Schlussbilanz des ersten offenen Jahres (vgl. R 4.4 Abs. 1 Satz 9 EStR, d.h. Gegenkonto ist Aufwand/Ertrag). Die Anfangsbilanz des ersten offenen Jahres darf grundsätzlich nicht korrigiert werden, weil dies eine unzulässige Durchbrechung des (formellen) Bilanzenzusammenhangs darstellen würde. Denn die Schlussbilanz des vorangegangenen Wirtschaftsjahres hat einer (materiell) bestandskräftigen Veranlagung zu Grunde gelegen (vgl. H 4.4 [Richtigstellung …] EStH).
Anzusetzen ist der Wert, den das WG bei von vorneherein zutreffender Bilanzierung in dieser Bilanz (noch) hätte (vgl. H 4.4 [Richtigstellung …] Satz 2 EStH). Liegt kein Bilanzierungsfehler mehr vor (Ausgleich bereits erfolgt durch Bilanzenzusammenhang), so scheidet eine Berichtigung im späteren Wirtschaftsjahr aus (H 4.4 [Richtigstellung …] Satz 3 EStH).
Beispiel 8:
Eine im Jahr 01 durch den Verkauf von Umlaufvermögen entstandene Kundenforderung i.H.v. 1 190 € (1 000 € netto, 190 € USt) wurde nicht gebucht und im Jahr 05 privat vereinnahmt. Die ESt- und die USt-Bescheide der Jahre 01 bis 03 sind nicht mehr änderbar. Die Jahre 04 und 05 stehen unter Vorbehalt der Nachprüfung und können nach § 164 Abs. 2 AO noch geändert werden
Lösung 8:
Liegt ein fehlerhafter Bilanzansatz vor? |
ja, Forderung = betrieblich |
Welche Bilanzen sind fehlerhaft? |
Jahre 01 bis 04 |
Bilanzberichtigung in den Fehlerjahren möglich? |
|
Steuerliche Auswirkung? |
ja |
Fehlerjahr änderbar? |
nein |
Eine Bilanzberichtigung an der Fehlerquelle scheidet aus, da der Fehler eine steuerliche Auswirkung hat und das Fehlerjahr nach der AO nicht mehr änderbar ist.
Nach R 4.4 Abs. 1 Satz 9 EStR muss daher eine erfolgswirksame Bilanzberichtigung im ersten noch offenen Jahr, hier 04, erfolgen.
Buchungssatz 04:
Forderung |
1 190 € |
an |
Ertrag (WVK) |
1 190 € |
Da die USt-Festsetzung 01 nicht mehr änderbar ist, wird keine USt 01 geschuldet.
Buchungssatz 05:
Privatentnahme |
1 190 € |
an |
Forderung |
1 190 € |
Beispiel 9:
Wie Beispiel 8, aber die Jahre 01 bis 05 sind nicht mehr änderbar.
Lösung 9:
Erstes änderbares Jahr ist 06. In der Anfangsbilanz 06 befindet sich der Fehler nicht mehr, da die Forderung im Jahr 05 schon privat vereinnahmt wurde (H 4.4 [Richtigstellung…] Satz 3 EStH). Es ist keine Bilanzberichtigung möglich.
Beispiel 10:
Eine im Januar 01 für 10 000 € angeschaffte Maschine mit einer Nutzungsdauer von 10 Jahren ist seit Dezember 03 unbrauchbar. Sie ist weiterhin in den Bilanzen enthalten und wird linear abgeschrieben. Die Jahre 01 bis 04 sind nicht mehr änderbar; 05 ist änderbar.
Lösung 10:
Fehlerhafter Bilanzansatz? |
»Maschine«; Bilanzierungsfehler ist durch die unterlassene AfaA in 03 entstanden |
Fehlerjahre? |
03 bis 05 |
Eine Korrektur in den Fehlerjahren 03 und 04 ist nicht möglich, weil sich durch die unterlassene AfaA eine steuerliche Auswirkung ergibt und keine Korrekturvorschrift greift.
Daher erfolgt eine Bilanzberichtigung gem. R 4.4 Abs. 1 Satz 9 EStR in der Schlussbilanz des ersten noch änderbaren Jahres, hier 05, durch erfolgswirksame Richtigstellung, d.h. Ausbuchung des noch vorhandenen Buchwerts über Aufwand (H 4.4 [Richtigstellung …] Satz 2 EStH).
Buchungssatz im Jahr 05:
Aufwand |
5 000 € |
an |
Maschine |
5 000 € |
Für die Jahre 01 bis 05 wurde bereits AfA i.H.v. je 1 000 € gebucht; somit verbleibt ein Restbuchwert von 5 000 €.
Beispiel 11:
Zum 31.12.01 wurden Waren statt mit 70 000 € nur mit 60 000 € bewertet. Das Jahr 01 ist nicht mehr änderbar. In der Bilanz zum 31.12.02 sind die (noch vorhandenen) Waren zutreffend bewertet. 02 ist noch änderbar.
Lösung 11:
Es liegt ein Bilanzierungsfehler in der Schlussbilanz 01 vor. Eine Korrektur im Fehlerjahr ist jedoch nicht möglich, weil sich eine steuerliche Auswirkung ergibt und keine Korrekturmöglichkeit gegeben ist. Grds. ist eine erfolgswirksame Bilanzberichtigung gem. R 4.4 Abs. 1 Satz 9 EStR in der Schlussbilanz 02 (erstes noch änderbares Jahr) vorzunehmen. Hier liegt aber kein Fehler mehr vor, da er sich durch den Bilanzenzusammenhang ausgeglichen hat. Eine Bilanzberichtigung unterbleibt (H 4.4 [Richtigstellung …] Satz 3 EStH).
Vom Grundsatz der erfolgswirksamen Korrektur gibt es von der Rspr. entwickelte Ausnahmen:
a) Bilanzierung von Privatvermögen
Bei einer Bilanzierung von Privatvermögen inkl. (Weiter-)Bilanzierung von bereits in früheren Jahren entnommenem Privatvermögen erfolgt eine gewinnneutrale Ausbuchung des Buchwerts im ersten noch änderbaren Jahr (vgl. H 4.4 [Zu Unrecht bilanziertes WG des PV] EStH). Dabei kommt es nicht zum Ansatz des TW nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Buchungssatz: (»Quasi-«)Entnahme an Anlagevermögen/Umlaufvermögen. Als Ergebnis wird bisher zu Unrecht gewährte AfA nicht rückgängig gemacht bzw. ein früherer Entnahmegewinn wird nicht mehr erfasst. Bei nicht abnutzbaren WG, die zu Unrecht weiter bilanziert werden, kommt eine Korrektur bis zur Fehlerquelle zurück in Betracht, wenn keine steuerlichen Auswirkungen vorliegen.
b) Keine Bilanzierung von notwendigem BV
Bei unterlassener Bilanzierung von notwendigem BV ist eine gewinnneutrale Einbuchung im ersten noch änderbaren Jahr mit dem Wert vorzunehmen, mit dem das WG bei von Anfang an richtiger Bilanzierung zu Buche stehen würde. Hierfür ist eine sog. »Schattenrechnung« zu erstellen. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG greift nicht. Vgl. H 4.4 [Unterlassene Bilanzierung] EStH und H 7.4 [Unterlassene oder überhöhte AfA], 4. Strich EStH.
Buchungssatz: Anlagevermögen/Umlaufvermögen an (»Quasi«-)Einlage.
Ergebnis: Die in den nicht mehr änderbaren Jahren zu Unrecht unterlassene AfA wird nicht nachgeholt. Soweit sie nicht bei anderen Einkünften, z.B. Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, abgezogen wurde, ist die AfA für den Stpfl. damit verloren.
Beispiel 12:
Vgl. H 4.4 [Unterlassene Bilanzierung von notwendigem BV] und [Schattenrechnung] EStH.
Ein über 50 % betrieblich genutzter Pkw wird im Januar 05 für 50 000 € zzgl. 9 500 € USt mit Mitteln angeschafft, die kurz vorher dem BV entnommen wurden. Die Nutzungsdauer des Pkw beträgt sechs Jahre. Die Vorsteuer wurde zutreffend geltend gemacht. Eine Bilanzierung des Pkw wurde irrtümlich unterlassen. Die Jahre 05 bis 07 sind hinsichtlich ESt und USt nicht mehr änderbar. Die Steuerbescheide des Jahres 08 stehen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO.
Lösung 12:
Fall vgl. BFH vom 24.10.2001, BStBl II 2002, 75.
Bei der Nichtaktivierung von gem. R 4.2 Abs. 1 Satz 4 EStR notwendigem BV liegt ein Bilanzierungsfehler vor. Die Bilanzen 05 ff. sind unzutreffend. Eine Bilanzberichtigung im Fehlerjahr 05 ist nicht möglich, weil eine steuerliche Auswirkung gegeben ist und keine Korrekturvorschrift greift. Der Fehler ist im ersten änderbaren Jahr 08 noch vorhanden. Er ist grds. erfolgswirksam zu berichtigen (R 4.4 Abs. 1 Satz 9 EStR). Lt. BFH ist aber eine erfolgsneutrale Richtigstellung im ersten noch änderbaren Jahr vorzunehmen (vgl. H 4.4 [Unterlassene Bilanzierung] EStH). Bei der Ermittlung des Einlagewerts ist von der für den Stpfl. günstigsten Variante auszugehen, um für die restliche noch mögliche AfA ein möglichst hohes AfA-Volumen zu erzielen. In 05 wären gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Netto-AK = 50 000 € einzubuchen gewesen.
lineare AfA |
degressive AfA |
|
Anschaffungskosten netto |
50 000 € |
50 000 € |
AfA 05 |
8 333 € |
12 500 € |
31.12.05 |
41 667 € |
37 500 € |
AfA 06 |
8 333 € |
9 375 € |
31.12.06 |
33 334 € |
28 125 € |
AfA 07 |
8 333 € |
7 031 € |
31.12.07 = Einlagewert 1.1.08 |
25 001 € |
21 094 € |
Der Stpfl. verliert bei Zugrundelegung der linearen AfA am wenigsten AfA-Volumen.
Buchungssätze:
Fuhrpark |
25 001 € |
an |
»Quasi«-Einlage |
25 001 € |
AfA 08 |
8 333 € |
an |
Fuhrpark |
8 333 € |
Die in diesem Beispiel dargestellte Lösung ist abzugrenzen von AfA-Fehlern, bei denen AK als Aufwand gebucht wurden. In diesen Fällen erfolgt die Reaktivierung erfolgswirksam.
c) Verstoß des Stpfl. gegen Treu und Glauben
Eine erfolgsneutrale Bilanzberichtigung ist auch aus Gründen von Treu und Glauben vorzunehmen, wenn Aktiva bewusst zu hoch angesetzt werden (Folge: Ansatz eines niedrigeren Werts) oder Passiva bewusst zu niedrig angesetzt werden (Folge: Ansatz eines höheren Werts).
Dies gilt jedoch nur zuungunsten des Stpfl. und stellt einen Ausnahmefall dar. Vgl. H 4.4 [Berichtigung einer Bilanz], 2. Strich, Satz 2 EStH und H 7.4 [Unterlassene oder überhöhte AfA], 5. Strich EStH. Als Ergebnis wird der Bilanzenzusammenhang durch Korrektur in der Anfangsbilanz des ersten noch änderbaren Jahres unterbrochen. Bisher aus steuerlichen Gründen willkürlich unterlassener Aufwand (z.B. AfA) wird nicht nachgeholt.
Bei außersteuerlichen Gründen gilt dies nicht (BFH vom 3.7.1980, BStBl II 1981, 255).
Bei AfA-Fehlern gilt der Grundsatz der erfolgswirksamen Bilanzberichtigung nach R 4.4 Abs. 1 Satz 9 EStR, jedoch werden die AfA-Fehler nicht in einem Einmalbetrag im ersten offenen Jahr, sondern nur mit Wirkung für die Zukunft (= restliche ND) berichtigt.
Zu hohe AfA bei zu hohem AfA-Satz:
Bei beweglichen und immateriellen WG wird der (Rest-)Buchwert auf die Restnutzungsdauer unter Anwendung der bisherigen AfA-Methode verteilt. Es kommt nicht zur Berichtigung des Buchwerts durch Reaktivierung und Rückgängigmachung der AfA. Bei Gebäuden wird die AfA mit dem zutreffenden Prozentsatz aus der zutreffenden AfA-Bemessungsgrundlage berechnet. Aufgrund der zu hohen AfA in den nicht mehr änderbaren Jahren ergibt sich ein kürzerer Abschreibungszeitraum.
Zu hohe AfA bei zu hoher Bemessungsgrundlage (z.B. Aufwand wurde als AK aktiviert):
Wenn Aufwand als AK aktiviert wurde, wird zunächst der Buchwert erfolgswirksam »abgestockt«; erst danach wird bei beweglichen und immateriellen WG der (Rest-)Buchwert auf die Restnutzungsdauer unter Anwendung der bisherigen AfA-Methode verteilt. Bei Gebäuden wird die AfA mit dem zutreffenden (niedrigeren) Prozentsatz von den zutreffenden AK/HK berechnet.
Zu niedrige AfA bei zu niedrigem AfA-Satz:
Es erfolgt keine Berichtigung des Buchwerts durch »Zusatz-Abschreibung« im ersten offenen Jahr, sondern:
bei beweglichen und immateriellen WG wird der (zu hohe) Restbuchwert auf die Restnutzungsdauer unter Anwendung der bisherigen AfA-Methode verteilt;
bei Gebäuden wird die AfA mit den zutreffenden (höheren) Prozentsatz von den AK/HK berechnet.
Zu niedrige AfA bei zu niedriger Bemessungsgrundlage:
Unterlassene Aktivierung von aktivierungspflichtigen Aufwendungen (z.B. Anschaffungsnebenkosten):
Erfolgswirksame Berichtigung des Buchwerts durch Reaktivierung mit fortgeführten AK/HK im ersten änderbaren Jahr, sodann bei beweglichen und immateriellen WG Verteilung des Restbuchwerts auf die Restnutzungsdauer (mit bisheriger AfA-Methode) und bei Gebäuden Berechnung der AfA mit zutreffendem Prozentsatz von den zutreffenden AK/HK.
In unbedeutenden Fällen wird in der Praxis keine Reaktivierung vorgenommen. Bei beweglichen und immateriellen WG wird die AfA wie bisher und bei Gebäuden mit dem zutreffenden Prozentsatz von zu niedrigen AK/HK berechnet. Der sofortige Abzug als BA gleicht sich hierbei über eine geringere AfA während der Restnutzungsdauer aus.
Komplette Nicht-Aktivierung des WG (als sofort abzugsfähiger Aufwand gebucht):
Erfolgswirksame Reaktivierung mit fortgeführten AK/HK im ersten änderbaren Jahr, sodann
bei beweglichen und immateriellen WG: Verteilung des Restbuchwerts auf die Restnutzungsdauer,
bei Gebäuden: AfA mit zutreffendem Prozentsatz von den zutreffenden AK/HK.
Beispiel 13: »zu hohe Bemessungsgrundlage«
Der Stpfl. erwarb im Januar 01 eine Maschine für 70 000 € netto. Die Nutzungsdauer beträgt 10 Jahre. Die Aktivierung erfolgte mit 100 000 €, da sofort abzugsfähiger Aufwand i.H.v. 30 000 € versehentlich aktiviert wurde. In den Jahren 01 und 02 wurde daher die lineare AfA i.H.v. je 10 000 € gebucht. Die Jahre 01 und 02 sind nicht änderbar. Die Jahre 03 bis 05 sind nach der AO noch änderbar.
Variante: »zu hoher AfA-Satz«
Es wurden nur 70 000 € aktiviert. Die AfA wurde aber auf Basis von 100 000 € berechnet.
Lösung 13:
Es wird eine erfolgswirksame Abstockung im ersten noch änderbaren Jahr durchgeführt. Um die Höhe der Abstockung zu ermitteln, ist in einer Nebenrechnung zu ermitteln, wie hoch der Wert zum 1.1.03 bei richtiger Sachbehandlung wäre.
Maschine |
|
Zugang 01 = AK |
70 000 € |
./. AfA 01 |
7 000 € |
31.12.01 |
63 000 € |
./. AfA 02 |
7 000 € |
31.12.02 |
56 000 € |
Ergebnis: Vor der weiteren AfA-Berechnung ist zunächst der Ansatz der Maschine in 03 auf diesen Wert abzustocken. Eine Durchbrechung des Bilanzenzusammenhangs (Berichtigung des Ansatzes zum 1.1.03) erfolgt nicht.
Kontenentwicklung ab dem Jahr 03
Falls die Buchführung 06 noch offen ist, hat der Stpfl. eine erfolgsneutrale Angleichungsbuchung durchzuführen.
Buchungssatz: buchtechnische Entnahme an Maschine 15 000 €.
Variante:
Die AK i.H.v. 70 000 € hätten als AfA-Bemessungsgrundlage zu Grunde gelegt werden müssen. Der Stpfl. hat eine zu hohe AfA in den Jahren 01 bis 05 geltend gemacht.
Richtigerweise hätte er in den Jahren 01 und 02 nur jeweils 7 000 € AfA geltend machen dürfen. Es hätte sich dann ein Buchwert zum 31.12.02 von 56 000 € ergeben.
Die Jahre 01 und 02 sind jedoch nicht mehr änderbar.
Im Jahr 03 erfolgt keine Aufstockung des Bilanzansatzes der Maschine von 50 000 € auf 56 000 € (keine Erhöhung des Ertrages). Die zu hohe AfA der nicht mehr änderbaren Jahre ist nicht rückgängig zu machen, sondern sie bleibt dem Stpfl. erhalten wegen der Bestandskraft und fehlender Änderungsmöglichkeit nach der AO. Der Restbuchwert lt. Stpfl. ist auf die Restnutzungsdauer zu verteilen: 50 000 € : 8 Jahre = AfA 6 250 € ab dem Wirtschaftsjahr 03.
Maschine |
FA |
Stpfl. |
Änderung |
1.1.03 |
50 000 € |
50 000 € |
0 € |
AfA 03 |
6 250 € |
10 000 € |
./. 3 750 € |
31.12.03 |
4 350 € |
40 000 € |
+ 3 750 € |
AfA 04 |
6 250 € |
10 000 € |
./. 3 750 € |
31.12.04 |
37 500 € |
30 000 € |
+ 7 500 € |
AfA 05 |
6 250 € |
10 000 € |
./. 3 750 € |
31.12.05 |
31 250 € |
20 000 € |
+ 11 250 € |
Beispiel 14:
Der Stpfl. erwirbt im Januar 01 eine Maschine für 100 000 € netto und verbucht diesen Vorgang als sofort abzugsfähigen Aufwand. Die Nutzungsdauer beträgt 20 Jahre. Die Jahre 01 und 02 sind nach der AO nicht mehr änderbar. Die Jahre 03 bis 05 sind noch änderbar.
Lösung 14:
Bei kompletter Nicht-Aktivierung des WG (als sofort abzugsfähiger Aufwand gebucht) ist eine erfolgswirksame Reaktivierung (Aufstockung) mit den fortgeführten AK/HK im ersten änderbaren Jahr vorzunehmen. Um die Höhe der Aufstockung zu ermitteln, ist in einer Nebenrechnung zu ermitteln, wie hoch der Wert zum 1.1.03 bei richtiger Sachbehandlung wäre. Bei beweglichen WG wird dieser Restbuchwert auf die Restnutzungsdauer verteilt:
Maschine |
|
Zugang 01 = AK |
100 000 € |
./. AfA 01 |
5 000 € |
31.12.01 |
95 000 € |
./. AfA 02 |
5 000 € |
31.12.02 |
90 000 € |
FA |
Stpfl. |
Änderung |
|
= 1.1.03 |
0 € |
0 € |
0 € |
+ Aufstockung = Ertrag 03 |
90 000 € |
0 € |
+ 90 000 € |
Zwischenergebnis |
90 000 € |
0 € |
|
./. AfA 03 (90 000 : 18 Jahre Rest-ND) |
5 000 € |
0 € |
+ 5 000 € |
BW 31.12.03 |
85 000 € |
0 € |
+ 85 000 € |
./. AfA 04 |
5 000 € |
0 € |
+ 5 000 € |
BW 31.12.04 |
80 000 € |
0 € |
+ 80 000 € |
./. AfA 05 |
5 000 € |
0 € |
+ 5 000 € |
BW 31.12.05 |
75 000 € |
0 € |
+ 75 000 € |
Wurden bei nicht abnutzbaren WG (Grund und Boden) die AK/HK versehentlich nicht aktiviert, sondern als Aufwand gebucht, ist eine erfolgswirksame Richtigstellung vorzunehmen: »Grund und Boden an Ertrag«. Dies gilt auch, wenn Aufwand versehentlich aktiviert wurde: Die erfolgswirksame Richtigstellung wird durch die Buchung »Aufwand an Grund und Boden« erreicht.
Wurde hingegen die Einlage des Grund und Bodens nicht gebucht, ist eine erfolgsneutrale Einbuchung erforderlich (s.o. unter »erfolgsneutrale Bilanzberichtigung«).
Grundsätzlich ist eine Bilanzänderung verboten. Ausnahmsweise ist sie zulässig, wenn sie in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung steht. Dabei ist sie beschränkt auf die Höhe der gegenläufigen Auswirkung der Bilanzberichtigung (= Kompensation). Im Gegensatz zur Bilanzberichtigung besteht bei der Bilanzänderung keine Anzeigepflicht des Stpfl. gem. § 153 AO, weil keine Fehler (zuungunsten) vorliegen.
Weiterhin müssen verschiedene zulässige Bilanzierungs- (=Ansatzwahlrecht) oder Bewertungsmöglichkeiten (= mindestens zwei Wertansatzmöglichkeiten) bestehen, z.B. durch
lineare oder degressive AfA (§ 7 Abs. 2 EStG),
lineare Gebäude-AfA bei tatsächlich kürzerer Nutzungsdauer (§ 7 Abs. 4 Satz 2 EStG; der Referentenentwurf des Jahressteuergesetzes 2022 sieht in seinem Artikel 4 »Weitere Änderung des Einkommensteuergesetzes [1.1.2023]« unter der Nr. 1 vor, dass § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG aufgehoben wird),
Wahlrecht zur innerbilanziellen Herabsetzung der AK gem. § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG,
erhöhte AfA gem. § 7g Abs. 5 EStG oder weitere Sonder-AfA (Baudenkmäler usw.),
GWG-Regelung,
Lifo-Verfahren,
Bildung steuerfreier Rücklagen (§ 6b EStG, R 6.6 EStR),
Aktivierung von Gemeinkosten als HK,
Behandlung von Zuschüssen (R 6.5 EStR).
Dabei ist zu beachten, dass Sachverhalte/geschehene Geschäftsvorfälle nicht rückwirkend beseitigt oder begründet werden können.
Beispiele:
Rückwirkende Entnahmen und Einlagen sind nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs nicht möglich, da sie tatsächliche Vorgänge darstellen, die im Nachhinein nicht mehr verändert werden können.
Wahlrechte bei willkürbarem Vermögen (s. H 4.2 Abs. 9 [Nachweis] EStH).
Ohne vorhergehende Bilanzberichtigung kann eine Bilanzänderung nicht erfolgen.
Beispiele für in Frage kommende Bilanzpositionen sind
WG,
Schulden (auch die Erfassung von Mehrsteuern infolge geänderter Veranlagungen z.B. aus Prüfungen ist eine Bilanzberichtigung),
Rückstellungen,
RAP,
Rücklagen (§ 6b EStG-Rücklage, R 6.6 EStR),
Entnahmen und Einlagen (BMF vom 13.8.2008, BStBl I 2008, 845).
Nicht ausreichend sind Änderungen des Gewinns (nur) durch Zurechnungen/Abrechnungen außerhalb der Bilanz, z.B.
§ 4 Abs. 5 EStG,
§ 4 Abs. 4a EStG,
§ 7g Abs. 1 EStG (Investitionsabzugsbetrag),
§ 7g Abs. 2 Satz 1 EStG (außerbilanzielle Zurechnung)
§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (vGA),
§ 8b Abs. 5 KStG,
steuerfreie Einnahmen.
Die Frage der verfahrensrechtlichen Änderbarkeit von Steuerbescheiden nach § 164 Abs. 2 AO ist von den materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Bilanzänderung zu trennen (vgl. BFH Urteil vom 14.2.2007, XI R 16/05, BFH/NV 2007, 1293). Die Änderbarkeit nach § 164 Abs. 2 AO ist Voraussetzung dafür, dass sich eine Bilanzänderung noch steuerlich auswirken kann. Die Voraussetzungen der Bilanzänderung werden aber durch § 164 Abs. 2 AO in keiner Weise berührt, sondern allein durch § 4 Abs. 2 EStG bestimmt. So führt der Umstand, dass ein Bescheid unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, nicht dazu, dass Bilanzen nach Einreichen beim Finanzamt beliebig geändert werden können.
Bilanzberichtigung und Bilanzänderung beziehen sich beide auf dieselbe Bilanz. Sie müssen sich aber nicht auf das gleiche WG derselben Bilanz beziehen. Vgl. auch BMF vom 18.5.2000, BStBl I 2000, 587.
Die Bilanzänderung ist bis zur Höhe des gesamten Berichtigungsbetrages zulässig (z.B. Bilanzberichtigung für WG 1 und Bilanzänderung für WG 2 in derselben Bilanz).
Bei einer → Mitunternehmerschaft beziehen sich sowohl die Bilanzberichtigung als auch die Bilanzänderung auf die Bilanz der Mitunternehmerschaft, also auf Gesamthands-, Ergänzungs- und Sonderbilanz. So kann bei einer Bilanzberichtigung in der Gesamthandsbilanz eine Bilanzänderung in der Ergänzungs- oder Sonderbilanz des Mitunternehmers zugelassen werden.
Die Bilanz wird unverzüglich nach einer Bilanzberichtigung geändert, formal durch Einreichung einer geänderten Bilanz. Sicher zulässig ist dies vor Änderung der Veranlagung wegen der Bilanzberichtigung. Wurde die Veranlagung durchgeführt und ist sie noch nicht bestandskräftig, so gilt nach BMF vom 23.3.2001 (BStBl I 2001, 244) Folgendes:
Streitgegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens ist nicht die Bilanzberichtigung: Der Antrag ist möglich bis zum Ablauf der Rechtsbehelfsfrist.
Streitgegenstand des Rechtsbehelfsverfahrens ist die Bilanzberichtigung: Der Antrag ist möglich bis zum Ablauf des außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens (späterer Antrag könnte verfahrensrechtlich nicht mehr berücksichtigt werden).
Die Gewinnminderung der Bilanzänderung ist begrenzt auf die Gewinnerhöhung, die aufgrund der vorangegangenen Bilanzberichtigung eintritt (Kompensation). Maßgebend ist der Saldo der Bilanzberichtigungen. Beruht eine Gewinnerhöhung durch die Betriebsprüfung ausschließlich auf der Erhöhung außerbilanzieller Hinzurechnungen, so ist eine Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG zum Ausgleich dieser Gewinnerhöhung nicht zulässig (BFH vom 27.5.2020, XI R 8/18, BStBl II 2020, 772).
Beispiel 15:
Die Korrektur der Warenbewertung 02 erfolgt durch die Erhöhung des Warenendbestands um 50 000 €. Auf Antrag des Stpfl. wird die AfA durch die Wahl der erhöhten AfA nach § 7g Abs. 5 und 6 EStG für 02 erhöht.
Lösung 15:
Eine Bilanzänderung ist zulässig, da für die Bilanzposition Waren eine Bilanzberichtigung durchgeführt werden muss und für die AfA nach § 7g Abs. 5 und 6 EStG ein Wahlrecht besteht.
Beispiel 16:
Der Gewinn vor Bp beträgt 12 000 €; der Gewinn nach Bp beträgt ./. 5 000 € (Bp-Minderergebnis). Es ist die einzige Einkunftsart.
Lösung 16:
Eine Bilanzänderung ist bis zu + 17 000 € möglich zur Ausnutzung des Eingangsbereichs des ESt-Tarifs (z.B.: Sonder-AfA verschieben).
Beispiel 17:
Nach den Feststellungen der Bp wurde Warenbestand zum 31.12.01 um 30 000 € zu niedrig bewertet. Zugleich erfolgt eine Erhöhung der Rückstellungen um 20 000 €. Eine im Januar 01 für 300 000 € netto angeschaffte Maschine mit einer Nutzungsdauer von 10 Jahren wurde bisher linear abgeschrieben. Der Stpfl. beantragt im Rahmen der Schlussbesprechung die Sonder-AfA gem. § 7g Abs. 5 und 6 EStG für die Maschine i.H.v. 20 % (Voraussetzungen erfüllt).
Lösung 17:
Bilanzberichtigung |
= Erhöhung Warenendbestand |
= Gewinn |
+ 30 000 € |
= Passivierung Rückstellungen |
= Gewinn |
./. 20 000 € |
|
Summe Bilanzberichtigungen |
+ 10 000 € |
||
Bilanzänderung |
= § 7g-AfA zusätzlich 60 000 €, max. aber |
./. 10 000 € |
Beispiel 18:
Der Stpfl. entnimmt ein Grundstück zum Buchwert. Das FA setzt gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG den höheren TW an und erhöht den Gewinn um 30 000 €. Der Stpfl. beantragt eine gegenläufige Bilanzänderung (Voraussetzungen erfüllt).
Lösung 18:
Die Bilanzänderung ist zulässig, da auch die Korrektur der Entnahme eine Bilanzberichtigung darstellt
(vgl. BFH vom 31.5.2007, IV R 54/05, BStBl II 2008, 665).
Beispiel 19:
Die BP für die Jahre 01 bis 03 aktiviert bei einer im Januar 01 angeschafften und linear abgeschriebenen Maschine 25 000 € als Aufwand gebuchte AK zu den bisherigen 150 000 € nach. Die Nutzungsdauer beträgt 10 Jahre. Der Stpfl. beantragt die Sonder-Abschreibung nach § 7g Abs. 5 und 6 EStG (Voraussetzungen erfüllt).
Lösung 19:
Jahr 01:
Nachaktivierung = Gewinn |
+ 25 000 € |
|
Mehr lineare AfA |
./. 2 500 € |
|
Bilanzberichtigung |
+ 22 500 € |
|
Bilanzänderung § 7g EStG |
175 000 € × 20 % = 35 000 € max. |
./. 22 500 € |
Jahre 02 und 03:
Lineare AfA lt. Stpfl. |
15 000 € |
|
Lineare AfA lt. FA |
17 500 € |
|
Bilanzberichtigung |
Mehr lineare AfA |
./. 2 500 € |
Bilanzänderung |
Kein Raum für § 7g-AfA |
0 € |
Jahr 04:
Da die Bilanz des Jahres 04 noch nicht eingereicht ist, kann der Rest der § 7g-AfA i.H.v. 12 500 € (35 000 € abzüglich der in 01 in Anspruch genommenen AfA i.H.v. 22 500 €) abgezogen werden.
Fraglich ist, ob die Bilanzänderung zur Berücksichtigung eines Wahlrechts (z.B. der § 6b-Rücklage) im Rahmen einer Schlussbesprechung zulässig ist, obwohl das Wahlrecht zur Zeit der Erstellung der Bilanz noch gar nicht ausgeübt werden konnte, weil der Gewinn aus der Veräußerung z.B. eines Lagerplatzes nicht erfasst wurde.
Nach Verwaltungsauffassung (R 4.4 Abs. 2 Satz 3 EStR) liegt keine Bilanzänderung vor, wenn sich einem Stpfl. erst nach Einreichung der Bilanz die Möglichkeit eröffnet, erstmalig sein Wahlrecht auszuüben. Die Formulierung des Richtliniengebers könnte irrtümlich dahingehend ausgelegt werden, dass in diesen Fällen das Wahlrecht nicht nachträglich ausgeübt werden kann. Die Meinung der Verwaltung wird deutlich aus der im BStBl Teil II veröffentlichten und damit von der Verwaltung anzuwendenden BFH-Rechtsprechung. Der BFH (Urteil vom 25.1.2006, IV R 14/04, BStBl II 2006, 418 und Urteil vom 27.9.2006, IV R 7/06, BStBl II 2008, 600) lässt die nachträgliche Ausübung des Wahlrechts ohne die Einschränkungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG zu, sodass der Stpfl. das Wahlrecht unabhängig von der Frage ausüben kann, ob die Voraussetzungen für eine Bilanzänderung vorliegen. Sofern die bisher fehlende Ausübung des Wahlrechts in der ursprünglichen Bilanz jedoch auf einem zumindest fahrlässigen Verhalten des Stpfl. beruht, ist der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG grundsätzlich eröffnet und die Voraussetzungen einer Bilanzänderung müssen gegeben sein. Handelte der Stpfl. mindestens fahrlässig, übt er das Wahlrecht (z.B. § 6b EStG) nicht erstmalig aus, wenn der Veräußerungsgewinn später im Rahmen einer BP festgestellt wird. Denn dem Stpfl. kann vorgeworfen werden, dass er bei Aufstellung der Bilanz von dem Veräußerungsgewinn gewusst hat, diesen aber nicht angesetzt hat und somit auch keine Rücklage i.S.d. § 6b Abs. 3 EStG bilden wollte.
Lagen die Voraussetzungen für eine innerbilanzielle Wahlrechtsausübung nach § 7g Abs. 2 Satz 2 EStG a.F. bereits zur Zeit der Einreichung der Bilanz vor und hat der Stpfl. dies nicht erkannt, so ist die Beschränkung der Bilanzänderung durch § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BFH vom 27.5.2020, XI R 12/18, BStBl II 2020, 779).
Die beschriebenen Grundsätze gelten auch für Feststellungsbescheide.
Dementsprechend wird verfahren, wenn
der Feststellungsbescheid nach den Vorschriften der AO korrigiert werden kann oder
die Bilanzberichtigung sich nicht auf die Höhe des festgestellten Betrages auswirkt.
Ebenso finden diese Grundsätze Anwendung auf eine Richtigstellung durch das FA.
Atilgan, Die Folgen der Missachtung des Wertaufhellungsprinzips gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, NWB 7/2017, 520; Schoor, Bilanzänderung – Restriktionen und Gestaltungswege, StBp 9/18, 261; Kolbe, Formeller Bilanzenzusammenhang und »überholte« Bilanzberichtigung, StuB 23/2023, 936.
→ Anzeige- und Berichtigungspflicht gem. § 153 AO
→ Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden
→ Bilanz
→ Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO
Redaktioneller Hinweis:
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