1 Kindergeld als Bestandteil des Familienleistungsausgleichs
2 Das Kindergeld – Überblick zu §§ 62 ff. EStG
2.1 Berücksichtigte Kinder
2.1.1 Die Voraussetzungen des § 32 EStG
2.1.2 Die erweiterte Berücksichtigung
2.2 Auslandskinder
2.3 Erfordernis einer Identifikationsnummer
2.4 Kindergeldberechtigte
2.5 Dreimonatiger Anspruchsausschluss
2.6 Modalitäten und Höhe des Kindergeldes
2.6.1 Kindergeldantrag
2.6.2 Doppelter Bezug von Kindergeld
2.6.3 Höhe des Kindergeldes
2.6.3.1 Kindergeld ab 2017
2.6.3.2 Kindergeld ab 2018
2.6.3.3 Kindergeld ab 2019
2.6.3.4 Kindergeld im Jahr 2020
2.6.3.5 Kindergeld in den Jahren 2021 und 2022
2.6.3.6 Kindergeld im Jahr 2023
2.6.4 Konkurrenzfälle
2.6.5 Zahlung des Kindergeldes in Sonderfällen (Abzweigungsfälle)
2.6.6 EU-rechtliche Konkurrenz zwischen Wohnsitz- und Beschäftigungsmitgliedstaat; Anspruch auf Differenzkindergeld
3 Festsetzung des Kindergeldes
3.1 Zuständigkeit
3.2 Erstantrag
3.3 Verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Kindergeldfestsetzung
3.4 Festsetzungsverjährung/Antragsfrist
3.5 Rückforderung von Kindergeld
3.5.1 Grundsätzliches
3.5.2 Billigkeitserlass einer Kindergeldrückforderung
4 Berücksichtigung verheirateter Kinder beim Kindergeld
4.1 Allgemeines zur Berücksichtigung eines Kindes
4.2 Berücksichtigung verheirateter minderjähriger Kinder
4.3 Berücksichtigung verheirateter volljähriger Kinder (ab VZ 2012)
5 Besonderheiten aufgrund der Corona-Pandemie 2020/2021
6 Literaturhinweise
7 Verwandte Lexikonartikel
Bei dem sog. → Familienleistungsausgleich werden die Kinder nach Maßgabe des dualen Konzepts berücksichtigt (§ 31 EStG). Im laufenden Kj. wird Kindergeld als Steuervergünstigung monatlich gezahlt (§ 31 Satz 3 EStG). Aufgrund einer Vergleichsrechnung (Günstigerrechnung) wird bei der Veranlagung die günstigste Entlastung für den Steuerbürger berechnet. Ist danach die gebotene Freistellung durch das Kindergeld nicht voll bewirkt, sind in der ESt-Veranlagung gem. § 32 Abs. 6 EStG der Kinderfreibetrag und der Freibetrag für Betreuung, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes (→ Kinderfreibetrag).
Bei der Vergleichsrechnung werden zwei Rechenergebnisse miteinander verglichen: Es wird die tarifliche ESt nach Abzug der Freibeträge (ESt I) mit derjenigen ohne Berücksichtigung der Freibeträge (ESt II) verglichen (→ Familienleistungsausgleich).
Diese Rechnung |
ESt II – ohne Freibeträge |
./. ESt I – mit Freibeträgen |
|
führt zwangsläufig zu einer |
Differenz |
Im nächsten Schritt wird diese Differenz mit dem Anspruch auf Kindergeld verglichen. Dabei sind nur zwei Ergebnisse denkbar:
Entweder ist die Steuer-Differenz > Kindergeld
oder das bezahlte Kindergeld > Steuer-Differenz.
Im ersten Fall ist die (degressive) Entlastungswirkung der Freibeträge offensichtlich höher als die aktive Förderung mit Kindergeld. Hier wird sodann die tarifliche ESt (unter Berücksichtigung der Freibeträge gem. § 32 Abs. 6 EStG) angesetzt; der Kindergeldanspruch wird sodann gem. § 31 Satz 4 EStG i.V.m. § 2 Abs. 6 Satz 3 EStG mit der tariflichen ESt verrechnet; dies ergibt die festzusetzende ESt (→ Kindesunterhalt, → Familienleistungsausgleich).
Im zweiten Fall wurde mehr Kindergeld ausgezahlt, als dies nach einer rein tariflichen Berechnung der Fall gewesen wäre. Hier bleibt es bei der Auszahlung; ein evtl. überschießender Betrag muss nicht zurückgezahlt werden. Das »Mehr« an staatlicher Familienleistung dient der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG).
Werden Eltern nicht zusammenveranlagt, wird die Vergleichsrechnung für jeden Elternteil gesondert durchgeführt. Die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG werden in dem Umfang berücksichtigt, in dem sie dem betreffenden Elternteil zustehen und somit grundsätzlich jeweils zur Hälfte (sog. Halbteilungsgrundsatz). Unerheblich hierbei ist, welcher Elternteil das Kindergeld tatsächlich erhalten hat.
Berücksichtigt werden
nicht nur das sächliche Existenzminimum gem. § 32 Abs. 6 Satz 1, 1. Tatbestand EStG (Kinderfreibetrag), sondern auch
der Ausbildungs- und Erziehungsbedarf des Kindes (§ 32 Abs. 6 Satz 1, 2. Tatbestand EStG) und
beides in entsprechender Größenordnung.
Die Günstigerprüfung nach § 31 Satz 1 und 4 EStG wird nach dem Jahresprinzip durchgeführt: Bewirkt der Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum die gebotene steuerliche Freistellung nicht vollständig und werden deshalb bei der Veranlagung zur Einkommensteuer die Freibeträge nach § 32 Abs. 6 vom Einkommen abgezogen, erhöht sich die unter Abzug dieser Freibeträge ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Kindergeld für den gesamten Veranlagungszeitraum; bei nicht zusammenveranlagten Eltern wird der Kindergeldanspruch im Umfang des Kinderfreibetrags angesetzt.
Der Bundestag hat am 6.11.2014 den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften (BT-Drs. 18/2581, 18/3004) angenommen. Der Gesetzentwurf verfolgt u.a. das Ziel, Fälle von Rechtsmissbrauch oder Betrug im Zusammenhang mit dem Freizügigkeitsrecht, im Bereich von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung sowie bei der Inanspruchnahme von Kindergeld zu verhindern und konsequent zu ahnden. Um Missbrauch zu vermeiden, wurde dabei auch eine Regelung in das EStG aufgenommen, die die Kindergeldberechtigung von der eindeutigen Identifikation von Antragstellern und ihren Kindern durch eine Identifikationsnummer abhängig macht. Ab 1.1.2016 sind die an den Berechtigten und an das Kind vergebenen steuerlichen Identifikationsnummern (IdNr) gesetzlich vorgeschriebene Anspruchsvoraussetzung für das Kindergeld (Änderungen der §§ 62 und 63 EStG durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 2.12.2014, BGBl I 2014, 1922).
Durch das zweite Corona-Steuerhilfegesetz erfolgt 2020 eine einmalige Anpassung des Kindergeldes. Mit einem einmaligen Kinderbonus von 300 € pro Kind für jedes kindergeldberechtigte Kind sollen die besonders von den Einschränkungen betroffenen Familien unterstützt werden (§ 6 Abs. 3 BKKG). Der Bonus wird mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet (§§ 66 Abs. 1, 31 Satz 7 EStG). Er wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Der Anspruch besteht für jedes Kind, für das im Kj. 2020 für mindestens einen Kalendermonat ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Die Auszahlung erfolgt aus Gründen grundsätzlich in zwei gleichen Teilen von jeweils 150 € im September und Oktober 2020. Es gelten grundsätzlich alle Vorschriften, die auch für das Kindergeld maßgebend sind. (z. B. § 64 EStG: Zusammentreffen mehrerer Ansprüche). Auch für eine eventuelle Rückforderung des Kindergeldes sind die für das Kindergeld geltenden Vorschriften anzuwenden. Der Kinderbonus für das Jahr 2021 ist eine zusätzliche finanzielle Unterstützung für Familien. Es handelt sich dabei um ein »Bonus-Kindergeld« i.H.v. 150 € pro Kind. Es gelten dieselben grundsätzlichen Voraussetzungen wie für das Kindergeld. Er wird für alle Kinder ausgezahlt, für die im Jahr 2021 ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Die Auszahlung beginnt ab Mai 2021 für alle Kinder, die in diesem Monat Kindergeld erhalten. Für Kinder, für die in einem anderen Monat Anspruch auf Kindergeld besteht bzw. bestand, wird der Kinderbonus zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt.
Um Familien wirtschaftlich weiter zu fördern und zu stärken, werden im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen die Regelungen zur angemessenen Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit von Familien bei der Bemessung der Einkommensteuer nunmehr für die Jahre 2021 und 2022 angepasst: Das Kindergeld wird ab dem 1.1.2021 um 15 € pro Kind und Monat erhöht, § 66 Abs. 1 EStG. Die steuerlichen Kinderfreibeträge werden ab 1.1.2021 von 7 812 € auf 8 388 € angehoben (Kinderfreibetrag je Elternteil: 2 730 €, Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf je Elternteil: 1 464 €), § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG. Außerdem wird im Kj. 2021 wegen der Corona-Pandemie ein Kinderbonus gezahlt. Der Kinderbonus 2021 beträgt 150 € pro Kind. Er wird für alle Kinder, für die im Mai 2021 Anspruch auf Kindergeld besteht, im Lauf des Mai 2021 ausgezahlt. Der Kinderbonus 2021 wird für jedes Kind gezahlt, für das im Jahr 2021 mindestens in einem Monat Anspruch auf Kindergeld besteht oder bestand.
Für das Kj. 2023 beträgt das Kindergeld für jedes Kind einheitlich 250 € pro Monat.
Das BZSt überarbeitet jährlich seine Dienstanweisung zum Kindergeld (DA-KG). Zuletzt fand eine Überarbeitung mit Schreiben vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818 mit Gültigkeit für das Jahr 2023 statt.
Die Ampel-Koalition plant das Kindergeld ab Anfang 2025 durch die Kindergrundsicherung zu ersetzen.
Das BZSt hat im Januar 2023 das Kindergeldmerkblatt 2023 veröffentlicht.
Ab 1.1.2016 sind die an den Berechtigten und an das Kind vergebenen steuerlichen Identifikationsnummern (IdNr.) gesetzlich vorgeschriebene Anspruchsvoraussetzung für das Kindergeld (Änderungen der §§ 62 und 63 EStG durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 2.12.2014, BGBl I 2014, 1922). Nähere Angaben hierzu enthält die Einzelanweisung des BZSt vom 5.6.2015.
Absatz 1 sieht nunmehr ab VZ 2015 vor, dass das Kind zu identifizieren ist. Voraussetzung für die Berücksichtigung ist die Identifizierung des Kindes durch die an dieses Kind vergebene Identifikationsnummer (§ 139b AO). Ist das Kind nicht nach einem Steuergesetz steuerpflichtig (§ 139a Abs. 2 AO), ist es in anderer geeigneter Weise zu identifizieren. Die nachträgliche Identifizierung oder nachträgliche Vergabe der Identifikationsnummer wirkt auf Monate zurück, in denen die Voraussetzungen der Sätze 1 bis 4 vorliegen. Im Allgemeinen ermittelt die Familienkasse die steuerliche Identifikationsnummer soweit möglich selbst oder fragt sie beim Berechtigten ab.
Kinder können im Steuerrecht nur berücksichtigt werden, wenn sie zum Stpfl. in einem Verhältnis i.S.v. § 32 Abs. 1 EStG stehen. Danach werden erfasst:
leibliche Kinder (Nr. 1),
Adoptivkinder (Nr. 1). Die Annahme wird vom Familiengericht ausgesprochen und durch Zustellung des Annahmebeschlusses an die annehmende Person rechtswirksam (§ 197 Abs. 2 FamFG). Mit der Annahme als Kind erlischt das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes zu seinen leiblichen Eltern; nimmt ein Ehegatte oder Lebenspartner das Kind seines Ehegatten oder Lebenspartners an, erlischt das Verwandtschaftsverhältnis nur zu dem anderen Elternteil und dessen Verwandten (§ 1755 BGB). Ein minderjähriges, als Pflegekind berücksichtigtes Kind, das mit dem Ziel der Annahme als Kind in Pflege der annehmenden Person aufgenommen ist, kann bei den abgebenden Eltern als Zählkind berücksichtigt werden, auch wenn diese die Einwilligung zur Annahme erteilt haben (vgl. § 1751 Abs. 4 BGB). Bei einer Annahme, die im Ausland wirksam zustande gekommen ist sind die territorialen Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG zu beachten. Eine ausländische Adoptionsentscheidung muss von einem deutschen Familiengericht anerkannt oder durch eine Bescheinigung nach Art. 23 des Haager Übereinkommens vom 29.5.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, die zur Anerkennung der Auslandsadoption kraft Gesetzes führt, nachgewiesen werden; vgl. A 10.2 Abs. 4 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818;
und
Pflegekinder (Nr. 2) i.V.m. R 32.2 EStR, wobei diese nicht zu Erwerbszwecken im Haushalt aufgenommen sein dürfen (→ Pflegekind). Umgekehrt werden Stiefkindschaftsverhältnisse seit 1986 steuerlich nicht mehr anerkannt. § 32 Abs. 2 EStG regelt Konkurrenzfragen bei mehrfachen Kindschaftsverhältnissen. Das Konkurrenzverhältnis zwischen leiblichen Eltern und Adoptiveltern wird nach § 32 Abs. 2 Satz 1 EStG zu Gunsten der Adoptiveltern entschieden, während das Konkurrenzverhältnis zwischen leiblichen Eltern oder Adoptiveltern und Pflegeeltern zu Gunsten der Pflegeeltern entschieden wird. Ein Pflegekindschaftsverhältnis i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG liegt nicht vor, wenn das Pflegekind die Pflegeperson in seinen Haushalt aufnimmt. Das Gesetz verlangt die Aufnahme des Pflegekindes in den Haushalt des Stpfl. oder Kindergeldberechtigten. Dieser muss in einer eigenen Wohnung ein weitgehend selbstbestimmtes Leben führen und sich persönlich und finanziell an der Haushaltsführung beteiligen. Der Stpfl. (Kindergeldberechtigte) muss Eigentum oder Besitz an der Wohnung haben; vgl. BFH Urteil vom 22.12.2011, III R 70/09.
Ein Pflegekindschaftsverhältnis i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG setzt voraus, dass das Kind im Haushalt der Pflegeeltern aufgenommen ist; lebt das Kind in einem eigenen Haushalt, liegen die Voraussetzungen zur Berücksichtigung als Pflegekind nicht (mehr) vor; vgl. FG Köln Urteil vom 25.11.2015, 14 K 1304/15 und anschließende Revision vor dem BFH, Urteil vom 12.10.2016, XI R 1/16. Die für die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG erforderliche Voraussetzung, dass der Stpfl. mit der Person »durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist«, lässt sich bei einer bereits volljährigen Person nur unter engen Voraussetzungen und bei Vorliegen besonderer Umstände begründen. Handelt es sich um eine geistig oder seelisch behinderte Person, muss die Behinderung so schwer sein, dass der geistige Zustand des Behinderten dem typischen Entwicklungsstand einer noch minderjährigen Person entspricht; vgl. BFH vom 17.3.2020, III R 9/19.
Für in den Haushalt aufgenommene Geschwister besteht nur dann ein Anspruch auf Kindergeld, wenn sie als Pflegekinder berücksichtigt werden können.
Wesentlich umfassender hat der Gesetzgeber die steuerliche Berücksichtigung der Kinder in Abhängigkeit von ihrem jeweiligen Lebensalter geregelt (§ 32 Abs. 3 bis 5 EStG). Bis zum vollendeten 18. Lebensjahr (Monatsrechnung gem. § 32 Abs. 3 EStG) werden Kinder grundsätzlich berücksichtigt.
Einer Lebenspartnerin steht auch ein Kindergeldanspruch für die in den gemeinsamen Haushalt aufgenommenen Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin zu (BFH Urteil vom 8.8.2013, VI R 76/12) zu. Die Klägerin lebt in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Sie wohnte gemeinsam mit ihren beiden minderjährigen Kindern, ihrer Lebenspartnerin sowie mit deren beiden minderjährigen Kindern in einem Haushalt. Für ihre Kinder erhielt sie Kindergeld. Darüber hinaus begehrte sie für den Zeitraum ab Dezember 2009 vergeblich Kindergeld für die in dem gemeinsamen Haushalt versorgten Kinder ihrer eingetragenen Lebenspartnerin nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Der BFH kam zu der Auffassung, dass die in § 2 Abs. 8 EStG bestimmte Gleichstellung von Lebenspartnern und Lebenspartnerschaften mit Ehegatten und Ehen in allen Fällen anzuwenden ist, in denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist. Zwar bestimmt § 52 Abs. 2a EStG, dass § 2 Abs. 8 EStG nur bei noch nicht bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzungen Anwendung finden soll. Diese Regelung gilt allerdings entsprechend für noch nicht bestandskräftige Kindergeldfestsetzungen. Dies ergibt sich zunächst aus § 31 Satz 3 EStG, wonach das Kindergeld als Steuervergütung gezahlt wird. Zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Einkommensteuer- und Kindergeldfestsetzungen ist folglich die Gleichbehandlung von Lebenspartnern und Lebenspartnerschaften mit Ehegatten und Ehen auch insoweit geboten, als Kindergeldfestsetzungen noch nicht bestandskräftig sind. Mit dem Urteil wendet der BFH die für Ehegatten geltende Regelung auf Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft an, wonach im Haushalt lebende gemeinsame Kinder der Ehegatten zusammengezählt werden.
Ein Kind, das für eine Kurzzeitpflege in den Haushalt von Pflegeeltern eingewiesen wird, begründet dort kein Pflegekindschaftsverhältnis. Dies gilt auch dann, wenn das Kind in Vorjahren bereits in den Haushalt der Pflegeeltern eingewiesen war oder die Einweisung eine längere Zeit andauert, etwa aufgrund tatsächlicher Probleme bei der Umsetzung einer Jugendhilfemaßnahme auf Seiten der Stadt; vgl. FG Köln vom 20.2.2017, 5 K 2087/16. Unbeachtlich ist auch der Umstand, dass es der Stadt offenbar nicht gelungen ist, das Kind, wie geplant, in einer anderen Einrichtung unterzubringen. Denn tatsächliche Probleme bei der Umsetzung der Jugendhilfemaßnahme auf Seiten der Stadt ändern nichts an der rechtlichen Qualität der auf § 33 SGB VIII gestützten Maßnahme, die eben keine dauerhafte, sondern eine Kurzzeitpflege zum Ziel hatte.
Endet die Pflegeerlaubnis nur deshalb, weil das Pflegekind eine bestimmte Altersgrenze erreicht (z.B. Vollendung des 18. Lebensjahres), ist dies allein kein Grund anzunehmen, dass ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Band zwischen Pflegeperson und Kind nicht mehr vorliegt.
Ein familienähnliches Band erfordert eine Zugehörigkeit zur Familie und die tatsächliche und rechtliche Möglichkeit der Aufsicht, Betreuung und Versorgung des Pflegekindes. Daran fehlt es bei einem Klinikaufenthalt aufgrund Frühgeburtlichkeit des Kindes und seiner Inobhutnahme durch das Jugendamt; vgl. FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 2.2.2023, 4 K 848/21.
Bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen kann das fehlende Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern unterstellt werden. Als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling gilt ein minderjähriges Kind, das ohne Begleitung eines für das Kind verantwortlichen Erwachsenen geflüchtet ist; vgl. A 11.4 Abs. 3 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818.
Gem. § 32 Abs. 4 EStG werden Kinder auch über das 18. Lebensjahr hinaus berücksichtigt (erweiterte Berücksichtigung).
Die nachfolgende Tabelle erlaubt eine schnelle erste Orientierung (Nähere Einzelheiten s. → Kinder):
Bis zu welchem Alter (Monatsberechnung) |
Unter welchen Voraussetzungen |
Gesetzesgrundlage |
bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres |
Kinder, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als arbeitssuchend gemeldet sind. |
§ 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG |
bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres |
|
§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG |
|
§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b EStG |
|
|
§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. c EStG |
|
|
§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. d EStG |
|
über das 21./25. Lebensjahr hinaus (limitiert) |
Kinder i.S.v. Nr. 1, Nr. 2 Buchst. a und b EStG mit Wehr- oder Zivildienst |
§ 32 Abs. 5 EStG |
über das 25. Lebensjahr hinaus (unbegrenzt) |
behinderte Kinder (R 32.9 EStR); die Behinderung muss allerdings vor dem 25. Lebensjahr eingetreten sein |
§ 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG |
Abb.: Zu berücksichtigende Kinder in Abhängigkeit vom Lebensalter
Zu beachten ist R 32.3 EStR: Ein Kind wird vom Beginn des Monats an, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, berücksichtigt. Entsprechend endet die Berücksichtigung mit Ablauf des Monats, in dem die Anspruchsvoraussetzungen wegfallen (Monatsprinzip). Für die Frage, ob ein Kind lebend geboren wurde, ist im Zweifel das Personenstandsregister des Standesamtes maßgebend. Eine Berücksichtigung außerhalb des Zeitraums der unbeschränkten Steuerpflicht der Eltern ist – auch in den Fällen des § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG – nicht möglich. Ein vermisstes Kind ist bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu berücksichtigen.
Die Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG, wonach für ein Kind, das nach Beendigung der Verpflichtet sich ein Kind zu einem mehrjährigen Dienst im Katastrophenschutz (hier: Dienst bei der freiwilligen Feuerwehr) und wird es deshalb vom Wehrdienst freigestellt, erwächst daraus keine Verlängerung der kindergeldrechtlichen Berücksichtigungsfähigkeit über das 25. Lebensjahr hinaus (siehe BFH Urteil vom 19.10.2017, III R 8/17). Der Kläger beantragte für seinen Sohn Kindergeld über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus. Zur Begründung verwies er darauf, dass dem Sohn wegen dessen mindestens sechs Jahre andauernder Verpflichtung zum Dienst im Katastrophenschutz eine Freistellung vom Wehrdienst bewilligt worden sei. Diesen Antrag lehnte die Familienkasse ab. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Der III. Senat des BFH hat im Urteil vom 18.12.2014, III R 9/14, entschieden, dass für ein volljähriges Kind unter 21 Jahren, das als arbeitsuchend gemeldet ist und einer selbstständigen Tätigkeit nachgeht, Kindergeld beansprucht werden kann, sofern diese Tätigkeit weniger als 15 Wochenstunden umfasst. Die Klägerin bezog im Zeitraum November 2005 bis Juli 2006 Kindergeld für ihre Tochter, die als Kosmetikerin selbstständig tätig war. Als die Familienkasse hiervon erfuhr, hob sie die Festsetzung auf und forderte das Kindergeld zurück. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Der BFH hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Streitsache an das Finanzgericht (FG) zurück, da er nicht abschließend prüfen konnte, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch erfüllt waren. Für ein volljähriges Kind, das noch nicht 21 Jahre alt ist, kann Kindergeld (u.a.) dann beansprucht werden, wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und als arbeitsuchend gemeldet ist. Nach Ansicht des BFH ist der Begriff des Beschäftigungsverhältnisses sozialrechtlich zu verstehen, und zwar i.S.v. »beschäftigungslos« nach § 119 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III a. F.; jetzt § 138 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 SGB III. Hiernach schließt die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit von weniger als 15 Wochenstunden die Beschäftigungslosigkeit nicht aus, wobei Abweichungen von geringer Dauer unberücksichtigt bleiben. Auf die Höhe der Einkünfte kommt es nicht an. Insbes. ist die für ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis nach §§ 8, 8a SGB IV maßgebliche Grenze von 400 € (nunmehr 450 €) ohne Bedeutung.
Grundsätzlich endet eine universitäre Berufsausbildung mit der Bekanntgabe der Prüfungsfeststellung. Dies gilt auch, wenn das Prüfungsergebnis (Diplom-Arbeit) aufgrund eines Verschuldens der Universität verspätet mitgeteilt wird. Eine Beschäftigung vor Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses führt nicht ausnahmsweise zu einer Beendigung der Berufsausbildung vor Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse, wenn das Beschäftigungsverhältnis keine feste Arbeitszeit vorsieht, sondern mit einer »maximalen Arbeitszeit« von 40 Wochenstunden, die mit jeweils 7 € pro Stunde zu vergüten sind, vereinbart und das Beschäftigungsverhältnis im Durchschnitt mit knapp 15 Stunden in der Woche ausgeübt wurde, was zu Gehaltseinnahmen von durchschnittlich 430 € pro Monat führte. Die verspätete, in der Verantwortung der Universität liegende Mitteilung des Prüfungsergebnisses lässt den Kindergeldanspruch nicht entfallen; vgl. FG Sachsen vom 17.6.2015, 4 K 357/11.
Für die Berücksichtigung eines volljährigen, arbeitsuchenden Kindes beim Kindergeld ist erforderlich, dass sich das Kind tatsächlich bei der Agentur für Arbeit (oder einem Jobcenter als gemeinsame Einrichtung oder zugelassener kommunaler Träger) als Arbeitsuchender gemeldet hat. Die Meldung ist auch dann erforderlich, wenn das Kind arbeitsunfähig erkrankt ist; BFH vom 7.7.2016, III R 19/15. Nach dem Urteil des FG Düsseldorf (Urteil vom 6.11.2014, 14 K 1085/13 Kg) ist auch ein infolge Verletzung arbeitsunfähiges, beschäftigungsloses Kind vor Vollendung des 21. Lebensjahres im Rahmen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG kindergeldrechtlich nur zu berücksichtigen, wenn es als Arbeitsuchender gemeldet ist. Der Eigenschaft als Arbeitsuchender steht nicht entgegen, dass die Leistungsfähigkeit des Suchenden wegen Krankheit vorübergehend, d.h. bis zu drei Monaten, aufgehoben ist. Dies gilt bei entsprechender ärztlicher Prognose auch, wenn die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich zehn Monate andauert.
Entscheidet ein Kind, sich zugunsten der Betreuung des eigenen, unter drei Jahre alten Kindes vorerst nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, ist es – selbst bei ungekürztem Bezug von ALG II – nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG als Kind zu berücksichtigen; vgl. FG Nürnberg vom 14.6.2018, 4 K 435/17.
Eine Berücksichtigung ist auch in einem Zeitraum möglich, in dem das Kind wegen einer vorübergehenden Erkrankung nicht bei einer Agentur für Arbeit im Inland oder einem Jobcenter arbeitsuchend gemeldet ist. Von einer vorübergehenden Erkrankung ist auszugehen, wenn sie im Hinblick auf die ihrer Art nach zu erwartende Dauer der von ihr ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung mit hoher Wahrscheinlichkeit regelmäßig nicht länger als sechs Monate währt (BFH vom 31.8.2021, III R 41/19).
Ab VZ 2012 hat das Steuervereinfachungsgesetz 2011 die steuerliche Berücksichtigung von volljährigen Kindern wesentlich vereinfacht. Die Rechtslage einschließlich 2011, wonach volljährige Kinder nur berücksichtigt werden, wenn ihre Einkünfte und Bezüge (→ Einkünfte und Bezüge von Kindern) den Jahresgrenzbetrag von 8 004 € nicht überschreiten, wurde überarbeitet. Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1.11.2011 (BGBl I 2011, 2131) ist die Einkünfte- und Bezügegrenze aufgehoben worden. Stattdessen wird ein volljähriges Kind, das einen der Tatbestände des § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a bis d EStG erfüllt und noch keine Erstausbildung abgeschlossen hat, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres ohne weitere Voraussetzung berücksichtigt. Demnach entfällt die für die Finanzämter und Familienkassen zum Teil komplizierte und aufwändige Berechnung der Einkünfte und Bezüge eines Kindes, was zu einer erheblichen Vereinfachung der Anspruchsvoraussetzungen führt. Ein Kind wird somit generell bis zum Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums ohne weitere Prüfung berücksichtigt.
Hierbei unterstellt der Gesetzgeber zukünftig, dass das Kind nach einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten und die Unterhaltsbedürftigkeit durch die Eltern nicht mehr besteht. Dies hat zur Folge, dass das Kind, wenn es nicht als arbeitsuchend i.S.v. § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG gemeldet (bis 21 Jahre) oder behindert i.S.v. § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG ist, nicht mehr zu berücksichtigen ist.
Eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium sind grundsätzlich abgeschlossen, wenn sie das Kind zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Wenn das Kind später eine weitere Ausbildung aufnimmt (z.B. Meisterausbildung nach mehrjähriger Berufstätigkeit aufgrund abgelegter Gesellenprüfung oder Masterstudium nach mehrjähriger Berufstätigkeit), handelt es sich um eine Zweitausbildung. Zu beachten ist allerdings die angepasste Rechtsprechung zur sog. mehraktigen Erstausbildung eines Kindes. Beginnt z.B. ein Kind nach Abschluss einer Ausbildung zum Bankkaufmann zum erstmöglichen Zeitpunkt eine Ausbildung zum »Bankfachwirt BankColleg« an einer Genossenschaftsakademie der Volks- und Raiffeisenbanken, so handelt es sich regelmäßig um den zweiten Ausbildungsteil einer mehraktigen erstmaligen Berufsausbildung. Es kommt nicht darauf an, dass die Bewerbung für die Ausbildung zum Bankfachwirt innerhalb eines Monats nach dem Abschluss der Ausbildung zum Bankkaufmann abgesandt oder die fortbestehende Ausbildungswilligkeit innerhalb eines Monats gegenüber der Familienkasse kundgetan worden ist; vgl. auch FG Niedersachsen Urteil vom 6.2.2018, 13 K 171/17. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 21.3.2019, III R 12/18, dass eine Erstausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht anzunehmen ist, wenn ein Kind nach Erlangung eines ersten Berufsabschlusses während einer beruflichen Weiterbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die im Vergleich zur Weiterbildung als »Hauptsache« anzusehen ist.
Zu der Problematik, wann eine mehraktige, erstmalige Berufsausbildung vorliegt, ergeht zahlreiche Rspr., die in nachfolgender Übersicht dargestellt wird (Näheres s. → Kinder):
Sachverhalt/Ausbildungsmaßnahme |
FG- bzw. BFH-Urteil |
Steuerfachangestellter/Steuerfachwirt/Steuerberater |
Saarland vom 15.2.2017, 2 K 1290/16; BFH vom 10.4.2019, III R 43/17 |
Elektroniker/Industriemeister Elektrotechnik |
Niedersächsisches FG vom 13.11.2017, III R 32/17 |
Bankkauffrau/Bankfachwirt-Studium |
Niedersächsisches FG vom 13.11.2017, 1 K 115/17; BFH vom 21.3.2019, III R 17/18 |
Bankkauffrau/staatlich geprüfte Betriebswirtin |
FG Münster vom 14.12.2017, 3 K 2536/17 Kg; BFH vom 11.12.2018, III R 2/18 |
Steuerfachgehilfe/Steuerfachwirt |
FG Düsseldorf vom 11.1.2018, 9 K 994/117; BFH vom 17.1.2019, III R 8 /18 |
Bachelorstudium/Masterstudiengang Wirtschaftspsychologie |
FG Baden-Württemberg vom 16.1.2018, 6 K 3796/16; BFH vom 11.12.2018, III R 26/18 |
Verwaltungsfachangestellter/Verwaltungsfachwirt |
FG Düsseldorf vom 28.5.2018, 7 K 2356/17Kg; BFH vom 10.4.2019, III R 33/18 |
Kaufmann/Studium an der Hochschule für Ökonomie und Management |
FG Düsseldorf vom 18.8.2018; BFH vom 20.2.2019, III R 52/18 |
Sozialversicherungsangestellter/AOK-Betriebswirt |
FG Münster vom 12.7.2019, 4 K 787/18 Kg |
Bankkaufmann/Sparkassenfachwirt/Studium der Betriebswirtschaftslehre |
BFH vom 23.1.2020, III R 62/18 |
Bankkaufmann/Bankfachwirt/Bankkolleg |
BFH vom 14.4.2021, III R 50/50 |
Diplom-Finanzwirt (FH)/Master of Laws Wirtschafts- und Steuerrecht |
FG Münster vom 25.10.2021, 9 K 976/21 Kg |
Medizinstudium/Facharztweiterbildung |
FG Niedersachsen vom 17.11.2021, 9 K 114/21 |
Wird im Anschluss an eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium eine erneute Berufsausbildung oder ein Studium aufgenommen, wird die Vermutung, dass das Kind in der Lage ist, seinen Unterhalt selbst zu bestreiten, wieder aufgehoben. Falls das Kind somit neben der Berufsausbildung keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, durch welche Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht (mehr als 20 Stunden) werden, kommt eine Berücksichtigung als Kind wieder in Betracht. Einer Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden werden gem. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis und ein Ausbildungsverhältnis gleichgestellt. Hierbei unterstellt der Gesetzgeber, dass die Unterhaltsunterstützung durch die Eltern wiederauflebt.
Beispiel 1:
Aus der Steuererklärung für den VZ 28 des in zweiter Ehe mit E verheirateten H ergibt sich, dass sich sein erstgeborener Sohn Primus P, geb. am 3.3.00, nach dem Abitur (VZ 19) zunächst für vier Jahre bei der Bundeswehr verpflichtete, um anschließend mit dem auswärtigen Studium zu beginnen. H kam im VZ 28 für alle Kosten des P (Lebensunterhalt, Miete für die Studentenappartements sowie Studienkosten) i.H.v. 5 000 € auf.
Die zehn Jahre später am 1.7.10 geborene Tochter Ultima U besuchte während des ganzen Jahres (VZ 28) das Gymnasium und wohnte im gemeinsamen Haushalt von H und E. Die Mutter von U/P ist verstorben.
Spielt es eine Rolle, ob H für seine Kinder Kindergeld erhalten hat?
Lösung 1:
Berücksichtigung der 18-jährigen U
Ein Kind wird bis zu dem Kalendermonat berücksichtigt, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 32 Abs. 3 EStG). U hat am 30.6.28 das 18. Lebensjahr vollendet (§ 187 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 188 Abs. 2 HS 2 BGB) und wird daher zunächst nur für die ersten sechs Monate im VZ 28 berücksichtigt. U wird jedoch ab 07/28 gem. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG weiter berücksichtigt (Besuch des Gymnasiums). Zur Höhe des Kinderfreibetrages s. Fortführung der Lösung.
Berücksichtigung des P
P hat zu Beginn des VZ 28 bereits das 27. Lebensjahr vollendet (am 3.3.27).
Er kann daher nicht mehr als Kind berücksichtigt werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass er seinen Wehrdienst abgeleistet hat. Nachdem sich P jedoch für vier Jahre verpflichtet hat, ist der vom Gesetz maximal gezogene Rahmen von drei Jahren (§ 32 Abs. 5 Nr. 2 EStG) überschritten, sodass P nicht berücksichtigt werden kann.
Für P bekommt H weder Kindergeld noch kann er ggf. Freibeträge gem. § 32 Abs. 6 EStG geltend machen.
Anmerkung zur Berücksichtigung der 18-jährigen U
Steck (NWB 2013, 2639) kritisiert die Benachteiligung der Eltern von Kindern, die am 1. eines Monats geboren wurden. Diese Eltern werden regelmäßig am Ende des Berücksichtigungszeitraums beim Kindergeld wie auch bei den steuerlichen Freibeträgen benachteiligt. Für die Berechnung des zugrunde zu legenden Alters eines Kindes sind gem. § 108 Abs. 1 AO die §§ 187, 188 BGB maßgeblich. Nach § 187 Abs. 2 Satz 2 BGB wird der Tag der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters bereits voll mitgerechnet. Daher richtet sich das Ende der »Frist« nach § 188 Abs. 2 BGB: Die »Frist« (hierher übertragen: das jeweilige Lebensjahr) endet mit dem Ablauf desjenigen Tags, der seiner Benennung nach dem Tag der Geburt vorangeht. Diese Regelungen führen schon im Regelfall dazu, dass ein am 1. eines Monats geborenes Kind einen Monat weniger bei den Eltern berücksichtigt wird als alle anderen Kinder. Unter Berufung auf den Gleichheitssatz aus Art. 3 GG rät Steck dazu, Einspruch gegen eine ablehnende Entscheidung der Familienkasse einzulegen.
Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG ist ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, zu berücksichtigen, wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, und die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist. Eine Behinderung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG liegt vor, wenn die in § 2 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB IX genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Behinderungsbegriff des § 2 Abs. 1 SGB IX i.d.F. bis 31.12.2017 setzt eine für das Lebensalter untypische gesundheitliche Situation voraus, die mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauert und kausal zu einer Teilhabebeeinträchtigung führt. Alle drei Tatbestandsmerkmale des Behinderungsbegriffes müssen vor Vollendung der in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 Halbsatz 2 EStG geregelten Altersgrenze eingetreten sein und zusätzlich auch während des Zeitraums bestehen, für den der Kindergeldanspruch geltend gemacht wird. Eine drohende Behinderung erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG; BFH vom 27.11.2019, III R 44/17.
Für Auslandskinder gilt: Es werden nur diejenigen berücksichtigt, die im Inland oder im EU/EWR-Raum oder in der Schweiz einen Wohnsitz (gewöhnlichen Aufenthalt) haben bzw. es findet eine Berücksichtigung für Auslandskinder auf (wesentlich) niedrigerem Niveau aufgrund zwischenstaatlicher Abkommen statt (Schweiz, Türkei, Tunesien, Marokko, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Serbien (vgl. H 63 EStH und DA-KG A 23.2 vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818). Außerdem sind nach dem Austrittsabkommen EU/VK Kinder, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Vereinigten Königreich haben, zu berücksichtigen, sofern der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt vor dem 1.1.2021 begründet wurde; vgl. A 23.1 Abs. 1 Satz 2 DA-KG vom 17.9.2021, BStBl I 2021, 1598. In der Regel teilen minderjährige Kinder den Familienwohnsitz (vgl. A 2.1.5 Satz 6 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818).
Ob ein Kind einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, hängt von den Gesamtumständen des Einzelfalls ab. Wohnt ein Kind im Ausland unter Umständen, die erkennen lassen, dass es dort nicht nur vorübergehend bleibt, so liegt der Wohnsitz des Kindes im Ausland, auch wenn die Eltern ihren Wohnsitz im Inland haben. Ein minderjähriges Kind, das sich zusammen mit seinen Eltern im Ausland aufhält und bereits vor deren Ausreise mit seinen Eltern einen Wohnsitz im Inland hatte, behält diesen grundsätzlich bei, wenn auch die Eltern ihren Wohnsitz im Inland beibehalten. Wird ein Kind im Ausland geboren, begründet es ausnahmsweise einen Wohnsitz im Inland bzw. teilt den inländischen (Familien-)Wohnsitz bereits ab seiner Geburt, sofern sich die Mutter nur kurzfristig, lediglich vorrübergehend zum Zeitpunkt der Geburt bzw. zur Entbindung im Ausland aufgehalten hat und das Kind alsbald bzw. innerhalb angemessener Zeit (z.B. zum Ende der Mutterschutzfrist) nach Deutschland gebracht wird.
Wird ein minderjähriges Kind ausländischer Staatsangehörigkeit durch Deutsche mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland wirksam als Kind angenommen, hat es ab dem Zeitpunkt der Annahme seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, wenn es innerhalb angemessener Zeit ins Inland gebracht wird. Nehmen im Inland lebende deutsche Eltern ein Kind ausländischer Staatsangehörigkeit zunächst mit dem Ziel der Annahme in Pflege (§ 1744 BGB), kann spätestens ab diesem Zeitpunkt von einem Wohnsitz bzw. dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes im Inland ausgegangen werden.
Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist die Gewährung von Kindergeld ausgeschlossen, wenn für das Kind u.a. Leistungen im Ausland gewährt werden, die dem Kindergeld, einer Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder Kinderzuschüssen aus den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbar sind. Das BZSt hat hierzu eine Tabelle veröffentlicht, in der die im Ausland gewährten Leistungen aufgeführt sind, welche die Zahlung von Kindergeld nach dem EStG ausschließen oder zur Zahlung von Kindergeld in Höhe eines Unterschiedsbetrags führen (BZSt vom 21.3.2014 – St II 2 – S 2473 – PB/14/00001, BStBl I 2014, 768).
Von einer Aufgabe des Wohnsitzes ist in »Entführungsfällen« (z.B. Väter nehmen die Kinder in ihre Heimatländer mit) grds. nicht auszugehen; vgl. BFH Urteil vom 19.3.2002, BFH/NV 2002, 1148 (Türkei), BFH/NV 2002, 1146 (Pakistan) sowie BFH vom 25.6.2009, III R 2/07, BStBl II 2009, 968 und vom 4.7.2012, III B 174/11).
Mit Urteil vom 5.5.2014, III B 156/13, nahm der BFH Stellung zu entführten Kindern: Es ist geklärt, dass ein Kind, das in einen Staat außerhalb der EU und des EWR entführt wurde, seinen inländischen Wohnsitz i.S.d. § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG i.V.m. § 8 AO aufgegeben hat, wenn sich bei einer die Gesamtumstände des Einzelfalls berücksichtigenden Prognose ergibt, dass das Kind nicht nach Deutschland zurückkehren wird. Die Wohnsitzaufgabe kann im Einzelfall bereits beim Verlassen des Inlands oder erst zu einem späteren Zeitpunkt eintreten. Eine Regel, wonach die vom FG anzustellende Prognoseentscheidung immer zugunsten desjenigen ausfallen muss, dem das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind übertragen wurde, lässt sich aus der BFH-Rspr. nicht ableiten Die Prognoseentscheidung des FG über die Rückkehr des Kindes ist vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar.
Mit Urteil vom 27.2.2014, V R 15/13 entschied der BFH, dass ein Wohnsitz i.S.d. § 8 AO durch tatsächliches Handeln begründet wird. Nicht entscheidend ist daher die Anmeldung eines Wohnsitzes des Kindes beim inländischen Einwohnermeldeamt. Der (zweite) Wohnsitz des Kindsvaters im Inland ist dem in einem Drittland geborenen und dort mit der Kindsmutter lebenden Kind nicht zuzurechnen. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, wonach ein Kind – bis es sich persönlich und wirtschaftlich vom Elternhaus gelöst hat – bei mehrfachem Wohnsitz eines Elternteils diesen automatisch mitbegründet. Das Gesetz unterscheidet in § 62 und § 63 EStG zwischen dem Wohnsitz des Kindergeldberechtigten und dem Wohnsitz des Kindes. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist deutscher Staatsangehöriger und leiblicher Vater des am 9.2.2010 im Drittland geborenen Kindes M (Kind). Das Kind hat die deutsche Staatsangehörigkeit. In der Zeit von Mai 2009 bis März 2011 hielt sich der Kläger überwiegend in einem Drittland auf. Dort war er für eine »non-governmental organization« (X-NGO) unentgeltlich als Berater tätig. Während dieses Zeitraums hielt sich der Kläger lediglich für drei zusammenhängende Monate in der Wohnung seines im Inland belegenen Hauses auf. Über diese voll eingerichtete Wohnung hatte der Kläger während der gesamten Tätigkeitszeit im Drittland verfügt. Das Kind hatte der Kläger ab dessen Geburt in der inländischen Wohnung angemeldet. Tatsächlich bezog es diese Wohnung erstmals ab dem 3.3.2011, nachdem der Kläger seine Tätigkeit bei der X-NGO beendet hatte. Zuvor lebte das Kind zusammen mit der Kindesmutter ohne Unterbrechung in dem Drittland. Nach dem Ergebnis der Richter war der (zweite) Wohnsitz des Klägers im Inland nicht dem Kind zuzurechnen.
Während eines mehrjährigen Auslandsaufenthalts zum Zwecke einer Berufsausbildung behält ein Kind seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland im Regelfall nur dann bei, wenn es diese Wohnung zumindest überwiegend in den ausbildungsfreien Zeiten nutzt; vgl. BFH Urteil vom 25.9.2014, III R 10/14, BStBl II 2014, 655. Für die Beibehaltung eines Inlandswohnsitzes im Hause der Eltern bei mehrjährigen Auslandsaufenthalten reichen nur kurze, üblicherweise durch die Eltern-Kind-Beziehung begründete Besuche regelmäßig nicht aus. Dies ist bei lediglich kurzzeitigen Aufenthalten – zwei bis drei Wochen pro Jahr – nach der Lebenserfahrung der Fall. Für die Beibehaltung eines Wohnsitzes sind die tatsächlichen Verhältnisse ohne Rücksicht auf subjektive Momente oder Absichten entscheidend.
Die Beibehaltung einer inländischen Wohnung lässt sich nicht daraus herleiten, dass ein Kind, das im Herkunftsland seiner Familie ausgebildet wird, dort mit seinen Eltern Urlaube verbringt; Aufenthalte der im Inland lebenden Eltern mit den Kindern außerhalb Deutschlands haben regelmäßig keine Bedeutung für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes durch das Kind. Die Grundsätze, nach denen zu beurteilen ist, ob ein Kind, das sich zu einer mehrjährigen Ausbildung im Ausland aufhält, seinen Wohnsitz in der inländischen elterlichen Wohnung beibehält, sind durch die Rspr. bereits hinreichend geklärt. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls und insbesondere die Dauer der zwischenzeitlichen Inlandsaufenthalte; vgl. BFH vom 17.5.2017, III B 92/16.
Zu der Frage eines inländischen Wohnsitzes eines nicht schulpflichtigen Kindes bei längerem Auslandsaufenthalt entschied das FG Hessen Urteil vom 20.2.2018, 3 K 572/15 wie folgt:
Ein Wohnsitz im steuerrechtlichen Sinne liegt vor, wenn objektiv die Wohnung ihrem Inhaber, wann immer er es wünscht, als Bleibe zur Verfügung steht und von ihm auch subjektiv zur entsprechenden Nutzung bestimmt ist. Dabei ist es nicht entscheidend, ob sich der Betreffende während einer Mindestzahl von Tagen oder Wochen im Jahr tatsächlich in der Wohnung aufhält; erforderlich ist nur eine Nutzung der Wohnung, die über bloße Besuche oder kurzfristige Ferienaufenthalte hinausgeht. Geht ein Kind noch nicht zur Schule, ist die Rspr. zum mehrjährigen Auslandsaufenthalt zu Zwecken einer Berufsausbildung, nach der ein Kind seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland nur dann beibehält, wenn es diese Wohnung zumindest überwiegend in den ausbildungsfreien Zeiten nutzt, nicht anwendbar. Auch wenn sich ein nicht schulpflichtiges Kind zusammen mit der Mutter mehrere Monate bei Angehörigen im Ausland aufhält, aber auch die inländische Wohnung, die als Familienwohnsitz dient, über mehrere Monate nutzt, liegt ein inländischer Wohnsitz vor.
Bei Kindern, die zum Zwecke der Schul-, Hochschul- oder Berufsausbildung auswärtig untergebracht sind, reicht es für einen Inlandswohnsitz nicht aus, wenn die elterliche Wohnung dem Kind weiterhin zur Verfügung steht. Es muss, um einen inländischen Wohnsitz in diesen Fällen annehmen zu können, eine Beziehung zur elterlichen Wohnung vorhanden sein, die über die allein durch das Familienverhältnis begründete Beziehung hinausgeht und erkennen lässt, dass das Kind die elterliche Wohnung nach wie vor auch als seine eigene betrachtet (hier verneint für die Tochter des Klägers, die seit ihrer Einschulung in eine israelische Grundschule mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in Israel lebte). Der Taterfolg einer durch das Verschweigen eines zum Wegfall des Kindergeldanspruchs führenden Umstands begangenen leichtfertigen Steuerverkürzung tritt nicht laufend mit jeder monatlichen Auszahlung, sondern erst mit der letzten aufgrund des Verschweigens unberechtigt erhaltenen Auszahlung ein; vgl. FG Berlin-Brandenburg vom 17.6.2020, 7 K 7013/18.
Ob ein Kind, das sich zeitweise außerhalb des elterlichen Haushalts im Ausland zu Ausbildungszwecken aufhält, seinen inländischen Wohnsitz bei den Eltern beibehält oder zunächst aufgibt und bei seiner Rückkehr neu begründet, ist aufgrund der objektiven Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Neben der voraussichtlichen Dauer der auswärtigen Unterbringung, der Art der Unterbringung am Ausbildungsort bzw. im Elternhaus, dem Zweck des Auslandsaufenthaltes und den persönlichen Beziehungen des Kindes am Wohnort der Eltern bzw. am Ausbildungsort kommt auch der Dauer und Häufigkeit der Inlandsaufenthalte bei der Abwägung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung erhebliche Bedeutung zu; Hessisches FG vom 18.3.2021, 9 K 1660/18.
Entscheidend für die Bestimmung als EU-Mitgliedstaat ist nicht allein, ob das Gebiet völkerrechtlich dem Gebiet der EU zugeordnet werden kann. Hinzukommen muss, dass auf diesem Gebiet auch das Recht der EU gilt (BFH Beschluss vom 18.2.2021, III B 123/20). Für die studierende Tochter erhalten die Eltern demnach kein Kindergeld. Gem. § 63 Abs. 1 Satz 6 EStG setzt der Kindergeldanspruch voraus, dass das Kind entweder im Inland oder in einem EU-Mitgliedstaat oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Ab 1.1.2016 sind die an den Berechtigten und an das Kind vergebenen steuerlichen Identifikationsnummern (IdNr) gesetzlich vorgeschriebene Anspruchsvoraussetzung für das Kindergeld (Änderungen der §§ 62 und 63 EStG durch das Gesetz zur Änderung des Freizügigkeitsgesetzes/EU und weiterer Vorschriften vom 2.12.2014, BGBl I 2014, 1922). Da der Berechtigte den Nachweis der Identität des Kindes grundsätzlich durch die an ihn und das Kind vergebene IdNr zu führen hat, hat zur Vorbereitung auf die Umsetzung der Gesetzesänderung die Familienkasse jede Gelegenheit zu nutzen, fehlende IdNr bei den Berechtigten anzufordern. Nähere Angaben hierzu enthält die Einzelanweisung des BZSt vom 5.6.2015.
Ein Anspruch auf Kindergeld hängt nach § 62 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG grundsätzlich davon ab, ob der Berechtigte durch die an ihn vergebene IdNr nach § 139b AO identifiziert wird. Der Berechtigte ist in diesen Fällen ausschließlich anhand der IdNr zu identifizieren. Der Berechtigte ist identifiziert, wenn der Familienkasse die IdNr des Berechtigten vorliegt. Liegt die IdNr nicht vor, kann die Familienkasse die IdNr ggf. über das ADI bzw. über das MAV oder durch Anfrage beim Berechtigten ermitteln. Der Berechtigte ist nur dann nicht identifiziert, wenn die Familienkasse die IdNr über keine der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ermitteln konnte. Bis zum 31.12.2016 soll davon abgesehen werden, eine Kindergeldfestsetzung allein aufgrund der noch nicht ermittelten IdNr aufzuheben. Wird eine IdNr erst nachträglich vergeben, wirkt diese Vergabe nach § 62 Abs. 1 Satz 3 EStG auf Monate zurück, in denen die Anspruchsvoraussetzungen nach § 62 Abs. 1 Satz 1 EStG vorlagen. Der Berechtigte ist nach § 52 Abs. 49a Satz 1 EStG auch bei betragsmäßigen Festsetzungen, die bereits am 31.12.2015 bestanden und über diesen Zeitpunkt hinaus fortgelten, anhand der IdNr zu identifizieren.
Wurde an ein Kind keine IdNr vergeben und hat es weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, ist es nach § 63 Abs. 1 Satz 4 EStG in anderer geeigneter Weise zu identifizieren. Sofern in dem ausländischen Wohnsitzstaat eine geeignete persönliche IdNr vergeben wird, ist diese als Nachweis der Identität des Kindes heranzuziehen (s. Anlage zur Weisung des BZSt vom 9.8.2016, BStBl I 2016, 801). Als geeignete persönliche IdNr ist eine Nummer anzusehen, die eine Person mit Geburt und nur einmalig erhält und die nur einmal vergeben wird. Werden zwischen der Familienkasse und dem ausländischen Träger Formulare für die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit ausgetauscht (Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 987/2009), können diese als Nachweis für die Nummer dienen. Alternativ ist die Nummer vom Berechtigten durch amtliche Dokumente zu belegen.
Vergibt das BZSt die IdNr eines Kindes aus vom Berechtigten nicht zu vertretenden Gründen nicht innerhalb von drei Monaten und liegen die übrigen Anspruchsvoraussetzungen vor, kann die Familienkasse Kindergeld unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gem. § 164 AO festsetzen. Das gilt entsprechend, wenn eine bereits vergebene, aber unbekannte IdNr des Kindes vom BZSt nicht innerhalb von drei Monaten erneut mitgeteilt wird; vgl. A 22.1 Abs. 4 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818).
Die Ukraine-Aufenthalts-Übergangsverordnung befreit Personen, die anlässlich des Krieges in der Ukraine eingereist sind, vorübergehend (24.2. bis 23.5.2022) vom Erfordernis des Besitzes eines Aufenthaltstitels. Die Ausländerbehörden sind durch das BMI-Rundschreiben v. 14.3.2022 gehalten, den betroffenen Personen bis zur Ausstellung des Aufenthaltstitels eine Fiktionsbescheinigung zu erteilen. Wenn die Fiktionsbescheinigung den Vermerk »Erwerbstätigkeit erlaubt« und einen Hinweis auf die Titelerteilung nach § 24 AufenthG enthält, ist sie deshalb ausnahmsweise ausreichend, um die Voraussetzungen für den Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 2 EStG zu erfüllen. Bei der Beantragung des Kindergeldes sind die steuerlichen Identifikationsnummern (IdNr.) des Antragstellers und des Kindes anzugeben. Zur Vergabe der IdNr. an Geflüchtete hat das BZSt weitere hilfreiche Hinweise in deutscher und ukrainischer Sprache veröffentlicht.
Die Anspruchsberechtigung regelt § 62 EStG. Anspruchsberechtigt ist danach, wer
im Inland einen Wohnsitz (§ 8 AO) oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) hat oder
ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
nach § 1 Abs. 2 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist oder
nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird.
Ausländer, mit Ausnahme von EU-/EWR-Bürgern bzw. Schweizern (DA A 4.5, DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818), haben darüber hinaus nur Anspruch auf Kindergeld, wenn sie (§ 62 Abs. 2 EStG)
eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU besitzen,
eine Blaue Karte EU, eine ICT-Karte, eine Mobiler-ICT-Karte oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzt, die für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben oder diese erlauben, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis wurde
nach § 16e des Aufenthaltsgesetzes zu Ausbildungszwecken, nach § 19c Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung, nach § 19e des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck der Teilnahme an einem Europäischen Freiwilligendienst oder nach § 20 Abs. 1 und 2 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt,
nach § 16b des Aufenthaltsgesetzes zum Zweck eines Studiums, nach § 16d des Aufenthaltsgesetzes für Maßnahmen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen oder nach § 20 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes zur Arbeitsplatzsuche erteilt und er ist weder erwerbstätig noch nimmt er Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch,
nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wegen eines Krieges in seinem Heimatland oder nach den § 23a oder § 25 Abs. 3 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt,
oder
eine in Nr. 2 Buchst. c genannte Aufenthaltserlaubnis besitzt und im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig ist oder Elternzeit nach § 15 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes oder laufende Geldleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch in Anspruch nimmt.
Nicht kindergeldberechtigt sind trotz Berechtigung zur Erwerbstätigkeit gem. § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG Personen, denen eine Aufenthaltserlaubnis
zu Ausbildungszwecken (für ein studienbezogenes Praktikum EU) nach § 16e AufenthG,
zum Zweck der Beschäftigung als Au-Pair (§ 12 BeschV) oder zum Zweck der Saisonbeschäftigung (§ 15a BeschV) nach § 19c Abs. 1 AufenthG,
zur Teilnahme am Europäischen Freiwilligendienst nach § 19e AufenthG,
zur Suche nach einem Arbeitsplatz als Fachkraft mit Berufsausbildung oder mit akademischer Ausbildung nach § 20 Abs. 1 und 2 AufenthG
erteilt wurde.
Freizügigkeitsberechtigte Ausländer müssen die Erfordernisse nach § 62 Abs. 2 EStG nicht erfüllen. Für Berechtigte mit EU- bzw. EWR- Staatangehörigkeit ist für Zeiträume ab August 2019 § 62 Abs. 1a EStG zu beachten.
Aufgrund Art. 12 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2011/98/EU, der unmittelbar anwendbar ist, haben hingegen Anspruch auf Kindergeld:
Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der betrieblichen Aus- und Weiterbildung nach § 17 AufenthG für mehr als sechs Monate besitzen, und
Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke einer Beschäftigung nach § 18 Abs. 2 AufenthG besitzen, wenn ihnen die Aufenthaltserlaubnis als Sprachlehrer oder Spezialitätenkoch (§ 11 BeschV), Hausangestellter eines Entsandten (§ 13 BeschV), Schaustellergehilfe (§ 15b BeschV), Haushaltshilfe (§ 15c BeschV) oder Werkvertragsarbeitnehmer bzw. Gastarbeitnehmer auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen (§ 29 Abs. 1 und 2 BeschV) erteilt wurde.
Aufgrund Art. 12 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2011/98/EU, der unmittelbar anwendbar ist, haben hingegen Anspruch auf Kindergeld:
Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der betrieblichen Aus- und Weiterbildung nach § 17 AufenthG für mehr als sechs Monate besitzen, und
Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke einer Beschäftigung nach § 18 Abs. 2 AufenthG (ggf. i.V.m. Abs. 3 oder Abs. 4) besitzen, wenn ihnen die Aufenthaltserlaubnis als Sprachlehrer oder Spezialitätenkoch (§ 11 BeschV), Hausangestellter eines Entsandten (§ 13 BeschV), Schaustellergehilfe (§ 15b BeschV), Haushaltshilfe (§ 15c BeschV) oder Werkvertragsarbeitnehmer bzw. Gastarbeitnehmer auf der Grundlage zwischenstaatlicher Vereinbarungen (§ 29 Abs. 1 und 2 BeschV) erteilt wurde; vgl. DA A 4.4.1 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818.
In den Fällen des eigentlichen Anspruchsausschlusses bei Aufenthaltserlaubnissen nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c EStG (Krieg im Heimatland, Härtefall, vorübergehender Schutz, humanitäre Gründe) eröffnet § 62 Abs. 2 Nr. 3 EStG ausnahmsweise doch die Kindergeldberechtigung, wenn der nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Inland aufhält. Kommt es zu einer Unterbrechung des Aufenthalts, beginnt die dreijährige Wartefrist erneut zu laufen; vgl. BFH Urteil vom 24.5.2012, III R 20/10, BStBl II, 27.
Grds. kommt nach § 62 Abs. 2 EStG ein Anspruch auf Kindergeld für Eltern in Betracht, die einen der dort aufgezählten Aufenthaltstitel »in den Händen halten«; vgl. BFH vom 5.2.2015, III R 19/14: Erteilt die Ausländerbehörde rückwirkend einen Aufenthaltstitel, der nach § 62 Abs. 2 EStG zur Inanspruchnahme von Kindergeld berechtigt, so hat dies kindergeldrechtlich keine Rückwirkung. Für den Anspruch auf Kindergeld ist vielmehr der »Besitz« eines solchen Aufenthaltstitels erforderlich. Dies setzt voraus, dass der Kindergeldberechtigte den Titel im maßgeblichen Anspruchszeitraum tatsächlich in den Händen hält.
Die Feststellung der fehlenden Freizügigkeit obliegt – auch hinsichtlich der Kindergeldfestsetzung – allein den Ausländerbehörden und den Verwaltungsgerichten, nicht jedoch den Familienkassen. Erst nach einer Feststellung des Nichtbestehens oder des Verlustes des Rechts nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU benötigt der Unionsbürger gem. § 11 Abs. 2 FreizügG/EU einen Aufenthaltstitel nach dem Aufenthaltsgesetz, will er sich weiterhin legal in Deutschland aufhalten und Kindergeld beanspruchen; vgl. BFH vom 15.3.2017, III R 32/15.
Mit Urteil vom 18.1.2018, III R 16/17, hat der BFH entschieden, dass ein Kindergeldanspruch nach § 62 Abs. 1 Satz 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für die Dauer der Untersuchungshaft u. a. eine nur vorübergehende Unterbrechung der Ausbildung voraussetzt. Eine solche lediglich vorübergehende Unterbrechung der Berufsausbildung liegt nicht vor, wenn das Kind zwar zu einem Zeitpunkt, in dem es Ausbildungsmaßnahmen durchführt, in Untersuchungshaft genommen wird, jedoch weder während der Untersuchungshaft noch im Anschluss an deren Ende eine Ausbildung beginnt oder fortsetzt.
Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sind anspruchsberechtigt nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 EStG ab dem Zeitpunkt der Anerkennung als politisch Verfolgte nach Art. 16a Abs. 1 GG bzw. der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG. Dasselbe gilt für Ausländer, denen subsidiär Schutz nach § 4 AsylG zuerkannt worden ist. Als Zeitpunkt der Anerkennung bzw. Zuerkennung ist das Ausfertigungsdatum des Bescheides des BAMF zugrunde zu legen. Nach Art. 2 des VEA i.V.m. Art. 2 des Zusatzprotokolls zu diesem Abkommen haben anerkannte Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge zudem unabhängig davon, ob der Aufenthaltstitel bereits erteilt wurde, einen Anspruch auf Leistungen des Vertragsstaates unter denselben Bedingungen wie dessen Staatsangehörige, sofern sie sich seit mindestens sechs Monaten im Vertragsstaat aufhalten. Das VEA ist in diesen Fällen rückwirkend auch auf Zeiträume anwendbar, die vor dem Zeitpunkt der Anerkennung, aber nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist liegen; vgl. A 4.4 Abs. 1 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818.
Der BFH hat mit Urteil vom 26.8.2010 (III R 47/09) entschieden, dass ein Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 3 AufenthG nur dann Anspruch auf Kindergeld hat, wenn die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in dem Aufenthaltstitel ausdrücklich erlaubt wird. Für den Bezug von Kindergeld kommt es allein auf den tatsächlichen »Besitz« aufenthaltsrechtlicher Titel an und nicht darauf, ob ein Ausländer einen Anspruch auf einen Titel hat, der zum Bezug von Kindergeld berechtigt. Die aus der Ukraine stammende Klägerin, die im Wege des Kindernachzugs im Jahre 2004 nach Deutschland einreiste war weder im streitigen Zeitraum noch davor im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 34 Abs. 3 AufenthG, wie sie die Klägerin besaß, berechtigt nicht kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Der Senat führt weiter aus, dass er die Neuregelung der Kindergeldberechtigung von Ausländern in § 62 Abs. 2 EStG, die mit Wirkung vom 1.1.2006 in Kraft getreten ist und gem. § 52 Abs. 61a Satz 2 EStG alle Sachverhalte erfasst, bei denen das Kindergeld noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden ist, für verfassungsgemäß hält. Die verfassungsrechtlichen Zweifel des Bundessozialgerichts an der wortgleichen Regelung der Berechtigung von Ausländern zur Inanspruchnahme von Erziehungsgeld nach § 1 Abs. 6 des Gesetzes zum Erziehungsgeld und zur Elternzeit (BErzGG) kämen im steuerrechtlichen Kindergeld nicht zum Tragen, da das Kindergeld, anders als das Erziehungsgeld (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BErzGG), als Einkommen auf Sozialleistungen angerechnet werde.
Nach dem BFH-Urteil vom 19.9.2013 (V R 9/12) haben deutsche Staatsangehörige, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben und Arbeitslohn für die Beschäftigung in einer im Drittland (hier: Dominikanische Republik) liegenden Deutschen Botschaft vom Auswärtigen Amt beziehen, keinen Anspruch auf inländisches Kindergeld für ihre in ihrem Haushalt lebenden Kinder, wenn sie als sog. Ortskräfte ständig im Ausland ansässig sind und dort der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen.
Mit Urteil vom 20.3.2013 (XI R 37/11) hat der BFH entschieden, dass ein für eine deutsche Firma tätiger, sozialversicherungspflichtiger ArbN, der im Zeitraum März 2005 bis April 2006 tatsächlich in Österreich arbeitet und dessen Kinder und deren Mutter in Polen lebten, keinen Kindergeldanspruch hat, da der Kläger weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.
Zum Anspruch eines Ausländers auf Kindergeld nach § 62 EStG hat der BFH mit Urteil vom 15.3.2012 (III R 52/08) Stellung genommen. Ob die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, hat der ausländische Arbeitnehmer vorzutragen. Insoweit sollte ihn nach § 90 Abs. 2 AO eigentlich eine erhöhte Mitwirkungspflicht treffen. Diese Mitwirkungspflicht scheint aber durch die Verordnungen der EG, die auch amtliche Übersetzungen vorsehen, bedeutungslos geworden zu sein. So hat die Familienkasse auch zu ermitteln, ob im Ausland kinderbezogene Leistungen (§ 65 EStG) erbracht worden sind und ggf. Übersetzungen ausländischer Bescheinigungen anzufertigen. Ergibt sich aus einer Arbeitgeberbescheinigung, die von einem im Inland als Arbeitnehmer tätigen Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats vorgelegt wird, dass die Entsendung unter Beibehaltung der Sozialversicherung im Heimatland über zwei Jahre gedauert hat, kann daraus nicht geschlossen werden, dass die Entsendungsvoraussetzungen nach Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und b der VO Nr. 1408/71 bereits von Beginn des Entsendungszeitraums an nicht vorgelegen haben können. Ergeben sich aus der von dem Anspruchsteller vorgelegten Arbeitgeberbescheinigung Zweifel an dem Vorliegen der Entsendungsvoraussetzungen, ist bei den Trägern und Stellen, die über das auf den Anspruchsteller anzuwendende Recht zu befinden haben, zu ermitteln, welche Rechtsvorschriften im Anspruchszeitraum auf den Anspruchsteller Anwendung fanden. Bestätigt der zuständige Träger des anderen Mitgliedstaats, insbes. durch Erteilung einer Entsendebescheinigung nach dem Formular E 101, dass für einen bestimmten Zeitraum ein Fall des Art. 14 Nr. 1 Buchst. a oder b der VO Nr. 1408/71 gegeben war, ist diese Bescheinigung für die Familienkasse und das FG bindend, solange sie nicht zurückgezogen oder für ungültig erklärt wird.
Britische Staatsangehörige, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt bereits vor dem 1.1.2021 in Deutschland begründet haben, stehen nach dem Austrittsabkommen EU/VK einem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger gleich. Dies gilt grds., bis der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt in Deutschland aufgegeben wird. Hingegen müssen britische Staatsangehörige, die ihren inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt erst nach dem 31.12.2020 begründet haben, die Erfordernisse des § 62 Abs. 2 EStG erfüllen.
Als Nachweis einer inländischen gewerblichen Tätigkeit sind nur solche Geschäftsvorfälle geeignet, die unmittelbar zu Einkünften nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG führen. Dazu gehören nicht allgemeine, lediglich mit dem Gewerbebetrieb in einem Zusammenhang stehende Tätigkeiten wie der Besuch eines Steuerberaters, laufende Kosten, Kraftfahrzeugaufwendungen, Akquisehandlungen usw. Eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG setzt voraus, dass eine inländische Steuerpflicht für irgendwelche Einkünfte besteht und das FA im Einkommensteuerbescheid nicht jeweils Einkünfte mit 0 € ansetzt; vgl. FG Nürnberg vom 13.5.2020, 3 K 665/17.
Mit Urteil vom 18.12.2013, III R 44/12, BStBl II 2015, 143 entschied der BFH, dass ein deutscher Staatsangehöriger, der mit seiner Familie den Lebensmittelpunkt in Tschechien teilt und dort sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, hat Anspruch auf deutsches (Differenz-)Kindergeld, wenn er in Deutschland einen Zweitwohnsitz beibehält.
Beispiel 2:
Toni ist zehn Jahre alt und lebt mit ihren Eltern in Deutschland. Nachdem der Vater allerdings arbeitslos wurde, findet er in Tschechien eine Arbeitsstelle. Er nimmt die Stelle an und zieht mit der ganzen Familie an seinen neuen Arbeitsort in Tschechien. Die Wohnung im Deutschland behält er als Zweitwohnsitz bei. Die Familie macht dort mehrmals im Jahr Urlaub.
Lösung 2:
Eine Unterscheidung von Erst- und Zweitwohnsitz wird in § 8 AO nicht vorgenommen. Unregelmäßige Aufenthalte in Deutschland bejahen somit den Wohnsitz i.S.v. § 8 AO in Deutschland. Sollte in Tschechien für das Kind ein vergleichbarer Anspruch auf Familienleistung bestehen, darf es nicht zu einer Sperrwirkung beim eigentlich nicht zuständigen Mitgliedstaat, hier Deutschland, für die Anwendung des nationalen Rechts führen. Vielmehr verstößt § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gegen Gemeinschaftsrecht, konkret gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Kindergeld ist demnach in der Höhe zu gewähren, in der die Leistung nach deutschem Recht die vergleichbare Familienleistung in Tschechien übersteigt.
Nach dem Urteil des BFH vom 3.6.2015, III R 38/14, BStBl II 2016, 102 behält ein Kind während eines mehrjährigen Auslandsaufenthalts zum Zwecke einer Berufsausbildung seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland im Regelfall nur dann bei, wenn es diese Wohnung zumindest überwiegend in den ausbildungsfreien Zeiten nutzt (Bestätigung des Senatsurteils vom 25.9.2014, III R 10/14, BFHE 247, 239). Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Kind den weit überwiegenden Teil der ausbildungsfreien Zeit im Inland verbringt. Bei mehrjährigen Auslandsaufenthalten zum Zwecke einer Berufsausbildung unterscheiden sich die Anforderungen an das Innehaben der inländischen Wohnung nicht danach, ob es sich um die Anfangsphase der Berufsausbildung oder eine spätere Phase handelt. Für die Frage, ob das Kind während des Auslandsaufenthalts einen inländischen Wohnsitz beibehalten oder begründet hat, können auch außerhalb des jeweiligen kindergeldrechtlichen Streitzeitraums liegende tatsächliche Umstände berücksichtigt werden.
In einem weiteren Urteil vom 8.5.2014, III R 21/12, BStBl II 2015, 135, entschied der BFH, dass ein angemietetes Zimmer nur dann der Wohnsitz einer natürlichen Person i.S.d. § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 8 AO sein kann, wenn es sich hierbei um eine auf Dauer zum Bewohnen geeignete Räumlichkeit handelt, die der Betreffende – wenn auch in größeren Zeitabständen – mit einer gewissen Regelmäßigkeit tatsächlich zu Wohnzwecken nutzt. Ob diese Voraussetzungen bei einem Gewerbetreibenden vorliegen, lässt sich im Allgemeinen nicht aus der Höhe der im Inland erzielten Einkünfte folgern.
Ein Kind, das einen zweijährigen Freiwilligendienst aller Generationen (Missionarsdienst) in den USA leistet, ist jedenfalls nur unter den Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 3 (nunmehr Satz 6) EStG a.F. zu berücksichtigen; BFH Urteil vom 13.7.2016, XI R 8/15.
Der in einem anderen EU-Mitgliedstaat lebende Elternteil kann gegenüber dem im Inland lebenden Elternteil nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. Art. 67 der VO Nr. 883/2004, Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 vorrangig kindergeldberechtigt sein, wenn er sein Kind dort in seinen Haushalt aufgenommen hat (Anschluss an BFH vom 4.2.2016, III R 17/13, BStBl II 2016, 612); vgl. BFH vom 13.7.2016, XI R 33/12.
Der BFH hat mit Urteil vom 14.3.2018, III R 5/17 entschieden, dass der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nur für die Monate besteht, in denen der Stpfl. inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG erzielt. Aufgrund der kindergeldspezifischen monatsbezogenen Betrachtungsweise ist bei Einkünften aus gewerblicher Tätigkeit gem. § 15 EStG eines nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagten Kindergeldberechtigten auf die ausgeübte inländische Tätigkeit abzustellen. Der Kläger wohnt mit seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Kindern in Polen. Er war in den Jahren 2011 bis 2015 in Deutschland selbstständig im Baugewerbe tätig (Fußbodenarbeiten, Fliesenverlegung, Malerarbeiten, Abrissarbeiten, Schleifarbeiten, Entsorgung etc.). Einen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (vgl. § 9 AO) hatte er nicht begründet. Auf Antrag wurde der Kläger vom FA in den Jahren 2011 bis 2013 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG behandelt und auch entsprechend veranlagt. Den im Februar 2012 gestellten Kindergeldantrag des Klägers lehnte die Familienkasse ab.
Mit dem Gesetz zur weiteren Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019 (BGBl I 2019, 2451) wurde § 62 Abs. 2 EStG mit Wirkung zum 1.1. bzw. zum 1.3.2020 neu gefasst. Nunmehr wird auch ein Anspruch ermöglicht, wenn es zur Gewinnung von Arbeitskräften in betroffenen Bereichen sinnvoll erscheint oder der Aufenthalt in Deutschland absehbar nicht nur kurzfristig ist. Auch der bisherige vollständige Ausschluss vom Kindergeld für bestimmte ausländische Staatsangehörige, denen der Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erlaubt ist, hat seit der Änderung keinen Bestand mehr.
Ob der Anspruchsteller nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt stpfl. behandelt wurde und deshalb nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG Kindergeld beanspruchen kann, richtet sich nach dem Einkommensteuerbescheid, soweit dieser nicht auf falschen Angaben des Stpfl. beruht. Erzielt ein im Ausland wohnender Stpfl. aus der Verpachtung einer inländischen Immobilie oder eines inländischen Betriebs i.S.d. § 49 EStG inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb oder aus Vermietung und Verpachtung, so berechtigt dies zum Kindergeldbezug in allen Monaten, in denen das Pachtverhältnis besteht und für die eine Behandlung nach § 1 Abs. 3 EStG erfolgt. Aktiver Tätigkeiten (z.B. Instandhaltungsmaßnahmen) oder Zahlungseingängen in den jeweiligen Monaten bedarf es dazu nicht; vgl. BFH vom 23.3.2021, III R 11/20.
Ausländer aus Nicht-EU-Staaten mit humanitärem Aufenthaltstitel müssen Kindergeld erhalten – und zwar unabhängig davon, ob sie zum Zeitpunkt der Beantragung erwerbstätig sind oder nicht. Das hat das BVerfG mit Beschluss vom 28.6.2022, Az. 2 BvL 9/14, 2 BvL 10/14, 2 BvL 13/14, 2 BvL 14/14 entschieden. Mit dem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass § 62 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Gesetzes zur Anspruchsberechtigung von Ausländern wegen Kindergeld, Erziehungsgeld und Unterhaltsvorschuss vom 13.12.2006 gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, und die Vorschrift für nichtig erklärt. Die Vorschrift sieht vor, dass Staatsangehörige der meisten Nicht-EU-Staaten, denen der Aufenthalt in Deutschland aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen erlaubt ist, nur dann einen Anspruch auf Kindergeld haben, wenn sie sich seit mindestens drei Jahren rechtmäßig, gestattet oder geduldet im Bundesgebiet aufhalten und zusätzlich bestimmte Merkmale der Arbeitsmarktintegration erfüllen, d.h. entweder im Bundesgebiet berechtigt erwerbstätig sind, Arbeitslosengeld I beziehen oder Elternzeit in Anspruch nehmen.
§ 62 Abs. 1a EStG enthält einen neuen Anspruchsausschluss: Begründet ein Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines Staates, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, so hat er für die ersten drei Monate ab Begründung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts keinen Anspruch auf Kindergeld. Dies gilt nicht, wenn er nachweist, dass er inländische Einkünfte.
Vor der Einführung des neuen Absatzes 1a im Rahmen des Gesetzes gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch v. 11.7.2019 wurde bei den Anspruchsvoraussetzungen nicht zwischen deutschen und freizügigkeitsberechtigten Antragstellern unterschieden. Hiergegen wurde geklagt und das FG Bremen hat dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen (C-411/20) vorgelegt. Die Entscheidung des EuGH steht noch aus.
Mit Schreiben vom 15.8.2019, BStBl I 2019, 846 nimmt das BZSt Stellung zu den Gesetzesänderungen durch das Gesetz vom 11.7.2019, BGBl I 2019, 1066. Insbes. wurde in § 62a Abs. 1 ein Abs. 1a eingefügt: § 62 Abs. 1a EStG regelt, unter welchen Voraussetzungen für EU-/EWR-Ausländer, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt begründen, ein Kindergeldanspruch besteht. Für die ersten drei Monate nach Begründung des Wohnsitzes bzw. des gewöhnlichen Aufenthalts im Inland schließt § 62 Abs. 1a Satz 1 EStG einen Kindergeldanspruch für die genannten zugezogenen Personen grds. aus. Von diesem Grundsatz wird in Abs. 1a S. 2 eine Ausnahme für zugezogene Personen geregelt, die inländische Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbstständiger Arbeit oder aus nichtselbstständiger Arbeit erzielen. Für Zeiträume ab dem vierten Monat nach Begründung des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthalts macht § 62 Abs. 1a Satz 3 EStG den Kindergeldanspruch von einem hierfür ausreichenden Aufenthaltsrecht abhängig. Das unionsrechtlich garantierte Freizügigkeitsrecht wird damit nicht eingeschränkt. Nicht jeder Grund für die Inanspruchnahme des Freizügigkeitsrechts reicht jedoch auch für die Inanspruchnahme von Kindergeld aus. Eine freizügigkeitsberechtigte Person hat danach einen Kindergeldanspruch, wenn sie Arbeitnehmer ist oder sich zur Berufsausbildung im Inland aufhält, selbstständiger Erwerbstätiger ist, arbeitsuchend ist und vorher eine andere der hier genannten Voraussetzungen erfüllt hat, nicht erwerbstätig ist und über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügt, nach fünf Jahren rechtmäßigen Aufenthalts ein Daueraufenthaltsrecht erworben hat oder Familienangehöriger i.S.d. § 3 FreizügG/EU ist (gilt für Familienangehörige von nicht erwerbstätigen Personen nur, sofern auch sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen). Der Anspruch auf Kindergeld bleibt für ArbN oder selbstständig Erwerbstätige bei vorübergehender Erwerbsminderung aufgrund von Krankheit oder Unfall sowie bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 FreizügG/EU unberührt.
Nach § 67 Abs. 1 EStG ist das Kindergeld bei der örtlich zuständigen Familienkasse des Arbeitsamtes schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Kindergeld muss gem. § 67 Satz 1 EStG schriftlich gestellt und unterschrieben werden. Die Verwendung eines amtlichen Vordrucks ist nicht erforderlich, wenn der Antrag alle zur Entscheidung erforderlichen Angaben enthält und insbes. alle Unterschriftserfordernisse beachtet wurden.
Für die Festsetzung und Zahlung des Kindergeldes an Angehörige des öffentlichen Dienstes sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts insoweit Familienkassen. Das Kindergeld wird von der Familienkasse durch Bescheid festgesetzt und von der Familienkasse ausgezahlt.
§ 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfasst Personen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst-, Amts- oder Ausbildungsverhältnis stehen. Zu diesem Personenkreis gehören:
Mitglieder von Bundesregierung und Landesregierungen, Parlamentarische Staatssekretäre,
Beamte von Bund, Ländern, Gemeinden, Gemeindeverbänden sowie sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts,
Richter des Bundes und der Länder mit Ausnahme der ehrenamtlichen Richter,
Berufssoldaten und Soldaten auf Zeit,
Praktikanten und Dienstanfänger in einem öffentlich-rechtlichen Ausbildungsverhältnis.
Ehrenbeamte sind von § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht erfasst.
Nach § 67 Satz 2 EStG kann außer dem Berechtigten einen Antrag stellen, wer ein berechtigtes Interesse an der Leistung hat. Ein berechtigtes Interesse können insbesondere haben:
Personen, die einem zu berücksichtigenden Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet sind,
Personen oder Stellen, zu deren Gunsten eine Auszahlung des Kindergeldes erfolgen könnte (vgl. §§ 74, 76 EStG sowie entsprechende Regelungen des über- oder zwischenstaatlichen Rechts); vgl. hierzu V 5.3 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818.
Die im Internet ausgefüllten und bereits übermittelten Anträge müssen nochmals ausgedruckt, unterschrieben und an die Familienkassen übersandt werden. Um die Nutzung des neuen Angebotes der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, wurde zunächst auf die qualifizierte digitale Signatur verzichtet. Ende nächsten Jahres wird das Angebot um diese Möglichkeit erweitert. Dann ist die Antragstellung auch papierlos möglich.
Die erforderlichen Nachweise beim Kindergeldantrag ergeben sich aus der nachfolgenden Tabelle:
Kind |
Nachweis |
Kinder unter 18 Jahre |
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Kinder über 18 Jahre und in Schul-, Berufsausbildung oder Studium |
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Kinder über 25 Jahre und in Ausbildung |
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Kinder über 18 Jahre ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz |
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Kinder über 18 Jahre im freiwilligen sozialen oder ökologischen Jahr |
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Kinder über 18 Jahre mit geistiger, seelischer oder körperlicher Behinderung |
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Abb.: Nachweise beim Kindergeldantrag
Anträge, die bei einer Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit anzubringen sind, können auch bei einer Außenstelle derjenigen Agentur für Arbeit angebracht werden, bei der die Familienkasse eingerichtet ist; vgl. BFH Urteil vom 25.9.2014, III R 25/13.
Mit Schreiben vom 15.8.2019, BStBl I 2019, 846 nimmt das BZSt Stellung zu den Gesetzesänderungen durch das Gesetz vom 11.7.2019, BGBl I 2019, 1066: § 66 Abs. 3 EStG wird aufgehoben. Dem § 70 Abs. 1 EStG werden die folgenden Sätze angefügt: Die Auszahlung von festgesetztem Kindergeld erfolgt rückwirkend nur für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist. Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 bleibt von dieser Auszahlungsbeschränkung unberührt.
Aufgrund eines Neuantrags soll bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen das Kindergeld stets für den gesamten beantragten Zeitraum und somit ggf. auch über den Sechs-Monats-Zeitraum des § 70 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG hinaus festgesetzt werden. Im Bescheid ist der Berechtigte auf die Auszahlungsbeschränkung des § 70 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG hinzuweisen, wenn der rückwirkende Zeitraum der Festsetzung über den Sechs-Monats-Zeitraum zurückreicht; vgl. hierzu V 10 Abs. 3 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818.
Mit Urteil vom 21.1.2010 (4 K 1507/09, LEXinform 5009611) hat das FG Rheinland-Pfalz zu der Frage Stellung genommen, ob der doppelte Bezug von Kindergeld für ein und dasselbe Kind als Steuerhinterziehung bewertet und daher der überzahlte Betrag im Rahmen einer auf 10 Jahre verlängerten Verjährungsfrist zurückgefordert werden kann.
Im Streitfall war der Kläger (als beurlaubter Beamter) bei der DB-AG beschäftigt. (Hinweis: Nach der Privatisierung der DB wurden die bisherigen Beamten statusmäßig in das Bundeseisenbahnvermögen (BV) versetzt, arbeiten aber bei dem jetzigen privaten Arbeitgeber DB-AG weiter). Nach der Geburt seiner 1997 geborenen Tochter beantragte er für das Kind im Januar 1998 bei der Familienkasse Kindergeld. Ebenfalls im Januar 1998 reichte er beim BV – u.a. zuständig für beurlaubte Beamte – einen Antrag auf Zahlung von Kindergeld ein. In der Folgezeit gingen ab Januar 1999 auf seinem Bankkonto neben den Gehaltszahlungen der DB-AG betragsidentische Zahlungen für Kindergeld sowohl von der Familienkasse als auch vom BV ein, wobei die Zahlung der Familienkasse ausdrücklich als Zahlung von Kindergeld bezeichnet war. Im Rahmen eines Datenabgleichs von Kindergeldbeziehern bei den Familienkassen und beim BV im Jahr 2008 fiel die Doppelzahlung des Kindergelds an den Kläger auf. Mit Bescheid vom Oktober 2008 hob die Familienkasse ihre Kindergeldfestsetzung ab Januar 1999 auf und forderte das für den Zeitraum Januar 1999 bis August 2008 von ihr gezahlte Kindergeld i.H.v. rd. 17 000 € zurück.
Der Kläger war dagegen der Ansicht, dass der Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Zeiträume vor 2004 der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegenstehe. Er sei allerdings dahingehend vergleichsbereit, dass er ohne Anerkennung einer Rechtspflicht das überzahlte Kindergeld für den nicht verjährten Zeitraum zurückzahle. Eine Steuerhinterziehung habe er nicht begangen, sodass nicht von einer zehnjährigen Verjährungsfrist auszugehen sei. Es hätte eine Abstimmung zwischen der Familienkasse und dem ArbG stattfinden müssen. Der Familienkasse sei ein Organisationsverschulden vorzuwerfen. Er – der Kläger – habe sich korrekt verhalten. Es habe ihm auch nicht zwangsläufig auffallen müssen, dass Doppelzahlungen erfolgt seien.
Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Das FG Rheinland-Pfalz führte u.a. aus, eine Mehrfachgewährung von Kindergeld für ein und dasselbe Kind komme nicht in Betracht. Die Familienkasse habe die Aufhebung zu Recht darauf gestützt, dass ihr – der Familienkasse – die Zahlungen des BV nicht bekannt gewesen seien. Wegen Vorliegens einer Steuerhinterziehung sei von einer zehnjährigen Verjährungsfrist auszugehen. Der Kläger habe gegenüber der Familienkasse irreführende Angaben gemacht. Die Behauptung, dass er über einen Zeitraum von nahezu zehn Jahren nicht bemerkt habe, dass er doppelt Kindergeld bezogen habe, nahm der Senat dem Kläger nicht ab. Die Zahlungen der Familienkasse seien auf den Kontoauszügen ausdrücklich mit der Bezeichnung Kindergeld versehen worden. Auch wenn auf den Kontoauszügen die betragsidentischen Zahlungen des BV nicht ausdrücklich als Kindergeld bezeichnet worden seien, habe sich für den Kläger die Zweckbestimmung dieser Zahlungen aber eindeutig aus den vom BV monatlich erstellten Mitteilungen ergeben. Das Gericht ging davon aus, dass es dem Kläger bekannt gewesen sei, dass er nur an einer Stelle, dem BV, Kindergeld hätte beantragen können, das ergebe sich auch daraus, dass er schriftlich in beiden Kindergeldanträgen bestätigt habe, jeweils ein Merkblatt über Kindergeld erhalten und zur Kenntnis genommen zu haben. Seiner Verpflichtung zur Korrektur des Sachverhalts sei er nicht nachgekommen (s.a. Pressemitteilung des FG Rheinland-Pfalz vom 10.2.2010, LEXinform 0434943).
Hat bisher eine andere Person für ein Kind Kindergeld bezogen oder eine Familienkasse für dieses Kind Kindergeld festgesetzt, ist sicherzustellen, dass keine Doppelfestsetzung erfolgt. Vor einer erstmaligen Kindergeldfestsetzung ist die eventuelle Berücksichtigung des Kindes bei anderen Personen zu prüfen, wenn Anlass hierzu besteht; vgl. hierzu V 6.3 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818.
Kindergeld ist bei der örtlich zuständigen Familienkasse gem. §§ 67, 70 EStG zu beantragen (Ausnahme: bei einem öffentlich-rechtlichen Anstellungs- oder Dienstverhältnis inkl. Postbeschäftigten zahlt die Anstellungskörperschaft das Kindergeld gem. § 72 EStG); dort wird die monatliche Auszahlung verfügt.
Das Kindergeld steigt in den kommenden beiden Jahren um je 2 € pro Monat. Für das erste und zweite Kind beträgt der jeweilige Betrag damit zunächst 192 € und 2018 dann 194 € monatlich. Für das dritte Kind steigt das Kindergeld bis 2018 in ebenfalls zwei Schritten auf 200 € und für das vierte und jedes weitere Kind auf je 225 €. Der Kinderzuschlag für Geringverdiener wird um 10 € auf 170 € monatlich angehoben.
Für das erste und zweite Kind beträgt der jeweilige Betrag damit zunächst 194 € monatlich. Für das dritte Kind steigt das Kindergeld 2018 in ebenfalls zwei Schritten auf 200 € und für das vierte und jedes weitere Kind auf je 225 €.
Für das erste und zweite Kind beträgt der jeweilige Betrag damit zunächst 204 € monatlich. Für das dritte Kind steigt das Kindergeld auf 210 € und für das vierte und jedes weitere Kind auf je 235 €. Die Anpassung erfolgt erst ab dem 1.7.2019. Zum 1.1.2021 ist eine weitere Erhöhung um weitere 15 € vorgesehen.
Durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz erfolgt 2020 eine einmalige Anpassung des Kindergeldes. Mit einem einmaligen Kinderbonus von 300 € pro Kind für jedes kindergeldberechtigte Kind sollen die besonders von den Einschränkungen betroffenen Familien unterstützt werden (§ 6 Abs. 3 BKKG). Der Bonus wird mit dem steuerlichen Kinderfreibetrag verrechnet (§§ 66 Abs. 1, 31 Satz 7 EStG). Er wird nicht auf die Grundsicherung angerechnet. Der Anspruch besteht für jedes Kind, für das im Kj. 2020 für mindestens einen Kalendermonat ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Die Auszahlung erfolgt aus Gründen grundsätzlich in zwei gleichen Teilen von jeweils 150 € im September und Oktober 2020.
Um Familien wirtschaftlich weiter zu fördern und zu stärken, werden im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur steuerlichen Entlastung von Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen die Regelungen zur angemessenen Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit von Familien bei der Bemessung der Einkommensteuer nunmehr für die Jahre 2021 und 2022 angepasst: Das Kindergeld wird ab dem 1.1.2021 um 15 € pro Kind und Monat erhöht, § 66 Abs. 1 EStG.
Der Kinderbonus für das Jahr 2021 ist eine zusätzliche finanzielle Unterstützung für Familien. Es handelt sich dabei um ein »Bonus-Kindergeld« i.H.v. 150 € pro Kind. Es gelten dieselben grundsätzlichen Voraussetzungen wie für das Kindergeld. Er wird für alle Kinder ausgezahlt, für die im Jahr 2021 ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Die Auszahlung beginnt ab Mai 2021 für alle Kinder, die in diesem Monat Kindergeld erhalten. Für Kinder, für die in einem anderen Monat Anspruch auf Kindergeld besteht bzw. bestand, wird der Kinderbonus zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt. Der Kinderbonus wird bei den Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), beim Kinderzuschlag und beim Wohngeld nicht als Einkommen berücksichtigt. Beim Unterhaltsvorschuss wird der Kinderbonus nicht angerechnet. Damit kommt der Kinderbonus Familien mit kleinen Einkommen zusätzlich zugute.
Das Kindergeld beträgt ab 1.1.2023 für jedes anspruchsberechtigte Kind monatlich 250 €.
In Konkurrenzfällen (mehrere Berechtigte) gilt bei getrennt lebenden Eltern der Elternteil als berechtigt, in dessen Haushalt das Kind lebt (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Erfüllen für ein Kind mehrere Anspruchsberechtigte die Voraussetzungen, so wird das Kindergeld nach § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG demjenigen gezahlt, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat. Ist ein Kind in den gemeinsamen Haushalt von Eltern (auch von Adoptiveltern), einem Elternteil und dessen Ehegatten oder Lebenspartner, von Pflegeeltern oder Großeltern aufgenommen worden, so können diese gem. § 64 Abs. 2 Satz 2 EStG untereinander den vorrangig Berechtigten bestimmen.
Mit Beschluss vom 14.12.2004 (VIII R 106/03, BStBl II 2008, 762) hat der BFH zu den Konkurrenzfällen wie folgt entschieden: Es verstößt nicht gegen das GG oder sonstiges Recht,
dass das Kindergeld gem. § 64 Abs. 1 EStG an nur einen Berechtigten zu zahlen ist und
dass es gem. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG an denjenigen Berechtigten zu zahlen ist, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (Obhutsprinzip).
Der Begriff der Haushaltsaufnahme i.S.d. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG ist unter Berücksichtigung seines Zwecks dahin auszulegen, dass ein Kind, welches sich in den Haushalten beider Elternteile in einer Besuchscharakter überschreitenden Weise aufhält, demjenigen Elternteil zuzuordnen ist, in dessen Haushalt es sich überwiegend aufhält und seinen Lebensmittelpunkt hat.
Eine räumliche Trennung steht dem Fortbestand der Haushaltsaufnahme dann nicht entgegen, wenn die auswärtige Unterbringung nur von vorübergehender Natur ist. Von einem vorübergehenden Zustand kann im Allgemeinen ausgegangen werden, wenn das Kind im Rahmen seiner Möglichkeiten regelmäßig in den Haushalt des Berechtigten zurückkehrt. Durch eine zeitweilige auswärtige Unterbringung zur Schul- oder Berufsausbildung wird die Haushaltszugehörigkeit i. d. R. nicht unterbrochen.
Ist ein Kind getrennt lebender Eltern auf eigenen Entschluss von dem Haushalt eines Elternteils in den Haushalt des anderen Elternteils umgezogen, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass der andere Elternteil – auch wenn er nicht sorgeberechtigt ist – das Kind i.S.d. § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG in seinen Haushalt aufgenommen und damit Anspruch auf Auszahlung des Kindergeldes hat, wenn das Kind seit mehr als drei Monaten dort lebt und eine Rückkehr in den Haushalt des sorgeberechtigten Elternteils nicht von vornherein feststeht (BFH Urteil vom 25.6.2009, III R 2/07, BStBl II 2009, 968).
Zur Haushaltsaufnahme eines volljährigen Studenten hat der BFH mit Urteil vom 16.4.2008 (III B 36/07) Folgendes entschieden: Das örtlich gebundene Zusammenleben zwischen Eltern und Kindern als Merkmal der Haushaltsaufnahme i.S.v. § 64 Abs. 2 EStG bezieht sich auf die gemeinsame Familienwohnung als ortsbezogener Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Lebensinteressen. Das örtliche Merkmal der Haushaltsaufnahme bezieht sich somit nicht auf eine Gemeinde oder Region, sondern auf eine bestimmte Familienwohnung. Bezieht ein Kind, das bisher ausschließlich in der elterlichen Wohnung gewohnt hat, zu Ausbildungszwecken eine Wohnung außerhalb der Familienwohnung, kann es neben dem in der eigenen Wohnung bestehenden Lebensmittelpunkt in der elterlichen Wohnung einen weiteren Lebensmittelpunkt unterhalten, insbes. wenn entsprechender Wohnraum vorgehalten wird und die Aufenthalte dort einen zeitlich bedeutsamen Umfang haben und nicht nur als bloße Besuche zu werten sind. Bei volljährigen Studenten, die zum Zweck des Studiums auswärtig untergebracht sind, kann nicht ohne Weiteres eine bestehende Haushaltsaufnahme als beendet angesehen werden. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, die auf eine dauerhafte Trennung vom elterlichen Haushalt schließen lassen.
Bestimmt das Familiengericht eine Person zum vorrangig Berechtigten, die nicht nach §§ 62 ff. EStG kindergeldberechtigt ist (beispielsweise wenn das Kind selbst zum Berechtigten bestimmt wird), stellt dies keine Vorrangbestimmung i.S.v. § 64 EStG dar; vgl. BFH Urteil vom 8.8.2013, III R 3/13, BStBl II 2014, 576). Die nach § 64 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 Satz 4 EStG durch das Familiengericht zu treffende Entscheidung, welcher von mehreren gleichrangig Kindergeldberechtigten vorrangig bei der Kindergeldfestsetzung zu berücksichtigen ist, entfaltet keine Tatbestandswirkung für das Festsetzungsverfahren der Familienkasse, wenn sie unter Überschreitung des gesetzlichen Entscheidungsrahmens eine nach §§ 62 f. EStG nicht kindergeldberechtigte Person (insbes. das Kind selbst) zum Berechtigten bestimmt.
Ist ein Kind von keinem der Anspruchsberechtigten in den Haushalt aufgenommen, so erhält nach § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG derjenige das Kindergeld, der dem Kind laufend Barunterhalt zahlt. Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhalt, steht das Kindergeld vorrangig demjenigen zu, der dem Kind laufend den höheren Unterhalt zahlt (§ 64 Abs. 2 Satz 2 EStG). Einmalige oder gelegentliche (höhere) finanzielle Zuwendungen an das Kind sowie nachträgliche Unterhaltszahlungen (BFH vom 5.11.2015, III R 57/13, BStBl II 2016, 403) sind für die Bestimmung des Vorrangs unerheblich. Eventuelle Sach- oder Betreuungsleistungen bleiben ebenfalls außer Ansatz.
Lebt ein Kind im gemeinsamen Haushalt von Eltern und Großeltern, so wird das Kindergeld nach § 64 Abs. 2 Satz 5 EStG vorrangig einem Elternteil gezahlt. Dieser Elternteil kann jedoch gegenüber der Familienkasse zugunsten der Großeltern schriftlich oder zur Niederschrift auf seinen Vorrang verzichten. Der Vorrang zwischen den Großeltern bestimmt sich nach § 64 Abs. 2 Satz 2 oder 3 EStG; vgl. A 25.1 Abs. 4 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818.
Haben die Eltern eines Kindes einen Elternteil als Kindergeldberechtigten bestimmt, so erlöschen die Rechtswirkungen der Bestimmung, wenn sich die Eltern trennen und das Kind ausschließlich im Haushalt eines der beiden Elternteile lebt. Die ursprüngliche Berechtigtenbestimmung lebt nicht wieder auf, wenn die Eltern und das Kind wegen eines Versöhnungsversuchs wieder in einem gemeinsamen Haushalt leben; vgl. BFH vom 18.5.2017, III R 11/15.
Der Anspruch auf Nachzahlung von Kindergeld erlischt grundsätzlich durch Zahlung auf ein benanntes Konto. Allerdings ist es Sache der Familienkasse, Zweifel hinsichtlich einer Bankverbindung zu klären (FG Baden-Württemberg Urteil vom 12.7.2017, 2 K 158/16, rkr.). Die Kindergeldzahlung kann auf Anweisung des Gläubigers auf ein Konto eines Dritten erfolgen. Im Streitfall fehlt allerdings die Einwilligung der Klägerin auf Zahlung an die Tochter. Gibt die Kindsmutter auf einem Antrag auf Kindergeld ab August 2015 das Konto der Tochter an, hat sie damit nicht erklärt, dass dieses Konto auch für eine Kindergeldnachzahlung gilt. Der Vordruck der Familienkasse enthält keine Hinweise darauf, ob der Zahlungsweg für alle bestehenden und künftigen Forderungen gelten soll. Einer Kontenangabe kann daher kein entsprechender Wille entnommen werden. Außerdem hat die Klägerin vorliegend in einem weiteren Schreiben an die Familienkasse ihr Konto genannt. Es ist Sache der Familienkasse, Zweifel hinsichtlich einer Bankverbindung für die Kindergeldnachzahlung zu klären, und hinreichend klare Erklärungsvordrucke zu verwenden.
Bei Rückforderung des Kindergeldes vom Elternteil, der dieses mangels Haushaltsaufnahme des Kindes zu Unrecht bezogen hat, schließt eine Weiterleitung an den kindergeldberechtigten Elternteil die Rückforderung nicht von Gesetzes wegen aus. Diese kann lediglich aus Vereinfachungsgründen von der Familienkasse als Erfüllung des Erstattungsanspruchs im verkürzten Zahlungswege berücksichtigt werden. Die Entscheidung der Familienkasse, die von dem nachrangig kindergeldberechtigten Elternteil geltend gemachte Weiterleitung nicht anzuerkennen, wenn dieser nicht eine schriftliche Bestätigung des vorrangig Berechtigten beibringt, dass dieser das Kindergeld erhalten hat und seinen Anspruch als erfüllt ansieht (vgl. Kap. V 37 DA-KG 2019, BStBl I 2019, 655), ist daher nicht zu beanstanden. Das gilt insbes., wenn die Familienkasse das Kindergeld für den streitigen Zeitraum an den nunmehr vorrangig berechtigten Elternteil zwischenzeitlich ausgezahlt hat; vgl. FG München vom 26.2.2020, 7 K 2198/19.
Grundsätzlich wird das Kindergeld an einen Elternteil gezahlt (§ 64 Abs. 1 EStG). In Sonderfällen kann das Kindergeld an das Kind ausgezahlt werden, wenn der Kindergeldberechtigte ihm gegenüber seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht nachkommt (§ 74 Abs. 1 Satz 1 EStG). Eine Unterhaltspflicht setzt einen ungedeckten Unterhaltsbedarf des Kindes (§ 1602 BGB) und die Leistungsfähigkeit des Berechtigten (§ 1603 BGB) voraus. Eine einmalige oder nur unwesentliche Verletzung der Unterhaltspflicht rechtfertigt keine Abzweigung von Kindergeld; es muss sich vielmehr um eine andauernde Pflichtverletzung handeln, ohne dass der strafrechtliche Tatbestand der Unterhaltspflichtverletzung (§ 170 StGB) erfüllt zu sein braucht. Kindergeld kann auch abgezweigt werden, wenn der Berechtigte mangels Leistungsfähigkeit gegenüber dem Kind nicht unterhaltsverpflichtet ist (§ 1603 BGB) oder wenn er mit einem Betrag, der geringer als das auf das Kind entfallende Kindergeld ist, seine Unterhaltspflicht erfüllt. Darüber hinaus kann Kindergeld in analoger Anwendung von § 74 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 3 EStG abgezweigt werden, wenn der Berechtigte dem Kind keinen Unterhalt leistet, seine Unterhaltsverpflichtung aber nicht verletzt, weil er sie durch Gewährung einer angemessenen Ausbildung bereits erfüllt hat und deshalb nicht mehr verpflichtet ist, dem Kind Unterhalt wegen einer Zweitausbildung zu leisten (vgl. BFH Urteil vom 16.4.2002, VIII R 50/01, BStBl II 2002, 575). Ist ein Berechtigter bereits nach § 1601 BGB nicht zum Unterhalt verpflichtet – wie gegenüber Kindern des Ehegatten (Stiefkinder) oder Pflegekindern –, kann keine Abzweigung erfolgen (V 33.1 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818).
Die Abzweigung des Kindergeldes ist schriftlich geltend zu machen. Die Antrag stellende Person oder Stelle muss im Einzelnen darlegen, dass die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind. Hierfür steht der Vordruck »Antrag auf Auszahlung des Kindergeldes (Abzweigungsantrag)« zur Verfügung. Wird das Auszahlungsersuchen einer Stelle nicht oder nicht ausschließlich auf § 74 Abs. 1 EStG gestützt, ist zunächst zu prüfen, ob eine Erstattung nach § 74 Abs. 2 EStG in Betracht kommt.
Eine Abzweigung kommt nicht in Betracht, wenn der Berechtigte regelmäßig Unterhaltsleistungen erbringt, die den Betrag des anteiligen Kindergeldes übersteigen (vgl. BFH vom 9.2.2009, BStBl II 2009, 928). Davon ist auszugehen, wenn das Kind in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen worden ist (vgl. BFH vom 18.4.2013, BStBl II 2013, 697), es sei denn, der Berechtigte bezieht selbst Grundsicherungsleistungen (vgl. BFH vom 17.12.2008, BStBl II 2009, 926) oder das Kind ist vollstationär oder vergleichbar untergebracht.
Als Auszahlungsempfänger kommt neben dem Kind auch eine Person oder Stelle in Betracht, die neben dem Berechtigten oder an dessen Stelle dem Kinde Unterhalt gewährt (§ 74 Abs. 1 Satz 4 EStG); auf eine gesetzliche Verpflichtung des Dritten zum Unterhalt kommt es nicht an. Eine Auszahlung an das Kind selbst ist nur möglich, wenn es volljährig ist und für sich selbst sorgt (DA V 33.3 Abs. 1 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818).
Nach dem BFH-Urteil vom 17.12.2008 (III R 6/07, BFH/NV 2009, 1001, LEXinform 0588151) setzt eine Abzweigung voraus, dass der Kindergeldberechtigte zivilrechtlich zum Unterhalt verpflichtet ist, aber
mangels Leistungsfähigkeit gegenüber dem Kind nicht unterhaltsverpflichtet ist,
mangels Leistungsfähigkeit zu einem geringeren Unterhalt als das anteilige Kindergeld verpflichtet ist,
seiner Unterhaltsverpflichtung gar nicht oder mit einem geringeren Betrag als das auf das Kind entfallende Kindergeld nachkommt,
sich an den vom Jugendhilfeträger übernommenen Kosten für das in einer betreuten Wohnform lebende volljährige Kind nicht in Höhe des auf das Kind entfallenden Kindergeldes beteiligt (vgl. BFH vom 15.7.2010, III R 89/09, BStBl II 2013, 695) oder
dem Kind keinen Unterhalt leistet, seine Unterhaltsverpflichtung aber nicht verletzt, weil er sie durch Gewährung einer angemessenen Ausbildung bereits erfüllt hat und deshalb nicht mehr verpflichtet ist, dem Kind Unterhalt wegen einer Zweitausbildung zu leisten (vgl. BFH vom 16.4.2002, VIII R 50/01, BStBl II 2002, 575), oder bereits nach § 1601 BGB nicht zum Unterhalt verpflichtet ist, wie gegenüber Kindern des Ehegatten (Stiefkindern) oder Pflegekindern.
Nach dem o.a. BFH-Urteil vom 17.12.2008 sind die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 Satz 4 EStG für eine Abzweigung des Kindergeldes an den Sozialleistungsträger dem Grunde nach auch dann erfüllt, wenn der Kindergeldberechtigte nicht zum Unterhalt seines volljährigen, behinderten Kindes verpflichtet ist, weil es Grundsicherungsleistungen nach § 41 ff. SGB XII erhält oder der Berechtigte hat nachweislich keine Aufwendungen für ein vollstationär oder vergleichbar untergebrachtes Kind.
Eine Abzweigung kommt nicht in Betracht, wenn der Berechtigte regelmäßig Unterhaltsleistungen erbringt, die den Betrag des anteiligen Kindergeldes übersteigen (vgl. BFH vom 9.2.2009, BStBl II 2009, 928). Davon ist auszugehen, wenn das Kind in den Haushalt des Berechtigten aufgenommen worden ist. Der Sozialhilfeträger ist grds. nicht abzweigungsberechtigt, wenn er Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII für ein Kind mit Schwerbehinderung zahlt, das im Haushalt des Kindergeldberechtigten untergebracht ist (vgl. BFH vom 18.4.2013, BStBl II 2013, 697), es sei denn, der Berechtigte bezieht selbst Grundsicherungsleistungen (vgl. BFH vom 17.12.2008, BStBl II 2009, 926) oder das Kind ist vollstationär oder vergleichbar untergebracht.
Der BFH bestätigte mit Urteil vom 9.2.2009 (III R 37/07, BFH/NV 2009, 1015, LEXinform 0588347) die bisherige Rechtsprechung. Entstehen dem Kindergeldberechtigten für sein behindertes volljähriges Kind, das überwiegend auf Kosten des Sozialleistungsträgers vollstationär in einer Pflegeeinrichtung untergebracht ist, Aufwendungen mindestens i.H.d. Kindergeldes, ist das Ermessen der Familienkasse, ob und in welcher Höhe das Kindergeld an den Sozialleistungsträger abzuzweigen ist, eingeschränkt; ermessensgerecht ist allein die Auszahlung des vollen Kindergeldes an den Kindergeldberechtigten (Fortführung des BFH-Urteils vom 23.2.2006, III R 65/04, BStBl II 2008, 753). Bei der Prüfung, ob Aufwendungen i.H.d. Kindergeldes entstanden sind, dürfen keine fiktiven Kosten für die Betreuung des Kindes, sondern nur tatsächlich entstandene Aufwendungen für das Kind berücksichtigt werden.
In dem vom BFH mit Urteil vom 9.2.2009 (III R 37/07, BFH/NV 2009, 1015, LEXinform 0588347) entschiedenen Fall gewährte der Sozialleistungsträger für die Unterbringung des Kindes in der Pflegeeinrichtung Eingliederungshilfe. Die kindergeldberechtigte Mutter wurde nur zu einem monatlichen Kostenbeitrag von 46 € herangezogen. Außerdem entstanden ihr Aufwendungen für ein Zimmer, das sie in ihrem Haus für Besuche ihrer Tochter vorhielt, ferner Übernachtungskosten, wenn sie das Kind in der Pflegeeinrichtung besuchte, sowie Kosten für gelegentliche Geschenkpakete und sonstige Zuwendungen.
Hat der Berechtigte seine Unterhaltspflicht nachträglich erfüllt und kann über den Anspruch auf Kindergeld für den entsprechenden Zeitraum noch verfügt werden, ist auch der nachträglich gezahlte Unterhalt bei der Ermessensentscheidung über eine Abzweigung für diesen zurückliegenden Zeitraum zu berücksichtigen (BFH vom 26.8.2010, BStBl II 2013, 617).
Kommt der Sozialleistungsträger überwiegend für die Kosten der Unterbringung des Kindes in der Pflegeeinrichtung auf, kann die Familienkasse das Kindergeld ganz oder teilweise an ihn abzweigen. Die Entscheidung darüber steht in ihrem Ermessen (»kann«). Im Streitfall lehnte die Familienkasse den Antrag des Sozialleistungsträgers auf Abzweigung des Kindergeldes ab. Der Sozialleistungsträger war dagegen der Auffassung, ermessensgerecht sei allein die Entscheidung, das Kindergeld (abzüglich des Kostenbeitrags der Mutter) an ihn abzuzweigen, da er mehr als die Hälfte der Kosten für die Pflegeeinrichtung trage. Die freiwilligen zusätzlichen Betreuungsaufwendungen der Mutter, die nicht der Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht dienten, seien bei der Entscheidung über die Abzweigung nicht zu berücksichtigen.
Der BFH entschied, bei Aufwendungen des Kindergeldberechtigten i.H.d. Kindergeldes sei allein die volle Auszahlung des Kindergeldes an ihn ermessensgerecht. Zu berücksichtigen seien nicht nur der Barunterhalt in Form des Kostenbeitrags, sondern auch die übrigen tatsächlich für das Kind entstandenen Aufwendungen. Da diese Aufwendungen bisher nicht beziffert worden waren, verpflichtete der BFH die Familienkasse, die tatsächlichen Aufwendungen der Mutter im Einzelnen zu ermitteln und erneut über den Abzweigungsantrag des Sozialleistungsträgers zu entscheiden (s.a. Pressemitteilung des BFH Nr. 39/09 vom 13.5.2009, LEXinform 0434054).
Hat der Berechtigte seine Unterhaltspflicht nachträglich erfüllt und kann über den Anspruch auf Kindergeld für den entsprechenden Zeitraum noch verfügt werden, ist auch der nachträglich gezahlte Unterhalt bei der Ermessensentscheidung über eine Abzweigung für diesen zurückliegenden Zeitraum zu berücksichtigen (BFH vom 26.8.2010, BStBl II 2013, 617).
Beispiel 3 (vgl. Mai, Abzweigung des Kindergeldes an das Kind, NWB 2019, 835):
Ein 16-Jähriger erhält von seinen mittellosen Eltern keine Unterhaltsleistungen. Das Kind kommt abwechselnd bei Freunden unter. Es beantragt, vertreten durch seinen Vormund, die Abzweigung des gegenüber seiner Mutter festgesetzten Kindergelds an sich. Die Familienkasse lehnt das ab. Das Kind sei minderjährig und sorge nicht für sich selbst.
Lösung 3:
Die Voraussetzungen für die Abzweigung liegen vor. Die zuständige Familienkasse hat hinsichtlich Grund und Höhe der Abzweigung eine Ermessensentscheidung zu treffen. Im vorliegenden Fall war diese rechtswidrig. Der Abzweigung an Minderjährige steht die Dienstanweisung zum Kindergeld zwischenzeitlich nicht mehr entgegen. Eine Abzweigung an Minderjährige ist nach V 32.3 Abs. 1 Satz 4, V 4.2 DA-KG n.F. möglich, wenn diese sich durch einen gesetzlichen Vertreter wie einen Vormund bei den notwendigen Verfahrenshandlungen, zu denen auch die Entgegennahme der Kindergeldzahlung gehört, vertreten lassen. Versteht die Familienkasse, wie im Beispiel, das Merkmal »Für-sich-selbst-Sorgen« indes so, dass eine Abzweigung nicht in Betracht kommt, wenn sich das Kind nicht selbst unterhalten kann, also bedürftig ist, liegt m.E. ein Ermessensfehler vor. Das Kindergeld ist, wenn der Kindergeldberechtigte keinen Unterhalt leistet, für den Unterhalt des Kindes bestimmt (BFH Urteil vom 25.9.2008, III R 16/0). Leistet keine Person oder Stelle dem Kind Unterhalt, ist allein die Abzweigung an das Kind ermessensgerecht und zwar unabhängig davon, ob es bedürftig ist oder nicht.
Ist das Kind nicht in den Haushalt eines Berechtigten aufgenommen, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind eine Unterhaltsrente zahlt. Zahlen mehrere Berechtigte dem Kind Unterhaltsrenten, so erhält das Kindergeld derjenige, der dem Kind die höchste Unterhaltsrente zahlt. Werden gleich hohe Unterhaltsrenten gezahlt oder zahlt keiner der Berechtigten dem Kind Unterhalt, so bestimmen die Berechtigten untereinander, wer das Kindergeld erhalten soll. Zur Unterhaltsrente i.S.v. § 64 Abs. 3 Satz 1 EStG gehören nur regelmäßige monatliche Zahlungen. Regelmäßige Zahlungen, die in größeren Zeitabständen geleistet werden, sowie einzelne Zahlungen und Sachleistungen (z.B. die Überlassung einer Wohnung zu Unterhaltszwecken) sind bei der nach § 64 Abs. 3 Satz 2 EStG zu treffenden Entscheidung nicht zu berücksichtigen.
Die Auszahlung von Kindergeld an einen Abzweigungsberechtigten führt – anders als die Zahlung an den originär Kindergeldberechtigten – nur dann zum Erlöschen des Kindergeldanspruchs, wenn der Abzweigungsbescheid bestandskräftig geworden ist; vgl. BFH vom 17.12.2015, V R 18/15.
Das FG muss die Ermessensentscheidung der Familienkasse, die gegenüber einem Kindergeldberechtigten einen Abzweigungsbescheid zugunsten eines Sozialleistungsträgers erlassen hat, auch daraufhin überprüfen, ob die Familienkasse ihre Entscheidung auf der Grundlage eines einwandfrei und erschöpfend ermittelten Sachverhalts getroffen hat; vgl. BFH vom 27.5.2020, III R 58/18.
Der EuGH hat mit Urteil vom 20.5.2008 (C-352/06, Bosmann, LEXinform 0589117) im Falle eines Wanderarbeitnehmers, der dem System der sozialen Sicherheit des Beschäftigungsmitgliedstaats unterliegt, entschieden, dass Art. 13 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (VO) nicht dem Bezug von Familienleistungen im Wohnmitgliedstaat nach dessen nationalen Rechtsvorschriften entgegensteht. Zur Umsetzung des EuGH-Urteils vom 20.5.2008 (C-352/06, LEXinform 0589117) nimmt das BZSt mit Schreiben vom 6.5.2009 (BStBl I 2009, 541) Stellung.
Nach dem EuGH-Urteil besteht ein Anspruch auf Festsetzung und Zahlung von deutschem Kindergeld in grenzüberschreitenden Sachverhalten, wenn das Recht des Beschäftigungsstaates weder Kindergeld noch eine vergleichbare Leistung vorsieht (z.B. wegen Überschreitung einer Alters- oder Einkommensgrenze) und die nationalen Voraussetzungen der §§ 32, 62–78 EStG erfüllt sind.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass § 65 Abs. 1 EStG ein nationaler Ausschlusstatbestand im Hinblick auf den Anspruch auf (Differenz-) Kindergeld in den beiden folgenden Fallgestaltungen ist:
1. Fall:
Ein Alleinerziehender bzw. eine Alleinerziehende wohnt in Deutschland und ist in einem anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat bzw. in der Schweiz beschäftigt und im Beschäftigungsstaat ist eine dem Kindergeld vergleichbare Leistung zu zahlen oder wäre bei entsprechender Antragstellung zu zahlen.
2. Fall:
Beide Elternteile sind ausschließlich in einem anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat bzw. in der Schweiz beschäftigt, Wohnsitz der Familie ist in Deutschland und im Beschäftigungsstaat ist eine dem Kindergeld vergleichbare Leistung zu zahlen oder wäre bei entsprechender Antragstellung zu zahlen.
Es kann durchaus vorkommen, dass eine Familie in mehreren Staaten einen Anspruch auf Familienleistungen hat, insbesondere durch verschiedene Wohn- oder Beschäftigungsorte der einzelnen Familienangehörigen. Hier sind Doppelzahlungen zu vermeiden, die durch die Regeln der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.4.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl EU 2004 Nr. L 166, 1) und der Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.9.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl EU 2009 Nr. L 284, 1) gewährleistet werden. Hiernach soll sichergestellt sein, dass alle Personen nach den unterschiedlichen nationalen Vorschriften gleichbehandelt werden. Die Bestimmungen haben Vorrang gegenüber den nationalen Regelungen. Grds. gilt, dass der Mitgliedstaat, in dem eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, vorrangig für die Familienleistung zuständig ist (Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 883/2004). Sieht der andere – nachrangige – Mitgliedstaat eine höhere Leistung vor, zahlt er zusätzlich den Differenzbetrag.
Beispiel 4:
Eine Familie (1 Kind, Kind ist unter 6 Jahre) wohnt in Deutschland. Die Mutter übt eine Erwerbstätigkeit in den Niederlanden aus, der Vater ist nicht erwerbstätig.
Lösung 4:
Der Mitgliedstaat, in dem die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, ist vorrangig zuständig, also gilt das niederländische Recht und es besteht ein Anspruch auf Kindergeld in Höhe von 230,69 € pro Quartal (76,89 € im Monat; Kj. 2022). Nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 der VO Nr. 883/2004 besteht in Deutschland, als nachrangigem Staat, zusätzlich ein Anspruch auf 142,11 € (Differenz zu 219 €, der Kindergeldhöhe nach § 66 Abs. 1 Satz 1 EStG).
In dem Urteil vom 18.7.2013, III R 9/09, ging es um Kindergeld eines polnischen Saisonarbeitnehmers. Behandelt das FA im Inland tätige Saisonarbeiter, die ihren Familienwohnsitz im EU-Ausland haben, als unbeschränkt steuerpflichtig, hängt die von der Familienkasse und dem FG vorzunehmende Prüfung der kindergeldrechtlichen Anspruchsberechtigung von der Art der persönlichen Steuerpflicht ab. Der Kläger ist polnischer Staatsangehöriger. Er hat mit seiner Ehefrau und seinen beiden 2000 und 2004 geborenen Kindern seinen Familienwohnsitz in Polen. Dort war er als selbstständiger Landwirt tätig. Er unterlag im Streitzeitraum der polnischen landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Der Kläger und seine Ehefrau erhielten keine Familienbeihilfen in Polen. In den Jahren 2005 und 2006 war er jeweils für drei Monate in Deutschland nichtselbstständig als Saisonarbeitskraft tätig. Aufgrund der in Polen ausgeübten selbstständigen Tätigkeit war er nicht sozialversicherungspflichtig. Das zuständige FA behandelte den Kläger als unbeschränkt steuerpflichtig und setzte die ESt für 2005 und 2006 auf jeweils 0 € fest. Den Antrag auf deutsches Kindergeld lehnte die Familienkasse ab, weil der Kläger in Polen sozialversicherungspflichtig war. Das FG gab der Klage statt und verpflichtete die Familienkasse zur Zahlung von Kindergeld von 154 € pro Kind für die Monate, in denen der Kläger in Deutschland arbeitete (FG Düsseldorf vom 31.7.2008, 15 K 4375/07 Kg). Der BFH löste den Fall wie folgt: Die Revision der Familienkasse gegen das FG-Urteil führte zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der nicht spruchreifen Sache an das FG. Nachdem die Familienkasse im Revisionsverfahren Teilabhilfebescheide erlassen und Differenzkindergeld (unter Anrechnung polnischer Familienleistungen) von 143 € pro Monat und Kind festgesetzt hatte, war im Revisionsverfahren nur streitig die Frage der Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs. 1 EStG (Wohnsitz oder ständiger Aufenthalt im Inland) unter Berücksichtigung polnischer Kindergeldansprüche bei einer etwaigen Anwendung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG oder der Anspruchsberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG (Antrag auf fiktive unbeschränkte Steuerpflicht).
Hinweis:
Es ist nicht erforderlich, in den jeweiligen Mitgliedstaaten jeweils einen Kindergeldantrag zu stellen. Es reicht somit aus, nur in einem Mitgliedstaat den Antrag zu stellen. Dieser ist ggf. grenzüberschreitend an die zuständige Familienkasse weiterzuleiten (Antragsgleichstellung nach Art. 68 Abs. 3 Buchst. b der VO Nr. 883/2004). Die Weiterleitung des Antrags ist in der Praxis nur möglich, wenn der Kindergeldberechtigte seinen Mitwirkungspflichten nachkommt und die Familienkasse über die Aufnahme der Erwerbstätigkeit im anderen Mitgliedstaat in Kenntnis setzt. Der BFH hat allerdings entschieden, dass die oben beschriebene Folge auch eintritt, wenn die Familienkasse über den grenzüberschreitenden Bezug in Unkenntnis bleibt; vgl. auch hierzu BFH vom 19.12.2020, III R 73/18: Nimmt ein Bezieher von Kindergeld eine Erwerbstätigkeit im EU-Ausland auf, ohne die Familienkasse darüber zu informieren, so ist der Anspruch auf Familienleistungen nach dem Recht des ausländischen EU-Mitgliedstaats, der aufgrund der Erwerbstätigkeit vorrangig zuständig für die Gewährung von Familienleistungen geworden ist, auch dann nachträglich auf das nach deutschem Recht gewährte Kindergeld anzurechnen, wenn der Kindergeldberechtigte die ihm im Auslandsstaat zustehenden Familienleistungen dort nicht beantragt und bezogen hat.
Hinweise:
Zu beachten ist, dass ein Kindergeldanspruch für Gebietsfremde nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG (fiktive unbeschränkte Steuerpflicht auf Antrag) nach dem das Kindergeldrecht beherrschenden Monatsprinzip nur für solche Monate besteht, in denen der Stpfl. inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG erzielt hat. Unerheblich ist, ob der ESt-Bescheid eine unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG für das gesamte Jahr zugrunde gelegt hat. Bei der Kindergeldberechtigung von EU/EWR-Ausländern ist nach ständiger EuGH-Rechtsprechung das Prinzip der Meistbegünstigung maßgebend. Zum Schutz der Grundfreiheiten und des Verbots faktischer Behinderung hat der Stpfl. bei versicherungspflichtiger Beschäftigung im EU-/EWR-Ausland ein faktisches Wahlrecht, wo er Kindergeld beantragt. Er kann diesen Antrag sowohl im Wohnsitzland der Familie als auch im Beschäftigungsland stellen. Eine Kumulierung von Kindergeld ist allerdings ausgeschlossen. Die Behandlung der sog. Polenfälle dürfte aufgrund der jüngsten BFH-Rechtsprechung nunmehr geklärt sein: Polnische Saisonarbeiter haben für ihre in Polen lebenden Kinder grundsätzlich Anspruch auf Kindergeld nach deutschem Recht. Das in Polen gezahlte Kindergeld bzw. der Kindergeldanspruch ist anzurechnen.
Beispiel 5 (vgl. Müller, Praxisfälle zum Kindergeld, NWB 2014, 3902, Beispiel l8):
Toni ist das minderjährige Kind polnischer Eltern mit dem ausschließlichen und gemeinsamen Wohnsitz in Polen. Ihr Vater ist als Saisonarbeiter sozialversicherungspflichtig vom 1.2. bis 31.5. und vom 1.8. bis 30.10.2014 in Deutschland beschäftigt.
Lösung 5:
Der Vater ist grundsätzlich gem. § 1 Abs. 4 EStG mit seinen nach § 49 EStG in Deutschland erzielten Einkünften beschränkt steuerpflichtig. Er kann aber nach § 1 Abs. 3 EStG die unbeschränkte Steuerpflicht beantragen, wenn mindestens 90 % seiner Einkünfte der deutschen Einkommensteuer unterliegen, bzw. die im Ausland erzielten Einkünfte den Grundfreibetrag nicht übersteigen. Unter der Voraussetzung des Nachweises der unbeschränkten Steuerpflicht (und auf Antrag nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG auch dessen Ehegattin) wäre der Vater berechtigt, Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG zu erhalten. Obwohl es sich bei der Einkommensteuer gem. § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG um eine Jahressteuer handelt, wird die Kindergeldberechtigung nach dem Monatsprinzip gem. § 66 Abs. 2 EStG beurteilt. Im Fall von Toni bedeutet das eine anteilige Gewährung für die Monate, in denen ihr Vater in Deutschland Einkünfte i.S.v. § 49 EStG bezieht. Sollten in Polen parallel vergleichbare Familienleistungen bewilligt worden sein, besteht nur Anspruch auf den Unterschiedsbetrag zum höheren Kindergeld nach deutschem Recht.
Beispiel 6:
Der in Österreich nichtselbstständig tätige, verwitwete Vater wohnt mit seinen vier Kindern in Deutschland. Am 1.1.2016 sind die Kinder 10, 8, 6 und 2 Jahre alt. Er erhält in Österreich pro Kind eine Beihilfe von 204 €, da der Anspruch auf diese Beihilfe dem deutschen Anspruch auf Kindergeld vorgeht. Es stellt sich die Frage, ob der Vater Differenzkindergeld für das vierte Kind erhält.
Lösung 6:
Der BFH hat hierzu mit Urteil vom 4.2.2016, III R 9/15 entschieden, dass die Berechnung des Differenzkindergeldes nach dem EStG kindbezogen zu erfolgen hat. Eine Kürzung des Differenzkindergeldes bei einzelnen Kindern durch Verrechnung eines übersteigenden Betrages bei anderen Kindern ist mangels gesetzlicher Grundlage ausgeschlossen. Art. 68 der VO Nr. 883/2004 enthält im Hinblick auf eine Berechnungsmethode, bei der die Beträge der Familienleistungen eines primär und eines sekundär zuständigen Mitgliedstaates miteinander verglichen werden, keine Regelung. Räumt die Verordnung den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum ein, obliegt die Befugnis zur Letztkonkretisierung dem Gesetzgeber. Das EStG hat die Gewährung und Festsetzung des Kindergeldes kindbezogen ausgestaltet. Somit hat die Familienkasse für das vierte Kind ein Differenzkindergeld von 17 € (221 € ./. 204 €) zu zahlen, weil das deutsche Kindergeld die Beihilfe um diesen Betrag übersteigt, auch wenn die österreichische Familienhilfe insgesamt höher ist.
Erhält ein Wanderarbeitnehmer, der mit seinen Kindern einen Wohnsitz in Deutschland hat, aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit in einem anderen Land der EU ausländisches Kindergeld, so ist das deutsche Kindergeld nicht vollständig, sondern nur in Höhe des ausländischen Kindergelds zu kürzen (BFH Urteil vom 11.7.2013, VI R 68/11). Der Vater lebte mit seinen Kindern in den Monaten Januar bis Mai 2010 in Deutschland und ging in den Niederlanden einer nichtselbstständigen Tätigkeit nach. Die Niederlande zahlten das dort übliche niedrigere Kindergeld. Familienkasse und FG lehnten einen Kindergeldanspruch ab (FG Düsseldorf vom 13.7.2011, 15 K 1899/10 Kg). Der Kläger beantragte Kindergeld nach Maßgabe der deutschen Vorschriften, der Höhe nach aber gekürzt um das niederländische Kindergeld. Der BFH hat den Kindergeldanspruch dem Grund nach bejaht. Im zweiten Rechtsgang muss das FG die Höhe des anzurechnenden niederländischen Kindergelds ermitteln. § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist somit dahingehend auszulegen, dass die nach dem Recht des Beschäftigungsmitgliedstaates zu gewährenden, mit dem Kindergeld vergleichbaren Familienleistungen nur zu einer Kürzung des deutschen Kindergeldes führen. Damit kann es nur dann zum vollständigen Wegfall des deutschen Kindergelds kommen, wenn das ausländische Kindergeld höher ist.
Eine solche Differenz ist nach Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 von dem nachrangig zuständigen Mitgliedstaat zwar nicht zu zahlen, wenn der Anspruch lediglich durch den Wohnsitz (nicht durch eine Erwerbstätigkeit) ausgelöst wird. Hierzu hat der BFH allerdings einschränkend entschieden, dass in diesen sog. Wohnsitz-Wohnsitz-Fällen die Zahlung von Differenzkindergeld im nachrangigen Mitgliedstaat nur ausgeschlossen ist, wenn im vorrangigen Mitgliedstaat tatsächlich auch ein konkurrierender Anspruch auf Familienleistungen besteht. Mit Urteil vom 18.2.2021, III R 27/18 entschied der BFH hierzu: Der Anspruch auf Kindergeld im nachrangigen Staat ist nicht nach Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 ausgeschlossen, wenn nur ein Anspruch im nachrangigen Staat besteht, die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Anspruch im vorrangigen Staat aber nicht erfüllt werden. Die Koordinierungsregel des Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 ist nur anwendbar, wenn konkurrierende Ansprüche im Sinne dieser Vorschrift vorliegen.
Zuständig für die Festsetzung von Kindergeld sind die Familienkassen. Die Bundesagentur für Arbeit stellt dem Bundeszentralamt für Steuern zur Durchführung dieser Aufgaben ihre Behörden (Agentur für Arbeit) als Familienkasse zur Verfügung. Die Fachaufsicht obliegt dem Bundeszentralamt für Steuern. Für Angehörige des öffentlichen Dienstes übernimmt der Dienstherr zugleich auch die Funktion als Familienkasse. Eltern sind zur Mitwirkung verpflichtet.
Jeder Dienstherr oder Arbeitgeber i.S.d. § 72 EStG, der Kindergeld festsetzt oder auszahlt, ist Familienkasse. Ab dem 1.1.2017 können Familienkassen gem. § 72 Abs. 1 Satz 3 EStG auf ihre Zuständigkeit verzichten. Die Zuständigkeit für die Festsetzung und Auszahlung von Kindergeld geht in diesen Fällen auf die Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit über (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 FVG). Abweichend davon können die Familienkassen des Bundes ihre Aufgaben auf die Bundesfamilienkasse beim Bundesverwaltungsamt (BVA) übertragen. Familienkassen des Bundes sind die Familienkassen der Bundesbehörden, der bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sowie der in § 72 Abs. 2 EStG genannten Postnachfolgeunternehmen. Die übrigen Familienkassen (Familienkassen der Länder und Kommunen) können ihre Aufgaben auch – wie bisher – auf eine Landesfamilienkasse übertragen, nicht aber auf das BVA.
Kindergeldanträge können bis zum Ablauf der Festsetzungsverjährung des § 169 Abs. 2 Nr. 2 AO gestellt werden. So kann bis zum 31.12.2022 noch für das Jahr 2018 nachträglich Kindergeld beantragt werden (s.a. V 12.1 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818). Das niedersächsische FG stellt mit Urteil vom 13.9.2012 (15 K 249/11) die Mindestanforderungen an einen Kindergeldantrag fest: Demnach muss der Antrag für die Familienkasse erkennen lassen, für welches Kind der Antragsteller Kindergeld begehrt. Ferner müssen im Antrag neben der Person des Antragstellers die Kinder, für die Kindergeld begehrt wird, namentlich benannt werden. Das gilt auch, wenn der Antragsteller für alle Kinder Kindergeld begehrt. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss die Familienkasse erkennen können, für welches Kind der Antragsteller Kindergeld begehrt. Ist der Kindergeldantrag auslegungsbedürftig, hat die Familienkasse zur Auslegung des Antrags die für den Antragsteller geführten Kindergeldakten heranzuziehen. Zwar verlangt das Schriftformerfordernis nach § 67 EStG nicht, dass der amtliche Vordruck verwandt wird oder für jedes von mehreren Kindern ein einzelner Kindergeldantrag gestellt werden muss.
Nach dem Urteil des FG Nürnberg vom 8.7.2015, 3 K 1339/14, müssen im Antrag auf Kindergeld neben der Person des Antragstellers auch die Kinder, für die Kindergeld begehrt wird, namentlich benannt werden, um eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 3 AO vor Eintritt der Festsetzungsverjährung herbeizuführen. Dies gilt auch dann, wenn der Antragsteller für alle Kinder Kindergeld begehrt.
Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass für die Erteilung eines schriftlichen Kindergeldbescheides der Vordruck »Bescheid über Kindergeldfestsetzung« nach dem vom BZSt vorgegebenen Muster (s. www.bzst.de) zu verwenden ist (vgl. DA V 10 Abs. 1 Satz 6 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818). Schriftlich erlassene Verwaltungsakte müssen im Briefkopf den Zusatz »Familienkasse« tragen, z.B.:
Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen – Bundesfamilienkasse –,
Stadt Neustadt – Die Bürgermeisterin – Familienkasse –,
Familienkasse Nord Bundesagentur für Arbeit.
Die Familienkassen der Bundesagentur für Arbeit sind – außer in den Fällen des § 72 EStG – für den Familienleistungsausgleich sachlich zuständig. Die Familienkasse Sachsen ist örtlich zuständig, wenn ein »Anspruchsberechtigter oder anderer Elternteil bzw. ein anspruchsbegründendes Kind … ihren Wohnsitz … in Polen« haben. Hat eine örtlich unzuständige Familienkasse den Antrag auf Kindergeld abgelehnt, kann sie auf den Einspruch hin entweder ihren Ablehnungsbescheid aufheben und den Antrag an die örtlich zuständige Familienkasse weiterleiten oder die Entscheidung über den Einspruch der zuständigen Familienkasse überlassen; vgl. BFH Urteil vom 19.1.2017, III R 31/15, BStBl II 2017, 642.
Aufgrund eines Neuantrags soll bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen das Kindergeld stets für den gesamten beantragten Zeitraum und somit ggf. auch über den Sechs-Monats-Zeitraum des § 70 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG hinaus festgesetzt werden. Im Bescheid ist der Berechtigte auf die Auszahlungsbeschränkung des § 70 Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG hinzuweisen, wenn der rückwirkende Zeitraum der Festsetzung über den Sechs-Monats-Zeitraum zurückreicht; vgl. V 10 Abs. 3 DA-KG vom 26.5.2023, BStBl I 2023, 818.
Hat der Kindergeldberechtigte das Kindergeld verspätet beantragt, bleibt es bei der Günstigerprüfung unberücksichtigt, soweit es wegen der Sechsmonatsfrist gem. § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht ausgezahlt wurde (§ 31 Satz 5 EStG bzw. für Fälle des § 66 Abs. 3 EStG a.F. s. BFH v. 26.5.2021, III R 50/19).
Das Kindergeld ist schriftlich zu beantragen. Der Antrag auf Kindergeld muss unterschrieben werden. Ein mündlicher Antrag (z.B. durch Telefonanruf) ist nicht möglich. Der Antrag kann auch durch einen Bevollmächtigten gestellt werden (z.B. durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe). Die Verwendung eines Vordrucks ist nicht erforderlich, wenn der Antrag alle zur Entscheidung erforderlichen Angaben enthält (vgl. »Antrag auf Kindergeld« und »Anlage Kind zum Kindergeldantrag«) und insbesondere alle Unterschriftserfordernisse beachtet wurden. Er kann auch mittels Telefax gestellt werden.
Beim Antrag aufgrund der Geburt eines Kindes in Deutschland ist zur Prüfung des Kindschaftsverhältnisses nach Satz 1 eine Kopie der Geburtsbescheinigung für Kindergeld oder der Geburtsurkunde anzufordern, wenn die Familienkasse nicht das ADI oder das MAV nutzt. Das Kindschaftsverhältnis zu einem im Ausland geborenen Kind ist durch amtliche Dokumente nachzuweisen, z.B. ausländische Geburtsurkunde, amtlicher Ausweis. Bei einem im Ausland geborenen Kind, das seinen Wohnsitz in einem anderen EU- bzw. EWR-Staat oder in der Schweiz hat, richtet sich die Nachweisführung nach den EU-rechtlichen Koordinierungsvorschriften. Die Verwendung eines Vordrucks ist nicht erforderlich, wenn der Antrag alle zur Entscheidung erforderlichen Angaben enthält und insbes. alle Unterschriftserfordernisse beachtet wurden. Er kann fristwahrend auch mittels Telefax gestellt werden. Minderjährige benötigen zur Beantragung von Kindergeld für ihre Kinder die Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters Der Antrag auf Kindergeld ist nach § 67 Satz 1 EStG bei der örtlich zuständigen Familienkasse zu stellen. Regelungen des über- und zwischenstaatlichen Rechts, wonach der Antrag auf Kindergeld auch beim zuständigen Träger oder einer entsprechenden Stelle eines anderen EU- bzw. EWR- oder Vertragsstaates gestellt werden kann, bleiben hiervon unberührt.
Im Steuerrecht gilt der Untersuchungsgrundsatz (§ 88 AO). Die Familienkassen haben alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die entscheidungserheblichen Tatsachen aufzuklären. Sie bestimmen Art und Umfang der Ermittlungen (§ 88 Abs. 1 Satz 2 AO). Insbes. kann die Familienkasse hierbei
Auskünfte jeder Art von den Beteiligten und anderen Personen einholen,
Sachverständige zuziehen,
Urkunden und Akten beiziehen und
den Augenschein einnehmen.
Der Gewährung rechtlichen Gehörs kommt besondere Bedeutung zu. Die Aufklärungspflicht der Familienkassen wird durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten (§ 90 AO; § 68 Abs. 1 EStG) begrenzt. Die Familienkassen sind nicht verpflichtet, den Sachverhalt auf alle möglichen Fallgestaltungen zu erforschen. Für den Regelfall kann davon ausgegangen werden, dass die Angaben des Kindergeldberechtigten vollständig und richtig sind (vgl. BFH vom 17.4.1969, BStBl II 1969, 474). Die Familienkasse kann den Angaben des Kindergeldberechtigten Glauben schenken, wenn nicht greifbare Umstände vorliegen, die darauf hindeuten, dass seine Angaben falsch oder unvollständig sind (vgl. BFH vom 11.7.1978, BStBl II 1979, 57). Sie verletzt ihre Aufklärungspflicht nur, wenn sie Tatsachen oder Beweismittel außer Acht lässt und offenkundigen Zweifelsfragen nicht nachgeht, die sich ihr den Umständen nach ohne Weiteres aufdrängen mussten (vgl. BFH vom 16.1.1964, BStBl II 1964, 149, und vom 13.11.1985, BStBl II 1986, 241). Gem. § 88 Abs. 2 AO sind auch die für die Beteiligten günstigen Umstände von Amts wegen zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die Prüfung der Verjährung. Kommt ein Kindergeldberechtigter nach einmaliger Erinnerung seinen Mitwirkungspflichten nicht nach, ist grundsätzlich nach Aktenlage zu entscheiden.
Es gilt die vierjährige Festsetzungsverjährung. Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kj., in dem der Anspruch entstanden ist. Die Festsetzungsfrist für das Jahr 2021 beginnt danach am 1.1.2022 und endet am 31.12.2025. Sie können Kindergeld rückwirkend also nur für die letzten vier beendeten Jahre und das aktuell laufende Jahr beantragen. Falls die Ansprüche noch älter sind, sind sie verjährt. Mit dem Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz wird für nach dem 31.12.2017 eingehende Anträge die Antragsfrist beschränkt. Das Kindergeld wird ab 2018 nur noch für die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats gezahlt werden, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist; vgl. BZSt vom 25.10.2017, BStBl I 2017, 1540.
Die Festsetzung von Kindergeld für Zeiträume, die über den Sechs-Monats-Zeitraum des § 66 Abs. 3 EStG zurückreichen, soll nur erfolgen, wenn die Familienkasse das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld ohne weitere Sachverhaltsaufklärung feststellen kann, bzw. bei erkennbarem Interesse des Berechtigten. In allen anderen Fällen erfolgt keine weitere Prüfung durch die Familienkasse und auch keine Festsetzung für einen Zeitraum, der vor dem Sechs-Monats-Zeitraum des § 66 Abs. 3 EStG endet.
Beispiele für das Vorliegen eines erkennbaren Interesses:
Der Familienkasse ist bekannt, dass der vorrangig Berechtigte oder der nachrangig Berechtige dem öffentlichen Dienst angehört (vgl. § 72 Abs. 1 und 2 EStG).
Der Berechtigte hat auch Anspruch auf Kindergeld für ein jüngeres Kind.
Im Bescheid ist der Berechtigte darauf hinzuweisen, wenn eine Festsetzung von Kindergeld über den Sechs-Monats-Zeitraum hinaus aus Sicht der Familienkasse nicht erforderlich ist (der Antrag ist für diesen Zeitraum noch offen). Wenn der Berechtigte im Nachhinein ein berechtigtes Interesse an der Festsetzung vorbringt, hat die Familienkasse über den noch offenen Antrag zu entscheiden.
Beispiel 7 (vgl. Schmalenbrock, Rückwirkende Auszahlung jenseits von sechs Monaten, NWB 2019, 1250):
A stellt im Januar 2019 für sein minderjähriges Kind einen Kindergeldantrag für die vergangenen zwei Jahre und fügt die erforderlichen Unterlagen bei. Die Familienkasse setzt den offenkundig bestehenden Kindergeldanspruch antragsgemäß fest, zahlt aber unter Hinweis auf die in den Erläuterungen des Bescheids dargelegte Auszahlungsbeschränkung des § 66 Abs. 3 EStG n.F. erst ab Juli 2018 Kindergeld aus.
Lösung 7:
Das BZST bestimmt, dass § 66 Abs. 3 EStG dem Festsetzungsverfahren zuzuordnen ist. Sie lässt damit (im Rahmen der Verjährung) auch weitergehende rückwirkende Festsetzungen zu, verlangt aber aufgrund der »Auszahlungsbeschränkung«, dass der Anspruch ohne weitere Sachaufklärung feststellbar sein muss oder ein »erkennbares Interesse« an einer Festsetzung besteht. Insbes. die erste Alternative dürfte praktisch – nicht zuletzt bei minderjährigen Kindern – nicht selten vor(ge)kommen (sein). Erst und nur die Auszahlung wird nach Maßgabe von § 66 Abs. 3 EStG n.F. beschränkt. Diese Zuordnung zum Erhebungsverfahren hat das Niedersächsische FG jüngst in zwei Urteilen (vom 25.9.2018, 8 K 95/18, und vom 25.10.2018, 10 K 141/18) mit beachtlichen – wenngleich nicht zwingenden –, insbes. systematischen Gründen sowie unter Verweis auf eine frühere gesetzliche Regelung (vgl. dazu BFH Urteil vom 24.10.2000, VI R 65/99, BStBl II 2001, 109) in Zweifel gezogen und zwar mit der für die Kindergeldberechtigten vorteilhaften Folge, dass (uneingeschränkt) festgesetztes Kindergeld unbeschadet des § 66 Abs. 3 EStG n.F. vollständig auszuzahlen sei. Als Vorschrift des Festsetzungsverfahrens könne die Regelung der festsetzungsgemäßen Auszahlung nicht entgegengehalten werden. Die Revisionen sind anhängig (unter BFH III R 66/18 und III R 70/18). Im anschließenden Revisionsverfahren entschied der BFH am 19.2.2020, III R 66/18 wie folgt: Die durch das StUmgBG vom 23.6.2017 (BGBl I 2017, 1682) eingeführte und für nach dem 31.12.2017 und vor dem 18.7.2019 eingegangene Kindergeldanträge geltende Ausschlussfrist ist dem Festsetzungsverfahren und nicht dem Erhebungsverfahren zuzuordnen. Die Familienkasse darf im Erhebungsverfahren die Auszahlung vorbehaltslos festgesetzten Kindergeldes nicht unter Berufung auf die Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG beschränken. Setzt die Familienkasse das Kindergeld trotz Eingreifens der Ausschlussfrist des § 66 Abs. 3 EStG rückwirkend für einen längeren Zeitraum als die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist, bestandskräftig fest, ist sie an diese Festsetzung auch im Erhebungsverfahren gebunden.
Wendet sich der Kindergeldberechtigte mit Einwendungen bezüglich der Höhe des zur Auszahlung gekommenen Kindergeldes gegen den in einem Kindergeldbescheid enthaltenen Abrechnungsteil und entscheidet die Familienkasse in der Einspruchsentscheidung über die Höhe des Auszahlungsanspruches, stellt diese Entscheidung einen Abrechnungsbescheid i.S.d. § 218 Abs. 2 AO dar. Die Qualifizierung als Abrechnungsbescheid hängt nicht davon ab, dass die Familienkasse ihre Entscheidung ausdrücklich als Abrechnungsbescheid oder als Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO bezeichnet; vgl. BFH vom 19.2.2020, III R 70/18.
Stellt ein Wanderarbeitnehmer, der die Anspruchsvoraussetzungen für einen Kindergeldanspruch im Inland erfüllt, seinen Antrag auf Kindergeld bei der inländischen Familienkasse erst nach Ablauf der in § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG vorgesehenen sechsmonatigen Ausschlussfrist, kann sein Auszahlungsanspruch erst abgelehnt werden, wenn festgestellt wird, dass weder der Wanderarbeitnehmer selbst noch eine andere berechtigte Person für das betreffende Kind im Heimatland des Kindes einen die Frist wahrenden Antrag auf Kindergeld oder eine vergleichbare ausländische Familienleistung gestellt haben; vgl. BFH vom 14.7.2022, III R 28/21.
Stellt sich zu einem späteren Zeitpunkt heraus, dass das gesamte Kindergeld im Beitragsjahr zu Unrecht ausgezahlt wurde, entfällt der Anspruch auf die Zulage. Es erfolgt eine Kindergeldrückforderung durch die Familienkasse. Darf dieses zu Unrecht ausgezahlte Kindergeld aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht zurückgefordert werden, bleibt der Anspruch auf die Zulage für das entsprechende Beitragsjahr bestehen. Wird Kindergeld teilweise zu Unrecht ausgezahlt und später für diese Monate zurückgezahlt, bleibt der Anspruch auf Zulage für das entsprechende Beitragsjahr ebenfalls bestehen.
Für die Frage, ob Kindergeld behalten werden darf oder zurückzuzahlen ist, kommt es auf das Vorliegen von Kindergeldfestsetzungs- oder Aufhebungsbescheiden an und nicht auf den abstrakten materiell-rechtlichen Kindergeldanspruch. Bei der Rückforderung von zu Unrecht gezahltem Kindergeld ergibt sich bei länderübergreifenden Sachverhalten keine Anspruchskonkurrenz des Anspruchs nach den europarechtlichen Regelungen der VO Nr. 883/2004 und VO Nr. 987/2009 mit dem Rückforderungsanspruch nach den nationalen Vorschriften; BFH vom 14.4.2021, III R 36/20.
Zahlt die Familienkasse Kindergeld rechtsgrundlos an das Kind auf Anweisung des Kindergeldberechtigten aus, ist nur der Kindergeldberechtigte Rückforderungsschuldner. Die Erfüllungszuständigkeit für erhaltenes Kindergeld ändert sich von der Person des Kindergeldberechtigten auf einen Dritten erst nach einer Entscheidung über eine Auszahlung nach § 74 Abs. 1 EStG. Der Abzweigungsbescheid stellt einen für den Empfänger begünstigenden und einen für den Kindergeldberechtigten belastenden Verwaltungsakt mit Doppelwirkung dar (vgl. Rspr.). Das bloße Bestehen einer Abzweigungslage ohne Vorliegen eines Abzweigungsbescheids lässt die Empfangsberechtigung des Kindergeldberechtigten unberührt; vgl. BFH vom 14.4.2021, III R 1/20.
Der (vermeintlich) Kindergeldberechtigte und nicht das Kind ist Leistungsempfänger i.S.d. § 37 Abs. 2 Satz 1 AO, wenn das Kindergeld aufgrund einer Zahlungsanweisung des Kindergeldberechtigten von der Familienkasse auf ein Konto des Kindes ausgezahlt wird; vgl. FG Bremen vom 25.11.2021, 2 K 187/19.
Am 13.9.2018 entschied der BFH in zwei Urteilen (III R 19/17, III R 48/17) sowie zum Billigkeitserlass bei Kindergeldrückforderung Folgendes:
Allein der Umstand, dass zu Unrecht gewährtes Kindergeld auf Sozialleistungen angerechnet wurde, verpflichtet die Familienkasse nicht zu einem Billigkeitserlass der Rückforderung dieses Kindergelds; vgl. BFH Urteil vom 13.9.2018, III R 19/17. Nach ständiger Rspr. des BFH kann ein Billigkeitserlass bei der Kindergeldrückforderung möglich sein, wenn es bei der Berechnung der Höhe von Sozialleistungen angesetzt wurde, eine nachträgliche Korrektur der Leistungen jedoch nicht möglich ist. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Kindergeldberechtigte seinen Informations- und Mitwirkungspflichten nachkommt. Im Streitfall ist dies unterblieben, weil die kindergeldberechtigte Mutter die Familienkasse nicht über die Inhaftierung ihres Sohnes unterrichtet hatte. In einem solchen Fall ist nicht davon auszugehen, dass die Familienkasse eine auf null reduzierte Ermessensentscheidung zu treffen hat. Die Berechtigte hatte Sozialleistungen erhalten, auf die das Kindergeld angerechnet worden war. Nachdem das Kind inhaftiert wurde und seine Ausbildung nicht fortsetzen konnte, teilte die Berechtigte diesen Umstand zwar dem Jobcenter, nicht aber der Familienkasse mit. Später hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung rückwirkend auf, forderte das gezahlte Kindergeld zurück und lehnte einen Erlass ab. Das FG hob die Erlassablehnung auf.
Die gerichtliche Überprüfung einer den Billigkeitserlass einer Kindergeldrückforderung betreffenden Behördenentscheidung hat u.a. zu berücksichtigen, ob und inwieweit der Kindergeldberechtigte seine Mitwirkungspflichten erfüllte. Dies erfordert jedenfalls nähere Feststellungen dazu, auf welchem Tatbestand die Kindergeldfestsetzung beruhte und worin die Mitwirkungspflicht bestand; vgl. BFH vom 13.9.2018, III R 48/17.
Die Berücksichtigung eines Kindes wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass
das Kind verheiratet ist,
das Kind nicht zum Haushalt des Stpfl. gehört, ausgenommen bei Pflegekindern, oder
ein unter 18 Jahre altes Kind eigene Einkünfte oder Bezüge (→ Einkünfte und Bezüge von Kindern) hat (H 32.3 [Berücksichtigung in Sonderfällen] EStH).
Unter den Voraussetzungen des § 1303 Abs. 2 BGB kann eine Ehe auch ab Vollendung des 16. Lebensjahres eingegangen werden, wenn der zukünftige Ehegatte volljährig ist. Das Kind wird bis zu dem Kalendermonat berücksichtigt, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 32 Abs. 3 EStG). Die Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes sind dabei ohne Bedeutung.
Bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2011 wurde in Fällen verheirateter Kinder grundsätzlich kein Kindergeld gewährt, weil die typische Unterhaltssituation zwischen Eltern und Kind ab dessen Eheschließung nicht mehr vorliegt. Es bestand ab da Unterhaltsanspruch gegen den Ehepartner. Begründet wurde diese Auffassung damit, dass der Anspruch auf Kindergeld (und Kinderfreibetrag) eine typische Unterhaltssituation voraussetzt, die infolge der Heirat wegen der zivilrechtlich vorrangigen Unterhaltsverpflichtung des Ehegatten regelmäßig entfällt. Nur in Ausnahmefällen, in denen nachweislich die Einkünfte des Ehepartners und die eigenen Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht ausreichten, um den Unterhalt zu decken, im sog. Mangelfall also, bestand Kindergeldanspruch. Allerdings musste stets geprüft werden, ob die Grenzbeträge für eigene Einkünfte und Bezüge, zuletzt in Höhe von 8 004 €, überschritten waren. Einen »Mangelfall« kennzeichnet eine finanzielle Situation, in dem weder die Einkünfte des Ehepartners für den vollständigen Unterhalt des Kindes ausreichen noch das Kind selbst über ausreichende eigene Mittel verfügt. Diese Rechtsprechung hat der BFH nun aufgegeben. Seit 2012 hängt der Kindergeldanspruch nicht mehr von der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes ab. Nach Ansicht des BFH ist damit der Mangelfall-Rechtsprechung die Grundlage entzogen. Im Ergebnis steht die Verheiratung eines Kindes seiner Berücksichtigung nicht entgegen (BFH Urteil vom 17.10.2013, III R 22/13, BStBl II 2014, 257). Das BZSt hat die neue Rechtsprechung konsequenterweise auch auf unverheiratete Kinder mit eigenem Kind übertragen. Der Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB aus Anlass der Geburt des Kindeskindes steht ebenso wie die Heirat des Kindes seiner Berücksichtigung nicht mehr entgegen (BZSt, Einzelweisung vom 5.3.2014, BStBl I 2014, 553). In der DA-KG 2014 sind deshalb die bisher in DA-FamEStG 31.2 aufgeführten Regelungen zu vorrangigen Unterhaltspflichten entfallen. Auch die Einkommensverhältnisse des Ehepartners sind nicht entscheidungsrelevant, sondern ausschließlich die Tatsache, dass sich das Kind in seiner ersten Berufsausbildung befindet. Daher besteht für Eltern Kindergeldanspruch gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Eine Überprüfung der Höhe eigener Einkünfte und Bezüge findet somit nur noch im Zusammenhang mit der Kindergeldgewährung für behinderte Kinder statt, um festzustellen, ob das Kind in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).
Aufgrund der Corona-Pandemie 2020 wird § 66 EStG um die Satz 2 bis 4 erweitert: Über den bereits im Familienentlastungsgesetz vom 29.11.2018 (BGBl I 2018, 2210) enthaltenen Förderschwerpunkt für Familien (spürbare Anhebung des Kindergeldes und des Kinderfreibetrages) hinaus wird das Kindergeld einmalig um 300 € (Kinderbonus 2020) erhöht. Ein Anspruch auf den Kinderbonus 2020 besteht für jedes Kind, für das im September 2020 ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Die Auszahlung erfolgt aus Gründen des einfacheren Verwaltungsvollzugs grundsätzlich in zwei gleichen Teilen von jeweils 150 € im September und Oktober 2020. Hierdurch wird gezielt und kurzfristig ein zusätzlicher gesamtwirtschaftlicher Nachfrageimpuls insbesondere durch Familien mit geringerem bis mittlerem Einkommen und mehreren Kindern zur Stärkung der Konjunktur geschaffen. Um dies zu gewährleisten, müssen die Einmalbeträge auch bei einkommensabhängigen Sozialleistungen als zusätzliches Einkommen zur Verfügung stehen. Zudem sollen die Einmalbeträge die Unterhaltsleistung nach dem Unterhaltsvorschussgesetz nicht mindern. Dieses Gesetz wurde nach erfolgter Zahlung des Kinderbonus 2009 und der sich anschließenden Aufhebungen der § 66 Abs. 1 Satz 2 EStG und § 6 Abs. 3 BKGG zwar zunächst gegenstandslos. Es wurde jedoch nicht aufgehoben und führt nunmehr bei dem Kinderbonus 2020 ebenfalls zu dem gewünschten Effekt der Nichtanrechnung auf Sozialleistungen. Es sind jedoch Anpassungen des Gesetzes zur Nichtanrechnung des Kinderbonus erforderlich, um sicherzustellen, dass der Kinderbonus – so wie auch das Kindergeld – im Rahmen von Kostenbeteiligungen bei der Inanspruchnahme von Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe nicht als Einkommen berücksichtigt wird. Für die Einmalbeträge gelten ansonsten grundsätzlich alle Vorschriften, die auch für das – monatlich gezahlte – steuerliche Kindergeld maßgebend sind. So können z.B. für jedes Kind nur einem Berechtigten die Einmalbeträge gezahlt werden (§ 64 EStG – Zusammentreffen mehrerer Ansprüche). Für die Festsetzung der Einmalbeträge kann von der Erteilung eines schriftlichen Änderungsbescheides abgesehen werden (§ 70 Abs. 2 Satz 2 EStG). Für eine eventuelle Rückforderung der Einmalbeträge sind die für die Rückforderung von Kindergeld allgemein geltenden Vorschriften anzuwenden.
Kinder, für die im September 2020 kein Anspruch auf Kindergeld besteht, werden ebenfalls berücksichtigt, wenn für sie in einem anderen Monat des Jahres 2020 ein Kindergeldanspruch besteht. Die Auszahlung des Kinderbonus erfolgt in diesen Fällen aber nicht zwingend im September und Oktober 2020 und nicht zwingend in Teilbeträgen. Die Einzelheiten der Auszahlung der Einmalbeträge durch die Familienkassen werden nach der Verkündung des Gesetzes zeitnah durch eine Einzelweisung geregelt.
Als Klarstellung wird ergänzt, dass die Festsetzung und Zahlung der Einmalbeträge nach § 66 Abs. 1 Satz 2 EStG im Rahmen des steuerlichen Familienleistungsausgleichs (§ 31 EStG) erfolgt. Dies bedeutet, dass die Einmalbeträge im Rahmen der bei der Einkommensteuerveranlagung durchzuführenden Vergleichsberechnung berücksichtigt werden. Dabei entscheidet das FA nach § 31 Satz 4 EStG von Amts wegen, ob bei den Eltern die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrags in Höhe des Existenzminimums eines Kindes einschließlich der Bedarfe für Betreuung und Erziehung durch den Anspruch auf Kindergeld – einschließlich Kinderbonus 2020 – bewirkt wird oder hierfür die Freibeträge für Kinder zu berücksichtigen sind.
Der Kinderbonus für das Jahr 2021 ist eine zusätzliche finanzielle Unterstützung für Familien. Es handelt sich dabei um ein »Bonus-Kindergeld« i.H.v. 150 € pro Kind. Es gelten dieselben grundsätzlichen Voraussetzungen wie für das Kindergeld. Er wird für alle Kinder ausgezahlt, für die im Jahr 2021 ein Anspruch auf Kindergeld besteht. Die Auszahlung beginnt ab Mai 2021 für alle Kinder, die in diesem Monat Kindergeld erhalten. Für Kinder, für die in einem anderen Monat Anspruch auf Kindergeld besteht bzw. bestand, wird der Kinderbonus zu einem späteren Zeitpunkt ausgezahlt. Der Kinderbonus wird bei den Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), beim Kinderzuschlag und beim Wohngeld nicht als Einkommen berücksichtigt. Beim Unterhaltsvorschuss wird der Kinderbonus nicht angerechnet. Damit kommt der Kinderbonus Familien mit kleinen Einkommen zusätzlich zugute.
In Fällen, in denen eine Ausbildung bzw. ein Studium aufgrund der Corona-Pandemie unterbrochen wird (z.B. weil die Universität vorübergehend schließen musste), wird für das Kind während des Unterbrechungszeitraums weiterhin Kindergeld gezahlt, sofern das Kind noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat und an der Ausbildungswilligkeit keine Zweifel bestehen.
Durch eine am 27.4.2022 vom Bundeskabinett beschlossene Änderung des Entwurfs eines Steuerentlastungsgesetzes 2022, dem der Bundesrat noch zustimmen muss, ist die Einführung eines weiteren Kinderbonus aufgenommen worden. Für jedes Kind, für das für mindestens einen Monat des Kj. 2022 ein Anspruch auf Kindergeld besteht, soll ein Einmalbetrag i.H.v. 100 € ausgezahlt werden. Die Auszahlung soll zeitnah zu den jeweiligen Auszahlungsterminen des Kindergelds für den Monat Juli 2022 erfolgen. Ein Antrag ist nicht erforderlich. Der Betrag wird automatisch von der zuständigen Familienkasse ausgezahlt.
Die Günstigerprüfung des Familienleistungsausgleichs nach dem zweiten Konjunkturpaket, FR 2009, 573; Wälzholz, Adoption aus steuerrechtlichem Anlass und zivilrechtlicher Sicht, NWB 2009, 1591; Greite, Kindergeld für behinderte Kinder, NWB 2009, 1917; Nacke, Aktuelle Rechtsprechung zum Kindergeldrecht, Steuer & Studium 2009, 469; Steck, Verfassungswidrigkeit der Kinder(nicht)berücksichtigung am Ersten eines Monats Geborener, NWB 2013, 2639.; Bering/Friedenberger, Aktuelle Entwicklungen beim Kindergeld und bei der steuerlichen Berücksichtigung von Kindern, NWB 2013, 1560; Steck, Verfassungswidrigkeit der Kinder(nicht-)berücksichtigung am Ersten eines Monats Geborener, NWB 2013, 2639; Müller, Praxisfälle zum Kindergeld, NWB 2014, 3902; Hartmann, Einspruch gegen die Kindergeldfestsetzung, ESTB 2015, 110; Krömker, Kindergeld für polnische Saisonarbeiter, EStB 2014, 53; Kanzler, Kraft, Bäuml u.a. (KKB EStG) – Einkommensteuergesetz Kommentar Online, 4. A., Stand 3.6.2019; Weidlich/Bering, Praxisleitfaden Kindergeld, NWB 20/2022, 1439.
→ Einkünfte und Bezüge von Kindern
→ Existenzminimum, steuerliche Gesamtbelastung
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Redaktioneller Hinweis:
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