Günstigerprüfung

Stand: 16. Dezember 2022

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei der Günstigerprüfung prüft das Finanzamt, welche Möglichkeit für Sie steuerlich günstiger ist.
  • Automatisch wird eine Günstigerprüfung unter anderem in den folgenden Bereichen durchgeführt:
    • Kinder: Für Kinder, für die ein Anspruch auf Kindergeld besteht, prüft das Finanzamt, ob die Auszahlung von Kindergeld oder ein Kinderfreibetrag für Sie günstiger ist.
    • Rieser-Rente: Haben Sie einen Riester-Renten-Vertrag, prüft das Finanzamt, ob Sie Beiträge als Sonderausgabe geltend machen können.
  • Bei der Besteuerung von Kapitalerträgen wird keine automatische Prüfung vorgenommen. Sie können aber eine Günstigerprüfung beantragen. Das Finanzamt prüft dann, ob Ihnen zu viel gezahlte Steuern (Abgeltungssteuer) zurückerstattet werden.

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeines
2 Die Günstigerprüfung beim Familienleistungsausgleichs
3 Die Günstigerprüfung bei den Vorsorgeaufwendungen und bei der Vorsorgepauschale (§ 10 Abs. 4a und § 10c Abs. 5 EStG)
4 Günstigerprüfung bei den Altersvorsorgebeiträgen nach § 10a EStG
5 Günstigerprüfung im Rahmen der Abgeltungsteuer
6 Günstigerprüfung bei den außerordentlichen Einkünften (§ 34 Abs. 1 EStG)
7 Günstigerprüfung bei der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Nr .4 EStG)
8 Literaturhinweise
9 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeines

Zu den Aufgaben des Finanzamtes gehört die Günstigerprüfung. Die Günstigerprüfung findet sich in der Einkommensteuer in den folgenden Bereichen:

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  • beim Familienleistungsausgleich,

  • bei der Vorsorgepauschale (§ 10c EStG) und bei den Vorsorgeaufwendungen (§ 10 EStG) im Bereich der → Sonderausgaben,

  • bei der Altersversorgung (§ 10a EStG),

  • bei der Antragsveranlagung bei privaten Kapitalerträgen i.R.d. Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 6 EStG) und

  • bei der Berechnung von außerordentlichen Einkünften (→ Außerordentliche Einkünfte; § 34 Abs. 1 EStG)

  • bei der Berechnung nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG (Entfernungspauschale oder tatsächliche Kosten).

Die Techniken sind zwar vergleichbar, die Anwendungsbereiche jedoch so unterschiedlich, dass sie getrennt dargestellt werden.

2. Die Günstigerprüfung beim Familienleistungsausgleichs

Seit dem VZ 1996 werden beim → Familienleistungsausgleich die Kinder nach Maßgabe des dualen Konzepts berücksichtigt (§ 31 EStG). Bereits früher gab es eine pauschale kumulative Berücksichtigung durch das → Kindergeld einerseits und durch einen degressiv wirkenden Kinderfreibetrag andererseits. Dieses rein duale Modell ist ab 1996 durch das Optionsmodell verfeinert worden. Das neu kreierte Optionsmodell bedeutet in diesem Zusammenhang, dass aufgrund einer Vergleichsrechnung bei der Veranlagung die günstigste Entlastung für den Steuerbürger berechnet wird.

Die Steuerfreistellung des Existenzminimums des Kindes wird entweder durch Kindergeldzahlung oder die Gewährung eines Kinderfreibetrages i.R.d. ESt-Veranlagung des/der Berechtigten erzielt. Im laufenden Kj. wird das Kindergeld als steuerfreie Vergütung monatlich ausbezahlt (§§ 62 ff. EStG).

In seinem Urteil vom 15.3.2012 (III R 82/09) hat der BFH entschieden, dass bei der Prüfung der Frage, ob der Abzug der Kinderfreibeträge für den Steuerpflichtigen vorteilhafter ist als das Kindergeld, nicht auf das (tatsächlich) gezahlte Kindergeld, sondern auf den Anspruch auf Kindergeld abzustellen ist. Das gilt auch dann, wenn ein Kindergeldantrag trotz des materiell-rechtlichen Bestehens des Anspruchs bestandskräftig abgelehnt worden ist. Ein Kindergeld-Ablehnungsbescheid entfaltet für das Besteuerungsverfahren keine Tatbestandswirkung mit der Folge, dass das Finanzamt die negative Entscheidung über einen Kindergeldanspruch durch die Familienkasse im Besteuerungsverfahren zu übernehmen hätte. Ab dem Veranlagungszeitraum 2004 erfolgt bei der Günstigerprüfung nach § 31 Satz 4 EStG nach Abzug eines Kinderfreibetrags die Hinzurechnung des hälftigen Kindergeldes. Das der Verfahrensvereinfachung dienende alleinige Abstellen auf den Kindergeldanspruch unabhängig von der tatsächlichen Vereinnahmung des hinzugerechneten Betrages ist verfassungsgemäß (vgl. BFH vom 20.12.2012 III R 29/12, BFH/NV 2013, 723), vgl. FG Sachsen-Anhalt vom 25.6.2013, 5 K 1082/09.

Bei der ESt-Veranlagung wird sodann von Amts wegen die sog. Günstigerprüfung für jedes Kind getrennt durchgeführt. Dies gilt auch dann, wenn eine Zusammenfassung der Freibeträge für zwei und mehr Kinder wegen der Besteuerung außerordentlicher Einkünfte nach § 34 Abs. 1 EStG (sog. Fünftelregelung) günstiger wäre (BFH Urteil vom 28.4.2010, III R 86/07). Begonnen wird mit dem ältesten Kind.

Ist im Ergebnis die gebotene Freistellung durch das Kindergeld nicht voll bewirkt, sind in der ESt-Veranlagung gem. § 32 Abs. 6 EStG der Kinderfreibetrag und ab VZ 2000 der Betreuungsfreibetrag abzuziehen. Letzterer wurde ab VZ 2002 um einen Erziehungs- und Ausbildungsbetrag erweitert.

Bei der Vergleichsrechnung werden zwei Rechenergebnisse miteinander verglichen, nämlich die tarifliche ESt nach Abzug der Freibeträge (ESt I) mit derjenigen ohne Berücksichtigung der Freibeträge (ESt II).

Diese Rechnung

ESt II – ohne Freibeträge

./. ESt I – mit Freibeträgen

führt zwangsläufig zu einer

Differenz

Im nächsten Schritt wird diese Differenz mit dem gezahlten Kindergeld verglichen. Hierbei kommt es nicht auf die tatsächliche Zahlung des Kindergeldes an. Entscheidend ist nur, dass ein entsprechender Anspruch besteht (vgl. auch BFH vom 13.9.2012, V R 59/10 und vom 15.3.2012, III R 82/09)

Bei der Hinzurechnung des Kindergeldanspruchs nach § 31 Satz 4 EStG kommt es nicht darauf an ob das Kindergeld tatsächlich ausgezahlt wurde. Der Kindergeldanspruch ist der tariflichen Einkommensteuer auch dann hinzuzurechnen, wenn die Festsetzung des Kindergeldes von der Familienkasse bestandskräftig abgelehnt worden ist. Das FA ist an die rechtliche Einschätzung der Familienkasse nicht gebunden und prüft im Rahmen des § 31 Satz 4 EStG allein das materiell-rechtliche Bestehen des Kindergeldanspruchs. Die materiell-rechtlich wirkende Einschränkung des Kindergeldanspruchs nach § 66 Abs. 3 EStG führt nicht dazu, dass auch § 31 Satz 4 EStG dahingehend zu verstehen ist, dass nur das tatsächlich unter Beachtung der Frist des §§ 66 Abs. 3 EStG an den Berechtigten gezahlte Kindergeld dem Umfang des der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnenden Anspruchs entspricht, vgl. FG Hessen vom 17.9.2019, 6 K 174/19.

Zwei Ergebnisse sind denkbar:

  1. Entweder ist die Steuer-Differenz > Kindergeld

  2. oder das bezahlte Kindergeld > Steuer-Differenz.

Im ersten Fall ist die (degressive) Entlastungswirkung der Freibeträge offensichtlich höher als die aktive Förderung mit Kindergeld. Hier wird sodann die tarifliche ESt (unter Berücksichtigung der Freibeträge gem. § 32 Abs. 6 EStG) angesetzt; das erhaltene Kindergeld wird sodann gem. § 31 Satz 4 EStG i.V.m. § 36 Abs. 2 EStG mit der tariflichen ESt verrechnet; dies ergibt die festzusetzende ESt.

Im zweiten Fall wurde mehr Kindergeld ausgezahlt, als dies nach einer rein tariflichen Berechnung der Fall gewesen wäre. Hier bleibt es bei der Auszahlung; ein evtl. überschießender Betrag muss nicht zurückgezahlt werden. Das »Mehr« an staatlicher Familienleistung dient der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG).

Mit dieser verbesserten Optionslösung sind die ideologischen Bedenken weitgehend ausgeräumt, die als Reaktion auf die drei Familienbeschlüsse des BVerfG (BVerfG Beschlüsse vom 10.11.1998, BStBl II 1999, 182) laut wurden. Mit dieser Rspr. hatte das BVerfG die fehlende Entlastungswirkung für Eltern mit höherem Einkommen (für die Streitjahre 1985, 1987 und 1988) gerügt, wonach die damalige duale Regelung dem verfassungsrechtlichen Petitum einer höheren Entlastung bei höherem Einkommen nicht gerecht wurde.

Die weiteren Anregungen des BVerfG, wonach die steuerliche Entlastungswirkung mit dem sozialhilferechtlichen Existenzminimum verglichen werden müsse und dieses nicht unterschreiten dürfe sowie das verfassungswidrige Vorenthalten der Kinderbetreuungskosten und des Haushaltsfreibetrages für die eheliche Erziehungsgemeinschaft, sind zwischenzeitlich vom Gesetzgeber umgesetzt worden. Berücksichtigt werden

  • nicht nur das sächliche Existenzminimum gem. § 32 Abs. 6 Satz 1, 1. Tatbestand EStG (Kinderfreibetrag), sondern auch

  • der Ausbildungs- und Erziehungsbedarf des Kindes (§ 32 Abs. 6 Satz 1, 2. Tatbestand EStG) und

  • beides in entsprechender Größenordnung.

3. Die Günstigerprüfung bei den Vorsorgeaufwendungen und bei der Vorsorgepauschale (§ 10 Abs. 4a und § 10c Abs. 5 EStG)

Sowohl für die Berechnung des Höchstbetrages der Vorsorgeaufwendungen als auch für die Berechnung der Vorsorgepauschale sind ab 2005 Übergangsregelungen geschaffen worden.

Der Höchstbetrag der abziehbaren Vorsorgeaufwendungen kann gemäß § 10 Abs. 4a EStG in den VZ 2005 bis 2019 noch nach dem bis zum VZ 2004 geltenden Verfahren berechnet werden. Dabei sinkt der anzusetzende Vorwegabzug allerdings ab dem Jahr 2011 kontinuierlich ab. Das Finanzamt hat eine entsprechende Günstigerprüfung von Amts wegen vorzunehmen. Welche Aufwendungen in die Höchstbetragsrechnung einzubeziehen sind, richtet sich aber ausschließlich nach der ab 2005 gültigen Rechtslage. Im Rahmen dieser Günstigerprüfung werden nach § 10 Abs. 4a EStG i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) bereits ab dem 1.1.2006 Beiträge zu einer Rente nach § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG (sog. Rürup-Rente) stets mit dem sich aus § 10 Abs. 3 Satz 4 und 6 EStG ergebenden Prozentsatz (Veranlagungszeitraum 2010: 70 %) berücksichtigt, ggfs. zusätzlich über einen (nach neuem Recht begrenzten) Erhöhungsbetrag zu den sich aus der Tabelle ergebenden Höchstbeträgen.

Ab dem VZ 2010 wurde die steuerliche Berücksichtigung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und Pflegepflichtversicherung (sog. Basisabsicherung) durch das sog. Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung (BGBl I 2009, 1959) verbessert. Beiträge zu diesen Versicherungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG 2010) können ab dem VZ 2010 in vollem Umfang als Sonderausgaben berücksichtigt werden (§ 10 Abs. 4 Satz 4 EStG). Im Rahmen einer »kleinen« Günstigerprüfung wird daher zunächst geprüft, ob der Abzug der tatsächlichen Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG 2010 oder der alleinige Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge günstiger ist. Diese Prüfung nimmt das Finanzamt von Amts wegen vor.

Die Regelung über die beschränkte Abziehbarkeit von sonstigen Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG i.d.F. des BürgEntlG KV) ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; vgl. BFH vom 9.9.2015, X R 5/13, BStBl II 2015, 1043.

Beispiel:

Kranken- und Pflegeversicherungen VZ 2010 (angelehnt an BMF online »Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung« Abschn. 3.5):

Der Stpfl. A ist ledig und privat krankenversichert. Er hat weder einen Anspruch auf Beihilfe zu seinen Krankheitskosten noch erhält er einen steuerfreien Zuschuss zu seiner Krankenversicherung. Er zahlt im Jahr 2010 einen Krankenversicherungsbeitrag i.H.v. 2 000 €, wovon 20 % der Finanzierung von Komfortleistungen dienen (Basiskrankenversicherung somit 1 600 €). Für eine Pflegepflichtversicherung hat er 500 € gezahlt und andere sonstige Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG) i.H.v. 2 500 € getätigt.

Berechnung nach § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG für VZ 2010:

Beiträge zur Krankenversicherung

2 000 €

Beiträge zur Pflegeversicherung

500 €

Weitere sonstige Vorsorgeaufwendungen

2 500 €

Summe

5 000 €

Höchstens nach § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG

2 800 €

Vergleichsberechnung nach § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG (»kleine« Günstigerprüfung):

Mindestens jedoch Basiskrankenversicherung

1 600 €

Zzgl. Pflegepflichtversicherung

500 €

Höchstens nach § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG

2 100 €

Ansatz nach § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG

2 800 €

Ansatz nach § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG

2 100 €

Ergebnis der »kleinen« Günstigerprüfung:

Anzusetzen sind

2 800 €

Alternative: Die Aufwendungen für die private Krankenversicherung von A belaufen sich auf 5 000 €, davon entfallen 20 % auf Komfortleistungen (Basiskrankenversicherung somit 4 000 €):

Berechnung nach § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG für VZ 2010:

Beiträge zur Krankenversicherung

5 000 €

Beiträge zur Pflegepflichtversicherung

500 €

Weitere sonstige Vorsorgeaufwendungen

2 500 €

Summe

8 000 €

Höchstens nach § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG

2 800 €

Vergleichsberechnung nach § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG (»kleine« Günstigerprüfung):

Mindestens jedoch Basiskrankenversicherung

4 000 €

Zzgl. Pflegepflichtversicherung

500 €

Höchstens nach § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG

4 500 €

Ansatz nach § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG

2 800 €

Ansatz nach § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG

4 500 €

Ergebnis der »kleinen« Günstigerprüfung:

Anzusetzen sind

4 500 €

Wie das Beispiel zeigt, ist der Unterschied der zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen i.R.d. § 10a Abs. 4 EStG davon abhängig, wie viele Beiträge für die Basisabsicherung in Kranken- und Pflegeversicherung geleistet wurden. Ist der Ansatz nach § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG günstiger (nur Basisabsicherung), so scheidet ein Ansatz übriger Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG (z.B. Wahlleistungen bei KV/PV, Haftpflichtversicherungen, Beiträge zu Kapitallebensversicherungen nach altem Recht) aus.

Die Vergleichsberechnung mit der Rechtslage bis zum VZ 2004 findet nach § 10 Abs. 4a EStG weiterhin statt. Hierfür werden die abziehbaren Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 3 EStG (gesetzliche Rentenversicherung und geförderte private Rentenversicherungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a bzw. b EStG) und Abs. 4 (s. zuvor) mit den nach der Rechtslage 2004 abziehbaren Vorsorgeaufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 3a EStG in der aktuellen Fassung verglichen (»große« Günstigerprüfung). Die Einfügung von § 10 Abs. 1 Nr. 3a in die Vergleichsberechnung zum VZ 2010 ist gesetzestechnisch notwendig gewesen, da der »alte« § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG im Zuge der Änderung bei den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherungen in § 10 Abs. 1 Nr. 3 und 3a EStG aufgespalten wurde.

Zusammenfassendes Beispiel (VZ 2018):

Der ledige Stpfl. A ist Arbeitnehmer (ArbN) mit einem Bruttoarbeitslohn von 40 000 € im Jahr 2018. Er ist in der gesetzlichen Rentenversicherung und Krankenversicherung pflichtversichert. Folgende Vorsorgeaufwendungen macht A in seiner Steuererklärung 2018 geltend:

  • ArbN-Anteil zur gesetzlichen Rentenversicherung: 3 900 €,

  • ArbG-Anteil zur gesetzlichen Rentenversicherung: 3 900 €,

  • Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung (nur Basisabsicherung): 2 500 €,

  • Haftpflichtversicherungen: 800 €,

  • Kapitallebensversicherung (Altvertrag): 1 200 €,

  • Beiträge zu einer privaten Basisrente: 1 800 €.

Lösung:

Abziehbar nach § 10 Abs. 3 EStG

ArbN-Anteil zur Rentenversicherung

3 900 €

ArbG-Anteil zur Rentenversicherung

3 900 €

Beiträge zur privaten Basisrente

1 800 €

Summe

9 600 €

Höchstbetrag

47 424 €

Anzusetzen ist der niedrigere Betrag

9 600 €

Davon 88 %

8 448 €

Abzüglich steuerfreier ArbG-Anteil

./. 3 900 €

Zusätzlich abziehbare Sonderausgaben (Basisversorgung)

4 548 €

Abziehbar nach § 10 Abs. 4 EStG

Zunächst: Abzug nach § 10 Abs. 4 Satz 1 EStG

Krankenversicherung

2 500 €

Haftpflichtversicherungen

800 €

Kapitalversicherung (88 % von 1 200 €)

1 056 €

Summe der Beiträge

4 356 €

Höchstbetrag

1 900 €

Vergleichsberechnung nach § 10 Abs. 4 Satz 4 EStG

Mindestens Basiskrankenversicherung

2 500 €

Somit abziehbar (Ergebnis »kleine« Günstigerprüfung)

2 500 €

Abziehbare Sonderausgaben (sonstige Vorsorgeaufwendungen)

2 500 €

Sonderausgaben insgesamt (4 548 € zuzüglich 2 500 €)

7 048 €

4. Günstigerprüfung bei den Altersvorsorgebeiträgen nach § 10a EStG

Durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens vom 26.6.2001 ist mit § 10a EStG ein zusätzlicher Sonderausgaben-Abzug für Altersvorsorgebeiträge eingeführt worden. Der Sonderausgabenabzug ist Teil eines Instrumentariums, mit dem auch Beziehern kleinerer Einkommen und kinderreichen Familien die Möglichkeit eröffnet werden soll, eine staatlich geförderte private Altersvorsorge aufzubauen. Die Finanzverwaltung hat erstmals mit BMF-Schreiben vom 17.11.2004 (BStBl I 2004, 1065) eingehend zu der steuerlichen Förderung der privaten Altersvorsorge und betrieblichen Altersversorgung Stellung genommen. Dieses Schreiben wurde in der Zwischenzeit mehrfach abgelöst. Aktuell ist für den Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG das BMF-Schreiben vom 31.3.2010 (BStBl I 2010, 270) zu beachten.

Der Sonderausgabenabzug führt im Zusammenwirken mit dem neuen § 22 Nr. 5 EStG zu einer erst nachgelagerten Besteuerung, die grundsätzlich erst dann eingreift, wenn die Versorgungsleistungen später zufließen. Die steuerliche Förderung nach § 10a EStG war eine Reaktion auf die Absenkung des Leistungsniveaus in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die persönliche Abzugsberechtigung knüpft deshalb grundsätzlich an die Pflichtversicherteneigenschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung an. Der von § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG begünstigte Personenkreis ist nachträglich auf die Empfänger von Bezügen nach dem Bundesbesoldungsgesetz wie Beamte, Richter, Soldaten und auf weitere Personen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis erweitert worden, nachdem auch dort eine gesetzliche Absenkung des Leistungsniveaus bei der Versorgung vorgenommen wurde (vgl. zum begünstigten Personenkreis im Einzelnen BMF vom 31.10.2010, BStBl I 2010, 270, Rz. 1 ff).

Zum begünstigten Personenkreis zählen:

  • Empfänger von inländischer Besoldung nach dem Bundesbesoldungsgesetz – BBesG – oder einem entsprechenden Landesbesoldungsgesetz (§ 10a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 EStG),

  • Empfänger von Amtsbezügen aus einem inländischen Amtsverhältnis, deren Versorgungsrecht die entsprechende Anwendung des § 69e Abs. 3 und 4 des Beamtenversorgungsgesetzes – BeamtVG – vorsieht (§ 10a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 EStG),

  • Beamte, Richter, Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit, die ohne Besoldung beurlaubt sind, für die Zeit einer Beschäftigung, wenn während der Beurlaubung die Gewährleistung einer Versorgungsanwartschaft unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VI auf diese Beschäftigung erstreckt wird (§ 10a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 4 EStG).

Gehört bei Ehepaaren nur ein Ehegatte zum begünstigten Personenkreis, besteht für den anderen trotzdem die Möglichkeit, eine staatliche Zulage nach dem XI. Abschnitt des EStG für Beiträge zu einem eigenen Altersvorsorgevertrag zu erhalten. Dadurch soll die mittelbare Absenkung der Leistungen ausgeglichen werden, die für den Ehegatten insoweit eintritt, als er durch die gesetzliche Rentenversicherung des Ehegatten über die Hinterbliebenenrente ebenfalls begünstigt ist. Neben dem Zulageanspruch wird dem Ehegatten der Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG allerdings nicht selbst, sondern nur über den Abzug beim Ehegatten gewährt (§ 10a Abs. 3 Satz 2 EStG).

Der Sonderausgabenabzug umfasst sowohl die eigenen Beiträge zu einem Altersvorsorgevertrag als auch die Zulage. Er ist aber gem. § 10a Abs. 2 EStG an eine Günstigerprüfung gekoppelt, die mit derjenigen beim Kinderfreibetrag im Verhältnis zum Kindergeld vergleichbar ist. Ist der Steuervorteil aus dem Sonderausgabenabzug geringer als die Zulage, so entfällt der Sonderausgabenabzug ganz und es hat mit der Gewährung der Zulage sein Bewenden. Ist er dagegen höher, wird der Sonderausgabenabzug durchgeführt, die tarifliche ESt aber gleichzeitig um die gewährte Zulage erhöht. Der Abzug erfasst dabei nur Beiträge und Zulagen auf die nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz vom Bundesaufsichtsamt für Finanzdienstleistungsaufsicht (früher: Versicherungswesen) anerkannten Verträge und die nach § 82 Abs. 2 EStG geförderten Formen der betrieblichen Altersversorgung. Die maximale Höhe des Sonderausgabenabzugs ist wie folgt gestuft:

  • VZ 2002 und 2003 bis zu 525 €,

  • VZ 2004 und 2005 bis zu 1 050 €,

  • VZ 2006 und 2007 bis zu 1 575 €,

  • ab dem VZ 2008 bis zu 2 100 €.

Abweichend vom sonst für die Sonderausgaben geltenden Abflussprinzip kommt es beim Zulageanspruch nicht auf die tatsächliche Zahlung der Zulage, sondern auf den Anspruch selbst an. Dadurch soll zusätzlicher Verwaltungsaufwand, der sich aus dem Nebeneinander von Zulageverfahren und Besteuerungsverfahren ergeben könnte, vermieden werden. Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten kann der von dem einen Ehegatten nicht ausgenutzte Höchstbetrag grundsätzlich nicht auf den anderen Ehegatten übertragen werden. Eine Ausnahme gilt lediglich in den Fällen, in denen nur einer der Ehegatten abzugsberechtigt ist, der andere Ehegatte aber in einen Altersvorsorgevertrag einzahlt und über die Zulage einen Ausgleich für die Absenkung des Rentenniveaus bei der Hinterbliebenenversorgung erhält. Hier kann für den nicht begünstigten Ehegatten zwar kein Sonderausgabenabzug durchgeführt werden, seine Beiträge und die Zulage können aber vom abzugsberechtigten Ehegatten bei der Veranlagung gem. § 10a Abs. 3 Satz 2 EStG angesetzt werden, soweit er seinen eigenen Höchstbetrag nicht ausschöpft.

Der sich aus dem Sonderausgabenabzug ergebende Steuervorteil wird gem. § 10a Abs. 4 EStG gesondert festgestellt. Diese gesonderte Feststellung steht im Zusammenhang mit dem Verlust der Steuerermäßigung, die ggf. gem. § 93 EStG bei einer schädlichen Verwendung des in einen Altersvorsorgevertrag eingezahlten Kapitals eintritt.

Mit der durch das AltEinkG eingeführten Systemumstellung hin zur nachgelagerten Vollbesteuerung des Rentenzahlungsbetrages stellt sich auch die Frage nach der Abzugsfähigkeit der Rentenbeiträge als vorweggenommene Werbungskosten zu den Renteneinkünften nach § 22 EStG. Im Beschluss vom 1.2.2006 (BB 2006, 475) setzte sich der BFH mit dem Monitum auseinander, dass das ab VZ 2005 – qua Sonderausgaben – eingeführte Abzugslimit sowohl gegen das objektive Nettoprinzip (bei welcher Einkunftsart auch immer) wie (hilfsweise) gegen das subjektive Nettoprinzip und darüber hinaus gegen das Sozialstaatsgebot verstößt. Bei der rechtstechnischen Behandlung als unbegrenzt abzugsfähige (vorweggenommene) Werbungskosten wäre dies nicht der Fall gewesen.

Sind Altersvorsorgebeiträge eines nicht unmittelbar abzugsberechtigten Stpfl. aufgrund der mittelbaren Zulageberechtigung seines Ehegatten gem. § 10a Abs. 3 Satz 2 EStG zu Recht als Sonderausgaben abgezogen worden, berechtigt eine Mitteilung der ZfA zur fehlenden Zulageberechtigung dieses Stpfl. das FA nicht gem. § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG, diese Altersvorsorgebeiträge im Rahmen einer Änderung der Steuerfestsetzung unberücksichtigt zu lassen. Die Änderungsbefugnis des § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG beinhaltet lediglich eine nicht mit Bindungswirkung für das FA ausgestattete, sondern dessen eigene Prüfungskompetenz nicht berührende Rechtsgrundverweisung, die eine Versagung des Sonderausgabenabzugs nur erlaubt, wenn die Voraussetzungen des § 10a Abs. 1–3 EStG nicht vorliegen (entgegen Urteil des FG Hamburg vom 5.12.2018, 1 K 326/16, EFG 2019, 435); vgl. FG Düsseldorf vom 21.3.2019, 11 K 311/16.In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 8.9.2020, X R 16/19 wie folgt: Die Mitteilung der Zentralen Zulagenstelle für Altersvermögen (ZfA) führt bei Abweichungen in Bezug auf den Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 Satz 1 EStG nicht dazu, dass das Finanzamt ungeprüft den Inhalt dieser Mitteilung umzusetzen hat; die Mitteilung nach § 91 Abs. 1 Satz 4 EStG ist im Verhältnis zum Einkommensteuerbescheid weder ein Grundlagenbescheid noch kommt ihr eine grundlagenbescheidsähnliche Wirkung zu.

Gem. § 10a Abs. 2 EStG hat das Finanzamt die Günstigerprüfung von Amts wegen vorzunehmen. Im Rahmen der von Amts wegen durchzuführenden Günstigerprüfung wird die Zulage mit der Steuerentlastung auf Grund des Sonderausgabenabzugs nach § 10a EStG verglichen. Überschreitet die Steuerentlastung die Zulage nicht, verbleibt es bei dieser. Andernfalls ist der Sonderausgabenabzug vorzunehmen. Gleichzeitig ist zur Vermeidung doppelter Begünstigung die tarifliche Einkommensteuer um den Zulagenanspruch zu erhöhen; vgl. Schleswig-Holsteinisches FG vom 12.5.2021, 5 K 18/19.

Weitere Folgen der Günstigerprüfung mit Beispielen

Bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten kann der von einem Ehegatten nicht ausgenutzte Höchstbetrag grundsätzlich nicht auf den anderen Ehegatten übertragen werden. Eine Ausnahme gilt lediglich in den Fällen, in denen nur einer der Ehegatten abzugsberechtigt ist, der andere Ehegatte aber in einen Altersversorgungsvertrag einzahlt und über die Zulage einen Ausgleich für die Absenkung des Rentenniveaus bei der Hinterbliebenenversorgung erhält. Hier kann für den nicht unmittelbar begünstigten Ehegatten zwar kein Sonderausgabenabzug durchgeführt werden, seine Beiträge und die Zulage können aber vom abzugsberechtigten Ehegatten bei der Veranlagung gem. § 10a Abs. 3 Satz 2 EStG angesetzt werden, soweit es seinen Höchstbetrag nicht ausschöpft (vgl. BMF vom 31.3.2010, BStBl I 2010, 270, Rz. 85). Ab dem Veranlagungszeitraum 2010 ist zusätzliche Voraussetzung, dass der mittelbar begünstigte Ehegatte gegenüber seinem Anbieter in die Datenübermittlung nach § 10a Abs. 2a Satz 1 EStG einwilligt (§ 10a Abs. 2a Satz 3 EStG).

Bei zusammenveranlagten Ehegatten werden für die Günstigerprüfung folgende Fallgruppen gebildet (BMF vom 31.3.2010, BStBl I 2010, 270, Rz. 93 ff.):

Fallgruppen

Erster Ehegatte

Der »andere« Ehegatte

Rechtsfolge

1. Fall (s. Rz. 94)

Unmittelbar begünstigt

Kein Altersvorsorgevertrag

Vergleich der § 10 Abs. 1-Aufwendungen nur des begünstigten Ehegatten mit seinem Zulageanspruch

2. Fall s. Rz. 95 (und Rz. 99, Beispiel)

Unmittelbar begünstigt

Mittelbar begünstigt gem. § 79 Satz 2 EStG

Vergleich der § 10 Abs. 1-Aufwendungen beider (inkl. Zulagen) mit dem den Ehegatten insgesamt zustehenden Zulageanspruch

3. Fall (s. Rz. 96 und Rz. 98, Beispiel)

Unmittelbar begünstigt

Unmittelbar begünstigt

Vergleich der Summe der beiden Ehegatten zustehenden Aufwendungen mit dem den Ehegatten insgesamt zustehenden Zulageanspruch

Abb.: Günstigerprüfung bei zusammenveranlagten Ehegatten

Im Fall der getrennten Veranlagung nach § 26a EStG oder der besonderen Veranlagung nach § 26c EStG ist nach Rz. 96 des BMF-Schreibens vom 31.3.2010 (BStBl I 2010, 270) Rz. 94 oder 95 entsprechend anzuwenden; sind beide Ehegatten unmittelbar begünstigt, erfolgt die Günstigerprüfung für jeden Ehegatten wie bei einer Einzelveranlagung. Es wird daher nur der den jeweiligen Ehegatten zustehende Zulageanspruch angesetzt.

Der sich aus dem Sonderausgabenabzug ergebende Steuervorteil wird gem. § 10a Abs. 4 EStG gesondert festgestellt. Eine gesonderte Feststellung der zusätzlichen Steuerermäßigung nach § 10a Abs. 4 Satz 1 EStG ist nur durchzuführen, wenn der Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 EStG günstiger ist als der Zulagenanspruch nach Abschnitt XI EStG. Das Wohnsitzfinanzamt stellt in diesen Fällen die über den Zulagenanspruch hinausgehende Steuerermäßigung fest und teilt sie der ZfA mit. Wirkt sich eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung auf die Höhe der Steuerermäßigung aus, ist die Feststellung nach § 10a Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG ebenfalls zu ändern. Diese gesonderte Feststellung steht im Zusammenhang mit dem Verlust der Steuerermäßigung, die gegebenenfalls gem. § 93 EStG bei einer schädlichen Verwendung des in einem Altersvorsorgevertrag eingezahlten Kapitals eintritt. Auch hier gelten für zusammenveranlagte Ehegatten Besonderheiten:

  • In der ersten Fallgruppe (nur ein Ehegatte ist unmittelbar begünstigt) ist die Steuerermäßigung nur diesem Ehegatten zuzurechnen (vgl. BMF vom 31.3.2010, BStBl I 2010, 270, Rz. 103).

  • In der zweiten Fallgruppe (ein unmittelbar begünstigter Ehegatte, der andere mittelbar begünstigter Ehegatte) wird die Steuerermäßigung den Ehegatten getrennt zugerechnet (§ 10a Abs. 4 Satz 3 und 4 EStG und BMF vom 31.3.2010, BStBl I 2010, 270, Rz. 104);

  • In der dritten Fallgruppe (beide unmittelbar begünstigte Ehegatten) ist die Steuerermäßigung getrennt zuzurechnen, wobei die Zurechnung entsprechend der jeweils geförderten Eigenbeträge erfolgt (BMF vom 31.3.2010, BStBl I 2010, 270, Rz. 102).

Nachdem die Zulage höchstens für zwei Verträge gewährt wird, tritt ein weiteres Problem auf, wenn der zulagenberechtigte Steuerbürger Zahlungen in drei (und mehr) Verträge leistet (Zusammentreffen mehrerer Verträge). Zunächst steht es dem Bürger frei, jedes Jahr neu zu entscheiden, ob er die Förderung für einen bzw. für welchen der zwei Verträge beantragt (§ 89 Abs. 1 Satz 2 EStG). Erfolgt hingegen keine Bestimmung oder beantragt der Bürger für mehr als zwei Verträge die Zulage, so bestimmt § 89 Abs. 1 Satz 3 EStG, dass die Zulage den Verträgen »zukommt«, für die im Beitragsjahr die höchsten Vorsorgebeiträge geleistet wurden. Für den dritten »beitragsschwachen« Vertrag wird folglich keine Zulage gewährt.

Anders als bei der Zulagenförderung ist beim Sonderausgabenabzug nach § 10a Abs. 1 EStG keine Begrenzung der zu berücksichtigenden Verträge vorgesehen. Somit können i.R.d. Höchstbetrags auch Aufwendungen für Verträge abgezogen werden, die nicht zulagebegünstigt sind. Dabei ist eine wichtige Fiktion zu beachten: In dem Umfang, in dem eine Berücksichtigung nach § 10a EStG erfolgt, gelten die Beiträge als steuerlich gefördert. Die Zurechnung der über den Zulagenanspruch hinausgehenden Steuerermäßigung erfolgt gem. § 10a Abs. 4 Satz 2 EStG im Verhältnis der berücksichtigten Altersvorsorgebeiträge.

5. Günstigerprüfung im Rahmen der Abgeltungsteuer

Seit dem VZ 2009 wird die Einkommensteuer auf Kapitalerträge im Rahmen einer sog. Abgeltungsteuer im Wege der Kapitalertragsteuer erhoben, sofern die Kapitalerträge nicht nach § 32d Abs. 2 EStG tariflich zu besteuern sind. Für Kapitalerträge, die der Abgeltungsteuer unterliegen und für die ein Steuerabzug an der Quelle (deutsche Kapitalertragsteuer) vorgenommen wurde, besteht keine Deklarationspflicht in der Steuererklärung mehr. Hat kein Kapitalertragsteuerabzug stattgefunden, müssen die jeweiligen Erträge in der Steuererklärung angegeben werden, damit die Steuerbelastung i.H.d. Abgeltungsteuer hergestellt werden kann (§ 32d Abs. 3 EStG). Zudem kann der Stpfl. nach § 32d Abs. 4 EStG i.R.d. Veranlagung insbesondere in den Fällen eines nicht vollständig ausgeschöpften Sparer-Pauschbetrags, einer Anwendung der Ersatzbemessungsgrundlage nach § 43a Abs. 2 Satz 7 EStG, eines noch nicht i.R.d. § 43a Abs. 3 EStG berücksichtigten Verlusts (Verrechnung von Verlusten bei Erträgen aus verschiedenen Quellen/verschiedenen Depots), eines Verlustvortrags nach § 20 Abs. 6 EStG und noch nicht berücksichtigter ausländischer Steuern eine Überprüfung des Steuereinbehalts dem Grund oder der Höhe nach oder zur Anwendung von § 32d Abs. 1 Satz 3 EStG (Steuerermäßigung im Fall der Kirchensteuerpflicht) beantragen.

Die Günstigerprüfung des § 32d Abs. 6 EStG sieht vor, dass dann, wenn der Steuersatz i.R.d. individuellen Veranlagungsverfahrens unter fiktiver Einbeziehung der Kapitaleinkünfte niedriger als 25 % ist, die Kapitaleinkünfte im Veranlagungsverfahren besteuert werden. Ein über den Sparer-Pauschbetrag hinausgehender Werbungskostenabzug ist nicht möglich (§ 32d Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 9 EStG).

Das FG Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 17.12.2012 (9 K 1637/10, EFG 2013, 1041, LEXinform 3500058) entschieden, dass der Abzug von Werbungskosten in tatsächlicher Höhe bei den Einkünften aus Kapitalvermögen jedenfalls in den Fällen auf Antrag möglich ist, in denen der tarifliche Einkommensteuersatz bereits unter Berücksichtigung des Sparer-Pauschbetrags unter dem Abgeltungsteuersatz von 25 % liegt. Im Rahmen des Revisionsverfahrens hat der BFH entschieden, dass auch bei der sog. »Günstigerprüfung« § 20 Abs. 9 EStG anwendbar sei. Ein Abzug der tatsächlich angefallenen Werbungskosten zur Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen sei aus diesem Grund nicht möglich.

Auch bei der sog. Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 Satz 1 EStG findet § 20 Abs. 9 EStG Anwendung; ein Abzug der tatsächlich entstandenen Werbungskosten kommt daher nicht in Betracht; vgl. BFH vom 28.1.2015, VIII R 13/13, BStBl II 2015, 393.

Verfahrensrechtlich ist erforderlich, dass der Stpfl. für den Wechsel von der Abgeltungsteuer zum Veranlagungsverfahren einen Antrag stellt. Die Finanzbehörde hat dann die Günstigerprüfung vorzunehmen. Kommt sie zum Ergebnis, dass eine Veranlagung für den Stpfl. ungünstiger ist, so gilt der Antrag als nicht gestellt. I.R.d. JStG 2010 wurde klargestellt, dass bei der Günstigerprüfung nicht auf die festgesetzte Einkommensteuer, sondern auf die gesamte Steuerbelastung einschließlich Zuschlagsteuern (z.B. Solidaritätszuschlag) abzustellen ist (s. hierzu auch Blümich, § 20 EStG Rz. 162). Im Falle der Antragsveranlagung findet gem. § 32d Abs. 6 Satz 2 eine Berücksichtigung anrechenbarer ausländischer Steuern im Rahmen einer Höchstbetragsberechnung (zusätzliche tarifliche Einkommensteuer, die auf die hinzugerechneten Kapitaleinkünfte entfällt) nach Maßgabe des § 32d Abs. 5 EStG statt. Für Einzelheiten wird auf das BMF-Schreiben vom 22.12.2009 (BStBl I 2010, 94), geändert durch BMF-Schreiben vom 16.11.2010 (BStBl I 2011, 1305), verwiesen.

Der (Abgeltungs-)Steuersatz von 25 % wird nach augenblicklichem Einkommensteuertarif bei einem Einkommen von rund 15 000 € (30 000 € bei Zusammenveranlagung) erreicht. Entsprechend ist nur bei zu versteuernden Einkommen, die unter dieser Grenze liegen, eine Antragsveranlagung sinnvoll.

Verfahrenstechnisch wird im Falle einer Günstigerstellung durch das Veranlagungsverfahren die einbehaltene Kapitalertragsteuer auf die festzusetzende ESt angerechnet, so dass i.d.R. eine Einkommensteuererstattung eintritt. Der Antrag kann für den jeweiligen Veranlagungszeitraum nur einheitlich für sämtliche Kapitalerträge gestellt werden. Bei zusammenveranlagten Ehegatten kann der Antrag nur für sämtliche Kapitalerträge beider Ehegatten gestellt werden.

Zudem ist zu beachten, dass eine Abstandnahme bzw. Erstattung vom Kapitalertragsteuerabzug nach §§ 44a, b EStG in den dort genannten Fällen nun auch die Voraussetzung beinhaltet, dass anzunehmen ist, dass die Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG zum Ergebnis führt, dass keine Steuer entsteht.

Beim BFH ist ein Revisionsverfahren (VIII R 10/21) zu folgender Rechtsfrage anhängig: Kann nach Erlass eines auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO gestützten Änderungsbescheids, der zu keiner Änderung der festgesetzten Einkommensteuer geführt hat, erstmals ein Antrag auf Günstigerprüfung nach § 32d Abs. 6 EStG gestellt werden? Liegt in dem Umstand, dass die Günstigerprüfung nach Erlass des Änderungsbescheids erstmals zu einer Herabsetzung der Einkommensteuer führen würde, ein rückwirkendes Ereignis?

6. Günstigerprüfung bei den außerordentlichen Einkünften (§ 34 Abs. 1 EStG)

Die Finanzämter nehmen bei der Veranlagung von Stpfl. mit außerordentlichen Einkünften gem. § 34 Abs. 2 EStG eine »Günstigerprüfung« vor, ob die Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG oder die Versteuerung nach § 32a EStG (Besteuerung nach Tarif) günstiger ist. Im zweiten Fall wird auf die Anwendung des § 34 Abs. 1 EStG verzichtet.

7. Günstigerprüfung bei der Entfernungspauschale (§ 9 Abs. 1 Nr .4 EStG)

Für den Weg von der Wohnung zur Arbeit kann die sog. Entfernungspauschale i.H.v. 30 Cent geltend gemacht werden – hier gilt, dass diese immer zugrunde gelegt werden kann, unabhängig davon, wie man zur Arbeit kommt. Die Entfernungspauschale ist jedoch auf 4 500 € pro Jahr begrenzt, wenn kein Pkw benutzt werden sollte.

Die Entfernungspauschale ist durch die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel oder von »fremdgeführten« Fahrzeugen eingeschränkt. Hier gelten besondere Regelungen:

Wenn öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden, können entweder die tatsächlichen Fahrtkosten oder die Entfernungspauschale geltend gemacht werden– i.S.d. Günstigerprüfung muss hier vom Finanzamt stets der für den Steuerzahler günstigere (i.S.v. steuerlich vorteilhaftere) Wert bevorzugt werden. Seit 2012 sind folgende Änderungen bei der Günstigerprüfung der Entfernungspauschale zu beachten:

  • Aufwendungen vom Arbeitnehmer für die Wege zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte können über die Entfernungspauschale geltend gemacht werden. Die Entfernungspauschale ist verkehrsmittelunabhängig und beträgt für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte 0,30 € (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 EStG).

  • Gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG können bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel die tatsächlichen Aufwendungen angesetzt werden, wenn sie den als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen. Bisher hatte diese Günstigerprüfung für jeden Arbeitstag zu erfolgen.

  • Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 wurde diese Regelung zum 1.1.2011 geändert. Die Berechnung wurde vereinfacht. So erfolgt der Vergleich künftig nur noch jahresbezogen. Das bedeutet, dass die tatsächlichen Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel immer dann angesetzt werden können, wenn sie den im Kalenderjahr insgesamt als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen.

8. Literaturhinweise

Zum Familienleistungsausgleich: Glanegger, in: Schmidt, EStG, 2011 (zu § 31, § 32 und §§ 62 ff. EStG); Linderer, in: Heiß/Horn, Unterhaltsrecht, 39. EL 2011, Kap. 44, Rn. 56 ff.; zur Altersversorgung: Lange, in: Preißer, Die Steuerberaterprüfung, 2013, 12. A., Bd. 1, Teil A, Kap. V 1.3.3 und 4); BZSt vom 5.3.2013, Merkblatt zum Kindergeld 2013.

Zur Abgeltungsteuer: Preißer/Bressler, in: Preißer, Die Steuerberaterprüfung 2013, 12. A., Bd. 1, Teil A, Kap. II 2.6.2.2.1; Treiber, in: Blümich, § 32d EStG Rz. 160 ff.

Zu den außerordentlichen Einkünften: Lindberg, in: Blümich, § 34 EStG Rn. 16.

9. Verwandte Lexikonartikel

Alterseinkünftegesetz

Außerordentliche Einkünfte

Familienleistungsausgleich

Kindergeld

Sonderausgaben

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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