1 Haftung nach § 13c UStG im Überblick
2 Sinn und Zweck der Haftungsregelung
3 Voraussetzungen für die Haftung des Abtretungsempfängers
4 Für die Haftung erforderliche Steuerfestsetzung
5 Vereinnahmung abgetretener Forderungen durch den Abtretungsempfänger
6 Der Haftungsbescheid
7 Haftungsausschluss
8 Haftung auch bei Verpfändung oder Pfändung
9 Literaturhinweise
10 Verwandte Lexikonartikel
§ 13c UStG begründet unter bestimmten Voraussetzungen einen Haftungstatbestand für die Fälle, in denen ein Unternehmer eine Kundenforderung abtritt und der Abtretungsempfänger die Forderung einzieht oder an einen Dritten überträgt und der Steuerschuldner die in der Forderung enthaltene USt bei Fälligkeit nicht oder nicht rechtzeitig entrichtet (Abschn. 13c.1 Abs. 1 UStAE). Mit der Festsetzung der Haftungsschuld wird ein Gesamtschuldverhältnis i.S.d. § 44 AO begründet (→ Gesamtschuldner). Grundlage für § 13c UStG ist Art. 205 MwStSystRL. Nach dem BFH-Urteil vom 20.3.2013 (XI R 11/12, BStBl II 2016, 107) verstößt die Haftung nach § 13c UStG weder gegen höherrangiges Recht noch gegen allgemeine Rechtsgrundsätze; die Vorschrift entspricht dem Unionsrecht und ist nach diesem Urteil auch im Fall der stillen Zession anzuwenden.
Beachte:
13c UStG umfasst auch die Fälle, in denen Forderungen des leistenden Unternehmers verpfändet oder gepfändet werden. Die Rechtsfolgen des § 13c UStG für die Forderungsabtretung treten auch bei der Verpfändung oder Pfändung von Forderungen ein (Abschn. 13c.1 Abs. 5 UStAE).
Die Regelung dient der Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen, die dadurch entstehen, dass der abtretende Unternehmer häufig finanziell nicht mehr in der Lage ist, die von ihm geschuldete USt zu entrichten, weil der Abtretungsempfänger die Forderung eingezogen hat. Der Abtretungsempfänger war bisher nicht verpflichtet, diese USt, die zivilrechtlich Bestandteil der abgetretenen Forderung ist, an das FA abzuführen.
Die Abtretung (§ 398 BGB) ist grds. nicht formbedürftig. Unmittelbare Folge der Abtretung ist der Wechsel der Gläubigerstellung (Abschn. 13c.1 Abs. 4 UStAE).
Der Abtretungsempfänger haftet für die in der abgetretenen Forderung enthaltene USt, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
Der leistende Unternehmer hat
den Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG
an einen anderen Unternehmer abgetreten und
die festgesetzte Steuer, bei deren Berechnung dieser Umsatz berücksichtigt worden ist
bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet (Abschn. 13c.1 Abs. 11 UStAE).
§ 13c UStG kann deshalb nicht angewendet werden, wenn sich keine zu entrichtende Steuer ergibt (z.B. bei Vorsteuerüberschüssen; bei leistenden Unternehmern, die die sog. Kleinunternehmerregelung i.S.d. § 19 UStG anwenden; Abschn. 13c.1 Abs. 11 Satz 2 UStAE).
13c UStG erfasst nur die Abtretung von Forderungen aus steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätzen eines Unternehmers (s.a. Abschn. 13c.1 Abs. 8 UStAE). Der stpfl. Umsatz muss nicht an einen anderen Unternehmer erbracht worden sein, es kann sich auch um einen stpfl. Umsatz an einen Nichtunternehmer handeln (Abschn. 13c.1 Abs. 2 UStAE).
Die Abtretung von Forderungen kann auf einen Teilbetrag der Gesamtforderung beschränkt werden. Dabei ist die Umsatzsteuer zivilrechtlich unselbstständiger Teil des abgetretenen Forderungsbetrags. Die Abtretung kann nicht auf einen (fiktiven) Nettobetrag ohne Umsatzsteuer beschränkt werden, vielmehr erstreckt sich die Haftung auf die im abgetretenen Betrag enthaltene Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer, für die gehaftet wird, ist somit aus dem abgetretenen, verpfändeten oder gepfändeten Forderungsbetrag herauszurechnen (Abschn. 13c.1 Abs. 7 UStAE).
Der Abtretungsempfänger muss Unternehmer sein. Nach dem EuGH-Urteil vom 26.6.2003 (C-305/01, DStR 2003, 1253) ist auch der, der das Ausfallrisiko für die an ihn abgetretene Forderung übernimmt (→ Factoring), Unternehmer (Abschn. 13c.1 Abs. 9 UStAE).
Bei Abtretungen an Nichtunternehmer kommt die Haftung nach § 13c UStG nicht in Betracht. Zu den Nichtunternehmern gehören auch juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit nicht ein Betrieb gewerblicher Art (vgl. § 2 Abs. 3 UStG) vorliegt (Abschn. 13c.1 Abs. 10 UStAE).
Der leistende Unternehmer hat die festgesetzte Steuer im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht entrichtet. In der festgesetzten Steuer muss die in der abgetretenen Forderung enthaltene USt berücksichtigt sein (Abschn. 13c.1 Abs. 11 UStAE).
Der Abtretungsempfänger muss die abgetretene Forderung ganz oder teilweise vereinnahmt haben (Abschn. 13c.1 Abs. 18 ff. UStAE). Hat er sie teilweise vereinnahmt, erstreckt sich die Haftung nur auf die USt, die im tatsächlich vereinnahmten Betrag enthalten ist. Hat er sie ganz oder teilweise an einen Dritten übertragen, gilt dieses Rechtsgeschäft insoweit als Vereinnahmung, d.h. der Abtretungsempfänger kann für die im Gesamtbetrag der weiter übertragenen Forderung enthaltene USt in Haftung genommen werden. Dies gilt unabhängig davon, welche Gegenleistung der ursprüngliche Abtretungsempfänger für die Übertragung der Forderung erhalten hat.
Der Abtretungsempfänger wird nachrangig als Haftungsschuldner in Anspruch genommen, weil erst feststehen muss, dass der leistende Unternehmer die festgesetzte Steuer im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat.
Die Haftung nach § 13c Abs. 2 Satz 1 UStG setzt eine USt voraus, die aufgrund ihrer Festsetzung fällig ist. Die festgesetzte Steuer i.S.v. § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG kann sich aus einer Steueranmeldung bzw. einem Vorauszahlungsbescheid (§ 18 Abs. 1 UStG i.V.m. § 168 Satz 1 AO) ergeben. Dieser hat im Verhältnis zur Steuerberechnung (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG) und zur Steuerfestsetzung für das Kj. (§ 18 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 168 Satz 1 AO) nur »vorläufigen Charakter«. Denn nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der USt-Jahresbescheid vom Zeitpunkt seines Ergehens an alleinige Grundlage für die Verwirklichung des Anspruchs auf die mit Ablauf des Besteuerungszeitraums entstandene Steuer sowie für den Einbehalt der als Vorauszahlung für den Besteuerungszeitraum entrichteten Beträge. Das materielle Ergebnis der in dem Kj. positiv oder negativ entstandenen USt wird für die Zukunft ausschließlich durch den USt-Jahresbescheid festgelegt. Damit erledigen sich die für den Besteuerungszeitraum ergangenen USt-Vorauszahlungsbescheide i.S.d. § 124 Abs. 2 AO auf andere Weise und verlieren ihre Wirksamkeit. Infolgedessen kann der USt-Vorauszahlungsbescheid nach Ergehen des Jahresbescheids nicht mehr Grundlage für die Haftung nach § 13c UStG sein (BFH-Urteil vom 21.11.2013, V R 21/12, BStBl II 2016, 74, Rz. 19; Anmerkung vom 13.3.2014, LEXinform 0944647).
Kann ein Jahressteuerbescheid, aus dem sich eine »Zahllast« ergibt, aufgrund einer Insolvenzeröffnung über das Vermögen des leistenden Unternehmers gem. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO i.V.m. § 87 InsO nicht mehr ergehen, erledigt sich der Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid erst durch die Eintragung der nicht getilgten Jahressteuer in die Insolvenztabelle (§ 178 Abs. 3 InsO) oder im Falle des Bestreitens durch den gem. § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO zu erlassenden Feststellungsbescheid (BFH V R 21/12, Leitsätze 1 und 2).
Danach reicht für die Inanspruchnahme des Zessionars als Haftenden nach § 13c Abs. 2 Satz 1 UStG aus, dass sich die festgesetzte fällige Steuer zunächst aus einem Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid ergibt, der nach der Insolvenzeröffnung aufgrund einer späteren Eintragung der nicht getilgten Jahressteuer in die Insolvenztabelle (§ 178 Abs. 3 InsO) erledigt und hierdurch modifiziert wird.
Am Erfordernis einer für das Kj. vorzunehmenden Steuerberechnung ändert sich durch die Insolvenzeröffnung nichts (BFH vom 24.11.2011, V R 13/11, BStBl II 2012, 298, unter II.2.). Das FA hat den sich für das Kj. ergebenden Steueranspruch nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 16 ff. UStG zu berechnen und ihn, soweit es sich um eine Insolvenzforderung (§ 38 InsO) handelt, gem. §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle anzumelden BFH V R 21/12, Rz. 21).
Im Hinblick auf diese Rechtswirkungen erledigt sich – für Zwecke der Haftung nach § 13c UStG – der Vorauszahlungsbescheid durch die Eintragung des sich für das Kj ergebenden Steueranspruchs als Insolvenzforderung in die Insolvenztabelle (§ 178 InsO) oder durch den im Fall des Bestreitens (§ 179 InsO) gem. § 185 InsO i.V.m. § 251 Abs. 3 AO zu erlassenden Feststellungsbescheid. Dieser Eintragung, die sich gem. § 174 Abs. 2 InsO auf eine nach »Grund und Betrag« angemeldete Forderung bezieht, ist ebenso wie der im Bestreitensfall vorzunehmenden Feststellung eine Berechnung der Jahressteuerschuld zugrunde zu legen, ohne die der Umfang des nicht getilgten Steueranspruchs nicht berechnet werden kann. Damit ist gewährleistet, dass eine niedrigere Umsatzsteuerjahresschuld als im Vorauszahlungsbescheid festgesetzt auch dann für die Haftung nach § 13c UStG zu beachten ist, wenn aufgrund der Insolvenzeröffnung kein Jahresbescheid mehr ergehen kann.
Mit Urteil vom 23.7.2020 (V R 44/19, BFH/NV 2021, 147, LEXinform 0952624) hat der BFH zum Erlass eines Haftungsbescheids nach § 13c UStG, der sich allein auf die Eintragung des Anspruchs zur Insolvenztabelle stützt, entschieden, dass diese Eintragung des Umsatzsteueranspruchs zur Insolvenztabelle auch unter Berücksichtigung von § 41 Abs. 1 InsO keine Fälligkeit zu Lasten des Zessionärs bei der Haftung nach § 13c UStG begründet.
Im Gegensatz zum Entscheidungsfall des BFH vom 21.11.2013 (V R 21/12, BStBl II 2016, 74) hat das FA im Entscheidungsfall V R 44/19 den Haftungsbescheid nicht auf eine fällige Steuer gestützt, die sich aus einem vor Insolvenzeröffnung für das Kj. vorliegenden und im Haftungsbescheid genannten Vorauszahlungsbescheid ergibt. Das FA nahm den Haftungsschuldner nach § 13c UStG mit der Begründung in Anspruch, da die »festgesetzte USt für das Kj. der Insolvenzeröffnung (Kj. 05) i.H.v. … € noch nicht entrichtet« worden sei. Weitere Ausführungen zu gegenüber dem Steuerschuldner ergangenen Steuerfestsetzungen enthielt der Haftungsbescheid nicht.
Im Urteilsfall V R 44/19 fehlt es an einer festgesetzten fälligen Steuerschuld als Haftungsvoraussetzung. Das FA hat den Haftungsbescheid nicht auf eine fällige Steuer gestützt, die sich aus einem vor Insolvenzeröffnung für das Kj. vorliegenden und im Haftungsbescheid genannten Vorauszahlungsbescheid ergibt. Für die USt des Kj. der Insolvenzeröffnung (Kj. 05) lag im Streitfall im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung am 1.11.05 noch keine Steuerfestsetzung vor. Ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung kommt eine fälligkeitsbegründende Steuerfestsetzung nicht in Betracht. Der streitige und als Insolvenzforderung entstandene Steueranspruch (für das Kj. 05) kann im eröffneten Verfahren gem. § 251 Abs. 2 Satz 1 AO nicht durch Steuerbescheid festgesetzt werden (s.a. Abschn. 13c.1 Abs. 17 UStAE).
Fehlt es an einem Vorauszahlungsbescheid als Haftungsgrundlage, vermag der bloße Tabelleneintrag auch unter Berücksichtigung von § 41 Abs. 1 InsO, wonach nicht fällige Forderungen als fällig gelten, die nach § 13c Abs. 2 Satz 1 erforderliche Fälligkeit nicht zu begründen (BFH V R 44/19, Rz. 27). Denn § 41 Abs. 1 InsO wirkt nur gegenüber dem Insolvenzschuldner und berührt daher nicht die Mithaftung von Gesamtschuldnern und Bürgen, wie der BGH zur Vorgängerregelung in § 65 der Konkursordnung ausdrücklich entschieden hat (BGH vom 8.2.2000, XI ZR 313/98, LEXinform 0201095). Hieran hält der BFH für Zwecke der Haftung nach § 13c UStG fest (BFH V R 44/19, Rz. 28).
Beachte:
In Rz. 29 seiner Entscheidung V R 44/19 weist der BFH darauf hin, dass er nicht zu entscheiden hat, welche Bedeutung Abschn. 13c.1 Abs. 17 Satz 2 UStAE zukommen könnte. Danach gilt die Umsatzsteuer nach § 41 Abs. 1 InsO insoweit als fällig i.S.d. § 13c UStG, als sie durch den Insolvenzverwalter oder durch den Insolvenzschuldner für Zeiträume vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens angemeldet worden ist. Im Hinblick auf die BFH-Rspr. könnte dem allenfalls Bedeutung für eine im Haftungsbescheid benannte Steueranmeldung für einen Voranmeldungszeitraum vor der Insolvenzeröffnung zukommen, an der es hier – im Urteilsfall V R 44/19 – jedoch fehlt.
Eine Vereinnahmung durch den Abtretungsempfänger liegt in folgenden Fällen vor:
Der Abtretungsempfänger macht von seiner Einziehungsbefugnis Gebrauch (Abschn. 13c.1 Abs. 20 f. UStAE). In diesem Fall entzieht der Abtretungsempfänger – in der Regel die Bank – dem leistenden Unternehmer (Steuerschuldner) dessen Einziehungsbefugnis.
Der Abtretungsempfänger macht von seiner Verfügungsbefugnis Gebrauch (Abschn. 13c.1 Abs. 22 UStAE). Nach dem Sinn und Zweck des § 13c UStG soll der Abtretungsempfänger haften, soweit nicht mehr der leistende Unternehmer, sondern der Abtretungsempfänger über den eingegangenen Geldbetrag verfügen kann und daher die Verfügungsmacht über die in der abgetretenen Forderung enthaltene USt hat (s.a. Abschn. 13c.1 Abs. 19 UStAE).
Wird im Rahmen einer stillen Zession ein Betrag zugunsten einer Bank auf einem im debitorisch geführten Kontokorrentkonto gutgeschrieben, liegt die für die Haftung nach § 13c UStG erforderliche Vereinnahmung durch die Bank als Zessionar jedenfalls dann vor, wenn der Bankkunde (Zedent) damit Verbindlichkeiten der Bank tilgt, die durch die zu ihren Gunsten bestehende Abtretung gesichert werden (BFH vom 25.11.2015, V R 65/14, BFH/NV 2016, 953, LEXinform 0950159).
Gehen auf einem Kontokorrentkonto des Steuerschuldners (Zedent) nach Überschreitung des vereinbarten Kreditrahmens Gutschriften aus zuvor an die Bank (Zessionär) abgetretenen Forderungen ein, haftet die Bank nach § 13c UStG für die im Zahlungsbetrag enthaltene USt. Dies hat der BFH mit Urteil vom 22.6.2021 (V R 16/20, BFH/NV 2021, 1622, LEXinform 0953226) entschieden.
Im hier vorliegenden Fall der Überweisung auf ein beim Zessionar debitorisch geführtes Konto des Zedenten kommt es für die Vereinnahmung i.S.v. § 13c UStG nach dem Kriterium der wirtschaftlichen Verfügungsmacht darauf an, ob der Zedent über dieses Konto bei der Gutschrift hinsichtlich des Überweisungsbetrags in der Weise verfügungsberechtigt ist, dass er den Betrag der Gutschrift abheben oder für frei gewählte Überweisungen nutzen kann, oder ob der Zessionar eine ihm zustehende Rechtsmacht ausübt, dies zu verhindern. Dabei reicht es bereits aus, dass der Zessionar die ihm zustehende Rechtsmacht, Verfügungen des Zedenten zu verhindern, in Einzelfällen ausübt, während er anderen Weisungen des Zedenten Folge leistet. Denn dann entscheidet der Zessionar, wie mit den Zahlungseingängen auf dem debitorisch geführten Konto umgegangen wird, so dass der Zessionar als wirtschaftlich Verfügungsberechtigter anzusehen ist (BFH V R 16/20, Rz. 22, 23).
Danach war im Streitfall von einer Vereinnahmung auszugehen. Für das vom Zedenten bei der Bank (Zessionär) debitorisch geführte Konto, auf dem die abgetretenen Beträge vereinnahmt wurden, lag eine erhebliche Überschreitung der vereinbarten Kreditlinie vor. Die Bank führte Belastungsbuchungen in mehreren Fällen (regelmäßig) nicht durch. Aufgrund dieser Rechtsausübung ist in Bezug auf Gutschriften von Überweisungsbeträgen auf dem Konto der GmbH von einer wirtschaftlichen Verfügungsmacht der Bank auszugehen. Die GmbH konnte somit über das Hauptkonto nicht mehr frei verfügen.
Auf die Frage, ob von einer Vereinnahmung bereits dann auszugehen ist, wenn bei einem Zahlungseingang auf ein Kontokorrentkonto der vereinbarte Kreditrahmen bereits um mehr als 15 % überschritten ist (so Abschn. 13c.1 Abs. 25 UStAE), kommt es nach Auffassung des BFH im Streitfall nicht an (BFH V R 16/20, Rz. 26). Ebenso war nicht zu entscheiden, ob eine Vereinnahmung vorliegt, wenn die Kreditlinie bereits überschritten ist und das Kreditinstitut weiteren Verfügungen des Kontoinhabers (lediglich) jederzeit widersprechen kann, ohne dass dieser einen Rechtsanspruch auf die Möglichkeit der Überziehung hat (Anmerkung vom 20.10.2021, LEXinform 0887692).
In Fortführung der Rspr. (V R 16/20) hat der BFH mit Urteil vom 29.11.2022 (XI R 2/22, DStR 2023, 826, LEXinform 0954024) entschieden, dass die kontoführende Bank mangels Vereinnahmung nicht nach § 13c UStG haftet, solange die Kreditlinie des Kontokorrentkontos des Steuerschuldners eingehalten wird.
Bei der Haftung gem. § 13c UStG ist von einer Vereinnahmung durch den Zessionar auszugehen, wenn der Zedent über sein beim Zessionar debitorisch geführtes Konto, auf dem die abgetretenen Beträge vereinnahmt werden, nicht mehr frei verfügen kann, da eine erhebliche Überschreitung der vereinbarten Kreditlinie vorliegt und der Zessionar Belastungsbuchungen regelmäßig nicht durchführt. Entscheidend ist hierfür, dass der Zessionar die ihm zustehende Rechtsmacht, Verfügungen des Zedenten zu verhindern, in Einzelfällen ausübt, während er (nur) anderen Weisungen des Zedenten Folge leistet. Damit entscheidet der Zessionar, wie mit den Zahlungseingängen auf dem debitorisch geführten Konto umgegangen wird, sodass der Zessionar als wirtschaftlich Verfügungsberechtigter anzusehen ist (BFH V R 16/20, Rz. 24 und BFH XI R 2/22, Rz. 29).
Für die Haftung nach § 13c UStG kommt es somit maßgeblich darauf an, ob der Zessionar eine dem Zedenten eingeräumte Kreditlinie beachtet. Verfügt der Zedent innerhalb der ihm eingeräumten Kreditlinie über das Konto, bleibt wirtschaftlich verfügungsberechtigt der Zedent. Der Zessionar ist dann nicht befugt, über Zahlungseingänge auf dem debitorisch geführten Konto zu verfügen (s.a. Anmerkung vom 19.4.2023, LEXinform 0888969).
Soweit der Abtretungsempfänger die Forderung an einen Dritten abgetreten hat, gilt sie in voller Höhe als vereinnahmt (§ 13c Abs. 1 Satz 3 UStG; Abschn. 13c.1 Abs. 30 UStAE).
In den Fällen des Forderungsverkaufs gilt die Forderung nicht durch den Abtretungsempfänger als vereinnahmt, soweit der leistende Unternehmer für die Abtretung der Forderung eine Gegenleistung in Geld vereinnahmt (z.B. bei entsprechend gestalteten Asset-Backed-Securities (ABS)-Transaktionen). Voraussetzung ist, dass dieser Geldbetrag tatsächlich in den Verfügungsbereich des leistenden Unternehmers gelangt (Abschn. 13c.1 Abs. 27 Satz 1 und 2 UStAE).
Mit Urteil vom 16.12.2015 (XI R 28/13, BStBl II 2018, 365, Rz. 63; s.a. Hahne, UR 23/2016, 897) hat der BFH gegen die Verwaltungsregelung in Abschn. 13c.1 Abs. 27 UStAE entschieden und festgestellt, dass es hierbei um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung handelt, die die Gerichte nicht bindet.
Die Haftung des Abtretungsempfängers (Factors) für USt nach § 13c UStG ist nicht ausgeschlossen, wenn er dem Unternehmer, der ihm die USt enthaltende Forderung abgetreten hat, im Rahmen des sog. echten Factorings liquide Mittel zur Verfügung gestellt hat, aus denen dieser seine Umsatzsteuerschuld hätte begleichen können. Der Factor hätte zur Vermeidung einer Haftungsinanspruchnahme nach § 13c Abs. 2 Satz 4 UStG verfahren können, d.h. den in den abgetretenen Forderungen enthaltenen Umsatzsteuerbetrag an das für den Abtretenden zuständige FA abführen und dem Abtretenden lediglich den um die USt gekürzten Restbetrag auszahlen. Es ist dem Factor zuzurechnen, dass er von dieser rechtlichen Möglichkeit, die seine Haftung ausgeschlossen hätte, keinen Gebrauch gemacht hat. Die Haftung nach § 13c UStG ist mithin weder unbedingt noch hängt sie von Gesichtspunkten ab, auf die der in Anspruch genommene Abtretungsempfänger keinen Einfluss hätte (BFH vom 16.12.2015, XI R 28/13, BStBl II 2018, 365, Rz. 60 ff.).
Der BFH bringt zwar vor, dass es sich bei § 13c Abs. 2 Satz 4 UStG um ein fakultatives Abführungsrecht handele und der Factor als Abtretungsempfänger grundsätzlich nicht über die rechtlichen Mittel verfügt, ohne die Zustimmung des Abtretenden eine Haftungsinanspruchnahme nach § 13c Abs. 2 Satz 4 UStG zu verhindern. Der Abtretungsempfänger (Factor) trägt jedoch das Risiko der Haftungsinanspruchnahme, wenn er sich die betreffenden Forderungen ohne das Recht, nach § 13c Abs. 2 Satz 4 UStG verfahren zu können, abtreten lässt.
Beachte:
Durch das Zweite Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie (Zweites Bürokratieentlastungsgesetz) vom 30.6.2017 (BGBl I 2017, 2143) hat der Gesetzgeber die bisherige Regelung des Abschn. 13c.1 Abs. 27 Satz 1 und 2 UStAE in § 13c Abs. 1 Satz 4 und 5 UStG gesetzlich geregelt. Damit kommt eine Inanspruchnahme des Abtretungsempfängers einer Forderung beim echten Factoring nach § 13c Abs. 1 UStG nicht in Betracht. Die Gesetzesergänzung tritt mit Wirkung zum 1.1.2017 in Kraft.
Zur Anwendung der Gesetzesänderung nimmt das BMF mit Schreiben vom 9.5.2018 (BStBl I 2018, 694) Stellung. Im Hinblick auf die zum 1.1.2017 in Kraft getretene Gesetzesänderung des § 13c Abs. 1 UStG wird es für vor dem 1.1.2017 wirksam abgetretene Forderungen im Rahmen von Forderungsverkäufen, deren Gegenleistung für die Abtretung in Geld besteht, nicht beanstandet, wenn der Haftungsschuldner sich auf die Anwendung des Abschn. 13c.1 Abs. 27 UStAE beruft.
Nach dem BFH-Urteil vom 20.3.2013 (XI R 11/12, BStBl II 2016, 107) liegt eine Vereinnahmung durch den Abtretungsempfänger auch dann vor, wenn ein vorläufiger Insolvenzverwalter des Sicherungsgebers den abgetretenen Forderungsbetrag einzieht und an den Abtretungsempfänger weiterleitet. Nach § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG haftet der Abtretungsempfänger »für die in der Forderung enthaltene USt, soweit sie im vereinnahmten Betrag enthalten ist«. Diese Formulierung setzt nicht voraus, dass der Abtretungsempfänger selbst die Forderung einzieht (Abschn. 13c.1 Abs. 28 UStAE).
Die Haftung nach § 13c UStG kann nicht durch eine zivilrechtliche Vereinbarung ausgeschlossen werden, nach der es sich bei dem weitergeleiteten Betrag um einen Nettobetrag ohne USt handeln soll.
Wird aber der vom Abtretungsempfänger vereinnahmte Betrag vom Abtretungsempfänger an den leistenden Unternehmer bzw. den Insolvenzverwalter zurückerstattet, ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer Haftung gem. § 13c UStG abzusehen (BFH-Urteil vom 21.11.2013, V R 21/12, BStBl II 2016, 74; s.a. Anmerkung vom 13.3.2014, LEXinform 0944647; Abschn. 13c.1 Abs. 29 UStAE).
Der Haftungsbescheid ist durch das FA zu erstellen, das für die Festsetzung und Erhebung der USt des leistenden Unternehmers zuständig ist (Abschn. 13c.1 Abs. 34 UStAE). Das FA ermittelt zunächst die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme nach § 13c Abs. 1 UStG. Der Abtretungsempfänger ist bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen durch Haftungsbescheid in Anspruch zu nehmen, ohne dass den Finanzbehörden dabei ein Ermessen eingeräumt ist (Abschn. 13c.1 Abs. 33 Satz 1 UStAE). Auf ein Verschulden des leistenden Unternehmers oder des Abtretungsempfängers kommt es nicht an.
Die Inanspruchnahme des Abtretungsempfängers ist frühestens im Zeitpunkt der Vereinnahmung oder Übertragung der abgetretenen Forderung möglich. Voraussetzung ist allerdings, dass die festgesetzte und nicht oder nicht vollständig entrichtete Steuer in diesem Zeitpunkt bereits fällig ist (Abschn. 13c.1 Abs. 31 UStAE).
Die Haftung des Abtretungsempfängers ist der Höhe nach zweifach begrenzt: auf den Betrag der im Fälligkeitszeitpunkt nicht entrichteten Steuer und auf die im vereinnahmten Betrag der abgetretenen Forderung enthaltene USt (Abschn. 13c.1 Abs. 41 UStAE).
Beispiel 1:
Der leistende Unternehmer hat aufgrund einer USt-Voranmeldung einen Betrag i.H.v. 20 000 € an das FA zu entrichten. In der Bemessungsrundlage für die USt ist auch ein Forderungsbetrag i.H.v. 100 000 € enthalten, der zivilrechtlich zzgl. 19 000 € USt an den Abtretungsempfänger A (Unternehmer i.S.d. § 2 UStG) abgetreten worden ist, den dieser auch vereinnahmt hat. Der leistende Unternehmer entrichtet bei Fälligkeit nur einen Betrag i.H.v. 15 000 € an das FA.
Lösung 1:
Eine Haftungsinanspruchnahme des A ist i.H.v. 5 000 € zulässig. Die Differenz zwischen der Vorauszahlung (20 000 €) und dem von U entrichteten Betrag (15 000 €) ist geringer als der in der abgetretenen Forderung enthaltene Umsatzsteuerbetrag (19 000 €).
Beispiel 2:
Wie Beispiel 1. U entrichtet die Vorauszahlung bei Fälligkeit nicht. Das FA stellt fest, dass A die abgetretene Forderung an einen Dritten für 80 000 € zuzüglich 15 200 € USt übertragen hat.
Lösung 2:
Die Haftungsinanspruchnahme des A ist i.H.v. 19 000 € zulässig. Die abgetretene Forderung gilt infolge der Übertragung an den Dritten als in voller Höhe vereinnahmt (§ 13c Abs. 1 Satz 3 UStG).
Beispiel 3:
Der Unternehmer U hat aufgrund der Angaben in seiner USt-Voranmeldung für den Monat Juli eine Vorauszahlung i.H.v. 20 000 € an das FA zu entrichten. In der Bemessungsgrundlage für die USt ist auch ein Betrag i.H.v. 100 000 € enthalten, der zivilrechtlich zzgl. 19 000 € USt an den Abtretungsempfänger A, der Unternehmer i.S.d. § 2 UStG ist, abgetreten worden ist. U entrichtet bei Fälligkeit nur einen Betrag i.H.v. 5 000 € an das FA. Das FA stellt fest, dass A am 20.8. aus der abgetretenen Forderung einen Teilbetrag i.H.v. 59 500 € erhalten hat.
Lösung 3:
Der Haftungstatbestand ist frühestens zum 20.8. erfüllt. Der Haftungsbetrag ist der Höhe nach auf 15 000 € (20 000 € ./. 5 000 €) begrenzt. Wegen der nur teilweisen Vereinnahmung der Forderung ist A nur in Höhe von 9 500 € (in dem vereinnahmten Betrag enthaltene Steuer) in Anspruch zu nehmen.
Der Abtretungsempfänger kann sich der Haftungsinanspruchnahme entziehen, wenn er als Dritter Zahlungen i.S.v. § 48 AO zugunsten des leistenden Unternehmers bewirkt. Nach § 48 Abs. 2 AO kann sich ein Dritter (hier der Abtretungsempfänger) vertraglich verpflichten, für Leistungen aus dem Steuerschuldverhältnis einzustehen. Insoweit kann er nicht mehr für die in der abgetretenen Forderung enthaltene Umsatzsteuer in Anspruch genommen werden (Abschn. 13c.1 Abs. 42 UStAE).
Nach § 13c Abs. 3 UStG gilt die Haftung bei Verpfändung oder Pfändung von Forderungen entsprechend.
Pfefferle u.a., Haftungsrisiko bei Kettenabtretung, NWB 2014, 92; Grebe, Factoring im Umsatzsteuerrecht – Teil I, UStB 6/2016, 190, Teil II, UStB 7/2016, 220; Teufel, Zahlungsgestört oder nicht: keine Einziehungsleistung beim echten Factoring, UR 11/2016, 413; Hahne, Volle Umsatzsteuer-Haftung gem. § 13c UStG auch beim »echten« Factoring? – Eine kritische Analyse des BFH-Urteils XI R 28/13 vom 16.12.2015 –, UR 23/2016, 897; Nacke, Zu den Haftungstatbeständen der §§ 13c und 25d UStG, UR 21-22/2017, 830.
→ Haftung
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