Pflegekind

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Pflegekinder werden dann vom Einkommenssteuergesetz (EStG) berücksichtigt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Haushaltsaufnahme, familienähnliches Band auf längere Dauer, Kein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern, keine Haushaltsaufnahme zu Erwerbszwecken
  • Haushaltsaufnahme bedeutet, dass Pflegekind und Pflegeperson in einer gemeinsamen Familienwohnung leben müssen
  • Ein familienähnliches Band ist dann anzunehmen, wenn zwischen Pflegeperson und Pflegekind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis besteht
  • In der Regel ist ein fehlendes Obhuts- und Pflegeverhältnis dann gegeben, wenn Eltern eines noch nicht schulpflichtigen Kindes mindestens ein Jahr ihre Fürsorge, Betreuung und Erziehung nicht wahrnehmen und das Kind weniger als einmal monatlich besuchen. Für ein schulpflichtiges Kind gilt, dass das Obhuts- und Pflegeverhältnis dann nicht mehr gegeben ist, wenn die Eltern sich zwei Jahre nicht um das Kind kümmern.

Inhaltsverzeichnis

1 Voraussetzungen für ein Pflegekindschaftsverhältnis
2 Die Haushaltsaufnahme
3 Die familienähnliche Beziehung
4 Fehlendes Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern
5 Berücksichtigung des Pflegegeldes
6 Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen i.S.d. § 33 EStG bei den Pflegeeltern
7 Literaturhinweise
8 Verwandte Lexikonartikel

1. Voraussetzungen für ein Pflegekindschaftsverhältnis

Die Berücksichtigung von Pflegekindern ist nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG an die folgenden vier Voraussetzungen geknüpft (A 11 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598).

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  • Haushaltsaufnahme,

  • familienähnliches Band auf längere Dauer,

  • kein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern,

  • keine Haushaltsaufnahme zu Erwerbszwecken.

Maßgebend sind danach grundsätzlich die tatsächlichen Umstände im Einzelfall. Die einzelnen Merkmale sind dabei im Zusammenhang zu würdigen, wobei die einzelnen Merkmale in unterschiedlichem Maß erfüllt sein können.

2. Die Haushaltsaufnahme

Unter Haushaltsaufnahme ist das örtlich gebundene Zusammenleben von Pflegekind und Pflegeperson in einer gemeinsamen Familienwohnung zu verstehen (A 9 Abs. 1 DA-KG 2020, BZSt vom 28.8.2020, BStBl I 2020, 702). Das Pflegekind muss in diesem Haushalt seine persönliche Versorgung und Betreuung finden und sich hier grds. nicht nur zeitweise, sondern durchgängig aufhalten. Eine Haushaltsaufnahme ist dann gegeben, wenn das Pflegekind in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist. Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen Voraussetzungen materieller (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein (BFH vom 20.6.2001, VI R 224/98, BStBl II 2001, 713).

Bei einem Kind, das in einem eigenen Haushalt lebt, liegen die Voraussetzungen zur Berücksichtigung als Pflegekind nicht (mehr) vor (Urteil FG Köln vom 25.11.2015, 14 K 1304/15, LEXinform 5018693). Ein Kind, das sich wechselweise bei der Pflegeperson und bei seinen Eltern aufhält, ist nicht in den Haushalt der Pflegeperson aufgenommen (A 11.2 Satz 1 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598). Eine Haushaltsaufnahme liegt jedoch auch noch vor, wenn eine auswärtige Unterbringung des Kindes nur von vorübergehender Dauer ist (z.B. zur Schul- oder Berufsausbildung). Voraussetzung für das Weiterbestehen der Aufnahme in den Haushalt ist jedoch, dass das Kind im Rahmen der Möglichkeiten regelmäßig in den Haushalt der Pflegeperson zurückkehrt.

Bei behinderten Pflegekindern wird die Haushaltsaufnahme durch eine vollstationäre Heimunterbringung nicht beendet (A 11.2 Satz 3 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598).

3. Die familienähnliche Beziehung

Ein familienähnliches Band wird allgemein dann angenommen, wenn zwischen der Pflegeperson und dem Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichem Kind besteht. Es kommt nicht darauf an, ob die Pflegeeltern die Personensorge innehaben (A 11.3 Abs. 1 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598).

Die erforderliche familienähnliche Beziehung zwischen Kind und Pflegeperson muss von vornherein auf eine längere Zeit angelegt sein, z.B. im Rahmen von Erziehungshilfe in Vollzeitpflege (§§ 27, 33 SGB VIII) oder von Eingliederungshilfe (§ 35a Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB VIII). Entscheidend ist dabei nicht die tatsächliche Dauer der familienähnlichen Beziehung, sondern die am Anfang beabsichtigte Dauer. Bei einer von den Beteiligten von vornherein beabsichtigten Dauer von mindestens zwei Jahren kann im Regelfall von einem Pflegekindschaftsverhältnis ausgegangen werden (A 11.3 Abs. 2 Satz 3 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598).

Hinweis:

Zur Vollzeitpflege i.S.d. § 33 SGB VIII s. die Erläuterungen im BMF-Schreiben vom 22.10.2018 (BStBl I 2018, 1109 unter A) sowie → Pflegegeld für Kinder in Familienpflege.

Die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII dient dazu, einem Kind zeitlich befristet oder dauerhaft im Haushalt der Pflegeeltern ein neues Zuhause zu bieten. Zwischen Pflegeeltern und Kind soll ein dem Eltern-Kind-Verhältnis ähnliches Band entstehen.

Formen der Vollzeitpflege sind

  • die Dauerpflege,

  • die Kurzzeitpflege,

  • die Bereitschaftspflege,

  • die Wochenpflege,

  • die Sonderpflege sowie

  • die Familienpflege für besonders beeinträchtigte Kinder und Jugendliche.

Ein Kind, das für eine Kurzzeitpflege in den Haushalt von Pflegeeltern eingewiesen wird, begründet dort kein Pflegekindschaftsverhältnis. Dies gilt auch dann, wenn das Kind in Vorjahren bereits in den Haushalt der Pflegeeltern eingewiesen war oder die Einweisung eine längere Zeit andauert, etwa aufgrund tatsächlicher Probleme bei der Umsetzung einer Jugendhilfemaßnahme auf Seiten der Stadt (Urteil FG Köln vom 20.2.2017, 5 K 2087/16, LEXinform 5020008).

Kinder, die mit dem Ziel der Annahme (Adoption) vom Anspruchsberechtigten in Pflege genommen werden (§ 1744 BGB), sind regelmäßig Pflegekinder (R 32.2 Abs. 1 EStR und A 11.3 Abs. 2 Satz 4 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598). Bei Übernahme der Pflege aus Erwerbsgründen ist das familienähnliche Band zu verneinen, Kostkinder sind daher keine Pflegekinder (BFH Urteil vom 12.6.1991, III R 106/89, BStBl II 1992, 20; BFH Urteil vom 23.9.1998, XI R 11/98, BStBl II 1999, 133; FG Schleswig-Holstein Urteil vom 27.4.1994, II 364/93, EFG 1994, 752).

Hat die Pflegeperson mehr als sechs Kinder in ihren Haushalt aufgenommen, so ist zu vermuten, dass es sich um Kostkinder handelt. (A 11.3 Abs. 6 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598).

Ein Altersunterschied wie zwischen Eltern und Kindern braucht nicht unbedingt zu bestehen. D.h. in besonders gelagerten Fällen ist auch bei einem geringen Altersunterschied ein Pflegekindschaftsverhältnis möglich (R 32.2 Abs. 3 EStR, A 11.3 Abs. 5 DA-KG 2020, BZSt vom 28.8.2020, BStBl I 2020, 702; BFH Urteil vom 5.8.1977, VI R 187/74, BStBl II 1977, 832). Ein Pflegekindschaftsverhältnis kann auch zwischen Geschwistern vorliegen. Entscheidend ist im Einzelfall nicht der Altersunterschied, sondern die Tatsache, dass die in Pflege aufgenommene Person geistig schwer behindert ist und aus diesem Grund eine der Eltern-Kind-Beziehung ähnliche Beziehung besteht. Ein Pflegekindschaftsverhältnis zu einem geistig oder seelisch schwer Behinderten kann nicht nur zwischen Familienangehörigen begründet werden (FG Niedersachsen Urteil vom 24.10.2001, 4 K 139/97 Ki. rkr., EFG 2002, 772).

Das Entstehen eines familienähnlichen Bandes ist i.d.R. zu verneinen, wenn die aufgenommene Person volljährig ist (A 11.3 Abs. 3 Satz 1 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598). Ein familienähnliches Band kann somit auch noch kurz vor der Volljährigkeit begründet werden, wenn zwischen der Pflegeperson und dem Kind ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und leiblichem Kind besteht. Voraussetzung ist, dass die Aufnahme in die Pflegefamilie vor Eintritt der Volljährigkeit erfolgt und von Beginn an für mindestens zwei Jahre beabsichtigt ist (A 11.3 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 DA-KG 2020, BZSt vom 28.8.2020, BStBl I 2020, 702). Endet die Pflegeerlaubnis nur deshalb, weil das Pflegekind eine bestimmte Altersgrenze erreicht (z.B. Vollendung des 18. Lebensjahres), ist dies allein kein Grund anzunehmen, dass ein familienähnliches, auf längere Dauer angelegtes Band zwischen Pflegeperson und Kind nicht mehr vorliegt.

Nach dem BFH-Urteil vom 21.4.2005 (III R 53/02, BFH/NV 2005, 1547) kann ein Pflegekindschaftsverhältnis zu einem bereits volljährigen Kind nur unter besonderen Umständen angenommen werden. So ist im Allgemeinen ein Pflegekindschaftsverhältnis zu verneinen, wenn das zu betreuende Geschwister erst im Erwachsenenalter pflegebedürftig geworden ist (R 32.2 Abs. 3 EStR, A 11.3 Abs. 5 Satz 4 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598). Im Ausnahmefall hat das Niedersächsische FG auch bei einem Volljährigen die Pflegekind-Eigenschaft bejaht, wenn dieser auf die menschliche und wirtschaftliche Hilfe der Pflegeeltern längere Zeit angewiesen ist (FG Niedersachsen Urteil vom 2.5.2000, 7 K 410/97 Ki. rkr., EFG 2000, 1195). Ein 17-jähriger Jugendlicher, der zur Resozialisierung auf beabsichtigte Dauer in den Haushalt aufgenommen wird, kann als Pflegekind berücksichtigt werden (FG Münster rkr. Urteil vom 30.7.1998, 3 K 7530/97 Kg, EFG 1999, 74).

Mit Urteil vom 9.2.2012 (III R 15/09, BStBl II 2012, 739) hat der BFH die Voraussetzungen präzisiert, unter denen eine nach Eintritt der Volljährigkeit in den Haushalt aufgenommene geistig behinderte Person als Pflegekind angesehen werden kann, mit der Folge, dass für sie ein Anspruch auf Kindergeld besteht.

Nach der gesetzlichen Definition sind Pflegekinder Personen, mit denen der Stpfl. u.a. durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist. Das FG hatte diese Voraussetzung im Streitfall bejaht und insbesondere ausgeführt, es sei nicht erforderlich, dass die betreute Person behinderungsbedingt in ihrer geistigen Entwicklung einem Kind gleichstehe. Es genüge vielmehr, dass sie nicht selbstständig leben könne und ohne die Aufnahme in die Familienpflege in einem Heim untergebracht werden müsse.

Dieser Ansicht ist der BFH nicht gefolgt. Die betreute Person muss, um Pflegekind sein zu können, wie zur Familie gehörend angesehen und behandelt werden. Dies setzt ein Aufsichts-, Betreuungs- und Erziehungsverhältnis wie zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern voraus. Da die körperliche Versorgung und die Erziehung bei einem nicht behinderten Volljährigen in der Regel keine entscheidende Rolle mehr spielt, kann ein behinderter Volljähriger nur dann Pflegekind sein, wenn die Behinderung so schwer ist, dass der geistige Zustand des Behinderten dem typischen Entwicklungsstand einer minderjährigen Person entspricht. Aus weiteren Umständen wie der Einbindung in die familiäre Lebensgestaltung, dem Bestehen erzieherischer Einwirkungsmöglichkeiten und einer über längere Zeit bestehenden und auf längere Zeit angelegten ideellen Beziehung muss auf eine Bindung wie zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern geschlossen werden können (s.a. Pressemitteilung Nr. 29/12 vom 2.5.2012, LEXinform 0437864; Selder, NWB 26/2012, 2136; A 11.3 Abs. 3 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598).

4. Fehlendes Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern

Voraussetzung für ein Pflegekindschaftsverhältnis ist, dass das Obhut-, Pflege- und Fürsorgeverhältnis (dazu gehört auch, die für das Kind bedeutsamen Entscheidungen zu treffen) zu den leiblichen Eltern nicht mehr besteht (A 11.4 Abs. 1 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598). Dies erfordert das Erlöschen der familiären Bindungen auf Dauer, wenn sich die Eltern also um ihr Kind nicht mehr kümmern. Gelegentliche Besuche der leiblichen Eltern beim Kind im Haushalt der Pflegeperson ist unschädlich für das Pflegekindschaftsverhältnis (R 32.2 Abs. 2 Satz 2 EStR, A 11.4 Abs. 2 Satz 7 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598). Im Regelfall kann angenommen werden, dass das Obhut- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern nicht mehr besteht, wenn die Eltern eines noch nicht schulpflichtigen Kindes mindestens ein Jahr ihre Fürsorge, Erziehung und Betreuung dem Kind gegenüber nicht wahrnehmen und das Kind weniger als einmal monatlich besuchen (BFH Urteil vom 20.1.1995, III R 14/94, BStBl II 1995, 582). Zu einem schulpflichtigen Kind ist das Obhut- und Pflegeverhältnis der leiblichen Eltern erloschen, wenn diese sich zwei Jahre nicht um das Kind »kümmern« (BFH Urteil vom 7.9.1995, III R 95/93, BStBl II 1996, 63). Lebt die Pflegeperson mit einem Elternteil des Kindes in häuslicher Gemeinschaft, besteht das Obhut- und Pflegeverhältnis weiter, ein Pflegekindschaftsverhältnis wird nicht begründet. Von einem Fortbestehen des Obhutsverhältnisses ist auch noch auszugehen, wenn die allein erziehende Mutter des Kindes sich aufgrund der Abwesenheit zum Studium vorübergehend nicht um ihr Kind kümmern kann (BFH Urteil vom 12.6.1991, III R 108/89, BStBl II 1992, 20).

Ein Pflegekindschaftsverhältnis zu einem fast Volljährigen wird trotz dessen Aufnahme in den eigenen Haushalt nicht begründet, wenn das Obhuts– und Pflegeverhältnis zu seinen leiblichen Eltern noch fortbesteht.

Welche Kontakte zur Wahrung des Obhuts- und Pflegeverhältnisses zwischen den leiblichen Eltern und dem Kind geeignet sind, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Je jünger das Kind ist, desto wichtiger ist die persönliche Anwesenheit der leiblichen Eltern. Bei einem finanziell unabhängigen fast Volljährigen führt die vorübergehende räumliche Trennung allein nicht zur Auflösung des Obhuts- und Pflegeverhältnisses zu seinen leiblichen Eltern. Vielmehr entsprechen gelegentliche Treffen und die Übergabe kleinerer Geldbeträge nach der Lebenserfahrung den Kontakten, die – wegen eines Generationenkonflikts vorübergehend räumlich getrennt lebende – heranwachsende Auszubildende mit ihren Eltern haben (BFH Urteil vom 20.7.2006, III R 44/05, BFH/NV 2007, 17, LEXinform 5902845).

Das Fortbestehen des Kontakts zu einem leiblichen Elternteil steht der Begründung eines Pflegekindschaftsverhältnisses mit dem Bruder entgegen. Allein mit der Übernahme der Versorgung und Betreuung des Behinderten durch seinen Bruder entsteht kein Pflegekindschaftsverhältnis. Derjenige, der das volljährige behinderte Kind betreut und ihm Unterhalt gewährt, kann Kindergeld erhalten, sofern der Kindergeldberechtigte seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt. In diesem Fall kann die Familienkasse das für den Kindergeldberechtigten festgesetzte Kindergeld an den tatsächlich Unterhalt Leistenden auszahlen (§ 74 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG; BFH Beschluss vom 31.8.2006, III B 46/06, BFH/NV 2007, 25, LEXinform 5902857).

Bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen kann das fehlende Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern unterstellt werden. Als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling gilt ein minderjähriges Kind, das ohne Begleitung eines nach dem Gesetz oder der Praxis des betreffenden Staates für das Kind verantwortlichen Erwachsenen geflüchtet ist (A 11.4 Abs. 3 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598).

Hinweis:

Durch das Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher vom 28.10.2015 (BGBl I 2015, 1802) wurde mit Wirkung vom 1.11.2015 der Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII die vorläufige Inobhutnahme von ausländischen Kindern und Jugendlichen nach unbegleiteter Einreise nach § 42a SGB VIII vorgeschaltet.

5. Berücksichtigung des Pflegegeldes

Der BFH hat mit Urteil vom 2.4.2009 (III R 92/06, BStBl II 2010, 345) zur Unterscheidung der Pflegebeträge des § 33 SGB VIII von denen des § 34 SGB VIII sowie zum Kindergeldanspruch für ein Pflegekind bei Aufnahme des Kindes in den Haushalt der Pflegeperson zu Erwerbszwecken Stellung genommen. Leistet ein als Betreiber einer sonstigen betreuten Wohnform nach § 34 SGB VIII anerkannter Trägerverein einer Pflegeperson Zahlungen für die Erziehung und Unterbringung eines fremden Kindes, so scheidet die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses aus, weil das Kind zu Erwerbszwecken in den Haushalt der Pflegeperson aufgenommen worden ist (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG; A 11.3 Abs. 6 DA-KG 2021 vom 17.9.2021, St II 2 – S 2280-DA/20/00001, BStBl I 2021, 1598; s.a. → Pflegegeld für Kinder in Familienpflege unter den Gliederungspunkten »Definition der Vollzeitpflege i.S.d. § 33 SGB VIII« sowie »Unterscheidung der Vollzeitpflege des § 33 SGB VIII von der Vollzeitpflege des § 34 SGB VIII«).

6. Berücksichtigung außergewöhnlicher Belastungen i.S.d. § 33 EStG bei den Pflegeeltern

Mit Urteil vom 27.1.2017 (4 K 3471/15, EFG 2017, 576, LEXinform 5019869, rkr.) hat das FG Münster entschieden, dass Kosten für die Teilnahme an medizinischen Seminaren zum Umgang mit frühtraumatisierten Kindern bei den Pflegeeltern als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind.

Die Kläger haben zwei Pflegekinder in Vollzeitpflege bei sich aufgenommen, von denen eines aufgrund einer Frühtraumatisierung an einer Aufmerksamkeits- und Bindungsstörung leidet. Die Klägerin nahm an von einer Ärztin entwickelten und durchgeführten Seminaren für Eltern frühtraumatisierter Kinder teil. Die Kosten hierfür, die die Krankenversicherung nicht übernommen hatte, machten die Kläger als außergewöhnliche Belastungen geltend. Das FA lehnte dies ab, weil die Kosten nicht unmittelbar zur Heilung einer Krankheit entstanden seien und es auch am formellen Nachweis der Zwangsläufigkeit fehle.

Das Gericht gab der Klage vollumfänglich statt. Die Kosten für die Seminare seien als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig. Die Teilnahme der Klägerin an diesen Seminaren sei durch die Krankheit des Pflegekindes veranlasst gewesen. Die Einbeziehung Angehöriger könne auch zur Behandlung einer Krankheit erforderlich sein. Hierfür sprächen im Streitfall mehrere ärztliche Bescheinigungen, in denen psychologische Familienberatungen durch die Pflegeeltern als medizinisch notwendig angesehen würden. Dass die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht den formellen Anforderungen des § 64 EStDV genügten, sei unerheblich, da es sich nicht um eine psychotherapeutische Behandlung, sondern um die Schulung einer nicht erkrankten Kontaktperson handele. Die Kläger seien zur Tragung der durch die Krankheit ihres Pflegekindes entstandenen Aufwendungen auch sittlich verpflichtet, weil zwischen ihnen ein auf Dauer angelegtes enges familiäres Band bestehe (Mitteilung FG Münster vom 15.3.2017, LEXinform 0446094).

7. Literaturhinweise

Selder, Neue Rechtsprechung zu Pflegekindschaftsverhältnissen mit Volljährigen, NWB 2012, 2136.

8. Verwandte Lexikonartikel

Kinder

Kinderbetreuungskosten

Kinderfreibetrag

Pflegegeld für Kinder in Familienpflege

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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