Kinder

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Sinne der Einkommensteuer werden Kinder, die im ersten Grad mit dem Steuerpflichtigen verwandt sind sowie Pflegekinder berücksichtigt.
  • Hinsichtlich des Kindergeldes werden ebenfalls Kinder, die im ersten Grad mit dem Berechtigten verwandt sind, berücksichtigt sowie vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel oder Kinder des Ehegatten.
  • Kindergeld sowie der Kinderfreibetrag sind staatliche Unterstützungen. Dabei gilt: Es kann entweder Kindergeld oder der Kinderfreibetrag in Anspruch genommen werden.
  • Ausbildungsfreibetrag, Entlastungsfreibetrag für Alleinerziehende und Kinderbetreuungskosten können die Steuern senken.

Inhaltsverzeichnis

1 Kinder i.S.d. Einkommensteuer
2 Berücksichtigung von Kindern
2.1 Minderjährige Kinder
2.2 Volljährige Kinder
2.2.1 Arbeitslose Kinder
2.2.2 Kinder in Berufsausbildung
2.2.2.1 Begriff »für einen Beruf ausgebildet werden«
2.2.2.2 Ernsthaftigkeit der Berufsausbildung
2.2.2.3 Beginn, Ende, Unterbrechung der Berufsausbildung
2.2.3 Übergangszeit i.S.d. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b EStG
2.2.4 Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. c EStG
2.2.4.1 Allgemeines
2.2.5 Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. d EStG
3 Berücksichtigung volljähriger Kinder nach der Neuregelung durch das Steuervereinfachungsgesetz (ab 1.1.2012 gültig)
3.1 Berücksichtigung volljähriger Kinder (§ 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG)
3.2 »Für einen Beruf ausgebildet werden« i.S.v. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG vs. »erstmalige Berufsausbildung«/»Erststudium« i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG
3.2.1 »Für einen Beruf ausgebildet werden« gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG
3.2.2 »Erstmalige Berufsausbildung/Erststudium«
3.3 Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums
3.4 Prüfschema
3.5 Beispiele
4 Berücksichtigung behinderter Kinder
4.1 Allgemeines, Nachweise, Ursächlichkeit der Behinderung
4.2 Außerstande sein, sich selbst zu unterhalten
4.3 Verfügbares Nettoeinkommen
5 Kinder während des gesetzlichen Grundwehrdienstes bzw. Zivildienstes
6 Verlängerung der Berücksichtigung als Kind
7 Kinder bei der Erbschaftsteuer
8 Literaturhinweise
9 Verwandte Lexikonartikel

1. Kinder i.S.d. Einkommensteuer

Die Berücksichtigung von Kindern in der ESt regelt § 32 Abs. 1 bis 5 EStG. Kinder sind gem. § 32 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG:

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  • im ersten Grad mit dem Stpfl. verwandte Kinder,

  • Pflegekinder (→ Pflegekind).

Ein Pflegekindschaftsverhältnis (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG) setzt voraus, dass das Kind im Haushalt der Pflegeeltern sein Zuhause hat und diese zu dem Kind in einer familienähnlichen, auf längere Dauer angelegten Beziehung wie zu einem eigenen Kind stehen, z.B., wenn der Stpfl. ein Kind im Rahmen von Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege (§§ 27, 33 SGB VIII) oder im Rahmen von Eingliederungshilfe (§ 35a Abs. 2 Nr. 3 SGB VIII) in seinen Haushalt aufnimmt, sofern das Pflegeverhältnis auf Dauer angelegt ist. Ein Kind, das sich wechselweise bei der Pflegeperson und bei seinen Eltern aufhält, ist nicht in den Haushalt der Pflegeperson aufgenommen; vgl. BFH vom 22.12.2011, III R 70/09. Ein zum Bezug von Kindergeld berechtigendes Pflegekindschaftsverhältnis i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG setzt voraus, dass der Kindergeldberechtigte das Pflegekind in seinen Haushalt aufgenommen hat, vgl. BFH Urteil vom 12.10.2016, XI R 1/16.

Die für die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses i.S.v. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG erforderliche Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige mit der Person »durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist«, lässt sich bei einer bereits volljährigen Person nur unter engen Voraussetzungen und bei Vorliegen besonderer Umstände begründen. Eine umfangreiche Überwachung, Anweisung und Unterstützung einer geistig behinderten oder seelisch kranken Person reichen allein nicht aus, um ein familienähnliches Band zu begründen; vgl. BFH vom 17.3.2020, III R 9/19.

Hinsichtlich des Kindergeldes gilt § 63 EStG. Als Kinder werden berücksichtigt:

  • Kinder i.S.d. § 32 Abs. 1,

  • vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Kinder seines Ehegatten,

  • vom Berechtigten in seinen Haushalt aufgenommene Enkel.

Das Bundeszentralamt für Steuern überarbeitet jährlich seine Dienstanweisung zum Kindergeld (DA-KG). Zuletzt fand eine Überarbeitung mit Schreiben vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010 mit Gültigkeit für das Jahr 2022 statt.

2. Berücksichtigung von Kindern

2.1. Minderjährige Kinder

Ein Kind wird in jedem Kalendermonat, in dem es lebend geboren wird, und in jedem folgenden Kalendermonat, zu dessen Beginn es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, berücksichtigt (§ 32 Abs. 3 EStG; R 32.3 EStR). Für die Frage, ob ein Kind lebend geboren wurde, ist im Zweifel das Personenstandsregister des Standesamtes maßgebend.

Beispiel 1:

Kind A ist am 1.4.1995 geboren, Kind B am 2.4.1995. Beide stehen zum Zeitpunkt der Vollendung ihres 18. Lebensjahrs im Kalenderjahr 2013 in einem Arbeitsverhältnis (nicht: Ausbildung).

Lösung 1:

Sowohl A als auch B sind erstmalig im Monat April 1995 als Kinder zu berücksichtigen, da sie in diesem Monat lebend geboren wurden. A ist im Kalenderjahr 2013 vorerst letztmalig im Monat März zu berücksichtigen, da es mit Ablauf des 31.3.2013 sein 18. Lebensjahr vollendet. B ist hingegen auch noch im April 2013 zu berücksichtigen, da es sein 18. Lebensjahr erst mit Ablauf des 1.4.2013 vollendet. Dies stellt schon für den Regelfall eine Benachteiligung im Fall des A dar. Steck (Verfassungswidrigkeit der Kinder(nicht-)berücksichtigung am 1. eines Monats Geborener, NWB 2013, 2639) kritisiert die Benachteiligung der Eltern von Kindern, die am 1. eines Monats geboren wurden. Diese Eltern werden regelmäßig am Ende des Berücksichtigungszeitraums beim Kindergeld wie auch bei den steuerlichen Freibeträgen benachteiligt. Für die Berechnung des zugrunde zu legenden Alters eines Kindes sind gem. § 108 Abs. 1 AO die §§ 187, 188 BGB maßgeblich. Nach § 187 Abs. 2 Satz 2 BGB wird der Tag der Geburt bei der Berechnung des Lebensalters bereits voll mitgerechnet. Daher richtet sich das Ende der »Frist« nach § 188 Abs. 2 BGB: Die »Frist« (hierher übertragen: das jeweilige Lebensjahr) endet mit dem Ablauf desjenigen Tags, der seiner Benennung nach dem Tag der Geburt vorangeht. Diese Regelungen führen schon im Regelfall dazu, dass ein am 1. eines Monats geborenes Kind einen Monat weniger bei den Eltern berücksichtigt wird als alle anderen Kinder. Unter Berufung auf den Gleichheitssatz aus Art. 3 des GG rät Steck dazu, Einspruch gegen eine ablehnende Entscheidung der Familienkasse einzulegen.

2.2. Volljährige Kinder

2.2.1. Arbeitslose Kinder

Ein noch nicht 21 Jahre altes Kind kann nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG berücksichtigt werden, wenn es nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland arbeitsuchend gemeldet ist. Eine geringfügige Beschäftigung (→ Geringfügig Beschäftigte) i.S.v. § 8 SGB IV und Maßnahmen nach § 16d SGB II, bei denen kein Arbeitsentgelt, sondern neben dem Alg II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen des Leistungsempfängers gewährt wird, stehen der Berücksichtigung nicht entgegen (DA A 14 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010. Der Nachweis, dass ein Kind bei einer Agentur für Arbeit im Inland arbeitsuchend gemeldet ist, hat über eine Bescheinigung der zuständigen Agentur für Arbeit oder des Jobcenters im Inland zu erfolgen. Hierfür steht der Vordruck »Bescheinigung über ein Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz« zur Verfügung. Es sind diesbezüglich keine weiteren Prüfungen durch die Familienkasse erforderlich. Ein Kind, das in einem anderen EU- bzw. EWR-Staat oder in der Schweiz bei der staatlichen Arbeitsvermittlung arbeitsuchend gemeldet ist, kann ebenfalls berücksichtigt werden.

Einer Berücksichtigung stehen u.a. nicht entgegen:

  • eine geringfügige Beschäftigung i.S.v. § 8 SGB IV bzw. § 8a SGB IV,

  • eine selbstständige oder gewerbliche Tätigkeit von insgesamt weniger als 15 Stunden wöchentlich; vgl. BFH vom 18.12.2014, BStBl II 2015, 653.

Der Registrierung bei der Arbeitsagentur kommt somit keine Tatbestandswirkung zu; im Regelfall ist allein entscheidend, ob sich das Kind tatsächlich bei der Arbeitsagentur oder einer nach dem SGB II für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Stelle, beispielsweise eine ARGE gemeldet hat (BFH Urteil vom 7.4.2011, III R 24/08, BStBl II 2012, 210). Deshalb kann in der Beantragung von Leistungen nach dem SGB II gleichzeitig eine Meldung des Kindes als arbeitsuchend i.S.d. § 122 SGB III gesehen werden. Bezieht ein Kind Leistungen nach dem SGB II, kann deshalb regelmäßig davon ausgegangen werden, dass es erwerbsfähig und auf Arbeitsuche ist (BFH Urteil vom 26.7.2012, VI R 98/10). Im Urteilsfall des FG Sachsen (Urteil vom 18.10.2013, 8 K 1032/11 (Kg)) war streitig, ob eine sog. Arbeitsgelegenheit (Entgeltvariante mit einer Wochenarbeitszeit von 30 Stunden) ein Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG darstellt. Das FG entschied, dass die im Rahmen einer »Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung« bzw. eines »1 Euro-Jobs« verrichteten Arbeiten gem. § 16d Abs. 7 Satz 2 SGB II kein Arbeitsverhältnis i.S.d. Arbeitsrechts und kein Beschäftigungsverhältnis i.S.d. SGB IV begründen. Damit steht der 1 Euro-Job eines arbeitslosen Kindes dem Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht entgegen. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit von weniger als 15 Stunden wöchentlich schließt die Beschäftigungslosigkeit gem. § 138 Abs. 3 SGB III nicht aus und erhält den Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG (vgl. Sächsisches FG vom 31.7.2013, 8 K 930/08). Die 30 Wochenstunden umfassende – mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung – sozialversicherungspflichtige Beschäftigung i.R.d. § 16e SGB II ist hingegen als den Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG ausschließende Beschäftigung zu beurteilen. Auch wenn das 30 Wochenstunden umfassende Beschäftigungsverhältnis nach § 16e SGB II darauf angelegt ist, dass das Kind allgemeine handwerkliche Erfahrungen sammelt und die soziale Kompetenz des Kindes und sein Verantwortungsbewusstsein für sich selbst zu stärken, liegt in Ermangelung der erforderlichen Berufszielorientierung keine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG vor.

Ebenso schließt die selbstständige Betätigung eines Kindes – hier: als Kosmetikerin – seine Beschäftigungslosigkeit i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG aus, wenn sie nicht nur gelegentlich mindestens 15 Stunden wöchentlich umfasst. Dies gilt auch dann, wenn die aus der Tätigkeit erzielten Einkünfte die Grenze für sog. geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (§ 8 SGB IV) nicht übersteigen; vgl. BFH Urteil vom 18.12.2014, III R 9/14, BStBl II 2015, 653.

Eine Berücksichtigung ist auch möglich, wenn das Kind wegen Erkrankung oder eines Beschäftigungsverbotes nach §§ 3, 6 MuSchG nicht bei einer Agentur für Arbeit im Inland arbeitsuchend gemeldet ist. Ist das Kind jedoch wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit nicht arbeitsuchend gemeldet, besteht während dieser Zeit kein Anspruch auf Kindergeld für dieses Kind. Eine Berücksichtigung während einer Erkrankung setzt voraus, dass diese durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen wird. Entscheidet das Kind, sich zugunsten der Betreuung des eigenen Kindes vorerst nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, ist es auch bei ungekürztem Bezug von Arbeitslosengeld II nicht zu berücksichtigen (vgl. BFH Urteil vom 27.12.2011, III B 187/10). Die Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG gilt auch, sofern das Kind nach dem Ende des Beschäftigungsverbots nach §§ 3, 4, 6 MuSchG die Meldung als Arbeitsuchender im Inland nicht erneut vornimmt (BFH Urteil vom 13.6.2013, BStBl II 2014, 834). Befindet sich das Kind jedoch in Elternzeit nach dem BEEG, wird es nur berücksichtigt, wenn es arbeitsuchend gemeldet ist.

Auch ein infolge Verletzung arbeitsunfähiges, beschäftigungsloses Kind ist vor Vollendung des 21. Lebensjahres im Rahmen von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG kindergeldrechtlich nur zu berücksichtigen, wenn es als Arbeitsuchender gemeldet ist. Der Eigenschaft als Arbeitsuchender steht nicht entgegen, dass die Leistungsfähigkeit des Suchenden wegen Krankheit vorübergehend, d.h. bis zu drei Monaten, aufgehoben ist. Dies gilt bei entsprechender ärztlicher Prognose auch, wenn die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich zehn Monate andauert; vgl. FG Düsseldorf vom 6.11.2014, 14 K 1085/13. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 7.7.2016, III R 19/15, BStBl II 2017, 124 wie folgt: Für die Berücksichtigung eines volljährigen, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehenden Kindes beim Kindergeld ist es erforderlich, dass sich das Kind tatsächlich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender gemeldet und die Tatsache seiner künftigen oder gegenwärtigen Arbeitslosigkeit angezeigt hat. Die Meldung als Arbeitsuchender ist nicht allein deshalb entbehrlich, weil das volljährige, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehende Kind arbeitsunfähig erkrankt ist; dies gilt jedenfalls dann, wenn das Kind tatsächlich nicht daran gehindert ist, sich bei der Agentur für Arbeit als Arbeitsuchender zu melden.

Entscheidet ein Kind, sich zugunsten der Betreuung des eigenen, unter drei Jahre alten Kindes vorerst nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen, ist es – selbst bei ungekürztem Bezug von ALG II – nicht nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG als Kind zu berücksichtigen. Voraussetzung für eine Berücksichtigung als Kind gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ist ein objektiver Mangel an Ausbildungsplätzen. Eine durch einen Mangel an Betreuungsplätzen erzwungene Ausbildungsunterbrechung zur Eigenbetreuung des Kindeskindes reicht für eine Berücksichtigung nicht aus; vgl. FG Nürnberg Urteil vom 14.6.2018, 4 K 435/17.

2.2.2. Kinder in Berufsausbildung

2.2.2.1. Begriff »für einen Beruf ausgebildet werden«

Die Dienstanweisung zum Kindergeld definiert den Begriff »für einen Beruf ausgebildet werden« wie folgt (vgl. DA A 15.1 vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010):

Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG besteht für ein noch nicht 25 Jahre altes Kind Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Das ist der Fall, wenn ein Kind ein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Die Ausbildungsmaßnahme muss konkret berufsbezogen sein; dies ist insbes. nicht der Fall, wenn die Vermittlung nur allgemein nützlicher Fertigkeiten oder allgemeiner Lebenserfahrung oder die Herausbildung sozialer Eigenschaften im Vordergrund steht. Das Berufsziel wird weitgehend von den Vorstellungen der Eltern und des Kindes bestimmt; diese haben bei der Ausgestaltung der Ausbildung einen weiten Entscheidungsspielraum. Das Berufsziel kann sich auf grundsätzlich jede Tätigkeit beziehen, die in der Zukunft zur Schaffung bzw. Erhaltung einer Erwerbsgrundlage nachhaltig gegen Entgelt ausgeübt werden kann. Für Ausbildungsmaßnahmen außerhalb geregelter Bildungsgänge sind vom Berechtigten die beruflichen Einsatzbereiche sowie die entsprechenden Anforderungen an Fertigkeiten und Kenntnisse darzulegen. Eine Bestimmung des Berufsziels liegt nicht vor, wenn lediglich eine allgemeine Tätigkeitsrichtung angegeben wird (z.B. »etwas Soziales«), aus der sich nicht ohne weitere Konkretisierung ein Angebot für den Arbeitsmarkt formulieren lässt. Dies schließt jedoch eine spätere Auswahl aus verschiedenen Ausprägungen desselben Tätigkeitsbildes (z.B. Bereiche der Kranken- und Altenpflege) oder eine Spezialisierung auf Einzelbereiche nicht aus.

Es sind auch der Vervollkommnung und Abrundung von Fähigkeiten und Kenntnissen dienende Maßnahmen einzubeziehen, die außerhalb eines geregelten Bildungsganges ergriffen werden und damit über das vorgeschriebene Maß hinausgehen. Es ist nicht erforderlich, dass die Ausbildungsmaßnahme einem im BBiG geregelten fest umrissenen Bildungsgang entspricht, sie in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist, auf ein deutsches Studium angerechnet wird oder dem Erwerb von Kenntnissen oder Fähigkeiten dient, die für den angestrebten Beruf zwingend notwendig sind. Die freie Selbstausbildung erfüllt – unabhängig vom Ausbildungsziel – nicht den Grundtatbestand nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; BFH Urteil vom 9.11.2012, II B 98/12. Zu berücksichtigen ist auch die Weiterbildung im erlernten und ausgeübten Beruf, wenn diese dazu dient, zu einer höheren beruflichen Qualifikation zu gelangen, sowie die Ausbildung für einen anderen Beruf.

Eine Berufsausbildung ist auch dann anzuerkennen, wenn der Schüler nicht in eine schulische Mindestorganisation eingebunden ist. Eine Mindeststundenanzahl für den Unterricht an einer schulischen Einrichtung ist bei Schulungsmaßnahmen im Inland nicht gefordert. In dem zu entscheidenden Sachverhalt studierte die Tochter Tierphysiotherapie, bei dem jeweils an einem Wochenende im Monat Präsenzschulungen stattfinden würden, während die übrige Zeit auf das Selbststudium zu verwenden sei. Die Schule habe bescheinigt, dass mindestens 24 Wochenstunden erforderlich seien, um das Studium erfolgreich abschließen zu können. An den Präsenzwochenenden würden vereinzelt Lernkontrollen stattfinden, in denen der Stoff der zum Selbststudium zur Verfügung gestellten Unterlagen abgefragt werde. Eine Benotung dieser Lernkontrollen fände nicht statt; vgl. Schleswig-Holsteinisches FG vom 18.1.2018, 3 K 154/16.

Insbes. gelten die folgenden Maßnahmen als berücksichtigungsfähig:

  • der Besuch einer allgemein- oder berufsbildenden Schule,

  • die Ausbildung in einem berufsbezogenen Ausbildungsverhältnis,

  • der Besuch einer Hochschule,

  • ein Praktikum.

Die ernsthafte Vorbereitung auf ein Abitur für Nichtschüler ist zumindest ab dem Monat der Anmeldung zur Prüfung als Berufsausbildung anzusehen; vgl. BFH Urteil vom 18.3.2009, III R 26/06.

Mit folgenden Urteilen hat der BFH zur Berücksichtigung von Kindern in der Berufsausbildung (§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG) Stellung genommen:

  • zur Au-pair-Tätigkeit:

    Der BFH nimmt im Urteil vom 15.3.2012 (III R 58/08, BStBl II 2012, 743) Stellung zur Anerkennung von Au-Pair-Aufenthalten im Ausland als Berufsausbildung: Demnach sind Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses grundsätzlich nur dann als Berufsausbildung anzusehen, wenn sie von einem durchschnittlich mindestens zehn Wochenstunden umfassenden theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden. Bei weniger als durchschnittlich zehn Wochenstunden können ausnahmsweise einzelne Monate als Berufsausbildung zu werten sein, wenn sie durch intensiven, die Grenze von zehn Wochenstunden deutlich überschreitenden Unterricht geprägt werden (z.B. Blockunterricht oder Lehrgänge). Darüber hinaus können Auslandsaufenthalte im Einzelfall als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Fremdsprachenunterricht zwar weniger als zehn Wochenstunden umfasst, aber einen über die übliche Vor- und Nachbereitung hinausgehenden zusätzlichen Zeitaufwand erfordert (z.B. fachlich orientierter Sprachunterricht, Vorträge des Kindes in der Fremdsprache). Auslandsaufenthalte, die von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorausgesetzt werden oder der Vorbereitung auf einen für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest dienen (z.B. TOEFL oder IELTS), können unabhängig vom Umfang des Fremdsprachenunterrichts als Berufsausbildung zu qualifizieren sein; der BFH bekräftigt seine langjährige Rspr., dass Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-Pair-Verhältnisses nur dann als Berufsausbildung angesehen werden, wenn sie von einem mindestens zehn Wochenstunden umfassenden Sprachunterricht begleitet werden. Die Frage, ob eine Wochenstunde 45 oder 60 Minuten umfasst und ob ggf. umzurechnen ist, bleibt offen. Offen bleibt auch, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Unterrichtsstunden in der Fremdsprache und in anderen Fächern zusammenzurechnen sind, wenn letztere nicht bereits für sich eine Ausbildung darstellen.

  • Ein Kind, das ein sechsmonatiges Bildungsprogramm zur Berufsausbildung durchläuft, dessen Ziel es ist, junge Schulabsolventen dabei zu begleiten, ihre individuellen Brücken zwischen Schulabschluss und Berufsleben zu bauen, befindet sich in Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Ziel des Programmes war es, dem Stipendiaten Orientierungsmöglichkeiten für seine Berufsfindung zu geben und ihn erste praktische Erfahrungen sammeln zu lassen. In den theoretischen Teilen des Bildungsprogramms wurden der Tochter der Klägerin überwiegend Fähigkeiten und Kenntnisse vermittelt, welche insbes. im Rahmen einer späteren beruflichen Tätigkeit im Bereich Personalmanagement erforderlich sind (Projektmanagement, Krisenmanagement, Erstellung von Präsentationen und Vermittlung ihrer Inhalte, Markenbildung bei Menschen, strukturiertes Arbeiten, richtiges Investieren und Verwaltung von Finanzen). Der Vermittlung allgemeiner Erfahrungswerte und der persönlichen Charakterbildung (Persönlichkeitstest, Auseinandersetzen mit eigenen Wertevorstellungen, Stärken und Schwächen) kam im Rahmen des Bildungsprogramms für die Tochter der Klägerin nur eine untergeordnete Bedeutung zu, da diese Inhalte bezogen auf den gesamten zeitlichen Umfang höchstens 35 % des gesamten Bildungsprogramms ausmachten. vgl. FG Münster vom 26.8.2020, BStBl I 2020, 702.

  • zum Fernlehrgang: FG München vom 27.2.2008, 10 K 931/07 sowie FG Nürnberg Urteil vom 9.5.2012, 3 K 896/11; Eine Schulausbildung ist nicht nur dann als Berufsausbildung anzuerkennen, wenn der Schüler in eine schulische Mindestorganisation eingebunden ist, die eine gewisse Lernkontrolle ermöglicht. Bereitet sich ein Kind ohne regelmäßigen Besuch einer Ausbildungsstätte selbstständig auf Prüfungen vor, sind an den Nachweis und die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen. Zweifel gehen nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Kindergeldberechtigten; vgl. hierzu auch den Beschluss des BFH vom 9.11.2012, III B 98/12.

  • die Unterweisung in einem Anlernverhältnis, wenn ihr ein Ausbildungsplan zugrunde liegt, sie auf qualifizierte Tätigkeiten ausgerichtet ist und nicht den Charakter einer Arbeitsleistung gegen Entgelt hat; dies wird insbesondere anzunehmen sein, wenn der Anlernling für die übliche Dauer einer Berufsausbildung für einen Beruf ausgebildet wird, der früher als Ausbildungsberuf anerkannt war.

  • zur Promotion: BFH Urteil vom 9.6.1999, VI R 92/98, BStBl II 1999, 708, H 32.5 [Promotion] EStH; BFH Urteil vom 22.10.2009, III R 29/08; Zur Berufsausbildung zählt auch die Vorbereitung auf eine Promotion, wenn diese im Anschluss an das Studium ernsthaft und nachhaltig durchgeführt wird. Ein Kind wird auch dann i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet, wenn es währenddessen über Einkünfte und Bezüge in einer solchen Höhe verfügt, dass es auf Unterhaltsleistungen der Eltern nicht angewiesen ist. Der Tatbestand der Berufsausbildung wird nicht durch eine daneben ausgeübte Teilzeit- oder Vollzeittätigkeit ausgeschlossen. Die daraus erzielten Einkünfte sind bei der Prüfung, ob der – ggf. anteilige – Jahresgrenzbetrag nicht überschritten wurde, einzubeziehen.

  • die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit oder Berufssoldaten zum Unteroffizier, Feldwebel bzw. Offizier (BFH vom 16.4.2002 und 15.7.2003, BStBl II 2002, 523 und BStBl II 2007, 247); dies gilt auch für die während des Wehrdienstes stattfindende Ausbildung zum Reserveoffizier (BFH vom 8.5.2014, BStBl II 2014, 717);

  • In den Laufbahngruppen der Bundeswehr können auch zusätzliche Weiterbildungen bzw. Ausbildungsmaßnahmen eines Soldaten, die grds. dazu geeignet sind, den Aufstieg in eine höhere Laufbahngruppe, den Einstieg in eine Laufbahngruppe oder den Laufbahnwechsel vom Unteroffizier ohne Portepee zum Unteroffizier mit Portepee zu ermöglichen, berücksichtigungsfähig sein (darunter fallen nicht in der Bundeswehr übliche Verwendungslehrgänge, die nach dem Erwerb der Laufbahnbefähigung absolviert werden, vgl. BFH vom 16.9.2015, III R 6/15, BStBl II 2016, 281).

  • zum Volontariat: BFH Urteil vom 9.6.1999, VI R 50/98, BStBl II 1999, 706, H 32.5 [Volontariat] EStH.

    Absolviert ein Kind nach Abschluss eines Hochschulstudiums in den Fächern Germanistik, Anglistik und Wirtschaftswissenschaft bei einem Verlag gegen geringe Entlohnung ein Trainee-Programm, bei dem das Kind alle, den angestrebten Beruf berührenden Sachbereiche durchläuft, liegt eine Berufsausbildung vor. Ein Kind kann sich auch dann noch in Berufsausbildung befinden, wenn es nach einer erfolgreich absolvierten Ausbildung in ernsthafter und nachhaltiger Weise zusätzliche Qualifikationen erwirbt, sofern diese als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Ob es sich bei einer Tätigkeit als Volontärin, als Trainee oder als bezahlte Praktikantin um eine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG oder um ein Arbeitsverhältnis handelt, hängt nicht von der Bezeichnung der Maßnahme ab. Entscheidend ist vielmehr, ob die Erlangung beruflicher Qualifikationen oder die Erbringung von Arbeitsleistungen im Vordergrund steht (vgl. BFH Urteil vom 26.8.2010, III R 88/08).

  • zum Berufspraktikum: BFH Urteil vom 9.6.1999, VI R 16/99, BStBl II 1999, 713, H 32.5 [Praktikum] EStH.

    Nach der Entscheidung des FG Baden-Württemberg mit Urteil vom 9.3.2009 (8 K 295/06, LEXinform 5008498, Revision eingelegt, Az. BFH: III R 28/09, LEXinform 0179741) kann ein im Ausland absolviertes Berufspraktikum, das dem späteren Berufseinstieg in hohem Maße förderlich ist, als Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu qualifizieren sein, auch wenn es nicht Voraussetzung für die Zulassung zur Universitätsprüfung ist. Zur Berücksichtigung der Aufwendungen für das Auslandspraktikum nach Reisekostengrundsätzen bei den Einkünften und Bezügen des Kindes s. → Einkünfte und Bezüge von Kindern.

    Zur Berufsausbildung gehören auch berufsspezifische Praktika, z.B. ein Anwaltspraktikum eines Jurastudenten oder eine Volontärtätigkeit, die ausbildungswillige Kinder vor Annahme einer vollbezahlten Beschäftigung gegen geringe Entlohnung absolvieren, vorausgesetzt, der Ausbildungscharakter steht im Vordergrund und es handelt sich nicht lediglich um ein gering bezahltes Arbeitsverhältnis. Eine unverbindliche Aussicht auf einen Ausbildungsplatz genügt nicht für die Anwendbarkeit des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG; vgl. BFH vom 21.1.2010, III R 17/07.

  • Eine konzerninterne Fortbildung zum »Junior-Verkäufer« zählt als Berufsausbildung. Dies entschied das Thüringer Finanzgericht mit Urteil vom 21.4.2010, 3 V 41/09. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass eine nach Abschluss einer Berufsausbildung zum Automobilkaufmann berufsbegleitend durchgeführte Fortbildung zum Juniorverkäufer eine weitere Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG darstellen kann, wenn hierzu u.a. ein gesonderter, auf ein Jahr befristeter Vertrag abgeschlossen, eine Rückzahlungsvereinbarung der Ausbildungskosten für den Fall eines vorzeitigen Ausscheidens vereinbart worden ist und nach dem Ausbildungsplan u.a. Blockunterricht und eine teils schriftliche, teils mündliche Abschlussprüfung zu absolvieren sind. Der Umstand, dass die Fortbildungsmaßnahme Juniorverkäufer nicht in die Liste für Ausbildungsberufe aufgenommen ist und dass es sich um eine betriebsinterne Fort- bzw. Weiterbildungsmaßnahme handelt, ist insoweit unerheblich.

  • Das Tatbestandsmerkmal »für einen Beruf ausgebildet wird« i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfordert, dass der Erwerb der Kenntnisse regelmäßig einen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweisen muss. In Fällen, in denen der Ausbildungscharakter der Maßnahmen zweifelhaft ist, kommt diesem konkreten Bezug entscheidende Bedeutung zu. Der Besuch einer nicht allgemeinbildenden Schule, der nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf, sondern vorrangig der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl sowie der Persönlichkeitsbildung und Charakterbildung i.S.d. Leitbilds der Schule dient, stellt keine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar; vgl. BFH Urteil vom 13.12.2018, III R 25/18, BStBl II 2019, 256.

  • Während eines Praktikums wird ein Kind für einen Beruf ausgebildet, sofern dadurch Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen vermittelt werden, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (vgl. BFH vom 9.6.1999, BStBl II 1999, 713) und es sich nicht lediglich um ein gering bezahltes Arbeitsverhältnis handelt. Das Praktikum muss für das angestrebte Berufsziel förderlich sein (BFH vom 15.7.2003, BStBl II 2003, 843). Ein Praktikum, das weder vorgeschrieben noch empfohlen ist, kann für die Dauer berücksichtigt werden, in der ein ausreichender Bezug zum Berufsziel glaubhaft gemacht wird, längstens für zwölf Monate. Von einem ausreichenden Bezug kann ausgegangen werden, wenn dem Praktikum ein detaillierter Ausbildungsplan zugrunde liegt, der darauf zielt, unter fachkundiger Anleitung für die Ausübung des angestrebten Berufs wesentliche Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Es sind auch der Vervollkommnung und Abrundung von Fähigkeiten und Kenntnissen dienende Maßnahmen einzubeziehen, die außerhalb eines geregelten Bildungsganges ergriffen werden und damit über das vorgeschriebene Maß hinausgehen. Es ist nicht erforderlich, dass die Ausbildungsmaßnahme einem im BBiG geregelten fest umrissenen Bildungsgang entspricht, sie in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist oder auf ein deutsches Studium angerechnet wird.

    Wird nicht nachgewiesen, dass bei einem Praktikum auf einem Reiterhof der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht, ist das Praktikum nicht als Berufsausbildung anzuerkennen. Die Klägerin habe nicht dargelegt, welche Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen konkret im Streitzeitraum vermittelt worden seien. Vielmehr habe sie sich auf eine Aufzählung von Ausbildungsinhalten beschränkt, ohne zu erläutern, wann diese vermittelt worden seien; vgl. BFH vom 21.10.2015, XI R 17/14.

  • Zum Praktikum in einem Tattoo-Studio vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 4.10.2016, 10 K 1416/16 AO: Das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom 4.10.2016 entschieden, dass es sich bei einem ernsthaft und mit hinreichendem Zeitaufwand (15 Stunden pro Woche) betriebenen Praktikum in einem Tattoo-Studio zum Erwerb der Kenntnisse und Fähigkeiten, die für den Beruf Tätowierer benötigt werden, um eine die Berücksichtigungsvoraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld erfüllende Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG handelt.

  • zum College-Besuch: Zur Berufsausbildung gehört auch der Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen wie Grund-, Haupt- und Oberschulen sowie von Fach- und Hochschulen. Auch der Besuch eines Colleges in den USA kann zur Berufsausbildung zählen; BFH Urteil vom 9.6.1999, VI R 34/98, BStBl II 1999, 705, H 32.5 [Schulbesuch] EStH.

  • zum Besuch einer Islamschule: FG Baden-Württemberg Urteil vom 27.2.2013, 2 K 2760/11. Der Besuch eines islamischen Mädchenkollegs, der ohne Abschluss endet und keinen unmittelbaren Zugang zu einem Beruf eröffnet, ist keine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, weil dieser nicht auf einen Beruf, sondern auf ein Leben als Frau und Mutter nach dem Islam vorbereitet. Ein Unterricht in verschiedenen Sprachen von wöchentlich insgesamt sechs Stunden ist kein ernsthafter Sprachunterricht, der der Berufsausübung zugeordnet werden kann. Unerheblich ist, ob Familienkassen in anderen Fällen den Besuch des Mädchenkollegs als Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG angesehen und deshalb Kindergeld festgesetzt haben, da es keine Gleichheit im Unrecht gibt.

  • Das Referendariat im Anschluss an die erste juristische Staatsprüfung gehört zur Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG (BFH Urteil vom 10.2.2000, VI B 108/99, BStBl II 2000, 398).

  • Die Tätigkeit im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres ist grundsätzlich nicht als Berufsausbildung zu beurteilen (BFH Urteil vom 24.6.2004, III R 3/03, BStBl II 2006, 294).

  • Die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit für seine spätere Verwendung im Mannschaftsdienstgrad, wenn sie zu Beginn der Verpflichtungszeit erfolgt, ist als Berufsausbildung zu beurteilen; die Ausbildung umfasst die Grundausbildung und die sich anschließende Dienstpostenausbildung (vgl. BFH vom 10.5.2012, BStBl II 2012, 895).

  • Eine Beschäftigung als Friseurassistentin gilt als Berufsausbildung, ohne dass das Kind als Auszubildende bei der Handwerkskammer gemeldet war (FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 12.7.2010, 5 K 2542/09): Ein Kind befindet sich gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG auch dann in Ausbildung, wenn es zwar keine Berufsausbildung i.S.d. Berufsbildungsgesetzes (BBiG) absolviert, aber – wie im Streitfall – firmenintern zum »Friseurassistent« ausgebildet wird, um sich eine nicht nur vorübergehende Betätigungsmöglichkeit zu schaffen, die dem Aufbau der beruflichen Existenz und damit der Erhaltung der künftigen Lebensgrundlage dienen soll.

Zu berücksichtigen sind nach DA A 15.2 vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010:

  • Der Vorbereitungsdienst der Lehramts- und Rechtsreferendare (BFH Urteil vom 10.2.2000, BStBl II 2000, 398.

  • der Vorbereitungsdienst der Beamtenanwärter,

  • die in Berufen des Sozialwesens und der nichtärztlichen medizinischen Hilfstätigkeiten im Anschluss an die schulische Ausbildung zu leistenden Berufspraktika, die Voraussetzung für die staatliche Anerkennung in dem ausgebildeten Beruf und die Berufsausübung sind,

  • eine Ausbildung während des Strafvollzugs,

  • die der Ausbildung zum Ordensgeistlichen bzw. der Tätigkeit als Laienbruder oder Ordensschwester vorangehende Zeit eines Postulats oder Noviziats,

  • die Unterweisung in einem Anlernverhältnis, wenn ihr ein Ausbildungsplan zugrunde liegt, sie auf qualifizierte Tätigkeiten ausgerichtet ist und nicht den Charakter einer Arbeitsleistung gegen Entgelt hat; dies wird insbes. anzunehmen sein, wenn der Anlernling für die übliche Dauer einer Berufsausbildung für einen Beruf ausgebildet wird, der früher als Ausbildungsberuf anerkannt war,

  • die dreimonatige Grundausbildung und die sich anschließende Dienstpostenausbildung während des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b SG; die ersten vier Monate der Wehrdienstzeit können daher ohne näheren Nachweis berücksichtigt werden,

  • die Einstiegsqualifizierung i.S.d. § 54a SGB III i.V.m. § 16 SGB II.

In den Laufbahngruppen der Bundeswehr können die folgenden Berufsausbildungsmaßnahmen berücksichtigungsfähig sein; findet hierbei eine der genannten Maßnahmen zu Beginn der Verpflichtungszeit statt, können die ersten vier Monate ohne näheren Nachweis anerkannt werden, lediglich der Dienstantritt ist glaubhaft zu machen.

  • die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit für seine spätere Verwendung in der Laufbahngruppe Mannschaft, wenn sie zu Beginn der Verpflichtungszeit erfolgt; die Ausbildung umfasst die Grundausbildung und die sich anschließende Dienstpostenausbildung (vgl. BFH Urteil vom 10.5.2012, BStBl II 2012, 895);

  • die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit oder Berufssoldaten in der Laufbahngruppe Unteroffizier (mit oder ohne Portepee) bzw. in der Laufbahngruppe Offizier; zur Ausbildung können auch zivilberufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen (sog. ZAW-Maßnahmen), das Studium an einer Bundeswehrhochschule) oder an einer zivilen Hochschule zählen, auch wenn diese Maßnahmen über die jeweilige Ernennung hinaus andauern;

  • die während des Wehrdienstes stattfindende Ausbildung zum Reserveoffizier (BFH Urteil vom 8.5.2014, BStBl II 2014, 717);

  • zusätzliche Weiterbildungen bzw. Ausbildungsmaßnahmen eines Soldaten, die grundsätzlich dazu geeignet sind, den Aufstieg in eine höhere Laufbahngruppe, den Einstieg in eine Laufbahngruppe oder den Laufbahnwechsel vom Unteroffizier ohne Portepee zum Unteroffizier mit Portepee zu ermöglichen (darunter fallen nicht in der Bundeswehr übliche Verwendungslehrgänge, die nach dem Erwerb der Laufbahnbefähigung absolviert werden, vgl. BFH Urteil vom 16.9.2015, III R 6/15, BStBl II 2016, 281).

Der steuerliche Begriff der Berufsausbildung umfasst jede Ausbildung zu einem künftigen Beruf. In Berufsausbildung befindet sich, wer seine Berufsziele noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft darauf vorbereitet (BFH Urteil vom 24.6.2004, III R 3/03, BStBl II 2006, 294 mit weiteren Nachweisen). Die Betätigung des Kindes muss nicht zwingend in einer Ausbildungs- und Studienordnung vorgeschrieben sein und die Ausbildung muss nicht überwiegend die Zeit- und Arbeitskraft des Kindes in Anspruch nehmen. Den Eltern und dem Kind wird bei der Gestaltung der Ausbildung ein weiter Entscheidungsspielraum zugebilligt. Das Kind kann zur Vervollkommnung und Abrundung seines Wissens und seiner Fähigkeiten auch Maßnahmen außerhalb eines fest umschriebenen Bildungsganges ergreifen.

Die Vorbereitung auf das Schulfremdenabitur im Wege des Selbststudiums stellt eine Berufsausbildung dar. Einer schulischen Einbindung bedarf es hierzu nicht (FG Baden-Württemberg rkr. Urteil vom 4.5.2001, EFG 2001, 1299 und Urteil vom 26.2.2002, 2 K 212/01, EFG 2002, 771). Auch das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom 21.2.2006 (10 K 171/03, EFG 2006, 1073, LEXinform 5002041) entschieden, dass die Vorbereitung auf die Abiturprüfung für Nichtschüler eine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG darstellt. Die Eingliederung in eine schulische Mindestorganisation ist nicht erforderlich, um eine Ausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG annehmen zu können. Der BFH hat mit Urteil vom 18.3.2009 (III R 26/06, LEXinform 0587317) die Rechtsauffassung des FG Düsseldorf bestätigt.

Auch eine Ausbildung zum Golflehrer kann durchaus als Berufsausbildung angesehen werden; vgl. FG Rheinland-Pfalz vom 8.7.2002, 5 K 1209/01. Berufsausbildung können dabei auch Zeiten der Vorbereitung zur Erreichung der für den Ausbildungsbeginn erforderlichen Spielstärke (Handicap) sein, wenn die ausbildungsorientierten Maßnahmen während dieser Vorbereitungszeit von fachlich autorisierter Stelle vorgegeben und vom Kind ernsthaft umgesetzt werden.

Bei einem Freiwilligendienst, der in einem Kinderheim in Südafrika geleistet und diese Stelle durch einen in Deutschland ansässigen gemeinnützigen eingetragenen Verein vermittelt wurde, handelt es sich in der Regel nicht um die Vorbereitung eines konkret angestrebten Berufs (BFH Urteil vom 18.6.2014, III B 19/14).

Zur Berufsausbildung nahm der BFH mit Urteil vom 22.2.2017, III R 20/15, bei verwendungsbezogenen Lehrgängen eines Unteroffiziers Stellung und verneinte die Berufsausbildung: Ein Kind, das innerhalb eines bestehenden Arbeits- oder Dienstverhältnisses an von seinem Arbeitgeber oder Dienstherrn angebotenen, verwendungsbezogenen Lehrgängen teilnimmt, wird nur dann i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet, wenn die Erlangung beruflicher Qualifikationen, d.h. der Ausbildungscharakter, und nicht die Erbringung bezahlter Arbeitsleistungen, d.h. der Erwerbscharakter, im Vordergrund des Arbeits- oder Dienstverhältnisses steht. Dabei sind sowohl die durchgeführten Lehrgänge als auch die übrigen Teile des Arbeits- oder Dienstverhältnisses auf ihren Ausbildungscharakter hin zu würdigen. Ergibt die Gesamtwürdigung, dass der Erwerbscharakter des Arbeits- oder Dienstverhältnisses überwiegt, können die einzelnen Lehrgänge auch unter Berücksichtigung des Monatsprinzips des § 66 Abs. 2 EStG nicht isoliert betrachtet als Ausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG qualifiziert werden.

Auch wenn das Ausbildungsverhältnis fortbesteht, die Bezüge fortgezahlt werden, Dienstunfallschutz besteht und das Kind an drei Tagen in der Dienststelle ausgebildet wird, fehlt es während der Freistellung für Spitzensport an einem ernsthaften und nachhaltigen Betreiben der Ausbildung. Training und Wettkämpfe haben keinen Ausbildungscharakter, da die damit erworbenen Kenntnisse keinen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweisen und weder Ausbildungsinhalt noch Ausbildungsziel vorgegeben werden. Nur drei Präsenztage in acht Monaten der Freistellung stellen sich als Ausbildungsmaßnahmen von untergeordneter Bedeutung dar. Es handelt sich zwar nur um eine vorübergehende Unterbrechung der Ausbildung, ein Kindergeldanspruch besteht aber auch deshalb nicht, weil die Freistellung auf einem eigenen Entschluss des Kindes beruhte; vgl. FG München vom 16.5.2019, 10 K 135/19.

2.2.2.2. Ernsthaftigkeit der Berufsausbildung

Die Ausbildung muss ernsthaft betrieben werden, damit sie berücksichtigungsfähig ist. Sie muss Zeit und Arbeitskraft des Kindes dermaßen in Anspruch nehmen, dass ein greifbarer Bezug zu dem angestrebten Berufsziel hergestellt wird und Bedenken gegen die Ernsthaftigkeit ausgeschlossen werden können. Anders als z.B. bei einem Sprachunterricht im Ausland, ist bei einer Ausbildung in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Prüfung der Ernsthaftigkeit, beispielsweise anhand zeitlicher Kriterien, regelmäßig nicht erforderlich (vgl. BFH Urteil vom 8.9.2016, III R 27/15, BStBl II 2017, 278). Eine tatsächliche Unterrichts- bzw. Ausbildungszeit von zehn Wochenstunden kann regelmäßig als ausreichende Ausbildung anerkannt werden. Eine tatsächliche Unterrichts- bzw. Ausbildungszeit von weniger als zehn Wochenstunden kann nur dann als ausreichende Ausbildung anerkannt werden, wenn

  • das Kind zur Teilnahme am Schulunterricht zur Erfüllung der Schulpflicht verpflichtet ist (BFH vom 28.4.2010, BStBl II 2010, 1060). Das gilt auch dann, wenn der Umfang des danach zu besuchenden Unterrichts zehn oder weniger Wochenstunden umfasst;

  • der zusätzliche ausbildungsbezogene Zeitaufwand (z.B. für Vor- und Nachbereitung) über das übliche Maß hinausgeht oder

  • die besondere Bedeutung der Maßnahme für das angestrebte Berufsziel dies rechtfertigt.

Bei Ausbildungsgängen, die keine regelmäßige Präsenz an einer Ausbildungsstätte erfordern (z.B. Universitäts- und Fachhochschulstudiengänge einschließlich der als Fernstudium angebotenen, anderen Fernlehrgänge), sollte die Ernsthaftigkeit durch Vorlage von Leistungsnachweisen (Bescheinigungen des Betreuenden über Einreichung von Arbeiten zur Kontrolle), die Aufschluss über die Fortschritte des Lernenden geben, belegt werden.

Üblich ist ein Zeitaufwand für die häusliche Vor- und Nacharbeit, welcher der Dauer der Unterrichts- bzw. Ausbildungszeit entspricht, sowie ein Zeitaufwand für den Weg von und zur Ausbildungsstätte bis zu einer Stunde für die einfache Wegstrecke. Über das übliche Maß hinaus geht der ausbildungsbezogene Zeitaufwand z.B.

  • bei besonders umfangreicher Vor- und Nacharbeit oder

  • wenn neben die Unterrichtseinheiten zusätzliche ausbildungsfördernde Aktivitäten bzw. die praktische Anwendung des Gelernten treten.

Die besondere Bedeutung der Maßnahme für das angestrebte Berufsziel rechtfertigt eine geringere Stundenanzahl, z.B.

  • bei Erwerb einer qualifizierten Teilnahmebescheinigung,

  • Prüfungsteilnahme,

  • regelmäßigen Leistungskontrollen,

  • berufszielbezogener Üblichkeit der Durchführung einer solchen Maßnahme, wenn die Ausbildungsmaßnahme der üblichen Vorbereitung auf einen anerkannten Prüfungsabschluss dient oder wenn die einschlägigen Ausbildungs- oder Studienordnungen bzw. entsprechende Fachbereiche die Maßnahme vorschreiben oder empfehlen.

Die Ausbildung muss in ihrer zeitlichen Gestaltung einem von vornherein festgelegten Plan entsprechen. Weicht die Dauer der Ausbildung erheblich von der üblichen Dauer vergleichbarer oder ähnlicher Ausbildungen ab, bedarf die Ernsthaftigkeit besonderer Begründung.

Vergleiche hierzu auch die Ausführungen in A 15.3 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010.

Bestehen trotz aussagekräftiger Semesterbescheinigungen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Studiums, sollte die Ernsthaftigkeit durch Vorlage von Leistungsnachweisen erfolgen (»Scheine«, Bescheinigungen des Betreuenden über Einreichung von Arbeiten zur Kontrolle), die Aufschluss über die Fortschritte des Lernenden geben. Bei Ausbildungsgängen, die keine regelmäßige Präsenz an einer Ausbildungsstätte erfordern (insbes. bei als Fernstudium angebotenen Fernlehrgängen), sollte die Ernsthaftigkeit durch Vorlage von Leistungsnachweisen geprüft werden.

2.2.2.3. Beginn, Ende, Unterbrechung der Berufsausbildung

Die Schulausbildung beginnt mit dem offiziellen Beginn des Schuljahres. Sie endet mit Ablauf des Schuljahres. Für allgemeinbildende Schulen ist das Ende des Schuljahres in den meisten Bundesländern auf den 31.7. festgesetzt; Beginn des neuen Schuljahres wäre danach der 1.8. Dies gilt regelmäßig auch für berufsbildende oder berufliche Schulen (Fach- und Berufsfachschulen). Kinder, die eine solche Schule besuchen, sind daher ohne Rücksicht darauf, ob sie die Abschlussprüfung (z.B. das Abitur) bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgelegt haben, auch im letzten Jahr des Schulbesuchs bis zum Ende des Schuljahres zu berücksichtigen. Dies gilt regelmäßig auch für berufsbildende oder berufliche Schulen (Fach- und Berufsfachschulen). Kinder, die eine solche Schule besuchen, sind daher ohne Rücksicht darauf, ob sie die Abschlussprüfung (z.B. das Abitur) bereits zu einem früheren Zeitpunkt abgelegt haben, auch im letzten Jahr des Schulbesuchs bis zum Ende des Schuljahres zu berücksichtigen. Die Hochschulausbildung beginnt mit offiziellem Beginn des Semesters. Sie beginnt hingegen nicht bereits mit der Bewerbung für dieses Studium, wenn zu diesem Zeitpunkt noch keine Ausbildungsmaßnahme durchgeführt wird Sie endet regelmäßig mit Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, siehe Abs. 3 Satz 2 bis 4. Das Prüfungsergebnis ist dem Kind bekanntgegeben, sobald es eine schriftliche Bestätigung über den erfolgreichen Abschluss und die erzielten Abschlussnoten erhalten hat oder objektiv die Möglichkeit hat, eine solche schriftliche Bestätigung über ein Online-Portal der Hochschule erstellen zu können. Entscheidend ist, welches Ereignis früher eintritt (vgl. BFH vom 7.7.2021, III R 40/19). Ein Kind wird auch darüber hinaus für einen Beruf ausgebildet, wenn sich ein ergänzendes Studium oder ein nach der maßgebenden Ausbildungs- oder Prüfungsordnung vorgeschriebenes Dienstverhältnis oder Praktikum anschließt.

Schließt die Berufsausbildung mit einer Prüfung ab, z.B. in Handwerksberufen mit der Gesellenprüfung, endet die Berufsausbildung mit Bestehen der Abschlussprüfung. Eine Abschlussprüfung gilt als in dem Zeitpunkt bestanden, in dem das festgestellte Gesamtergebnis dem Prüfling offiziell schriftlich mitgeteilt wird.

Von einer fortbestehenden Berufsausbildung ist auszugehen, auch wenn das Ausbildungsverhältnis vor dem Ablegen der zugelassenen Wiederholungsprüfungen bereits geendet hat. Einem Auszubildenden muss grundsätzlich die Möglichkeit eingeräumt werden, seine Berufsausbildung unter Ausschöpfung aller nach der einschlägigen Ausbildungsordnung zulässigen Prüfungswiederholungsmöglichkeiten noch erfolgreich abzuschließen. Dies schließt grundsätzlich auch einen Zeitraum bezüglich einer eventuellen Anfechtung eines Prüfungsergebnisses ein.

Bereitet sich ein Kind, welches die Gesellenprüfung nicht bestanden hat, eigenverantwortlich in seinem früheren Ausbildungsbetrieb intensiv und ernstlich auf den nochmals abzuleistenden praktischen Teil der Wiederholungsprüfung vor, befindet es sich weiterhin in Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Der Annahme der Fortsetzung der Berufsausbildung steht weder entgegen, dass das Ausbildungsverhältnis nicht fortgesetzt wird, noch, dass das Kind vor dem Beginn der Fertigung des Prüfungsstücks im Betrieb auf Stundenlohnbasis tätig ist, wenn es dabei seine handwerkliche Geschicklichkeit zur Fertigung des Prüfungsstücks verbessert (FG München Urteil vom 17.9.2008, 9 K 706/07, LEXinform 5007308, rkr.; Anschluss an Hessisches FG Urteil vom 23.2.2006, 2 K 644/03, LEXinform 5004162).

Nach dem Urteil des BFH vom 2.4.2009 (III R 85/08, BFH/NV 2009, 1502, LEXinform 0179520) besteht der Kindergeldanspruch für das volljährige Kind bei halbjähriger Vorbereitung im Eigenstudium auf die bestandene Wiederholungsprüfung. Die ernsthafte und nachhaltige Vorbereitung auf eine Wiederholungsprüfung gehört auch dann zur Berufsausbildung, wenn das Ausbildungsverhältnis mit dem Lehrbetrieb nach der nicht bestandenen Abschlussprüfung endet und das Kind keine Berufsschule besucht. Nimmt das Kind an der erstmaligen Wiederholungsprüfung teil und besteht diese, ist in der Regel zu unterstellen, dass sich das Kind ernsthaft und nachhaltig auf diese Prüfung vorbereitet hat.

Endet das Berufsausbildungsverhältnis durch Insolvenz des Ausbildungsbetriebes, ist zu prüfen, ob die sich daran anschließenden Maßnahmen noch dem Grundtatbestand nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zugeordnet werden können. Davon kann ausgegangen werden, wenn die zuständigen Kammern das Kind ohne Nachweis eines anschließenden Ausbildungsverhältnisses zur Prüfung zulassen und es bis zur Abschlussprüfung die Berufsschule besucht. Trifft dies nicht zu, kommt eine Berücksichtigung unter den Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 Buchst. c EStG in Betracht.

Wird die vorgeschriebene Abschlussprüfung vor Ablauf der vertragsmäßigen Ausbildungszeit bestanden, endet das Ausbildungsverhältnis bereits mit Bestehen der Abschlussprüfung. Dies gilt grundsätzlich auch für Berufe, in denen die Ausübung von einer staatlichen Erlaubnis oder Anerkennung abhängig ist. In diesen Fällen kann ein Kind für den Kindergeldanspruch ungeachtet der vertragsmäßigen Ausbildungszeit nur bis zum Ablauf desjenigen Monats berücksichtigt werden, in dem es Kenntnis vom Bestehen der Abschlussprüfung erlangt hat. Wird die Abschlussprüfung nicht bestanden, so wird das Kind weiter für einen Beruf ausgebildet, wenn sich das Ausbildungsverhältnis auf sein Verlangen bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung verlängert, es zur Prüfung erneut zugelassen wird und den erfolgreichen Prüfungsabschluss weiterhin ernsthaft verfolgt.

Wenn die Dauer der Berufsausbildung durch Rechtsvorschrift festgelegt ist, endet die Ausbildung nicht bereits mit der Bekanntgabe des Ergebnisses der Abschlussprüfung, sondern erst mit Ablauf der Ausbildungszeit (BFH Urteil vom 14.9.2017, III R 19/16, BStBl II 2018, 131). Beispiele sind die Berufsausbildungen zum Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpfleger nach dem KrPflG, zum Altenpfleger nach dem AltPflG sowie zur Hebamme und zum Entbindungspfleger nach dem HebG; in diesen Fällen dauert die Ausbildung grundsätzlich drei Jahre.

Die kindergeldrechtliche Berufsausbildung endet nicht bereits mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses (und des Bestehens der Prüfung), sondern erst mit dem zeitlich späteren Ablauf der Ausbildungszeit, wenn diese durch eine Rechtsvorschrift geregelt ist (im Streitfall: landesrechtliche Ausbildungs- und Prüfungsordnung an den Fachschulen für Sozialpädagogik des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg, wonach die Ausbildung einer staatlich anerkannten Erzieherin »unabhängig vom Zeitpunkt der Abschlussprüfung drei Jahre dauert und sich in theoretische und praktische Ausbildungsinhalte gliedert«; vgl. FG Baden-Württemberg vom 24.4.2018, 10 K 112/18.

Das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist bei Beginn und grds. am Ende der Ausbildung zu prüfen. Die Dauer der Schulausbildung eines volljährigen Kindes hat der Berechtigte durch Vorlage einer Schulbescheinigung nachzuweisen.

2.2.3. Übergangszeit i.S.d. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b EStG

Der BFH nimmt mit Urteil vom 19.10.2001 (VI R 39/00, BStBl II 2002, 481) zur Berücksichtigung von Kindern in einer Übergangszeit Stellung (H 32.6 und 32.7 [Vollerwerbstätigkeit] EStH).

Berufsausbildung bis 31.7.02

weitere Berufsausbildung ab 1.10.02

Berufsausbildung

Vollerwerbstätigkeit

Berufsausbildung

Bewerbung um eine weitere Berufsausbildung, die ab 1.10.02 beginnt.

Unterbrechung der Berufsausbildung

Nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b EStG ist ein Kind zu berücksichtigen, wenn es sich in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von höchstens vier Monaten befindet, die zwischen zwei Ausbildungsabschnitten oder zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung

  • des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes,

  • einer vom Wehr- oder Zivildienst befreienden Tätigkeit als Entwicklungshelfer i.S.d. § 1 Abs. 1 EhfG oder

  • eines geregelten Freiwilligendienstes i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG

liegt.

Als gesetzlicher Wehr- bzw. Zivildienst gilt auch ein freiwilliger zusätzlicher Wehrdienst im Anschluss an den Grundwehrdienst i.S.d. § 6b WPflG sowie ein freiwilliger zusätzlicher Zivildienst gem. § 41a ZDG. Zeiträume zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b SG (bis zum 12.4.2013: 7. Abschnitt des WPflG) begründen dagegen keine Übergangszeit.

Wird ein Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, innerhalb des viermonatigen Übergangszeitraums des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehrdienstes nicht bereits am ersten, sondern erst an einem späteren Tag des Monats zum gesetzlichen Wehrdienst einberufen, besteht für diesen Monat grundsätzlich ein Anspruch auf Kindergeld; vgl. BFH Urteil vom 5.9.2013, XI R 7/12, BStBl II 2014, 37.

Ab VZ 2015 wird diese Regelung ausgeweitet auf bis zu viermonatige Übergangszeiten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes nach § 58b des Soldatengesetzes. Eine solche Übergangszeit kann vor und/oder nach der Ableistung des freiwilligen Wehrdienstes liegen. Für die Dienstzeit selbst ist dagegen ein Familienleistungsausgleich weiterhin nicht möglich. Ist die Übergangszeit länger als vier Monate, so wird kein Familienleistungsausgleich gewährt, auch nicht für vier Monate.

Für die Übergangszeit kommt auch ein → Ausbildungsfreibetrag in Betracht. Eine Übergangszeit liegt nicht vor, wenn das Kind sich nach einem Ausbildungsabschnitt oder einem Dienst bzw. einer Tätigkeit i.S.d. Abs. 1 Satz 1 und 2 wegen Kindesbetreuung nicht um einen Anschlussausbildungsplatz bemüht.

Ein volljähriges Kind, das seine Berufsausbildung zwecks Betreuung des eigenen Kindes im Rahmen der Elternzeit nach §§ 15, 20 Abs. 1 des BErzGG in vollem Umfang unterbricht, befindet sich in dieser Zeit nicht in Berufsausbildung (BFH Urteil vom 15.7.2003, VIII R 47/02, BStBl II 2003, 848). Eine Unterbrechung wegen des Beschäftigungsverbots nach dem Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter ist allerdings unschädlich. Der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG stellt nach dem BFH-Urteil vom 15.7.2003 (VIII R 47/02, BStBl II 2003, 848) darauf ab, dass auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen tatsächlich durchgeführt werden. Eine Unterbrechung der Ausbildung infolge Erkrankung oder Mutterschaft ist grundsätzlich unschädlich (DA A 15.11 Abs. 1 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010). Für die Bearbeitung und Nachweisführung stehen die Vordrucke Erklärung für ein erkranktes Kind und Bearbeitungsbogen für erkrankte Kinder zur Verfügung.

Das Vorliegen eines Beschäftigungsverbotes nach §§ 3, 4, 6 MuSchG ist für den Anspruch unschädlich, ebenso eine Beurlaubung vom Studium wegen einer Schwangerschaft. Unterbrechungszeiten wegen Kindesbetreuung, beispielsweise wegen Elternzeit gem. §§ 15 bis 21 BEEG, sind dagegen nicht zu berücksichtigen (BFH Urteil vom 15.7.2003, BStBl II 2003, 848).

Eine Studierende ist bei Beurlaubung wegen Schwangerschaft für die Dauer des Semesters zu berücksichtigen, in dem die Entbindung zu erwarten ist, längstens bis zum Ablauf des Monats, in dem die Schutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG endet. Wird das Studium jedoch in dem darauf folgenden Semester fortgesetzt, ist die Studierende auch darüber hinaus bis zum Semesterbeginn zu berücksichtigen

Für erwachsene Kinder ohne Ausbildungsplatz erhalten die Eltern nach der gesetzlichen Regelung in § 32 Abs. 4 EStG grundsätzlich nur dann Kindergeld, wenn sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Während des Mutterschutzes und der anschließenden Betreuungszeit bleibt ein Kindergeldanspruch allerdings auch dann bestehen, wenn das Kind in dieser Zeit keine Bewerbungsbemühungen entfaltet. Dies entschied der BFH mit Urteil vom 24.9.2009 (III R 83/08).

Mit Urteil vom 13.6.2013, III R 58/12, BStBl II 2014, 834, hat der BFH entschieden, dass ein Kind, das die Suche nach einem Ausbildungsplatz während der Mutterschutzfrist unterbricht, in diesem Zeitraum weiterhin zu berücksichtigen ist. Dies gilt auch dann, wenn es die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz nach dem Ende der Mutterschutzfrist nicht fortsetzt. Ein Kind, das während der Elternzeit keinen Ausbildungsplatz sucht, kann – ebenso wie ein Kind, das seine Ausbildung wegen der Elternzeit unterbricht – nicht berücksichtigt werden.

Die Übergangszeit gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG beginnt mit Abschluss des unmittelbar vorangegangenen Ausbildungsabschnittes oder Dienstes, auch wenn das Kind zu diesem Zeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat; vgl. BFH vom 16.4.2015, III R 54/13.

Zum Kindergeldanspruch bei Unterbrechung der Ausbildung infolge Krankheit und Mutterschutz entschied das FG München mit Urteil vom 27.1.2016, 7 K 713/15 wie folgt: Aufgrund der vorliegenden Unterlagen steht fest, dass die Klägerin wegen des bestehenden Mutterschutzes ihre Ausbildung nicht fortsetzen konnte. Ein Eintritt in das laufende Schuljahr war nicht möglich, wie sich aus der Bescheinigung der Berufsfachschule ergibt. Vielmehr musste der Beginn des neuen Schuljahres abgewartet werden. Die Klägerin war aus objektiven Gründen daran gehindert, ihre Ausbildung fortzusetzen, obwohl sie ausbildungswillig war. Sie ist daher ebenso zu behandeln wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, einen solchen aber nicht findet und deshalb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen ist.

Die Vier-Monats-Frist ist nicht taggenau gem. § 108 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 187, 188 BGB zu berechnen, sondern umfasst vier volle Kalendermonate (BFH Urteil vom 15.7.2003, VIII R 105/01, BStBl II 2003, 847).

Im Einzelfall können somit fast sechs Monate überbrückt werden, wenn die eine Ausbildung zum Beginn des Monats endet und die sich anschließende Ausbildung erst zum Ende des Monats beginnt.

Beispiel 2:

Kind A beendet den ersten Ausbildungsabschnitt im Juni.

Lösung 2:

Der zweite Ausbildungsabschnitt muss spätestens im November beginnen.

Mit Urteil vom 16.4.2015, III R 54/13, BStBl II 2016, 25 entschied der BFH, dass die Übergangszeit gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG mit Abschluss des unmittelbar vorangegangenen Ausbildungsabschnittes oder Dienstes beginnt, auch wenn das Kind zu diesem Zeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

Übergangszeiten ergeben sich als vom Kind nicht zu vermeidende Zwangspausen, z.B. durch Rechtsvorschriften über den Ausbildungsverlauf, aus den festen Einstellungsterminen der Ausbildungsbetriebe oder den Einstellungsgewohnheiten staatlicher Ausbildungsinstitutionen. Eine Übergangszeit im Sinne einer solchen Zwangspause kann auch in Betracht kommen, wenn das Kind den vorangegangenen Ausbildungsplatz – ggf. aus von ihm zu vertretenden Gründen – verloren oder die Ausbildung abgebrochen hat; vgl. (DA A 16 Abs. 2 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 –S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010).

Der BFH hat mit seinen Urteilen vom 22.12.2011 (III R 5/07, BStBl II 2012, 678 sowie III R 41/07, BStBl II 2012, 681) bestätigt, dass Eltern für ein Kind, das nach Beendigung seiner Schulzeit – unabhängig davon, ob absehbar oder nicht – länger als vier Monate auf den Beginn des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes wartet, während der Übergangszeit keine kindbedingten Vergünstigungen erhalten. Allerdings bleibt festzuhalten, dass eine Übergangszeit zwischen der Beendigung eines Ausbildungsabschnittes und dem Beginn des gesetzlichen Wehr- oder Zivildienstes ab 1.7.2011 aufgrund des Wegfalls des gesetzlichen Grundwehr- bzw. Zivildienstes nicht mehr möglich ist. Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift kommt bei einem Überschreiten der Übergangszeit eine Begünstigung auch nicht für die ersten vier Monate in Betracht. Zweck des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG ist es, die kindesbedingte Minderung der Leistungsfähigkeit der Eltern zu berücksichtigen. Hierfür hat der Gesetzgeber die Fälle, in denen i.d.R. steuerlich zu berücksichtigende Unterhaltslasten bei den Eltern entstehen, typisierend geregelt (Berücksichtigung volljähriger Kinder im Zusammenhang mit einer Berufsausbildung). Die Ableistung des gesetzlichen Zivil- oder Wehrdienstes hat der Gesetzgeber dagegen nicht als Berücksichtigungs-, sondern als Verlängerungstatbestand ausgestaltet. Damit bringt er zum Ausdruck, dass der Zivil- oder Wehrdienst grundsätzlich keine Berufsausbildung darstellt und sich die Eltern der Pflichtdienstleistenden in keiner Unterhaltssituation mehr befinden.

Die Rechtsprechung vom 22.12.2011 wurde in zwei weiteren Urteilen bestätigt (BFH Urteil vom 24.5.2012, III R 25/09 sowie III R 4/06). Wird die Übergangszeit von vier Monaten gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG überschritten, entfällt der Kindergeldanspruch – unabhängig davon, ob das Überschreiten absehbar war oder nicht – auch für die ersten vier Monate der Übergangszeit. Gegen die Regelung in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG i.d.F. des Gesetzes zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2417) besteht ein Anspruch auf Kindergeld auch dann, wenn das Kind sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen einem Ausbildungsabschnitt und dem freiwilligen Wehrdienst i.S.d. § 58b Soldatengesetz befindet. Eine Übergangszeit kann daher sowohl vor Beginn des freiwilligen Wehrdienstes als auch nach seiner Beendigung begründet werden. Die Berücksichtigung einer Übergangszeit nach Beendigung des Dienstes gilt ausschließlich für den freiwilligen Wehrdienst. Befindet sich ein Kind in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen einem in 2014 beendeten freiwilligen Wehrdienst und einem in 2015 begonnenen Ausbildungsabschnitt, kommt eine Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nur für die in 2015 liegenden Monate in Betracht. Für die Zeiträume in 2014 ist zu prüfen, ob das Kind die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfüllt.

Beispiel 3:

Das Kind beendet den freiwilligen Wehrdienst am 31.10.2014 und beginnt am 16.3.2015 eine Berufsausbildung.

Lösung 3:

Zwischen Beendigung des freiwilligen Wehrdienstes und Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts liegen nicht mehr als vier Monate. Daher sind die Anspruchsvoraussetzungen nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG für die Monate Januar und Februar 2015 erfüllt. Ab März 2015 wird das Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG berücksichtigt. Für die Monate November und Dezember 2014 liegen die Anspruchsvoraussetzungen nicht vor, da das Gesetz erst zum 1.1.2015 in Kraft getreten ist.

Wird ein Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, innerhalb des viermonatigen Übergangszeitraums des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehrdienstes nicht bereits am ersten, sondern erst an einem späteren Tag des Monats zum gesetzlichen Wehrdienst einberufen, besteht für diesen Monat grundsätzlich ein Anspruch auf Kindergeld; vgl. BFH vom 18.6.2015, VI R 10/14.

Eine Übergangszeit i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG kann nicht dadurch begründet werden, dass sich ein Kind um eine Ausbildung bemüht und diese erst nach der Übergangszeit beginnt; vgl. BFH vom 7.7.2021, III R 40/19.

2.2.4. Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. c EStG

2.2.4.1. Allgemeines

Nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. c EStG wird ein Kind berücksichtigt, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann. Die Vorschrift passt nicht zu Kindern, die sich in einem Beschäftigungsverhältnis befinden und sich aus dieser Situation heraus weiter bewerben. In diesem Fall ist die Tatsache, dass das Kind eigentlich einen Ausbildungsplatz sucht, nachrangig und für die Kindergeldberechtigung daher zu vernachlässigen. Ein Kind ist nur dann gem. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. c EStG gehindert, seine Ausbildung mangels Ausbildungsplatzes zu beginnen oder fortzusetzen, wenn es sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (R 32.7 Abs. 3 EStR). An dem ernsthaften Bemühen in diesem Sinne fehlt es, wenn das Kind sich für einen Ausbildungsplatz bewirbt, für den es die objektiven Anforderungen nicht erfüllt (BFH Urteil vom 15.7.2003, VIII R 71/99, BFH/NV 2004, 473). Grundsätzlich ist jeder Ausbildungswunsch des Kindes anzuerkennen, es sei denn, dass seine Verwirklichung wegen der persönlichen Verhältnisse des Kindes ausgeschlossen erscheint. Dies gilt auch dann, wenn das Kind bereits eine abgeschlossene Ausbildung in einem anderen Beruf besitzt. Das FA kann verlangen, dass der Stpfl. die ernsthaften Bemühungen des Kindes um einen Ausbildungsplatz durch geeignete Unterlagen nachweist oder zumindest glaubhaft macht.

Ein Mangel eines Ausbildungsplatzes i.S.d. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. c EStG liegt nicht nur dann vor, wenn das Kind noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, sondern auch dann, wenn ihm ein Ausbildungsplatz bereits zugesagt wurde, es diesen aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann.

Das Kind kann für den Zeitraum berücksichtigt werden, in dem es auf einen Ausbildungsplatz wartet (BFH vom 7.8.1992, III R 20/92, BStBl II 1993, 103). Die Wartezeit beginnt beispielsweise mit der Beendigung der Schulausbildung, einer (ersten) Ausbildung oder eines Ausbildungsabschnitts.

Nach DA A 15.11 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010 kann ein Kind ohne Ausbildungsplatz dann nicht berücksichtigt werden, wenn es sich wegen Kindesbetreuung, beispielsweise Elternzeit nach §§ 15 bis 21 BEEG, nicht um einen Ausbildungsplatz bemüht. Eine Berücksichtigung ist dagegen möglich, wenn das Kind infolge Erkrankung oder wegen eines Beschäftigungsverbots nach §§ 3, 6 MuSchG daran gehindert ist, seine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen.

Ein Kind, das sich wegen eines Beschäftigungsverbots nach §§ 3, 6 MuSchG nicht um eine Berufsausbildung bemüht, sie beginnt oder fortsetzt, kann nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG berücksichtigt werden. Eine Berücksichtigung ist auch möglich, wenn das Kind die Bemühungen um einen Ausbildungsplatz nach dem Ende des Beschäftigungsverbots nach §§ 3, 6 MuSchG nicht fortsetzt (BFH vom 13.6.2013, BStBl II 2014, 834).

Für erwachsene Kinder ohne Ausbildungsplatz erhalten die Eltern nach der gesetzlichen Regelung in § 32 Abs. 4 EStG grundsätzlich nur dann Kindergeld, wenn sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Während des Mutterschutzes und der anschließenden Betreuungszeit bleibt ein Kindergeldanspruch allerdings auch dann bestehen, wenn das Kind in dieser Zeit keine Bewerbungsbemühungen entfaltet. Dies entschied der BFH mit Urteil vom 24.9.2009 (III R 83/08).

Eine Unterbrechung der Ausbildung infolge einer Erkrankung oder Mutterschaft ist grundsätzlich unschädlich, denn wenn das Kind einen Ausbildungsplatz hat und ausbildungswillig ist, aber aus objektiven Gründen zeitweise nicht in der Lage ist, die Ausbildung fortzusetzen, ist es ebenso zu behandeln wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, einen solchen aber nicht findet und deshalb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen. Die Rückgabe eines Studienplatzes ist mit der Situation einer vorübergehenden Unterbrechung eines Studiums aus gesundheitlichen Gründen nicht vergleichbar, denn gegen eine solche Gleichstellung spricht zunächst der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG (»für einen Beruf ausgebildet wird«), aber auch die Systematik der Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG, die eine Erkrankung an sich mit Ausnahme der Behinderung nach der Nr. 3 nicht als Berücksichtigungstatbestand vorsehen; vgl. FG Nürnberg Urteil vom 20.1.2017, 3 K 301/16.

Nach ständiger Rspr. erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (vgl. etwa BFH Urteil vom 22.9.2011, III R 30/08, BStBl II 2012, 411). Dieses Bemühen ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet gewesen, reichen hierfür nicht aus. Ein Nachweis kann z.B. durch eine Bescheinigung der Agentur für Arbeit, dass das Kind als Bewerber um eine berufliche Ausbildungsstelle registriert ist, erfolgen. Diese Registrierung gilt allerdings (noch) nicht zeitlich unbeschränkt als Nachweis, sondern ist in ihrer Wirkung auf drei Monate beschränkt (BFH Urteil vom 19.6.2008, III R 66/05, BStBl II 2009, 1005). Ähnliches gilt für eine von der Agentur für Arbeit für den Rentenversicherungsträger erstellte Bescheinigung über Anrechnungszeiten der Ausbildungssuche i.S.d. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI. Ihr kommt als öffentlicher Urkunde (§ 418 ZPO) hinsichtlich des darin vermerkten Tages der Anmeldung des Ausbildungssuchenden bei der Berufsberatung ein besonderer Beweiswert zu (BFH Urteil vom 22.9.2011, III R 30/08, BStBl II 2012, 411). Nach der Rspr. des BFH ist ein Kind auch dann noch als ausbildungsplatzsuchend i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG anzusehen, wenn ihm ein Ausbildungsplatz bereits zugesagt wurde, es diesen aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann (BFH Urteil vom 21.10.2010 III R 74/09). Wird dem Kind beispielsweise der begehrte Studienplatz angeboten, ist es auch während der Wartezeit bis zum Beginn des Semesters zu berücksichtigen. Nicht wegen der viermonatigen Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG), sondern weil es bis zum Beginn der Ausbildung als ausbildungssuchend i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG gilt (vgl. Ausführungen von Geserich, NWB 2013, 2520). Der Kindergeldanspruch während der Wartezeit auf den nächstmöglichen Ausbildungstermin geht nach der BFH-Rechtsprechung auch nicht verloren, wenn das Kind daneben den gesetzlichen Zivildienst (BFH Urteil vom 27.9.2012, III R 70/11) oder den Grundwehrdienst ableistet oder vollerwerbstätig ist (BFH Urteil vom 15.3.2012, III R 20/11 unter Hinweis auf BFH Urteil vom 17.6.2010, III R 34/09, BStBl II 2010, 982).

Als Nachweisbeispiele dienen nach DA A 17.1 Abs. 2 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010:

  • schriftliche Bewerbungen unmittelbar an Ausbildungsstellen sowie deren Zwischennachricht oder Ablehnung,

  • die schriftliche Bewerbung bei der SfH (vormals ZVS),

  • die schriftliche Bewerbung für den freiwilligen Wehrdienst,

  • die schriftliche Zusage einer Ausbildungsstelle,

  • Suchanzeigen in Zeitungen,

  • die Bescheinigung über die Registrierung als Bewerber für einen Ausbildungsplatz oder für eine Bildungsmaßnahme bei einer Agentur für Arbeit oder bei einem anderen zuständigen Leistungsträger (Jobcenter), hierfür steht der Vordruck »Bescheinigung über ein Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz« zur Verfügung); in Zweifelsfällen ist die tatsächliche Bewerbereigenschaft, ggf. nach Rücksprache mit der zuständigen Agentur für Arbeit bzw. dem zuständigen Leistungsträger, festzustellen (vgl. BFH Urteil vom 18.6.2015, VI R 10/14, BStBl II 2015, 940),

  • telefonische Anfragen können im Einzelfall als Nachweis ausreichen, wenn detailliert und glaubhaft dargelegt wird, mit welchen Firmen, Behörden usw. zu welchen Zeitpunkten (erfolglose) Gespräche geführt worden sind,

  • von der Agentur für Arbeit für die Rentenversicherung ausgestellte Bescheinigung über Anrechnungszeiten der Ausbildungssuche i.S.d. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI; vgl. BFH Urteil vom 22.9.2011, III R 30/08. Einer von der Agentur für Arbeit für den Rentenversicherungsträger erstellten Bescheinigung über Anrechnungszeiten der Ausbildungssuche i.S.d. § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3a SGB VI kommt als öffentlicher Urkunde (§ 418 ZPO) hinsichtlich des darin vermerkten Tages der Anmeldung des Ausbildungssuchenden bei der Berufsberatung ein besonderer Beweiswert zu, der ggf. aber widerlegt werden kann,

  • die Bescheinigung über die Registrierung als Ratsuchender bei der Agentur für Arbeit.

Beispiel 3:

Das Kind legt die Abiturprüfung im April eines Jahres ab (offizielles Schuljahresende in diesem Land). Unmittelbar nach Ablegung der Abiturprüfung beabsichtigt das Kind, im Oktober des Jahres ein Studium zu beginnen, und bewirbt sich im Juli (Eröffnung des Verfahrens bei der SfH) um einen Studienplatz. Im September erhält das Kind jedoch die Absage an der SfH. Das Kind möchte sich zum Sommersemester des nächsten Jahres erneut um einen Studienplatz bewerben.

Lösung:

Das Kind kann wie folgt berücksichtigt werden:

  • bis einschließlich April als Kind, das für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EstG),

  • ab Mai durchgängig als Kind ohne Ausbildungsplatz (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG), von Mai bis September, weil es nach dem Schulabschluss die Ausbildung aufgrund des Vergabeverfahrens der SfH zunächst nicht fortsetzen konnte, und für den Zeitraum ab Oktober aufgrund der Absage der SfH und des weiter bestehenden Ausbildungswunsches. Das Kind kann für den Zeitraum berücksichtigt werden, in dem es auf einen Ausbildungsplatz wartet (BFH vom 7.8.1992, III R 20/92, BStBl II 1993, 103). Die Wartezeit beginnt beispielsweise mit der Beendigung der Schulausbildung, einer (ersten) Ausbildung oder eines Ausbildungsabschnitts.

Für ein Kind i.S.v. § 32 Abs. 4 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG, das bei der Agentur für Arbeit weder als arbeitssuchend noch als »Bewerber« für einen Ausbildungsplatz registriert ist und das auch nicht nachweislich eigenständig nach einem Ausbildungsplatz sucht, kann kein Kindergeld gewährt werden; vgl. FG Münster Urteil vom 5.3.2013, 13 K 2572/11 Kg.

Der Registrierung als Ausbildungssuchender kommt keine echte Tatbestandswirkung zu. Sie gilt deshalb als Indiz für das Bemühen um einen Ausbildungsplatz auch dann fort, wenn die Agentur für Arbeit nach der Meldung des Kindes die Registrierung ohne Grund wieder löscht; vgl. BFH Urteil vom 18.6.2015, VI R 10/14. Die Meldung als Ausbildungssuchender ist nach § 38 Abs. 4 SGB III n.F. nicht mehr auf drei Monate beschränkt. Die Ausbildungsvermittlung ist nach § 38 Abs. 4 SGB III n.F. durchzuführen, bis die Ausbildungssuche in Ausbildung, schulische Bildung oder Arbeit mündet oder sich die Vermittlung anderweitig erledigt oder solange der Ausbildungssuchende dies verlangt.

In einem Urteil des FG Münster vom 9.8.2013 (14 K 4138/10) erfolgt keine Berücksichtigung eines langfristig erkrankten Kindes als ausbildungsplatzsuchend. Ein Kind, das in einem Maße langfristig, mithin nicht nur »zeitweise« bzw. »vorübergehend« erkrankt ist, sodass nicht absehbar ist, ob sich der Gesundheitszustand so weit verbessern wird, dass es die Ausbildungssuche in näherer Zukunft wieder aufnehmen kann, kann nicht mehr als ausbildungsplatzsuchend nach den Maßstäben des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG berücksichtigt werden; in Betracht kommt eine Berücksichtigung nach den Maßstäben des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG.

Mit Urteil vom 26.8.2014 (XI R 14/12) hat der BFH entschieden, dass die Berücksichtigung eines volljährigen Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfordert, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben. Im vorliegenden Sachverhalt ging es um eine junge Frau, die sich zunächst vergeblich um eine Ausbildungsstelle bei der Polizei bemüht hatte. Anschließend bewarb sie sich bei mehreren Universitäten und Hochschulen um Studienplätze und erhielt auch einige Zusagen – ließ jedoch sämtliche Einschreibefristen verstreichen. Die BFH-Richter konnten insbes. keine Ausbildungswilligkeit der jungen Frau erkennen – die das Finanzgericht allein daraus abgeleitet hatte, dass sich die Frau bei insgesamt 15 Universitäten bzw. Fachhochschulen um einen Studienplatz für das Wintersemester 2009/2010 beworben und letztlich am 1.3.2011 tatsächlich ein Studium aufgenommen hatte. Das genüge nicht, erklärte der BFH unter Verweis auf ähnliche, in früheren Jahren ergangene Urteile: Es komme unter anderem darauf an, ob das Kind die angestrebte Ausbildung entsprechend der Aufnahmezusage tatsächlich auch begonnen habe. Das war hier nicht der Fall, denn es lagen schon für das Wintersemester 2009/2010 Studienplatzzusagen mehrerer Hochschulen und Universitäten vor. Das Kindergeld war daher nach Auffassung der BFH-Richter zu Recht gestrichen worden.

Die Wahrnehmung eines 1 €-Jobs schließt die Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Buchst. c EStG (Warten auf einen Ausbildungsplatz) nicht aus; vgl. FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 9.11.2007, 5 K 2580/06. Eine für den Anspruch auf Kindergeld schädliche Änderung der Verhältnisse i.S.d. § 70 Abs. 2 EStG tritt nicht allein deshalb ein, weil das Kind einen 1 €-Job wahrnimmt, da es sich dabei nicht nur um eine Maßnahme zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten für Arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitssuchende, sondern auch um eine Maßnahme handeln kann, die den Berücksichtigungstatbestand für die Zahlung von Kindergeld – Warten auf einen Ausbildungsplatz – erfüllt.

Eine Vollzeiterwerbstätigkeit steht der Berücksichtigung als Kind i.S.d. § 32 Abs. 4 EStG nicht entgegen (Festhalten am Senatsurteil vom 17.6.2010, III R 34/09, BStBl II 2010, 982). Die Grundsätze dieses Urteils gelten auch dann, wenn das Kind sich aus einer mehrjährigen Berufstätigkeit heraus um eine weitere Berufsausbildung bemüht, diese Ausbildung aus studienorganisatorischen Gründen aber nicht sogleich antreten kann und bis dahin im Beruf weiterarbeitet; vgl. BFH Urteil vom 8.2.2013, III R 9/12.

Die Ablehnung eines angebotenen Ausbildungs-/Studienplatzes ist nicht gleichbedeutend mit der Beendigung der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG; vgl. Niedersächsisches FG vom 8.2.2012, 9 K 49/10. In der anschließenden Revision entschied der BFH mit Urteil vom 26.8.2014, XI R 14/12 wie folgt: Die Berücksichtigung eines volljährigen Kindes gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG erfordert, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben. Das FG hat die Entscheidung, ob sich das Kind ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat, unter Berücksichtigung von entsprechenden Beweisanzeichen zu treffen; ggf. ist das Kind anzuhören. Bei der Entscheidung handelt es sich um eine Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles, die durch den BFH nur eingeschränkt überprüfbar ist.

2.2.5. Berücksichtigung nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. d EStG

Nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. d EStG kann ein Kind berücksichtigt werden, das

  • ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr i.S.d. JFDG,

  • einen Freiwilligendienst der EU i.S.d. Programms »Jugend in Aktion«,

  • einen anderen Dienst im Ausland,

  • einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst »weltwärts« i.S.d. Richtlinie des BMZ vom 1.8.2007 (BAnz 2008 S. 1297),

  • einen Freiwilligendienst aller Generationen i.S.v. § 2 Abs. 1a SGB VII; vgl. auch BFH Urteil vom 24.5.2012, III R 68/11: Kinder können nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG wegen der Teilnahme an einem Freiwilligendienst aller Generationen nur berücksichtigt werden, wenn der Dienst die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a SGB VII erfüllt. Die insoweit erforderliche Vereinbarung zwischen dem Kind und dem Träger des Freiwilligendienstes muss das Schriftformerfordernis erfüllen und die Bezeichnung des Trägers und der Einsatzstelle, die Aufgaben des Freiwilligen, die Angabe des mindestens sechsmonatigen Verpflichtungszeitraums und der wöchentlichen Stundenzahl von mindestens acht Stunden, die Verpflichtung des Trägers zur Sicherstellung des Haftpflicht- und Unfallversicherungsschutzes sowie zur kontinuierlichen Begleitung des Freiwilligen und zu dessen Fort- und Weiterbildung im Umfang von mindestens durchschnittlich 60 Stunden je Jahr enthalten.

  • einen Internationalen Jugendfreiwilligendienst i.S.d. Richtlinie des BMFSFJ vom 20.12.2010, zuletzt geändert am 4.1.2021 (BMBL 2021, 77) oder

  • einen Bundesfreiwilligendienst i.S.d. BFDG leistet.

Kinder, die einen Freiwilligendienst leisten, werden steuerrechtlich nur berücksichtigt, wenn der Dienst die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. d EStG in Verbindung mit der jeweiligen Verweisungsnorm erfüllt. Die Vorschrift ist nicht analog auf andere freiwillige soziale Dienste anwendbar; vgl. auch BFH vom 18.3.2009, III R 33/07 sowie BFH vom 18.3.2009, III R 64/07.

Eine Berücksichtigung ist auch bei der Leistung verschiedener Freiwilligendienste möglich.

Der Bundesfreiwilligendienst führt gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG im Gegensatz zum Zivildienst zum originären Anspruch auf die kindbedingten Vergünstigungen.

Die Berücksichtigung von Kindern während des Wehrdienstes ist zumindest in den ersten Monaten für Zeiten der Berufsausbildung möglich; vergleiche hierzu ausführlich die Ausführungen vom 25.3.2015, BStBl I 2015, 254.

Die DA A 18 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010 enthält eine Auflistung der berücksichtigungsfähigen Dienste.

Die Vorschrift ist nicht analog auf andere freiwillige soziale Dienste anwendbar, z.B. bei unentgeltlichem Friedensdienst im Ausland (BFH Urteil vom 18.3.2009, III R 33/07, BStBl II 2009, 1010). Ggf. kommt eine Berücksichtigung als Praktikum in Betracht.

Mit Urteil vom 18.6.2014 (III B 19/14) stellt der BFH erneut klar, dass nach ständiger Rechtsprechung des BFH Kinder nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG wegen der Teilnahme an einem Freiwilligendienst nur berücksichtigt werden können, wenn es sich hierbei um die konkret im Gesetz direkt umschriebenen Dienste handelt (Senatsurteile vom 18.3.2009, III R 33/07, BFHE 224, 508, BStBl II 2009, 1010; vom 24.5.2012, III R 68/11, BFHE 238, 394, BStBl II 2013, 864). Diese Voraussetzung lag im Einzelfall nicht vor. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, das Existenzminimum eines Kindes, das einen Freiwilligendienst leistet, bei den Eltern von der Einkommensteuer freizustellen. Dabei liegt es im Rahmen des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers, nur anerkannte, bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen genügende Dienste zu fördern, bei denen durch die pädagogische Begleitung die mit der Förderung verfolgten Ziele gewährleistet werden.

Mit der Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Frauen und Jugend zur Umsetzung des Internationalen Jugendfreiwilligendienstes vom 20.12.2010 und dem Gesetz zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes vom 28.4.2011 wurden zum 1.7.2011 zwei neue Freiwilligendienste geschaffen, die das bereits bestehende Angebot an Engagementmöglichkeiten weiter ergänzen Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Beitreibungsrichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften wurden diese Freiwilligendienste in den Katalog des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG aufgenommen und führen damit zum Anspruch auf Kindergeld bzw. auf Freibeträge für Kinder. Anders als der Zivildienst als Vorgängerregelung führt der Bundesfreiwilligendienst als Nachfolgeregelung zum Anspruch der Eltern auf alle kindbedingten Vergünstigungen; vgl. BZSt vom 24.6.2011, BStBl I 2011, 579).

Mit Urteil vom 26.2.2015, 10 K 585/14, hat das FG München entschieden, dass während eines zweijährigen Missionarsdienstes des Kindes in den USA mangels Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland bzw. in einem EU- oder EWR-Staat kein Anspruch auf Kindergeld besteht. Für den Übergangszeitraum von maximal vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten besteht bei inländischem Wohnsitz des Kindes Anspruch auf Kindergeld auch dann, wenn während des zweiten Ausbildungsabschnitts (Missionarsdienst) der Kindergeldanspruch mangels Wohnsitzes/gewöhnlichen Aufenthalts im Inland bzw. in einem EU-/EWR-Staat entfällt.

Kinder, die einen freiwilligen unentgeltlichen Dienst leisten, werden für das Kindergeld berücksichtigt, wenn es sich um einen in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG aufgezählten Freiwilligendienst handelt.

Die von der »Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V.« organisierten Dienste im Ausland erfüllen nicht die gesetzlichen Voraussetzungen eines freiwilligen sozialen Jahres i.S.d. FSJG, eines freiwilligen ökologischen Jahres i.S.d. FÖJG oder eines europäischen Freiwilligendienstes. Sie konnten allenfalls als Dienst im Ausland i.S.v. § 14b ZDG einen Anspruch auf Kindergeld für wehrpflichtige, den Kriegsdienst verweigernde Kinder begründen, da nach § 14b Abs. 1 ZDG Kriegsdienstverweigerer nicht zum Zivildienst herangezogen werden, wenn sie unentgeltlich einen Dienst im Ausland leisten, der das friedliche Zusammenleben der Völker fördern will und der von einem nach § 14b Abs. 3 ZDG anerkannten Träger durchgeführt wird.

In einem weiteren Streitfall (BFH Urteil vom 7.4.2011, III R 11/09) begehrte ein Kläger Kindergeld für einen mehrmonatigen Zeitraum, den seine Tochter unmittelbar nach dem Abitur bei einer Ordensgemeinschaft in Kamerun als »Missionarin auf Zeit« verbracht hatte. Sie arbeitete dort unentgeltlich vor allem in einem Kindergarten, einem Internat und einer Gesundheitsstation. Als Gegenleistung erhielt sie lediglich freie Unterkunft und Verpflegung. Nach ihrem Kamerunaufenthalt nahm die Tochter zunächst ein Studium und später eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin auf. Der BFH verneinte einen Kindergeldanspruch.

Ein Kind, das einen zweijährigen Freiwilligendienst aller Generationen (Missionarsdienst) in den USA leistet, ist jedenfalls nur unter den Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 Satz 3 (nunmehr Satz 6) EStG a.F. zu berücksichtigen; vgl. BFH Urteil vom 13.7.2016, XI R 8/15. In der Vorinstanz entschied das FG München mit Urteil vom 26.2.2015, 10 K 585/14, dass während eines zweijährigen Missionarsdienstes des Kindes in den USA mangels Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts im Inland bzw. in einem EU- oder EWR-Staat kein Anspruch auf Kindergeld besteht.

Nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG ist ein Kind zu berücksichtigen, wenn es einen Bundesfreiwilligendienst i.S.d. BFDG leistet. Der Bund und die Freiwilligen schließen vor Beginn des Bundesfreiwilligendienstes eine schriftliche Vereinbarung ab. Der Dienst wird in einer vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben anerkannten Einsatzstelle geleistet. Er dauert zwischen 6 und 18 Monate, im Ausnahmefall bis zu 24 Monate. Eine Ableistung in zeitlich getrennten Abschnitten ist möglich, wenn ein Abschnitt mindestens drei Monate dauert. Der Nachweis ist wie folgt zu erbringen:

  • durch Vorlage der mit dem Bund vor Beginn des Freiwilligendienstes geschlossenen Vereinbarung,

  • durch Vorlage der nach Abschluss des Dienstes ausgestellten Bescheinigung der Einsatzstelle.

Kinder, die einen Freiwilligendienst i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.12.2013 zur Einrichtung von »Erasmus+« leisten, werden steuerrechtlich nur berücksichtigt, wenn der Dienst die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG i.V.m. der Verordnung erfüllt. Ein Freiwilligendienst im Rahmen des Programms »Erasmus+« liegt nur bei der Teilnahme an einem von einer Nationalen Agentur anerkannten Projekt vor. Nicht ausreichend ist es, wenn die Organisation, bei der das Kind seinen Dienst leistet, als Veranstalter für das Programm »Erasmus+« registriert und akkreditiert ist; vgl. BFH vom 1.7.2020, III R 51/19.

3. Berücksichtigung volljähriger Kinder nach der Neuregelung durch das Steuervereinfachungsgesetz (ab 1.1.2012 gültig)

3.1. Berücksichtigung volljähriger Kinder (§ 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG)

Das Steuervereinfachungsgesetz 2011 hat die steuerliche Berücksichtigung von volljährigen Kindern wesentlich vereinfacht. Die Rechtslage einschließlich 2011, wonach volljährige Kinder nur berücksichtigt werden, wenn ihre Einkünfte und Bezüge (→ Einkünfte und Bezüge von Kindern) den Jahresgrenzbetrag von 8 004 € nicht überschreiten, wurde überarbeitet. Durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1.11.2011 (BGBl I 2011, 2131) ist die Einkünfte- und Bezügegrenze aufgehoben worden. In Absatz 4 des § 32 EStG wurden die Sätze 2–10 wie folgt ersetzt:

»Nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums wird ein Kind in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2 nur berücksichtigt, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Eine Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit, ein Ausbildungsdienstverhältnis oder ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne der § 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch sind unschädlich.«

Die Prüfung der Erwerbstätigkeit ist somit bereits dann erforderlich, wenn das Kind entweder eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium abgeschlossen hat. Demnach entfällt die für die Finanzämter und Familienkassen zum Teil komplizierte und aufwändige Berechnung der Einkünfte und Bezüge eines Kindes, was zu einer erheblichen Vereinfachung der Anspruchsvoraussetzungen führt. Ein Kind wird somit generell bis zum Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung bzw. eines Erststudiums ohne weitere Prüfung berücksichtigt.

Hierbei unterstellt der Gesetzgeber zukünftig, dass das Kind nach einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten und die Unterhaltsbedürftigkeit durch die Eltern nicht mehr besteht. Dies hat zur Folge, dass das Kind, wenn es nicht als arbeitsuchend i.S.v. § 32 Abs. 4 Nr. 1 EStG gemeldet (bis 21 Jahre) oder behindert i.S.v. § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG ist, nicht mehr zu berücksichtigen ist.

Wird im Anschluss an eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudiums eine erneute Berufsausbildung oder ein Studium aufgenommen, wird die Vermutung, dass das Kind in der Lage ist, seinen Unterhalt selbst zu bestreiten, wieder aufgehoben. Falls das Kind somit neben der Berufsausbildung keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, durch welche Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht (mehr als 20 Stunden) wird, kommt eine Berücksichtigung als Kind wieder in Betracht. Einer Erwerbstätigkeit mit bis zu 20 Stunden werden gem. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis und ein Ausbildungsverhältnis gleichgestellt. Hierbei unterstellt der Gesetzgeber, dass die Unterhaltsunterstützung durch die Eltern wiederauflebt. Sinn und Zweck für das Einführen der Einschränkung durch die Erwerbstätigkeit ist die Vorbeugung von Gestaltungsmissbräuchen. So soll beispielsweise eine »Pro-forma«-Immatrikulation eines Vollzeitbeschäftigten nicht den Kindergeldanspruch ermöglichen.

3.2. »Für einen Beruf ausgebildet werden« i.S.v. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG vs. »erstmalige Berufsausbildung«/»Erststudium« i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG

Die Einschränkung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gilt nicht für Kinder ohne Arbeitsplatz i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG und Kinder mit Behinderung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG; vgl. A 20.1 Abs 2 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010.

Unter den o.g. Tatbestandsmerkmalen ist im Allgemeinen eine Ausbildungsmaßnahme zu verstehen, durch welche notwendige fachliche Fertigkeiten und Kenntnisse erworben werden, die zur Aufnahme eines Berufes befähigen. Beim näheren Betrachten der Tatbestandsmerkmale sind allerdings wesentliche Unterschiede zu erkennen. Das BMF nimmt in seinem Schreiben vom 7.12.2011 (BStBl I 2011,1243) ausführlich Stellung zu den Begriffen »Für einen Beruf ausgebildet werden«, »Erstmalige Berufsausbildung«, »Erststudium« sowie »Erwerbstätigkeit«.

Mit Schreiben vom 8.2.2016, BStBl I 2016, 226 hat das BMF das bisherige Schreiben überarbeitet und an die neue Rechtsprechung angepasst.

3.2.1. »Für einen Beruf ausgebildet werden« gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG

Ein Kind, welches das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat, wird gem. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. Dieses Tatbestandsmerkmal zur Berücksichtigung als Kind wird seit jeher von der Rspr. sehr weit gefasst. Im Allgemeinen werden hierbei Kinder erfasst, die ihr Berufsziel noch nicht erreicht haben, sich aber ernstlich darauf vorbereiten. Hierzu dienen alle Maßnahmen, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Unmaßgeblich ist bei dieser Beurteilung, ob die Maßnahme in einer Ausbildungsordnung oder Studienordnung vorgeschrieben ist.

Insbes. gelten die folgenden Maßnahmen als berücksichtigungsfähig:

  • der Besuch einer allgemein- oder berufsbildenden Schule,

  • die Ausbildung in einem berufsbezogenen Ausbildungsverhältnis, insbes. Berufsausbildungsverhältnisse gem. § 1 Abs. 3, §§ 4 bis 52 BBiG bzw. §§ 21 bis 40 HwO. Der erforderliche Abschluss besteht hierbei in der erfolgreich abgelegten Abschlussprüfung i.S.d. § 37 BBiG und § 31 HwO.

  • der Besuch einer Hochschule,

  • ein Praktikum.

Die Finanzgerichte sowie der BFH haben in folgenden Fällen das Tatbestandsmerkmal unter weiteren bestimmten Voraussetzungen als erfüllt angesehen:

  • Grundsatzurteil: BFH Urteil vom 9.6.1999, VI R 33/98, BStBl II 1999, 701. Für die Anerkennung einer Berufsausbildung kommt es nicht darauf an, ob sie in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist (H 32.5 [Freiwillige Maßnahme] EStH);

  • Besuch von allgemeinbildenden Schulen wie Grund-, Haupt- und Oberschulen;

  • Ein Kind, das ein sechsmonatiges Bildungsprogramm zur Berufsausbildung durchläuft, dessen Ziel es ist, junge Schulabsolventen dabei zu begleiten, ihre individuellen Brücken zwischen Schulabschluss und Berufsleben zu bauen, befindet sich in Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. Ziel des Programmes war es, dem Stipendiaten Orientierungsmöglichkeiten für seine Berufsfindung zu geben und ihn erste praktische Erfahrungen sammeln zu lassen; vgl. FG Münster vom 26.8.2020, BStBl I 2020, 702.

  • Beschäftigung als Friseurassistentin, ohne dass das Kind als Auszubildende bei der Handwerkskammer gemeldet war (FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 12.7.2010, 5 K 2542/09);

  • zur Au-pair-Tätigkeit: BFH Urteil vom 9.6.1999, VI R 143/98, BStBl II 1999, 710, H 32.5 [Sprachaufenthalt im Ausland] EStH. Leistungen der Gasteltern für eine Au-pair-Tätigkeit des Kindes sind Bezüge i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG (BFH Urteil vom 22.5.2002, VIII R 74/01, FR 19/2002, 1082; → Einkünfte und Bezüge von Kindern);

    Der BFH nimmt im Urteil vom 15.3.2012 (III R 58/08, BStBl II 2012, 743) Stellung zur Anerkennung von Au-Pair-Aufenthalten im Ausland als Berufsausbildung: Demnach sind Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses grundsätzlich nur dann als Berufsausbildung anzusehen, wenn sie von einem durchschnittlich mindestens zehn Wochenstunden umfassenden theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden. Bei weniger als durchschnittlich zehn Wochenstunden können ausnahmsweise einzelne Monate als Berufsausbildung zu werten sein, wenn sie durch intensiven, die Grenze von zehn Wochenstunden deutlich überschreitenden Unterricht geprägt werden (z.B. Blockunterricht oder Lehrgänge). Darüber hinaus können Auslandsaufenthalte im Einzelfall als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Fremdsprachenunterricht zwar weniger als zehn Wochenstunden umfasst, aber einen über die übliche Vor- und Nachbereitung hinausgehenden zusätzlichen Zeitaufwand erfordert (z.B. fachlich orientierter Sprachunterricht, Vorträge des Kindes in der Fremdsprache). Auslandsaufenthalte, die von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorausgesetzt werden oder der Vorbereitung auf einen für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest dienen (z.B. TOEFL oder IELTS), können unabhängig vom Umfang des Fremdsprachenunterrichts als Berufsausbildung zu qualifizieren sein; der BFH bekräftigt seine langjährige Rspr., dass Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-Pair-Verhältnisses nur dann als Berufsausbildung angesehen werden, wenn sie von einem mindestens zehn Wochenstunden umfassenden Sprachunterricht begleitet werden. Die Frage, ob eine Wochenstunde 45 oder 60 Minuten umfasst und ob ggf. umzurechnen ist, bleibt offen. Offen bleibt auch, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen Unterrichtsstunden in der Fremdsprache und in anderen Fächern zusammenzurechnen sind, wenn letztere nicht bereits für sich eine Ausbildung darstellen.

  • zum Fernlehrgang: FG München vom 27.2.2008, 10 K 931/07 sowie FG Nürnberg Urteil vom 9.5.2012, 3 K 896/11; Eine Schulausbildung ist nicht nur dann als Berufsausbildung anzuerkennen, wenn der Schüler in eine schulische Mindestorganisation eingebunden ist, die eine gewisse Lernkontrolle ermöglicht. Bereitet sich ein Kind ohne regelmäßigen Besuch einer Ausbildungsstätte selbstständig auf Prüfungen vor, sind an den Nachweis und die Ernsthaftigkeit der Vorbereitung grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen. Zweifel gehen nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten des Kindergeldberechtigten; vgl. hierzu auch den Beschluss des BFH vom 9.11.2012, III B 98/12.

  • zur Promotion: BFH Urteil vom 9.6.1999, VI R 92/98, BStBl II 1999, 708, H 32.5 [Praktikum, Volontariat und Trainee-Programm] EStH;

  • zum Volontariat: BFH Urteil vom 9.6.1999, VI R 50/98, BStBl II 1999, 706, H 32.5 [Praktikum, Volontariat und Trainee-Programm] EStH.

  • zum Berufspraktikum: BFH Urteil vom 9.6.1999, VI R 16/99, BStBl II 1999, 713, H 32.5 [Praktikum] EStH). Ein Praktikum, das weder vorgeschrieben noch empfohlen ist, kann für die Dauer berücksichtigt werden, in der ein ausreichender Bezug zum Berufsziel glaubhaft gemacht wird, längstens für zwölf Monate. Von einem ausreichenden Bezug kann ausgegangen werden, wenn dem Praktikum ein detaillierter Ausbildungsplan zu Grunde liegt, der darauf zielt, unter fachkundiger Anleitung für die Ausübung des angestrebten Berufs wesentliche Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln.

    Wird nicht nachgewiesen, dass bei einem Praktikum auf einem Reiterhof der Ausbildungscharakter im Vordergrund steht, ist das Praktikum nicht als Berufsausbildung anzuerkennen; vgl. BFH vom 21.10.2015, XI R 17/14.

  • Zum Praktikum in einem Tattoo-Studio vgl. FG Düsseldorf Urteil vom 4.10.2016, 10 K 1416/16 AO: Das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom 4.10.2016 entschieden, dass es sich bei einem ernsthaft und mit hinreichendem Zeitaufwand (15 Stunden pro Woche) betriebenen Praktikum in einem Tattoo-Studio zum Erwerb der Kenntnisse und Fähigkeiten, die für den Beruf Tätowierer benötigt werden, um eine die Berücksichtigungsvoraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld erfüllende Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG handelt.

  • Das Tatbestandsmerkmal »für einen Beruf ausgebildet wird« i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfordert, dass der Erwerb der Kenntnisse regelmäßig einen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweisen muss. In Fällen, in denen der Ausbildungscharakter der Maßnahmen zweifelhaft ist, kommt diesem konkreten Bezug entscheidende Bedeutung zu. Der Besuch einer nicht allgemeinbildenden Schule, der nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf, sondern vorrangig der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl sowie der Persönlichkeitsbildung und Charakterbildung i.S.d. Leitbilds der Schule dient, stellt keine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar; vgl. BFH Urteil vom 13.12.2018, III R 25/18, BStBl II 2019, 256.

  • zum College-Besuch: Zur Berufsausbildung gehört auch der Besuch von Allgemeinwissen vermittelnden Schulen wie Grund-, Haupt- und Oberschulen sowie von Fach- und Hochschulen. Auch der Besuch eines Colleges in den USA kann zur Berufsausbildung zählen; BFH Urteil vom 9.6.1999, VI R 34/98, BStBl II 1999, 705, H 32.5 [Schulbesuch] EStH.

  • Das Referendariat im Anschluss an die erste juristische Staatsprüfung gehört zur Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG (BFH Urteil vom 10.2.2000, VI B 108/99, BStBl II 2000, 398).

  • Die Vorbereitung auf das Schulfremdenabitur im Wege des Selbststudiums stellt eine Berufsausbildung dar. Einer schulischen Einbindung bedarf es hierzu nicht (FG Baden-Württemberg rkr. Urteil vom 4.5.2001, EFG 2001, 1299 und Urteil vom 26.2.2002, 2 K 212/01, EFG 2002, 771). Auch das FG Düsseldorf hat mit Urteil vom 21.2.2006 (10 K 171/03, EFG 2006, 1073, LEXinform 5002041) entschieden, dass die Vorbereitung auf die Abiturprüfung für Nichtschüler eine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG darstellt.

Zu berücksichtigen sind nach A 15.2 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010:

  • der Vorbereitungsdienst der Lehramts- und Rechtsreferendare (BFH Urteil vom 10.2.2000, VI B 108/99, BStBl II 2000, 398),

  • der Vorbereitungsdienst der Beamtenanwärter,

  • die in Berufen des Sozialwesens und der nichtärztlichen medizinischen Hilfstätigkeiten im Anschluss an die schulische Ausbildung zu leistenden Berufspraktika, die Voraussetzung für die staatliche Anerkennung in dem ausgebildeten Beruf und die Berufsausübung sind,

  • eine Ausbildung während des Strafvollzugs,

  • die der Ausbildung zum Ordensgeistlichen bzw. der Tätigkeit als Laienbruder oder Ordensschwester vorangehende Zeit eines Postulats oder Noviziats,

  • die Unterweisung in einem Anlernverhältnis, wenn ihr ein Ausbildungsplan zugrunde liegt, sie auf qualifizierte Tätigkeiten ausgerichtet ist und nicht den Charakter einer Arbeitsleistung gegen Entgelt hat; dies wird insbes. anzunehmen sein, wenn der Anlernling für die übliche Dauer einer Berufsausbildung für einen Beruf ausgebildet wird, der früher als Ausbildungsberuf anerkannt war,

  • die Einstiegsqualifizierung i.S.d. § 54a SGB III i.V.m. § 16 SGB II.

Hinweis:

Der Erwerb eines allgemeinbildenden Schulabschlusses führt nicht zum Verbrauchen der erstmaligen Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.

Im Übrigen fallen unter die Vorschriften auch die

  • zweite Berufsausbildung,

  • ein Studium nach abgeschlossener erstmaliger Berufsausbildung sowie

  • ein Zweitstudium.

In diesen Fällen ist allerdings zu prüfen, ob das Kind einer schädlichen Erwerbstätigkeit nachgeht.

3.2.2. »Erstmalige Berufsausbildung/Erststudium«

Der Begriff der erstmaligen Berufsausbildung ist grds. deckungsgleich mit dem des § 12 Nr. 5 EStG. Hierbei gilt als erstmalige Berufsausbildung die Erlangung der notwendigen fachlichen Fertigkeiten und Kenntnisse durch eine berufliche Ausbildungsmaßnahme, die zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Im Gegensatz zum Tatbestandsmerkmal »für einen Beruf ausgebildet werden« i.S.d. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG wird im Übrigen verlangt, dass die Ausbildung in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang erlernt wird und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen wird. Eine Berufsausbildung gilt weiterhin dann als erstmalig, wenn ihr keine abgeschlossene Berufsausbildung oder kein abgeschlossenes Hochschulstudium (abgeschlossenes Erststudium) vorausgegangen ist.

Zur Berufsausbildung nach dem BMF-Schreiben vom 8.2.2016, BStBl I 2016, 226 Rz. 4 zählen (vgl. auch A 20.2.1 Abs. 2 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010):

  • Berufsausbildungsverhältnisse gem. § 1 Abs. 3, §§ 4 bis 52 Berufsbildungsgesetz (BBiG) sowie anerkannte Lehr- und Anlernberufe oder vergleichbar geregelte Ausbildungsberufe aus der Zeit vor dem Inkrafttreten des BBiG (§ 104 BBiG). Der erforderliche Abschluss besteht hierbei in der erfolgreich abgelegten Abschlussprüfung i.S.d. § 37 BBiG. Gleiches gilt, wenn die Abschlussprüfung nach § 43 Abs. 2 BBiG ohne ein Ausbildungsverhältnis auf Grund einer entsprechenden schulischen Ausbildung abgelegt wird, die gemäß den Voraussetzungen des § 43 Abs. 2 BBiG als im Einzelnen gleichwertig anerkannt ist;

  • mit Berufsausbildungsverhältnissen vergleichbare betriebliche Ausbildungsgänge außerhalb des Geltungsbereichs des BBiG (z.B. die Ausbildung zum/zur Schiffsmechaniker/Schiffsmechanikerin nach der See-Berufsausbildungsverordnung – See-BAV) vom 10.9.2013, BGBl I 2013, 3565, in der jeweils geltenden Fassung;

  • die Ausbildung auf Grund der bundes- oder landesrechtlichen Ausbildungsregelungen für Berufe im Gesundheits- und Sozialwesen;

  • landesrechtlich geregelte Berufsabschlüsse an Berufsfachschulen;

  • die Berufsausbildung behinderter Menschen in anerkannten Berufsausbildungsberufen oder auf Grund von Regelungen der zuständigen Stellen in besonderen »Behinderten-Ausbildungsberufen«;

  • die Berufsausbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis sowie die Berufsausbildung auf Kauffahrtschiffen, die nach dem Flaggenrechtsgesetz vom 8.2.1951 (BGBl I 1951, 79) die Bundesflagge führen, soweit es sich nicht um Schiffe der kleinen Hochseefischerei und der Küstenfischerei handelt und

  • Maßnahmen zur Behebung von amtlich festgestellten Unterschieden zwischen einem im Ausland erworbenen Berufsabschluss und einem entsprechenden im Inland geregelten Berufsabschluss, z.B. Anpassungslehrgänge nach § 11 Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz. Informationen zur Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen (z.B. zu den zuständigen Stellen) sind unter www.anerkennung-in-deutschland.de und www.bq-portal.de zu finden.

Andere Bildungsmaßnahmen werden einer Berufsausbildung gleichgestellt, wenn sie dem Nachweis einer Sachkunde dienen, die Voraussetzung zur Aufnahme einer fest umrissenen beruflichen Betätigung ist. Die Ausbildung muss in einem geordneten Ausbildungsgang erfolgen und durch eine staatliche oder staatlich anerkannte Prüfung abgeschlossen werden. Der erfolgreiche Abschluss der Prüfung muss Voraussetzung für die Aufnahme der beruflichen Betätigung sein. Die Ausbildung und der Abschluss müssen vom Umfang und Qualität der Ausbildungsmaßnahmen und Prüfungen her grundsätzlich mit den Anforderungen, die bei Berufsausbildungsmaßnahmen i.S.d. Randziffer 4 gestellt werden, vergleichbar sein. Dazu gehört z. B. die Ausbildung zu Berufspiloten auf Grund der JAR-FCL 1 deutsch vom 15.4.2003, Bundesanzeiger 2003 Nummer 80a. Die Berufsausbildung ist als erstmalige Berufsausbildung anzusehen, wenn ihr keine andere abgeschlossene Berufsausbildung beziehungsweise kein abgeschlossenes berufsqualifizierendes Hochschulstudium vorausgegangen ist. Wird ein Kind ohne entsprechende Berufsausbildung in einem Beruf tätig und führt es die zugehörige Berufsausbildung nachfolgend durch (nachgeholte Berufsausbildung), handelt es sich dabei um eine erstmalige Berufsausbildung (BFH Urteil vom 6.3.1992, BStBl II 1992, 661). Entsprechendes gilt für ausländische Berufsausbildungsabschlüsse, die inländischen Abschlüssen gleichgestellt sind. Bei Abschlüssen aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union (EU) oder einem Vertragsstaat des europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder der Schweiz ist in der Regel davon auszugehen, dass diese gleichgestellt sind.

Hinweis:

Abgebrochene Berufsausbildungen führen nicht zum Verbrauchen der erstmaligen Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. Wird ein Kind ohne entsprechende Berufsausbildung in einem Beruf tätig und führt es die zugehörige Berufsausbildung nachfolgend durch (nachgeholte Berufsausbildung), handelt es sich dabei um eine erstmalige Berufsausbildung.

Ebenso wie der Begriff der erstmaligen Berufsausbildung ist der Begriff des Erststudiums deckungsgleich mit dem des in § 12 Nr. 5 EStG benannten Tatbestandsmerkmals. Unter dem Begriff des Studiums ist ein Studium an einer Hochschule zu verstehen, die unter § 1 des Hochschulrahmengesetzes fällt. Hierzu zählen die Universitäten, die Pädagogischen Hochschulen, die Kunsthochschulen, die Fachhochschulen und die sonstigen Einrichtungen des Bildungswesens, die nach Landesrecht staatliche Hochschulen sind. Ebenso wie bei der erstmaligen Berufsausbildung gilt ein Erststudium i.S.d. Vorschrift erst dann, wenn ihm keine abgeschlossene Berufsausbildung oder kein abgeschlossenes Hochschulstudium vorausgegangen ist und es sich somit um eine Erstausbildung handelt.

Ein Studium stellt ein Erststudium i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dar, wenn es sich um eine Erstausbildung handelt. Es darf ihm kein anderes durch einen berufsqualifizierenden Abschluss beendetes Studium bzw. keine andere abgeschlossene nichtakademische Berufsausbildung vorangegangen sein.

Hinweis:

Abgebrochene Studiengänge führen nicht zum Verbrauchen der erstmaligen Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.

»Für einen Beruf ausgebildet werden« gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG

Dieses Tatbestandsmerkmal ist weiter zu fassen als der Begriff der erstmaligen Berufsausbildung bzw. des Erststudiums. Ausbildungsgänge bzw. Studiengänge, die unter das Tatbestandsmerkmal »erstmalige Berufsausbildung« sowie »Erststudium« zu subsumieren sind, fallen stets hierunter. Demgegenüber fallen Berufspraktika, Sprachaufenthalte etc. nicht zwingend unter das Tatbestandsmerkmal »erstmalige Berufsausbildung« sowie »Erststudium«.

»Erstmalige Berufsausbildung«/»Erststudium«

Dieses Tatbestandsmerkmal ist enger zu fassen als das Tatbestandsmerkmal »für einen Beruf ausgebildet werden«. Zwingende Erfordernis für das Vorliegen dieser Tatbestandsmerkmale ist eine Berufsausbildung in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang (BBiG) mit abgelegter Prüfung bzw. ein Studium an einer Hochschule

Im Übrigen darf zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals keine abgeschlossene Berufsausbildung (oder Studium) vorangegangen sein.

Ein Studium (Erststudium) i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG liegt vor, wenn es an einer Hochschule i.S.d. Hochschulgesetze der Länder absolviert wird. Hochschulen im Sinne dieser Vorschrift sind Universitäten, Pädagogische Hochschulen, Kunsthochschulen, Fachhochschulen und sonstige Einrichtungen des Bildungswesens, die nach dem jeweiligen Landesrecht staatliche Hochschulen sind. Gleichgestellt sind private und kirchliche Bildungseinrichtungen sowie Hochschulen des Bundes, die nach dem jeweiligen Landesrecht als Hochschule anerkannt werden. Nach Landesrecht kann vorgesehen werden, dass bestimmte an Berufsakademien oder anderen Ausbildungseinrichtungen erfolgreich absolvierte Ausbildungsgänge einem abgeschlossenen Studium an einer Fachhochschule gleichwertig sind und die gleichen Berechtigungen verleihen. Ein Studium stellt ein Erststudium i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG dar, wenn es sich um eine Erstausbildung handelt. Es darf ihm kein anderes durch einen berufsqualifizierenden Abschluss beendetes Studium bzw. keine andere abgeschlossene nichtakademische Berufsausbildung vorangegangen sein.

Bei einem Wechsel des Studiums ohne Abschluss des zunächst betriebenen Studiengangs stellt das zunächst aufgenommene Studium kein abgeschlossenes Erststudium dar. Bei einer Unterbrechung eines Studiengangs ohne einen berufsqualifizierenden Abschluss und seiner späteren Weiterführung stellt der der Unterbrechung vorangegangene Studienteil kein abgeschlossenes Erststudium dar.

Schädliche Erwerbstätigkeit als Ausschlussgrund

§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG stellt auf die Erwerbstätigkeit als Ausschlussgrund ab. Grundsätzlich wird ein volljähriges Kind zwischen 18 und 25 Jahren künftig (unabhängig von seinen eigenen Einkünften und Bezügen) berücksichtigt. Es findet bis zum Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums ohne weitere Prüfung der Erwerbstätigkeit Berücksichtigung. Danach wird es nur noch anerkannt, wenn es – erstens – einen der Grundtatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt und – zweitens – keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, die seine Zeit und Arbeitskraft überwiegend in Anspruch nimmt. Die gesetzlichen Regelungen für Kinder unter 21 Jahren, die bei einer Agentur für Arbeit als arbeitsuchend gemeldet sind (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG), sowie für behinderte Kinder, die nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen sind, bleiben unverändert. Unter dem Begriff der Erwerbstätigkeit ist nicht nur eine nichtselbstständige Tätigkeit zu verstehen. Ein Kind ist vielmehr erwerbstätig, wenn es einer auf die Erzielung von Einkünften gerichteten Beschäftigung nachgeht, die den Einsatz seiner persönlichen Arbeitskraft erfordert (BFH Urteil vom 16.5.1975, VI R 143/73, BStBl II 1975, 537). Hieraus folgt, dass der Erwerbstätigkeitsbegriff auch durch eine land- und forstwirtschaftliche, eine gewerbliche und eine selbstständige Tätigkeit erfüllt werden kann. Die Verwaltung eigenen Vermögens ist demgegenüber keine Erwerbstätigkeit. Nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist die Erwerbstätigkeit unschädlich, wenn die 20-Stunden-Grenze nicht überschritten wird. Unschädlich ist eine Erwerbstätigkeit dann, wenn die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit insgesamt nicht mehr als 20 Stunden beträgt. Hierbei ist von der individuell vertraglich vereinbarten Arbeitszeit auszugehen. Eine vorübergehende (höchstens zwei Monate andauernde) Ausweitung der Beschäftigung auf mehr als 20 Stunden ist unbeachtlich, wenn während des Zeitraums innerhalb eines Kalenderjahres, in dem einer der Grundtatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt ist, die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt.

Zur schädlichen Erwerbstätigkeit (20 Stunden) nahm das FG Düsseldorf mit Urteil vom 29.8.2013, 3 K 2231/12 Kg wie folgt Stellung: Für ein volljähriges Kind, das ein Erststudium mit dem Bachelor-Studium abgeschlossen hat und während seines Promotionsstudiums einer Erwerbstätigkeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 20 Stunden nachgeht, kann kein Kindergeld gezahlt werden. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG regelt als Unterausnahme zu Satz 2, dass die gesetzliche Vermutung des Wegfalls der Unterhaltsberechtigung nach Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung als widerlegt gilt, wenn das Kind weiterhin für einen Beruf ausgebildet wird und tatsächlich keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, die Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht. Die Neuregelung in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist übrigens verfassungsgemäß.

Einer unschädlichen Erwerbstätigkeit von nicht mehr als 20 Stunden wird ein Ausbildungsdienstverhältnis und ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis i.S.d. §§ 8 und 8a des Vierten Buches Sozialgesetzbuch gleichgestellt. Ein Ausbildungsdienstverhältnis ist gegeben, wenn die Ausbildungsmaßnahme Gegenstand des Dienstverhältnisses ist. Weil hier nicht die Erwerbstätigkeit, sondern die Ausbildung Zeit und Arbeitskraft des Kindes überwiegend beansprucht, hielt es der Gesetzgeber für gerechtfertigt, die Ausbildungsdienstverhältnisse als unschädliche Erwerbstätigkeit zu qualifizieren. Der typische Fall eines Ausbildungsdienstverhältnisses ist die Lehre, bei der ein Auszubildender in einem Betrieb ausgebildet wird und daneben die Berufsschule besucht.

Als Ausbildungsdienstverhältnisse kommen insbes. in Betracht; vgl. DA A 20.3.2. Abs. 1 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010:

  • die Berufsausbildungsverhältnisse gem. § 1 Abs. 3, §§ 4 bis 52 BBiG, 55,

  • ein Praktikum bzw. ein Volontariat, bei dem die Voraussetzungen nach A 14.8 bzw. A 14.6 Abs. 3 vorliegen,

  • das Referendariat bei Lehramtsanwärtern und Rechtsreferendaren zur Vorbereitung auf das zweite Staatsexamen,

  • duale Studiengänge,

  • das Dienstverhältnis von Beamtenanwärtern und Aufstiegsbeamten,

  • das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten während des Studiums an einer Bundeswehrhochschule,

  • das Praktikum eines Pharmazeuten im Anschluss an den universitären Teil des Pharmaziestudiums,

  • das im Rahmen der Ausbildung zum Erzieher abzuleistende Anerkennungsjahr.

Dagegen liegt kein Ausbildungsdienstverhältnis vor, wenn die Ausbildungsmaßnahme nicht Gegenstand des Dienstverhältnisses ist, auch wenn sie seitens des Arbeitgebers gefördert wird, z.B. durch ein Stipendium oder eine Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit.

Die Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter neben einem Promotionsvorhaben stellt kein Ausbildungsdienstverhältnis dar; vgl. FG Münster vom 12.9.2014, 4 K 2950/13 Kg.

Dagegen liegt kein Ausbildungsdienstverhältnis vor, wenn die Ausbildungsmaßnahme nicht Gegenstand des Dienstverhältnisses ist, auch wenn sie seitens des Arbeitgebers gefördert wird, z.B. durch ein Stipendium oder eine Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit.

Bei berufsbegleitenden und berufsintegrierten dualen Studiengängen fehlt es häufig an einer Ausrichtung der Tätigkeit für den Arbeitgeber auf den Inhalt des Studiums, sodass in solchen Fällen die Annahme eines Ausbildungsdienstverhältnisses ausscheidet. Liegt hingegen eine Verknüpfung zwischen Studium und praktischer Tätigkeit vor, die über eine bloße thematische Verbindung zwischen der Fachrichtung des Studiengangs und der in dem Unternehmen ausgeübten Tätigkeit oder eine rein organisatorische Verzahnung hinausgeht, ist die Tätigkeit als im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses ausgeübt zu betrachten.

Eine 19-monatige Ausbildung einer Zeitsoldatin zur Nachschuboffizierin begründet kein Ausbildungsdienstverhältnis gemäß § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG, wenn die Soldatin während der Ausbildungszeit Lehrgänge im Umfang von lediglich 3,5 Monaten besucht und im Übrigen ihren Dienst verrichtet; dies gilt auch dann, wenn der Dienst eine praktische Vorbereitung für die spätere Verwendung als Nachschuboffizierin darstellt; vgl. FG Münster vom 24.7.2015, 4 K 3069/14.

Eine geringfügige Beschäftigung ist in §§ 8 und 8a SGB IV geregelt. Dabei wird zwischen zwei Formen unterschieden: Einer geringfügig entlohnten Beschäftigung (450 €-Job) und einer kurzfristigen Beschäftigung, deren Dauer auf längstens zwei Monate oder 50 Arbeitstage begrenzt ist. Werden mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ausgeübt, sind die jeweiligen Entgelte bzw. die Beschäftigungszeiten zusammenzurechnen. Werden die maßgeblichen Grenzen überschritten, liegt keine geringfügige Beschäftigung vor. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen sind keine besonderen Nachweise erforderlich, wie das BMF-Schreiben vom 7.12.2011 klarstellt (vgl. hierzu Bering/Friedenberg, NWB 2012, 278).

Eine geringfügige Beschäftigung kann neben einer Erwerbstätigkeit nur ausgeübt werden, wenn dadurch insgesamt die 20-Stunden-Grenze nicht überschritten wird.

3.3. Abschluss einer erstmaligen Berufsausbildung oder eines Erststudiums

Eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium sind grundsätzlich abgeschlossen, wenn sie das Kind zur Aufnahme eines Berufs befähigen. Wenn das Kind später eine weitere Ausbildung aufnimmt (z.B. Meisterausbildung nach mehrjähriger Berufstätigkeit auf Grund abgelegter Gesellenprüfung oder Masterstudium nach mehrjähriger Berufstätigkeit), handelt es sich um eine Zweitausbildung. Ist auf Grund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind sein angestrebtes Berufsziel noch nicht erreicht hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein (BFH vom 3.7. 2014, BStBl II 2015, 152, sog. mehraktige Ausbildung). Abzustellen ist dabei darauf, ob die weiterführende Ausbildung in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der nichtakademischen Ausbildung oder dem Erststudium steht und im engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt wird (BFH vom 15.4.2015, BStBl II 2016, 163). Ein enger sachlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die nachfolgende Ausbildung z. B. dieselbe Berufssparte oder denselben fachlichen Bereich betrifft. Ein enger zeitlicher Zusammenhang liegt vor, wenn das Kind die weitere Ausbildung zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnimmt oder sich bei mangelndem Ausbildungsplatz zeitnah zum nächstmöglichen Zeitpunkt für die weiterführende Ausbildung bewirbt. Unschädlich sind Verzögerungen, die z.B. aus einem zunächst fehlenden oder einem aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt verfügbaren Ausbildungsplatz resultieren. Unschädlich ist es auch, wenn das Kind infolge Erkrankung oder wegen eines Beschäftigungsverbots nach den §§ 3 und 6 Mutterschutzgesetz daran gehindert ist, die weitere Ausbildung aufzunehmen. Erst wenn die für das von Kind und Eltern bestimmte Berufsziel geeigneten Grundlagen erreicht sind, stellt eine weitere Ausbildung eine Weiterbildung oder eine Zweitausbildung dar. Setzt das angestrebte Berufsziel keinen weiterführenden Abschluss voraus, handelt es sich bei weiteren Ausbildungsmaßnahmen nach Abschluss der erstmaligen Berufsausbildung um eine Weiterbildung oder eine Zweitausbildung. Eine Berücksichtigung des Kindes ist dann nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nur möglich, wenn das Kind keiner Erwerbstätigkeit nachgeht oder es sich bei den Ausbildungsmaßnahmen um ein Ausbildungsdienstverhältnis handelt (BFH vom 23.6.2015, BStBl II 2016, 55). Für die Frage, ob eine erstmalige Berufsausbildung oder ein Erststudium nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG abgeschlossen sind, kommt es nicht darauf an, ob die Berufsausbildung bzw. das Studium die besonderen Voraussetzungen für eine Erstausbildung i.S.d. § 9 Abs. 6 EStG erfüllen.

Der BFH nimmt im Urteil vom 4.2.2016, II R 14/15, BStBl II 2016, 615 Stellung zur Erstausbildung bei Aufnahme eines Studiums nach Berufstätigkeit: Nimmt demnach ein Kind nach Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung ein Studium auf, welches eine Berufstätigkeit voraussetzt, stellt sich das Studium nicht mehr als integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung dar. Setzt der zweite Ausbildungsabschnitt eine Berufstätigkeit voraus oder nimmt das Kind vor Beginn der zweiten Ausbildung eine Berufstätigkeit auf, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, liegt regelmäßig mangels notwendigen engen Zusammenhangs keine einheitliche Erstausbildung vor.

Eine einheitliche Erstausbildung ist nicht gegeben, wenn ein Kind nach der ersten abgeschlossenen Berufsausbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die im Vergleich zu einer gleichzeitigen weiteren Ausbildung als »Hauptsache« anzusehen ist; vgl. BFH Urteil vom 21.3.2019, III R 56/18. In dem entschiedenen Fall begann der Sohn eine Ausbildung zum Bankkaufmann mit anschließendem Studium zum Bankbetriebswirt.

Der BFH entschied mit Urteil vom 11.4.2018, III R 18/17, BStBl II 2018, 548 wie folgt: Setzt ein Kind nach Beendigung der Ausbildung zur Steuerfachangestellten seine Berufsausbildung mit den weiterführenden Berufszielen »Staatlich geprüfter Betriebswirt« und »Steuerfachwirt« nicht zum nächstmöglichen Zeitpunkt fort, handelt es sich bei der nachfolgenden Fachschulausbildung um eine Zweitausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG. In diesem Fall schließt eine mehr als 20 Wochenstunden umfassende Erwerbstätigkeit während der Zeit des Wartens auf den Antritt der Fachschulausbildung und während deren Durchführung einen Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG aus. Der BFH führte aus, dass die aufeinanderfolgenden Ausbildungsgänge mit einer gewissen Zielstrebigkeit absolviert werden müssen. Im Streitfall hat es die Tochter des Klägers an dieser zielstrebigen und vorausplanenden Verfolgung ihrer Berufspläne fehlen lassen. Zur Sicherung bestehender Kindergeldansprüche ist es daher unbedingt erforderlich, dass die Ausbildungspläne auch der volljährigen Kinder mit den Eltern abgestimmt werden.

Zur Abgrenzung zwischen mehraktiger Erstausbildung und Zweitausbildung bei einem Verwaltungsfachwirt nimmt der BFH mit Urteil vom 20.2.2019, III R 44/18 wie folgt Stellung: Nimmt ein volljähriges Kind nach Erlangung eines ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine nicht unter § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG fallende Berufstätigkeit auf, erfordert § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zwischen einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen. Eine einheitliche Erstausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht mehr anzunehmen, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen.

Mit Urteil vom 10.4.2019, III R 43/17 entschied der BFH, dass eine Erstausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht anzunehmen ist, wenn ein Kind nach Erlangung eines ersten Berufsabschlusses während einer beruflichen Weiterbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die im Vergleich zur Weiterbildung als »Hauptsache« anzusehen ist. Ein »enger zeitlicher Zusammenhang« ist im Übrigen nicht mehr gegeben, wenn das Kind nach Abschluss eines ersten Ausbildungsschrittes eine Mindestwartezeit von sieben Jahren einhalten muss, bevor es mit einem im Hinblick auf das endgültige Berufsziel erforderlichen weiteren Ausbildungsschritt beginnen kann.

Eine einheitliche Erstausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht mehr anzunehmen, wenn ein Kind nach Erlangung eines ersten Berufsabschlusses während einer beruflichen Weiterbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die im Vergleich zur Weiterbildung als »Hauptsache« anzusehen ist; vgl. BFH vom 10.4.2019, III R 48/18.

Das FG Münster hat sich in seinem Urteil vom 25.10.2021, 9 K 976/21 Kg mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Berufstätigkeit beim FA als Diplom-Finanzwirt (FH) nach dem ersten Studienabschluss und vor Aufnahme des Masterstudiums im Wirtschafts- und Steuerrecht unter dem Gesichtspunkt der einheitlichen Erstausbildung gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG eine schädliche zeitliche Zäsur für den Bezug von Kindergeld darstellt. Das FG folgte dabei dem Urteil des BFH vom 18.2.2021, III R 14/19 und entschied, dass die Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt stets als abgeschlossene Erstausbildung anzusehen ist und keinen integrativen Teil einer weitergehenden einheitlichen Ausbildung darstellt.

3.4. Prüfschema

Aufgrund der Neuregelung ergibt sich für die Prüfung der Berücksichtigung als Kind in Bezug auf § 32 Abs. 4 Nr. 2 EStG folgendes Prüfschema:

Abb.: Prüfschema zur Berücksichtigung volljähriger Kinder ab dem Veranlagungszeitraum 2012

Hinweis:

Bei dem Prüfschema sind noch folgende Punkte im Hinblick auf die Prüfung einer mehraktigen Ausbildung zu beachten:

  • Liegt zwischen der Erstausbildung und dem nachfolgenden Ausbildungsabschnitt ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang vor?

  • Ist der weitere Ausbildungsabschnitt ohne Berufspraxis möglich?

  • Steht die Ausbildung im Vordergrund?

3.5. Beispiele

Die folgenden Beispiele veranschaulichen die Regelungen:

Sachverhalt

Lösung

Ein 19-jähriger Schüler wird sein Abitur voraussichtlich im Jahr 2020 absolvieren. Im VZ 2020 erzielt er durch eine erfolgreiche, gewerbliche Betätigung Einkünfte i.H.v. 15 000 €.

§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist erfüllt. Der Besuch einer allgemeinbildenden Schule erfüllt das Tatbestandsmerkmal »für einen Beruf ausgebildet«.

(Hinweis: Der abgeschlossene Schulabschluss führt auch (später) nicht zum Verbrauch der erstmaligen Berufsausbildung.). Das Kind ist zu berücksichtigen, da weder erstmalige Berufsausbildung noch Erststudium abgeschlossen sind. Problem der Erwerbstätigkeit stellt sich im vorliegenden Fall nicht.

Nach dem Schulabschluss beginnt o.g. Abiturient ein Jura-Studium in Mannheim.

§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist erfüllt. Das Studium stellt eine Ausbildung für einen Beruf gem. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG dar. Das Kind ist zu berücksichtigen, da weder erstmalige Berufsausbildung noch Erststudium abgeschlossen sind (Kind ist gerade im Erststudium).

Nach dem Realschulabschluss geht ein Kind (20 Jahre) einer Ausbildung zur Friseurin nach.

§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG erfüllt, da die Ausbildung eine Ausbildung für einen Beruf gem. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG darstellt.

Das Kind ist zu berücksichtigen, da weder erstmalige Berufsausbildung noch Erststudium abgeschlossen sind (Kind ist gerade in der erstmaligen Berufsausbildung).

Anschließend arbeitet das Kind als Vollzeitangestellte in einem Friseurladen. Am Abend holt sie ihr Abitur an einer Abendschule nach.

§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist erfüllt. Der Besuch einer allgemeinbildenden Schule erfüllt das Tatbestandsmerkmal »für einen Beruf ausgebildet«.

Das Kind hat eine erstmalige Berufsausbildung (Friseurin) abgeschlossen. Es ist somit die Erwerbstätigkeit zu prüfen.

Da sie einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht, ist sie als Kind nicht mehr zu berücksichtigen.

Nach dem Abitur beginnt das Kind ein Studium im Bereich Volkswirtschaftslehre. Ihren Beruf behält das Kind bei, reduziert allerdings ihre Arbeitszeit auf 16 Stunden pro Woche. Um über die Runden zu kommen, arbeitet das Kind am Wochenende nebenbei als Kellnerin in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis. Ihre wöchentliche Arbeitszeit aus diesem Beschäftigungsverhältnis beträgt sechs Stunden.

Während des Studiums ist ebenfalls § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfüllt. Das Kind hat allerdings eine erstmalige Berufsausbildung (Friseurin) abgeschlossen, sodass die Erwerbstätigkeit zu prüfen ist. Mehrere nebeneinander ausgeübte Tätigkeiten (z.B. eine Erwerbstätigkeit nach Abs. 1 Satz 1 und eine geringfügige Beschäftigung) sind anspruchsschädlich, wenn dadurch insgesamt die 20-Stunden-Grenze des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG überschritten wird. Somit ist das Kind als Kind nicht mehr berücksichtigungsfähig.

Sarah (22 Jahre) hat nach bereits drei abgebrochenen Berufsausbildungen endlich ihr Glück in der Berufsausbildung zur Kosmetikerin gefunden.

§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist erfüllt. Die Ausbildung zur Kosmetikerin stellt eine Ausbildung für einen Beruf gem. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG dar.

Das Kind hat eine erstmalige Berufsausbildung noch nicht abgeschlossen (abgebrochene Ausbildungen werden nicht angerechnet und sind unschädlich). Sie ist als Kind zu berücksichtigen, da sie sich in der erstmaligen Berufsausbildung befindet.

Streitig ist, ob die Klägerin für ihre im Mai 1997 geborene Tochter, die als in Weiterbildung befindliche Ärztin tätig war, einen Anspruch auf Kindergeld für den Monat April 2021 hat.

Die Klägerin bezog zunächst laufend Kindergeld für das Kind. Mit Schreiben vom …2.2021 beantragte die Klägerin formlos, das Kindergeld für das Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Kindes festzusetzen. Nach Angaben der Klägerin habe das Kind am …12.2020 das Ergebnis der Abschlussprüfung im Rahmen ihres Medizinstudiums erhalten. Zum 1.1.2021 habe das Kind ihre mindestens 60-monatige Weiterbildung zur Kinderärztin in der Kinderklinik der Medizinischen Hochschule begonnen. Hierdurch wolle das Kind das angestrebte erste Berufsziel Kinderärztin erreichen. Die Qualifizierung zur Kinderärztin stelle einen integralen Bestandteil der erstmaligen Berufsausbildung des Kindes dar.

FG Niedersachsen vom 17.11.2021, 9 K 114/21:

Das Berufsziel des Kindes ist nicht das alleinige Entscheidungskriterium dafür, ob es sich noch um eine Erstausbildung handelt.

Die Ausbildung im Rahmen der Facharztweiterbildung tritt hinter die Berufstätigkeit des Kindes zurück. Die Facharztweiterbildung stellt keinen Teil einer einheitlichen Berufsausbildung des Kindes dar, da die Weiterbildung nur Nebensache ist.

Bei der Weiterbildung zum Facharzt handelt es sich nicht um ein Ausbildungsdienstverhältnis, da das Kind seine Vergütung für die Tätigkeit als Arzt in Weiterbildung vorwiegend für die von ihm erbrachte Arbeitsleistung erhält und nicht als Vergütung für die Teilnahme an einer Berufsausbildungsmaßnahme.

Der Sohn eines Berechtigten vollendet im Januar 20 sein 25. Lebensjahr. Sein Erststudium der Rechtswissenschaften endet mit dem ersten Staatsexamen im Februar 20. Ab Mai 20 kann er seine Berufsausbildung mit dem Referendariat fortsetzen. Der geleistete Grundwehrdienst dauerte 9 Monate.

Es ist der Verlängerungstatbestand des § 32 Abs. 5 EStG zu beachten. Der Sohn des Berechtigten kann über den Monat der Vollendung seines 25. Lebensjahres hinaus höchstens für die Dauer seines Zivildienstes einen Kindergeldanspruch auslösen. Der Zeitlauf beginnt mit dem Monat, der dem Monat der Vollendung des 25. Lebensjahres folgt – hier Februar 20. Dies führt zu folgender Berechnung:

Monat der Vollendung des 25. Lebensjahres Januar 20

zuzüglich Dauer des Grundwehrdienstes + 9 Monate

= letzter Monat des Verlängerungszeitraumes = Oktober 2020

Das Kind kann während des gesamten Verlängerungszeitraumes berücksichtigt werden:

Februar 2020 wegen des Studiums nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG

März/April 2020 Übergangszeitraum nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG

Mai bis Oktober 2020 wegen des Referendariats nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG

Das Kind ist zu berücksichtigen, da weder erstmalige Berufsausbildung noch Erststudium abgeschlossen sind.

Das Kind (20 Jahre) absolvierte nach dem Abitur den Zivildienst beim Deutschen Roten Kreuz als Rettungssanitäter, nachdem es die entsprechende Ausbildung nach Maßgabe der landesrechtlichen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Rettungssanitäter erfolgreich absolviert hatte. Anschließend begann das Kind eine Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer.

§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist erfüllt. Es handelt sich um eine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG.

Fraglich ist hier, ob das Kind durch die Ausbildung zum Rettungssanitäter eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hat. Der VI. Senat des BFH hatte in einem Fall zur steuerlichen Berücksichtigung von Berufsausbildungskosten entschieden, dass die Ausbildung zum Rettungssanitäter eine erstmalige Berufsausbildung i.S.d. § 12 Nr. 5 EStG darstellt und diese Norm deshalb dem Abzug der geltend gemachten Aufwendungen des Klägers für eine weitere Ausbildung als Verkehrsflugzeugführer nicht entgegensteht (BFH vom 27.10.2011 VI R 52/10, BStBl II 2012, 825). Fraglich ist nun, ob diese Rspr. auch auf das Kindergeldrecht zu übertragen ist. Nach Ansicht von Bering/Friedenberger (NWB 2013, 1560) kann das Rettungssanitäter-Urteil wegen der unterschiedlichen Berufsausbildungsbegriffe in § 32 Abs. 4 EStG nicht direkt auf den Familienleistungsausgleich übertragen werden. Es führt jedoch auch nicht zu einer unterschiedlichen Behandlung der Ausbildung des Rettungssanitäters beim Werbungskostenabzug der Ausbildungsaufwendungen und beim Kindergeld, denn in beiden steuerlichen Bereichen ist diese Ausbildung als erstmalige Berufsausbildung anzusehen.

Das Kind ist zu berücksichtigen, da weder erstmalige Berufsausbildung noch Erststudium abgeschlossen sind (Kind ist gerade in der erstmaligen Berufsausbildung).

Ein Dipl.-Finanzwirt (23 Jahre) beginnt im Januar 20 ein BWL-Studium, um später in den höheren Dienst der Finanzverwaltung einzutreten. Aus diesem Grund begrenzt er ab Januar 20 seine wöchentliche Arbeitszeit auf 45 %.

§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist erfüllt, das BWL-Studium stellt eine Ausbildung für einen Beruf gem. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG dar.

Das Kind hat ein Erststudium (Dipl.-Finanzwirt) abgeschlossen. Es ist somit die Erwerbstätigkeit zu prüfen.

Die Erwerbstätigkeit bis zu 20 Stunden pro Woche (40 Std. × 45 % = 18 Std.) ist unschädlich. Er ist als Kind bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres zu berücksichtigen.

Katharina (19 Jahre) hat nach erfolgreich abgelegtem Abitur ein Jahr lang einen Freiwilligendienst in einem Kinderheim in Südafrika geleistet. Diese Stelle wurde ihr durch einen in Deutschland ansässigen gemeinnützigen eingetragenen Verein vermittelt. Nach ihrer Rückkehr aus Südafrika studiert sie Humanmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Sie jobbt nebenher 15 Stunden/Woche und verdient dabei wöchentlich 150 €. Ihr Studium beendet sie mit 27 Jahren.

Es ist fragwürdig, ob Katharina nach dem 25. Lebensjahr berücksichtigt werden kann bzw. ob ein Verlängerungstatbestand des Abs. 5 EStG greift. Nach dem BFH-Urteil vom 13.3.2014 (III B 147/13) ist dies nicht erfüllt, sodass eine Berücksichtigung nur bis zum 25. Lebensjahr möglich ist.§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist erfüllt. Das Studium zur Humanmedizin stellt eine Ausbildung für einen Beruf gem. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG dar. Da der Freiwilligendienst nicht als Berufsausbildung zählt, handelt es sich um ein Erststudium. Eine Prüfung der Erwerbstätigkeit ist nicht vorzunehmen.

Im Anschluss an den Bachelorabschluss in BWL nimmt der 23-jährige W zum Sommersemester 20 (Beginn: 1.4.20) ein Masterstudium auf. In der Zeit vom 16.4. bis 31.12.20 ist W als Werkstudent beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sieht vor, dass die Arbeitszeit während des Semesters auf 20 Stunden pro Woche beschränkt ist. In der vorlesungsfreien Zeit (16.7. bis 14.10.20) beträgt die Arbeitszeit 37 Stunden pro Woche (vgl. Beispiel aus Bering/Friedenberger, NWB 2013, 1560).

18 < Kind < 25 Jahre

§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist erfüllt, das BWL-Studium stellt eine Ausbildung für einen Beruf gem. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG dar.

Das Kind hat ein Erststudium (Dipl.-Finanzwirt) abgeschlossen. Es ist somit die Erwerbstätigkeit zu prüfen.

Da die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nach Abschluss des Erststudiums (Bachelor) im gesamten Zeitraum April bis Dezember mehr als 20 Stunden pro Woche beträgt, ist die Erwerbstätigkeit des W anspruchsschädlich. Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, ist jedoch auf den Kalendermonat abzustellen. Deshalb entfällt der Kindergeldanspruch nur für die Monate Juli bis Oktober 2012. Die Rn. 28 und 29 des BMF-Schreibens vom 8.2.2016, BStBl I 2016, 226, nach denen eine Teilmonatsbetrachtung bei fehlender Erwerbstätigkeit anzustellen ist bzw. bei einer Überschreitung der Grenzen für eine geringfügige Beschäftigung während eines Monats der Kindergeldanspruch erst im Folgemonat entfällt, sind hierbei nicht anzuwenden: Rn. 28 gilt nur in Fällen, in denen während eines Monats überhaupt keine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird; die Ausnahmeregelung der Rn. 29 ist beschränkt auf geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. In den Monaten April bis Juni und November bis Dezember hingegen beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nur 20 Stunden, weshalb die Erwerbstätigkeit in diesen Monaten für den Kindergeldanspruch unschädlich ist (vgl. Beispiel aus Bering/Friedenberger, NWB 2013, 1560).

Variante:

Der Dipl.-Finanzwirt (23 Jahre) beginnt im Januar 20 ein BWL-Studium, um später in den höheren Dienst der Finanzverwaltung einzutreten.

Seine wöchentlichen Arbeitszeiten werden wie folgt begrenzt:

1.1. bis 28.2.: 24 Stunden

1.3. bis 30.10.: 15 Stunden

1.11. bis 31.12.: 18 Stunden

18 < Kind < 25 Jahre

§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist erfüllt. Es handelt sich um eine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG.

Das Kind hat ein Erststudium (Dipl.-Finanzwirt) abgeschlossen. Es ist somit die Erwerbstätigkeit zu prüfen.

Bei der Prüfung der Erwerbstätigkeit ist von der individuell vertraglich vereinbarten Arbeitszeit auszugehen. Eine höchstens zwei Monate andauernde und somit vorübergehende Ausweitung der Beschäftigung (hier: Januar bis Februar) ist unschädlich, wenn während des Zeitraumes innerhalb eines Kalenderjahres die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt.

Im vorliegenden Fall beträgt die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit (8 Wochen × 24 Stunden) + (36 Wochen × 15 Std.) + 8 Wochen × 18 Std. / 52 Wochen = 16,8 Stunden.

Das Kind ist aufgrund des Studiums nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen, da die ausgeübte Erwerbstätigkeit gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG unschädlich (< 20 Stunden) ist.

Hinweis: Begrenzt das Kind seine wöchentliche Arbeitszeit auf weniger als 50 %, lebt der Kindergeldanspruch wieder auf.

Variante:

Der Dipl.-Finanzwirt (23 Jahre) beginnt im Januar 20 ein BWL-Studium, um später in den höheren Dienst einzutreten.

Seine wöchentlichen Arbeitszeiten werden wie folgt begrenzt:

1.1. bis 31.3.: 24 Stunden

1.3. bis 30.10.: 15 Stunden

1.11. bis 31.12.: 18 Stunden

§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist erfüllt. Es handelt sich um eine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG.

Das Kind hat ein Erststudium (Dipl.-Finanzwirt) abgeschlossen. Es ist somit die Erwerbstätigkeit zu prüfen.

Bei der Prüfung der Erwerbstätigkeit ist von der individuell vertraglich vereinbarten Arbeitszeit auszugehen. Die Ausweitung der Beschäftigung in den Monaten Januar bis März ist nicht mehr vorübergehend. Selbst wenn die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im gesamten Kalenderjahr weniger als 20 Stunden beträgt, kommt eine Berücksichtigung als Kind in diesen Monaten nicht in Betracht. Fraglich ist, ob für die Berechnung der durchschnittlichen, wöchentlichen Arbeitszeit der Zeitraum Januar bis März miteinzubeziehen oder auszuschließen ist. In konsequenter Auslegung des BMF-Schreibens ist der Zeitraum miteinzubeziehen (12 Wochen × 24 Stunden) + (32 Wochen × 15 Std.) + 8 Wochen × 18 Std. / 52 Wochen = 17,5 Stunden.

Das Kind ist aufgrund des Studiums nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen, da die ausgeübte Erwerbstätigkeit gem. § 32 Abs. 4 Satz 2 und 3 EStG unschädlich (< 20 Stunden) ist. Dies gilt allerdings nicht für den Zeitraum Januar bis März. Insoweit werden die Freibeträge für Kinder gem. § 32 Abs. 6 Satz 5 EStG bzw. der Anspruch auf Kindergeld gekürzt.

Der Dipl.-Finanzwirt (23 Jahre, vgl. oben) bricht das BWL-Studium nach einem Tag bereits ab, um sich für die Steuerberaterprüfung anzumelden. Hierfür besucht er Aufbaukurse. Seine wöchentliche Arbeitszeit begrenzt er deshalb für das gesamte Jahr auf 90 %.

§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist erfüllt. Es handelt sich (m.E.) um eine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG (vgl. insb. H 32.5 [Freiwillige Maßnahmen] EStH).

Das Kind hat ein Erststudium (Dipl.-Finanzwirt) abgeschlossen. Es ist somit die Erwerbstätigkeit zu prüfen.

Die Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Stunden pro Woche ist schädlich, sodass folglich eine Berücksichtigung als Kind ausgeschlossen ist.

Hinweis: Begrenzt das Kind seine wöchentliche Arbeitszeit auf weniger als 50 %, lebt der Kindergeldanspruch wieder auf.

BFH, Urteil vom 3.9.2015, VI R 9/15:

Das Kind C beendete im April 2013 den Studiengang Wirtschaftsmathematik an der Universität D mit dem Bachelor-Abschluss. Seit dem Wintersemester 2012/2013 war er bereits für den Masterstudiengang ebenfalls im Bereich Wirtschaftsmathematik eingeschrieben und führte diesen Studiengang nach Erlangung des Bachelor-Abschlusses fort. Im Jahr 2013 war C als studentische Hilfskraft mit einer monatlichen Beschäftigungszeit von 80 Stunden beschäftigt. Daneben war er 1,5 Stunden wöchentlich als Nachhilfelehrer tätig.

Der Bachelor- oder Bakkalaureusgrad einer inländischen Hochschule ist ein berufsqualifizierender Abschluss. Daraus folgt, dass der Abschluss eines Bachelorstudiengangs den Abschluss eines Erststudiums darstellt und ein nachfolgender Studiengang grds. als weiteres Studium anzusehen ist. Wird hingegen ein Masterstudiengang besucht, der zeitlich und inhaltlich auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist, so ist dieser Teil der Erstausbildung (BFH vom 3.9.2015, BStBl II 2016, 166. Bei konsekutiven Masterstudiengängen an einer inländischen Hochschule ist von einem engen sachlichen Zusammenhang auszugehen.

BFH vom 4.2.2016, III R 14/15:

Das Kind Anton hat nach Ausbildung zum Kaufmann im Gesundheitswesen als Angestellter in einer Klinik (30-Stunden-Woche) gearbeitet und sich dann für ein berufsbegleitendes Studium an einer Verwaltungsakademie beworben, das eine kaufmännische Berufsausbildung und eine einjährige Berufstätigkeit voraussetzt. Anton strebt eine Tätigkeit im mittleren Management im Gesundheitswesen an.

Fraglich ist, ob eine erstmalige Berufsausbildung bereits mit Abschluss der Ausbildung zum Kaufmann im Gesundheitswesen abgeschlossen wurde. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass dem so sei. Nimmt ein Kind nach Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung ein Studium auf, welches eine Berufstätigkeit voraussetzt, stellt sich das Studium nicht mehr als integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung dar. Setzt der zweite Ausbildungsabschnitt eine Berufstätigkeit voraus oder nimmt das Kind vor Beginn der zweiten Ausbildung eine Berufstätigkeit auf, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum Beginn der nächsten Ausbildung dient, liegt regelmäßig mangels notwendigen engen Zusammenhangs keine einheitliche Erstausbildung vor.

Sohn Simon beendet im Juni 2013 seine Ausbildung zum Bankkaufmann. Am darauffolgenden Tag trat er eine Vollerwerbsstelle in seinem Ausbildungsbetrieb an. Im Februar 2014 begann er – nach seiner Zulassung im Dezember 2013 – einen berufsbegleitenden Studiengang zum Bankfachwirt/Bankkolleg, der bis Juni 2016 andauerte.

Das FG hat den Erstausbildungsbegriff des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG fehlerhaft ausgelegt. Das FG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Sohn im Streitzeitraum – Februar 2014 bis einschließlich Februar 2015 – die Voraussetzungen eines Berücksichtigungstatbestands nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllte, da dieser durch das Studium i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wurde. Revisionsrechtlich zu beanstanden ist allerdings die Würdigung des FG, dass der berufsbegleitende Studiengang »Bankfachwirt« zusammen mit der Ausbildung zum Bankkaufmann noch eine einheitliche Erstausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bildete. Entgegen der Ansicht des FG kann der »Gesamtplan« des Kindes, die Ausbildung endgültig erst mit Abschluss des Bankbetriebswirtes als beendet anzusehen, nach den fortentwickelten Rechtsgrundsätzen des BFH, nicht das allein maßgebliche Kriterium für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sein und alle anderen Kriterien »überlagern«; vgl. BFH vom 14.4.2021, III R 50/20.

BFH, Urteil vom 4.2.2016, Az. III R 14/15:

Die Tochter T hat nach ihrer Ausbildung zur Kauffrau im Gesundheitswesen als Angestellte in einer Klinik gearbeitet und sich dann für ein berufsbegleitendes Studium an einer Verwaltungsakademie beworben, das eine kaufmännische Berufsausbildung und eine einjährige Berufstätigkeit voraussetzte.

Die Tochter strebte eine Tätigkeit im mittleren Management im Gesundheitswesen an.

Da sie nach Ansicht der Familienkasse eine Ausbildung abgeschlossen hatte und weiterhin 30 Wochenstunden arbeitete, wurde die Kindergeldfestsetzung aufgehoben.

§ 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG ist erfüllt. Es handelt sich um eine Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. a EStG.

Fraglich ist hier, ob eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen wurde. Nach Auffassung des BFH liegt keine einheitliche Erstausbildung vor:

Nimmt ein Kind nach Abschluss einer kaufmännischen Ausbildung ein Studium auf, welches eine Berufstätigkeit voraussetzt, stellt sich das Studium nicht mehr als integrativer Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung dar. Die Berücksichtigung der T beim Kindergeld ist ausgeschlossen, weil sie eine erstmalige Berufsausbildung abgeschlossen hatte und während ihrer nachfolgenden (Zweit-)Ausbildung mehr als 20 Stunden in der Woche gearbeitet hat.

Zwar gilt nach der Rechtsprechung des BFH ein erster berufsqualifizierender Abschluss nicht als Erstausbildung, wenn sich dieser Abschluss als integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs darstellt; vgl. BFH, Urteile vom 3.7.2014, III R 52/13 sowie vom 16.6.2015, XI R 1/14. Insoweit kommt es vor allem darauf an, ob die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) zueinander stehen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Die kaufmännische Ausbildung und das Studium stellen vorliegend nicht notwendig eine Ausbildungseinheit dar, weil sich erst nach einer Berufstätigkeit der zweite Ausbildungsabschnitt anschließen kann. Das Studium an der VWA setzt eine berufspraktische Erfahrung von in der Regel nicht unter einem Jahr voraus. Es stellt sich damit als ein die berufliche Erfahrung berücksichtigender Weiterbildungsstudiengang (Zweitausbildung) dar. An diesem engen Zusammenhang fehlte es im Streitfall. Die vor dem Beginn des zweiten Ausbildungsabschnitts erforderliche Berufstätigkeit führt somit zu einem Einschnitt (Zäsur), der den notwendigen engen Zusammenhang entfallen lässt. Das Gleiche gilt, wenn das Kind eine weitere Ausbildung erst nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit beginnt, die nicht der zeitlichen Überbrückung dient, weil es mit der weiterführenden Ausbildung früher hätte beginnen können.

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.11.2015, 3 K 3221/15; Revision zugelassen; BFH Urteil vom 8.9.2016, III R 27/15, BStBl II 2017, 278:

Die Tochter der Klägerin wurde nach ihrem Realschulabschluss zur Physiotherapeutin ausgebildet. Sie legte dort 2010 erfolgreich die Prüfung ab und erhielt vom Landesamt am 1.10.2010 die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Physiotherapeutin. Bereits am 27.5.2010 hatte sie die Zusage zum Besuch der Fachoberschule, Fachrichtung Sozialwesen, die sie vom 23.8.2010 bis 28.6.2011 (also drei Wochen überlappend mit ihrer vorherigen Ausbildung) besuchte. Am 28.6.2011 erhielt sie das Zeugnis der Fachhochschulreife. Am 19.7.2011 erhielt sie die Zulassung der Hochschule zum zulassungsbeschränkten Studiengang Physiotherapie Dual zum Wintersemester 2011/12 und wurde dort am 30.9.2011 immatrikuliert.

Eine Ausbildung zur Physiotherapeutin, ein daran anschließender Fachoberschulbesuch und der abschließende Studiengang »Bachelor of Science Physiotherapie« kann als eine einheitliche »erstmalige Berufsausbildung« angesehen werden.

Mehraktige Ausbildungsmaßnahmen sind Teil einer einheitlichen Erstausbildung, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das – von den Eltern und dem Kind – bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann.

Dann stellt ein erster objektiv berufsqualifizierender Abschluss selbst dann nicht das Ende der Erstausbildung dar, wenn es sich um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handelt.

Danach läge im Streitfall noch eine (mehraktige) Erstausbildung vor. Der Bachelorstudiengang Physiotherapie Dual betrifft denselben fachlichen Bereich wie die vorherige Ausbildung zur Physiotherapeutin. Die Tochter hat nach Abschluss ihrer Berufsausbildung das Studium schnellstmöglich aufgenommen.

Der dazwischenliegende Besuch der Fachoberschule zur Erlangung der Fachhochschulreife war notwendig, denn anders hätte sie die Zugangsvoraussetzungen für den Studiengang nicht erfüllt. Es liegt daher sowohl ein äußerst enger sachlicher als auch ein enger zeitlicher Zusammenhang vor.

Der BFH kam zu dem Ergebnis, die Revision sei begründet. Eine Prüfung des § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG entfiel im vorliegenden Fall.

BFH Urteil vom 11.12.2018, III R 26/18:

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist die Mutter einer am 5.6.1993 geborenen Tochter (T). T nahm nach Erlangung der allgemeinen Hochschulreife zum 1.10.2012 ein Bachelorstudium im Studiengang Betriebswirtschaftslehre (BWL) mit der Studienrichtung … an der Dualen Hochschule in A auf. Die praktische Ausbildung erfolgte aufgrund eines für den Zeitraum 1.10.2012 bis 30.9.2015 abgeschlossenen Studien- und Ausbildungsvertrages bei der X AG. Das Bachelorstudium beendete T am 30.9.2015 erfolgreich mit dem Erwerb des Bachelor of Arts.

Am 31.8.2015 schloss T mit der X AG einen Arbeitsvertrag, aufgrund dessen sie dort seit dem 1.10.2015 vollzeitbeschäftigt ist.

Am 25.8.2015 meldete sich T für ein am 1.9.2015 beginnendes, auf eine Dauer von fünf Semestern angelegtes Masterstudium im Studiengang Wirtschaftspsychologie (Teilzeit) bei der A Hochschule (AH) an, das mit dem Master of Science abgeschlossen wird. Die Vorlesungen finden an einzelnen Wochentagen abends, ggf. auch am Samstag statt. Zulassungsvoraussetzung ist zum einen ein Hochschulabschluss mit einem wirtschaftswissenschaftlichen Anteil von mindestens 60 Credit Points oder ein Hochschulabschluss gleich welcher Fachrichtung und eine vor, während oder nach dem Erststudium gewonnene anderthalbjährige Berufserfahrung mit fachlichem Bezug zum Masterstudium. In letzterem Fall ist der Brückenkurs BWL erfolgreich zu absolvieren. Zum anderen ist auch eine aktuelle Berufstätigkeit erforderlich.

Der BFH entschied wie folgt:

Nimmt ein volljähriges Kind nach Erlangung eines ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine nicht unter § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG fallende Berufstätigkeit auf, erfordert § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, zwischen einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen.

Eine einheitliche Erstausbildung ist nicht mehr anzunehmen, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen.

Im Rahmen der Gesamtwürdigung der Verhältnisse kommt es insbes. darauf an, auf welche Dauer das Kind das Beschäftigungsverhältnis vereinbart hat, in welchem Umfang die vereinbarte Arbeitszeit die 20-Stunden-Grenze überschreitet, in welchem zeitlichen Verhältnis die Arbeitstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen zueinander stehen, ob die ausgeübte Berufstätigkeit die durch den ersten Abschluss erlangte Qualifikation erfordert und inwieweit die Ausbildungsmaßnahmen und die Berufstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung und auf ihren Inhalt aufeinander abgestimmt sind.

Der für die Annahme einer einheitlichen Erstausbildung notwendige sachliche Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausbildungsabschnitten entfällt nicht notwendigerweise dadurch, dass der nachfolgende Ausbildungsabschnitt für die Zulassung zur Abschlussprüfung oder für deren Bestehen eine Berufstätigkeit voraussetzt.

Das Kind Henry absolvierte im August 2014 ein (duales) Studium als Diplom-Finanzwirt bei einer Fachhochschule für Finanzen der Finanzverwaltung Im Anschluss daran war er als Beamter im gehobenen Dienst der Finanzverwaltung in Vollzeit tätig. Er ist seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen in der Finanzverwaltung tätig. Ab März 2015 nahm Henry einen berufsbegleitenden Studiengang mit der Bezeichnung »Master of Arts in Taxation« auf. Hierzu schloss er unter dem Datum vom 29.1.2015 einen Studienvertrag. Bereits im November 2013 hatte er sich über diesen Studiengang informiert.

Die Ausbildung zum Diplom-Finanzwirt und ein nachfolgender Studiengang zum »Master of Arts in Taxation« sind keine einheitliche erstmalige Berufsausbildung. Bei dem anschließenden Studiengang zum »Master of Arts in Taxation«, der zugleich der Vorbereitung auf die Steuerberaterprüfung dient, handelt es sich vielmehr um eine Zweitausbildung. Zwar bestand zwischen den verschiedenen Ausbildungsmaßnahmen ein sachlicher Zusammenhang (es ging sämtlich um eine Ausbildung in steuerrechtlich geprägten Berufen). Sie wurden auch in einem engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt, da Henry den Studiengang zum nächstmöglichen Termin aufgenommen und sowohl den Masterabschluss als auch die Steuerberaterprüfung jedenfalls zum nächstmöglichen Termin angestrebt hat. Allerdings sind. weder der gesamte Studiengang noch dessen auf den Masterabschluss bezogenen Teile zusammen mit dem Studium als Diplom-Finanzwirt als einheitliche Erstausbildung anzusehen. Vielmehr war der Studiengang insgesamt als untrennbare Einheit vornehmlich auf die Ablegung der Steuerberaterprüfung gerichtet. Aufgrund der Zulassungsvoraussetzung für die Steuerberaterprüfung in Form einer dreijährigen berufspraktischen Tätigkeit ist daher der gesamte Studiengang nicht mehr einer einheitlichen Erstausbildung zuzurechnen; vgl. FG Münster vom 24.5.2018, 10 K 768/17 Kg.

Die Tochter der Klägerin absolvierte zunächst die Ausbildung zur Sozialversicherungsfachangestellten bei der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK). Unmittelbar nach Ausbildungsabschluss im Juni 2016 schloss die Tochter mit der AOK ein unbefristetes Anstellungsverhältnis als Sozialversicherungsfachangestellte mit regelmäßiger Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden. Aufgrund dessen war sie als Sachbearbeiterin im Arbeitgeberservice in N tätig. Noch im selben Monat bewarb sich die Tochter zudem für den berufsbegleitenden Studiengang zur »AOK-Betriebswirtin«, einem unternehmensinternen Studiengang der AOK. Diesbezüglich nahm die Tochter im August 2016 an einem sog. Potenzial-Analyseverfahren der AOK teil, in dem ihre Studieneignung mit »gut« festgestellt wurde, sodass sie bereits zum nächstmöglichen Termin, 1.10.2016, das Studium beginnen konnte.

Mit der AOK schloss die Tochter im September 2016 im Hinblick auf den bevorstehenden Studienbeginn einen Nachtrag zum Arbeitsvertrag. Darin ist festgehalten, dass die Tochter am zweijährigen Studiengang »AOK-Betriebswirtin« nach der Vorstandsrichtlinie der AOK zur Förderung der beruflichen Entwicklung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 22.7.2014 in der jeweils geltenden Fassung teilnehme und diese Vorstandsrichtlinie sowie die Studien- und Prüfungsordnung Gegenstand des Arbeitsvertrags würden. Die AOK verpflichtete sich die vorgesehenen Qualifizierungsmaßnahmen durchzuführen, während sich die Tochter der Klägerin verpflichtete, sich an diesen Maßnahmen zu beteiligen, die erforderlichen Leistungsnachweise zu erbringen und sich fristgerecht den Prüfungen zu unterziehen. Der Nachtrag sah ferner vor, dass die Tochter der Klägerin nach erfolgreichem Abschluss des Studiums nach Bedarf und im Rahmen des Zumutbaren auch an einem anderen Dienstort eingesetzt werden kann.

Der Studiengang hat nach Angaben der AOK das Ziel, Mitarbeiter/-innen zu befähigen, erste Führungsaufgaben und herausgehobene Beratungs- und Fachaufgaben wahrzunehmen. Er umfasst innerhalb des zweijährigen Studiums 23 Lehrgangswochen zu jeweils fünf bzw. sechs Tagen und wird als Vollzeitlehrgang in den Bildungszentren AOK durchgeführt. Zeiten der Teilnahme an den Lehrgangsveranstaltungen sind Arbeitszeit und werden entsprechend vergütet. Unterbringung und Verpflegung in den Bildungszentren erfolgen unentgeltlich.

FG Münster vom 12.7.2019, 4 K 787/18 Kg:

Die Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten und die nachfolgende berufsbegleitende Ausbildung zum »AOK-Betriebswirt« sind nicht als einheitliche mehraktige Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG anzusehen.

FG Rheinland-Pfalz Urteil vom 28.6.2017, 5 K 2388/15:

Die Tochter der Klägerin bestand im Juli 2015 die Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Immobilienkauffrau und nahm ab Oktober 2015 an dem Lehrgang Immobilienfachwirt der IHK teil. Voraussetzung für die Teilnahme an der Prüfung ist das Bestehen der Abschlussprüfung im Ausbildungsberuf Immobilienkauffrau sowie eine mindestens einjährige Berufspraxis nach abgeschlossener Lehre. Deshalb war die Tochter parallel zu ihrer Ausbildung bei der IHK in einem entsprechenden Ausbildungsbetrieb angestellt.

Hierzu führt das FG aus:

Die Erstausbildung der Tochter der Klägerin endet erst mit dem Abschluss der Prüfung zur geprüften Immobilienfachwirtin, sodass bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres (= Dezember 2016) Kindergeld zu gewähren ist.

Eine erstmalige Berufsausbildung ist nicht bereits mit dem ersten (objektiv) berufsqualifizierenden Abschluss in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang beendet. Denn es gibt Ausbildungsgänge, bei denen der erste Berufsabschluss lediglich integrativer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsgangs ist.

Solche mehraktigen Ausbildungsmaßnahmen sind allerdings nur dann als Teil einer einheitlichen Erstausbildung zu qualifizieren, wenn sie zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses fortgesetzt werden soll und das von den Eltern und dem Kind bestimmte Berufsziel erst über den weiterführenden Abschluss erreicht werden kann. Liegt noch keine abgeschlossene erstmalige Berufsausbildung vor, kommt es auf eine Erwerbstätigkeit des Kindes nicht an.

Im vorliegenden Fall ist die Erstausbildung der Tochter somit nicht schon mit dem erfolgreichen Abschluss im Ausbildungsberuf Immobilienkauffrau beendet worden, sondern erst mit dem weiter qualifizierenden Abschluss geprüfte Immobilienfachwirtin. Denn dieses Berufsziel hat sie von Beginn an angestrebt, erst über den Abschluss Immobilienkauffrau erreichen können und unmittelbar nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnittes im Juli 2015 ohne Unterbrechung ab August 2015 fortgesetzt. Da ihre Erstausbildung nicht im Juli 2015 endete, ist ihre Erwerbstätigkeit ab August 2015 unschädlich.

BFH, Urteil vom 11.12.2018, III R 26/18:

Das Kind nahm nach Erlangung der allgemeinen Hochschulreife zum 1.10.2012 ein Bachelorstudium im Studiengang BWL auf. Die praktische Ausbildung erfolgte über drei Jahre bei der S AG. Das Bachelorstudium wurde am 30.9.2015 mit dem Erwerb des Bachelor of Arts. Am 31.8.2015 wurde mit der S AG ein Arbeitsvertrag geschlossen, aufgrund dessen sie vollzeitbeschäftigt ist. Bereits am 25.8.2015 meldete sich das Kind für ein am 1.9.2015 beginnendes, auf eine Dauer von fünf Semestern angelegtes Masterstudium im Studiengang Wirtschaftspsychologie in Teilzeit bei einer Hochschule an, das mit dem Master of Science abgeschlossen wird.

Eine einheitliche Erstausbildung ist nicht gegeben, wenn ein Kind nach der ersten abgeschlossenen Berufsausbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die im Vergleich zu einer gleichzeitigen weiteren Ausbildung als »Hauptsache« anzusehen ist. In die Gesamtbetrachtung ist einzubeziehen, inwieweit die Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung mithin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild »neben der Ausbildung« durchgeführt wird. Wird etwa eine Teilzeittätigkeit von regelmäßig 22 Wochenstunden so verteilt, dass sie sich dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Ausbildung. Gleiches gilt, wenn das Kind etwa während des Semesters maximal 20 Wochenstunden arbeitet, durch eine während der Semesterferien erhöhte Wochenstundenzahl aber auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von mehr als 20 Wochenstunden kommt. Entscheidend ist somit letztendlich, dass ein weiterer Ausbildungsabschnitt nach Abschluss einer vorhergehenden Berufsausbildung nur dann Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist, wenn er im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit nicht zur »Nebensache« wird. Für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung spricht dann, wenn das Kind eine Berufstätigkeit aufnimmt, die ihm auch ohne den erlangten Abschluss eröffnet wäre (z. B. Aushilfstätigkeit in der Gastronomie oder im Handel).

Das Kind Timo nahm nach Erlangung der allgemeinen Hochschulreife zum 1.10.2012 ein Bachelorstudium im Studiengang BWL auf. Die praktische Ausbildung erfolgte über drei Jahre bei der S AG. Das Bachelorstudium wurde am 30.9.2015 mit dem Erwerb des Bachelor of Arts. Am 31.8.2015 wurde mit der S AG ein Arbeitsvertrag geschlossen, aufgrund dessen er vollzeitbeschäftigt ist. Bereits am 25.8.2015 meldete sich Timo für ein am 1.9.2015 beginnendes, auf eine Dauer von fünf Semestern angelegtes Masterstudium im Studiengang Wirtschaftspsychologie in Teilzeit bei einer Hochschule an, das mit dem Master of Science abgeschlossen wird.

Eine einheitliche Erstausbildung ist nicht gegeben, wenn ein Kind nach der ersten abgeschlossenen Berufsausbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die im Vergleich zu einer gleichzeitigen weiteren Ausbildung als »Hauptsache« anzusehen ist. In die Gesamtbetrachtung ist einzubeziehen, inwieweit die Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung mithin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild »neben der Ausbildung« durchgeführt wird. Wird etwa eine Teilzeittätigkeit von regelmäßig 22 Wochenstunden so verteilt, dass sie sich dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Ausbildung. Gleiches gilt, wenn das Kind etwa während des Semesters maximal 20 Wochenstunden arbeitet, durch eine während der Semesterferien erhöhte Wochenstundenzahl aber auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von mehr als 20 Wochenstunden kommt. Entscheidend ist somit letztendlich, dass ein weiterer Ausbildungsabschnitt nach Abschluss einer vorhergehenden Berufsausbildung nur dann Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist, wenn er im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit nicht zur »Nebensache« wird. Für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung spricht dann, wenn das Kind eine Berufstätigkeit aufnimmt, die ihm auch ohne den erlangten Abschluss eröffnet wäre (z.B. Aushilfstätigkeit in der Gastronomie oder im Handel); vgl. BFH vom 11.12.2018, III R 26/18.

Das Kind Marlon beendet die Ausbildung zum Bankkaufmann im Januar 2012. Marlon bekundete bereits im Januar 2011 gegenüber seinem Arbeitgeber das Interesse an einer Fortbildung zum Sparkassenfachwirt, woraufhin ihr angedeutet wurde, dass sie mit der Teilnahme rechnen könne. Im Zeitraum Januar 2013 bis Juni 2013 wird der berufsbegleitende Lehrgang zum Sparkassenfachwirt absolviert. Von September 2013 bis August 2017 führt das Kind ein berufsbegleitendes Studium in BWL durch. Neben den Ausbildungsgängen steht Marlon in einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis.

An einer Ausbildungseinheit fehlt es, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts dient. Im Streitfall fehlt es an einer Ausbildungseinheit zwischen der Ausbildung zum Bankkaufmann und den nachfolgenden Ausbildungsgängen (Sparkassenfachwirt, Studium der Betriebswirtschaftslehre), weil beide nachfolgenden Ausbildungsgänge jeweils eine vor Beginn durchgeführte berufspraktische Erfahrung voraussetzten; vgl. BFH vom 23.1.2020, III R 62/18.

BFH Urteil vom 11.12.2018, III R 32/17:

Der Sohn der Klägerin bestand im Februar 2016 die Prüfung im Ausbildungsberuf Elektroniker in der Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik und wurde noch im selben Monat von seinem Ausbildungsbetrieb als Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden übernommen. Seit Dezember 2016 besucht der Sohn den zweijährigen Abendlehrgang »Industriemeister Elektrotechnik IHK« der A-Akademie in deren Bildungszentrum in X. Die Zulassung zur Prüfung als Industriemeister setzt eine berufspraktische Erfahrung von einem Jahr nach Abschluss der ersten Ausbildung voraus; diese kann auch lehrgangsbegleitend erworben werden.

Hierzu führte der BFH aus:

Eine einheitliche Erstausbildung ist nicht gegeben, wenn ein Kind nach der ersten abgeschlossenen Berufsausbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die im Vergleich zu einer gleichzeitigen weiteren Ausbildung als »Hauptsache« anzusehen ist.

In die Gesamtbetrachtung ist einzubeziehen, inwieweit die Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung mithin nach ihrem äußeren Erscheinungsbild »neben der Ausbildung« durchgeführt wird. Wird etwa eine Teilzeittätigkeit von regelmäßig 22 Wochenstunden so verteilt, dass sie sich dem jeweiligen Ausbildungsplan anpasst, ist das ein Indiz für eine im Vordergrund stehende Ausbildung. Gleiches gilt, wenn das Kind etwa während des Semesters maximal 20 Wochenstunden arbeitet, durch eine während der Semesterferien erhöhte Wochenstundenzahl aber auf eine durchschnittliche Arbeitszeit von mehr als 20 Wochenstunden kommt. Arbeitet das Kind dagegen annähernd vollzeitig und werden die Ausbildungsmaßnahmen nur am Abend und am Wochenende durchgeführt, deutet dies darauf hin, dass die weiteren Ausbildungsmaßnahmen nur »neben der Berufstätigkeit« durchgeführt werden. Schließlich kann auch von Bedeutung sein, ob und inwieweit die Berufstätigkeit und die Ausbildungsmaßnahmen über den zeitlichen Aspekt hinaus auch inhaltlich aufeinander abgestimmt sind.

BFH vom 11.4.2018:

T absolvierte nach ihrem Abitur eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten, die sie am 21.6.2013 abschloss. Anschließend nahm sie eine Vollzeitbeschäftigung in ihrem Ausbildungsbetrieb auf. Am 19.9.2013 meldete sich T bei einer Fachschule für Wirtschaft der Fachrichtung Betriebswirtschaft (Schwerpunkt Steuern) in Teilzeitform an. Sie bekam eine Zusage für das Schuljahr 2014/2015. Zum 1.4.2014 wechselte T in eine andere Steuerberatungskanzlei und arbeitete dort zunächst mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden, die sie ab September 2014 auf 36 Stunden reduzierte. Am 20.8.2014 nahm sie ihre Ausbildung an der Fachschule für Wirtschaft auf.

Der BFH entschied wie folgt:

Entgegen der Auffassung des Klägers kann T im Zeitraum Juli 2013 bis September 2015 nicht schon wegen einer ab 22.6.2013 im bisherigen Ausbildungsbetrieb und ab 1.4.2014 in der anderen Steuerberatungskanzlei durchgeführten Ausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG kindergeldrechtlich berücksichtigt werden. Der vom Kläger in der Revisionsbegründung dargelegte Ausbildungscharakter der praktischen Tätigkeiten in den Steuerberatungskanzleien wird nicht durch entsprechende tatsächliche Feststellungen des FG bestätigt. Vielmehr hat das FG nur festgestellt, dass T zunächst einer Vollzeitbeschäftigung nachging und ab September 2014 ihre Arbeitszeit auf 36 Stunden reduzierte.

Die zeitliche Zäsur wird nicht durch die im Anschluss an die Beendigung der Ausbildung zur Steuerfachangestellten erfolgte Anmeldung bei der Fachschule für Wirtschaft beseitigt. Denn der enge zeitliche Zusammenhang muss nach der Rspr. des Senats zwischen den beiden Ausbildungsabschnitten bestehen (Senatsurteil in BFHE 246, 427, BStBl II 2015, 152, Rz. 30). Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Ende einer Ausbildung oder eines Ausbildungsabschnitts und den Bemühungen um eine weitere Ausbildung oder einen weiteren Ausbildungsabschnitt genügt nicht.

Die von T ausgeübte Erwerbstätigkeit war anspruchsschädlich. Die in § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG vorgesehene 20-Stunden-Grenze wurde überschritten, da die wöchentliche Arbeitszeit der T zunächst 40 und ab September 2014 36 Stunden betrug. Mangels festgestellter Ausbildungsinhalte lag auch kein Ausbildungsdienstverhältnis vor. Ebenso fehlte es an den Voraussetzungen eines geringfügigen Beschäftigungsverhältnisses i.S.d. §§ 8 und 8a SGB IV.

FG Saarland Urteil vom 15.2.2017,

2 K 1290/16; anschließende Revision unter BFH, Urteil vom 10.4.2019, III R 43/17.

Sohn F absolvierte von August 2009 bis Juni 2012 eine Ausbildung zum Steuerfachangestellten (KiG, Bl. 20). Im Anschluss daran erfolgte eine Ausbildung zum Steuerfachwirt. Diese fand am 12.3.2016 ihren erfolgreichen Abschluss (KiG, Bl. 24). Von F angestrebt ist nach Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen (u.a. einer siebenjährigen praktischen Tätigkeit) die Zulassung zum Steuerberaterexamen frühestens im Jahr 2019. F übt seit dem Jahr 2012 eine Tätigkeit im Umfang von 40 Wochenarbeitsstunden als Angestellter in einem Steuerberatungsbüro aus.

Das FG entschied wie folgt:

Mit dem Bestehen der Prüfung als Steuerfachangestellter ist auch dann eine erstmalige Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG abgeschlossen, wenn das volljährige Kind von Anfang an das Berufsziel Steuerberater hat und knapp vier Jahre später eine Ausbildung zum Steuerfachwirt abschließt, wenn jedoch eine Zulassung zur Steuerberaterprüfung frühestens sieben Jahre nach dem Abschluss als Steuerfachangestellter möglich ist.

Ist aufgrund objektiver Beweisanzeichen erkennbar, dass das Kind die für sein angestrebtes Berufsziel erforderliche Ausbildung nicht bereits mit dem ersten erlangten Abschluss beendet hat, kann auch eine weiterführende Ausbildung noch als Teil der Erstausbildung zu qualifizieren sein. Davon ist jedenfalls dann auszugehen, wenn die Ausbildungsabschnitte in einem engen sachlichen Zusammenhang zueinander stehen (z.B. dieselbe Berufssparte, derselbe fachliche Bereich) und im engen zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden. Ein enger zeitlicher Zusammenhang ist nicht mehr gegeben, wenn das Kind nach Abschluss eines ersten Ausbildungsschrittes eine Mindestwartezeit von sieben Jahren einhalten muss, bevor es mit einem im Hinblick auf das endgültige Berufsziel erforderlichen weiteren Ausbildungsschritt beginnen kann.

Der BFH entschied mit Urteil vom 10.4.2019 wie folgt:

d. des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht anzunehmen, wenn ein Kind nach Erlangung eines ersten Berufsabschlusses während einer beruflichen Weiterbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die im Vergleich zur Weiterbildung als »Hauptsache« anzusehen ist.

BFH Urteil vom 20.2.2019, III R 52/18:

Sohn S legte am 13.1.2015 die Abschlussprüfung zum Kaufmann im Groß- und Außenhandel ab. Bereits zu Beginn der Ausbildung vereinbarte S mit dem Arbeitgeber, mit dessen finanzieller Unterstützung das Bachelorstudium Wirtschaftsrecht anzuschließen und nach erfolgreichem Abschluss in das Unternehmen einzutreten. Am Folgetag der bestandenen Abschlussprüfung meldete sich S bei der X-Hochschule für einen Studiengang mit dem Ziel »Bachelor of Laws« an, für den er seit 1.3.2015 eingeschrieben war. Für das Studium wandte S wöchentlich ca. 30 Stunden auf. Daneben war S weiterhin bei seinem bisherigen Arbeitgeber mit einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden beschäftigt.

Nimmt ein volljähriges Kind nach Erlangung eines ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine nicht unter § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG fallende Berufstätigkeit auf, erfordert § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, zwischen einer mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen. Eine einheitliche Erstausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist nicht mehr anzunehmen, wenn die von dem Kind aufgenommene Erwerbstätigkeit bei einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse bereits die hauptsächliche Tätigkeit bildet und sich die weiteren Ausbildungsmaßnahmen als eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen.

Von Juli 2016 bis August 2019 absolvierte das Kind C nach dem Abitur im Jahr 2016 ein Studium an der Fachhochschule für Finanzen in D, das es am …8.2019 als Diplom-Finanzwirt (FH) abschloss. Danach war C ab September 2019 zunächst 41 Stunden pro Woche beim FA E beruflich tätig.

Ab dem Wintersemester 2020 nahm C ein berufsbegleitendes Masterstudium »Master of Laws Wirtschafts- und Steuerrecht« an der Universität F auf. Ab Oktober 2020 reduzierte C den Umfang seiner beruflichen Tätigkeit beim Finanzamt E auf 70 % (28,70 Stunden).

FG Münster vom 25.10.2021, 9 K 976/21 Kg:

Wenn ein Diplom-Finanzwirt mit abgeschlossener Fachhochschulausbildung ein berufsbegleitendes Masterstudium »Master of Laws Wirtschafts- und Steuerrecht« an einer Universität aufnimmt, während er seine berufliche Tätigkeit beim FA mit 28,7 Wochenstunden fortführt, besteht für ihn kein Kindergeldanspruch mehr.

An einer Ausbildungseinheit fehlt es, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts dient.

Bei der Betrachtung mehrerer Ausbildungsabschnitte ist zu berücksichtigen, inwieweit die Arbeitstätigkeit im Hinblick auf den Zeitpunkt ihrer Durchführung den im nächsten Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen untergeordnet ist und die Beschäftigung somit nach ihrem äußeren Erscheinungsbild neben der Ausbildung durchgeführt wird.

An der erforderlichen Einheit zweier Ausbildungsabschnitte fehlt es, wenn das Masterstudium zwingend eine Berufstätigkeit zwischen dem ersten und dem zweiten Ausbildungsabschnitt voraussetzt.

BFH Urteil vom 20.2.2019, III R 53/18:

Ein Kind K absolvierte von August 2010 bis Januar 2013 eine Ausbildung zum Bankkaufmann bei einer Bank. Nach dem Abschluss der Ausbildung arbeitete K in Vollzeit (39 Wochenstunden) im bisherigen Ausbildungsbetrieb. Seit Mai 2013 war K an der A-Hochschule immatrikuliert und absolvierte bei der dort angegliederten Schule ein Bachelorstudium im Fachbereich »Business Administration« mit dem Schwerpunkt »Management und Finance«. Zulassungsvoraussetzungen waren die Allgemeine Hochschulreife und eine mindestens zweijährige Berufserfahrung, die durch eine Ausbildung nachgewiesen werden konnte.

Eine einheitliche Erstausbildung ist nicht anzunehmen, wenn ein Kind nach der ersten abgeschlossenen Berufsausbildung eine Erwerbstätigkeit aufnimmt, die im Vergleich zu einer gleichzeitigen weiteren Ausbildung als »Hauptsache« anzusehen ist.

Es kann an einer einheitlichen Erstausbildung auch dann fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten.

BFH, Urteil vom 23.10.2019, III R 62/18: Das Kind M beendet die Ausbildung zum Bankkaufmann im Januar 2012. M bekundete bereits im Januar 2011 gegenüber seinem Arbeitgeber das Interesse an einer Fortbildung zum Sparkassenfachwirt, woraufhin ihr angedeutet wurde, dass sie mit der Teilnahme rechnen könne. Im Zeitraum Januar 2013 bis Juni 2013 wird der berufsbegleitende Lehrgang zum Sparkassenfachwirt absolviert. Von September 2013 bis August 2017 führt das Kind ein berufsbegleitendes Studium in BWL durch. Neben den Ausbildungsgängen steht Marlon in einem Vollzeitbeschäftigungsverhältnis.

An einer Ausbildungseinheit fehlt es, wenn die Aufnahme des zweiten Ausbildungsabschnitts eine berufspraktische Tätigkeit voraussetzt oder das Kind nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts eine Berufstätigkeit aufnimmt, die nicht nur der zeitlichen Überbrückung bis zum nächstmöglichen Beginn des weiteren Ausbildungsabschnitts dient. Im Streitfall fehlt es an einer Ausbildungseinheit zwischen der Ausbildung zum Bankkaufmann und den nachfolgenden Ausbildungsgängen (Sparkassenfachwirt, Studium der Betriebswirtschaftslehre), weil beide nachfolgenden Ausbildungsgänge jeweils eine vor Beginn durchgeführte berufspraktische Erfahrung voraussetzten. Zwei zeitlich und inhaltlich zusammenhängende Ausbildungsabschnitte können auch dann zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammengefasst werden, wenn das Kind sich nach dem Ende des ersten Ausbildungsabschnitts umorientiert und seine Ausbildung anders als ursprünglich geplant fortsetzt (hier: Betriebswirtschaftsstudium statt Bankkolleg nach einer Bankausbildung).

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Mutter eines im April 1994 geborenen Sohnes (L). L beendete im Juni 2013 die Ausbildung zum »Sozialversicherungsfachangestellten« erfolgreich mit der Note »ausreichend«. Nachdem er im Juli 2013 ebenfalls erfolgreich an einem Potenzialanalyseverfahren der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) teilgenommen hatte, begann er im Oktober 2014 eine Ausbildung im Studiengang »AOK-Betriebswirt/-in«. Bei dem Studiengang handelt es sich um ein betriebsinternes Studium, an dem nur Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AOK teilnehmen können. Zugelassen werden können Sozialversicherungsfachangestellte, die ihre Befähigung zum Studium in einem bundeseinheitlichen Potenzialanalyseverfahren nachgewiesen und die geforderten Leistungsnachweise »Basiskenntnisse« erfolgreich erbracht haben. Dabei können diese Leistungsnachweise im Regelfall frühestens ein Jahr nach Bestehen der Abschlussprüfung zum »Sozialversicherungsfachangestellten« erbracht werden. Sozialversicherungsfachangestellte, die die Abschlussprüfung mit der Note »sehr gut« oder »gut« bestanden und im bundeseinheitlichen Potenzialanalyseverfahren ihr Potenzial nachgewiesen haben, werden auf ihren Antrag von der Teilnahme an den Leistungsnachweisen befreit. Das Studium umfasst die Themenschwerpunkte Betriebswirtschaftslehre, Recht, Gesundheitswissenschaften, Management und Marketing. Der Abschluss »AOK-Betriebswirt/-in« ist nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) staatlich nicht anerkannt und kann auch nicht im Rahmen anderer staatlich anerkannter Studiengänge angerechnet werden. Das Studium wurde von der AOK ohne Beteiligung staatlicher Stellen konzipiert. Im Dezember 2017 bestand L die Prüfung zum »AOK-Betriebswirt«. Nach Beendigung der Ausbildung zum »Sozialversicherungsfachangestellten« und während des Studiums war er bei der AOK durchgängig mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden beschäftigt.

BFH vom 18.2.2021, III R 14/19:

Eine einheitliche Erstausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG scheitert nicht daran, dass nur der erste, nicht hingegen der zweite Ausbildungsabschnitt öffentlich-rechtlich geordnet ist.

Hat ein Kind eine Ausbildung zum »Sozialversicherungsangestellten« erfolgreich abgeschlossen und wird es zum weiteren Ausbildungsabschnitt »AOK-Betriebswirt« erst zugelassen, wenn es mindestens ein Jahr in dem Beruf gearbeitet und weitere Leistungsnachweise erbracht hat, bewirkt die zwischen den Ausbildungsabschnitten durchgeführte Berufstätigkeit eine Zäsur, die den zeitlichen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten ausschließt. Die Ausbildungsabschnitte lassen sich daher nicht mehr zu einer einheitlichen Erstausbildung zusammenfassen.

Zu dieser Problematik ergeht ständig Rechtsprechung. Nachfolgende Übersicht verschafft einen Überblick über Urteile vergangener Jahre:

Sachverhalt/Ausbildungsmaßnahme

FG- bzw. BFH-Urteil

Steuerfachangestellter/Steuerfachwirt/Steuerberater

Saarland vom 15.2.2017, 2 K 1290/16;

BFH vom 10.4.2019, III R 43/17.

Elektroniker/Industriemeister Elektrotechnik

Niedersächsisches FG vom 13.11.2017, III R 32/17.

Bankkauffrau/Bankfachwirt-Studium

Niedersächsisches FG vom 13.11.2017, 1 K 115/17;

BFH vom 21.3.2019, III R 17/18.

Bankkauffrau/staatlich geprüfte Betriebswirtin

FG Münster vom 14.12.2017, 3 K 2536/17 Kg;

BFH vom 11.12.2018, III R 2/18

Steuerfachgehilfe/Steuerfachwirt

FG Düsseldorf vom 11.1.2018, 9 K 994/117;

BFH vom 17.1.2019, III R 8 /18.

Bachelorstudium/Masterstudiengang Wirtschaftspsychologie

FG Baden-Württemberg vom 16.1.2018, 6 K 3796/16;

BFH vom 11.12.2018, III R 26/18.

Verwaltungsfachangestellter/Verwaltungsfachwirt

FG Düsseldorf vom 28.5.2018, 7 K 2356/17Kg;

BFH vom 10.4.2019, III R 33/18.

Kaufmann/Studium an der Hochschule für Ökonomie und Management

FG Düsseldorf vom 18.8.2018;

BFH vom 20.2.2019, III R 52/18.

Sozialversicherungsangestellter/AOK-Betriebswirt

FG Münster vom 12.7.2019, 4 K 787/18 Kg

Bankkaufmann/Sparkassenfachwirt/Studium der Betriebswirtschaftslehre

BFH vom 23.1.2020, III R 62/18.

Bankkaufmann/Bankfachwirt/Bankkolleg

BFH vom 14.4.2021, III R 50/50

Diplom-Finanzwirt (FH)/Master of Laws Wirtschafts- und Steuerrecht

FG Münster vom 25.10.2021, 9 K 976/21 Kg:

Medizinstudium/Facharztweiterbildung

FG Niedersachsen vom 17.11.2021, 9 K 114/21

4. Berücksichtigung behinderter Kinder

4.1. Allgemeines, Nachweise, Ursächlichkeit der Behinderung

Nach § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG kann ein Kind berücksichtigt werden, das wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Die Behinderung muss vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten sein, nicht jedoch die Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten. Die Altersgrenze des 25. Lebensjahres gilt auch, wenn das Kind früher gesetzlichen Grundwehrdienst oder Zivildienst leistete (BFH Urteil vom 2.6.2005 BStBl II 2005, 756).

Eine Behinderung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG liegt vor, wenn die in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist der Fall, wenn das Kind körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen hat, die es in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 2 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Zu einer Behinderung können auch Suchtkrankheiten (z.B. Drogenabhängigkeit, Alkoholismus) führen (BFH Urteil vom 16.4.2002, VIII R 62/99, BStBl II 2002, 738). Nicht zu den Behinderungen zählen Krankheiten, deren Verlauf sich auf eine im Voraus abschätzbare Dauer beschränkt, insbes. akute Erkrankungen.

Das Kind muss nach den Gesamtumständen des Einzelfalles wegen der Behinderung außerstande sein, sich selbst zu unterhalten. Dem Kind muss es objektiv unmöglich sein, seinen gesamten notwendigen Lebensbedarf durch eigene Mittel zu decken. Ist das Kind trotz seiner Behinderung in der Lage, z.B. aufgrund hohen verfügbaren Einkommens, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, besteht kein Anspruch auf Kindergeld.

Die Behinderung selbst muss zwar vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten sein, nicht jedoch die Ursächlichkeit oder Unfähigkeit, sich selbst zu unterhalten.

Die Ursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit des Kindes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit wird grundsätzlich von der Familienkasse versagt, wenn der Grad der Behinderung weniger als 50 beträgt und besondere Umstände dafür, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Erwerbstätigkeit ausgeübt werden kann, nicht erkennbar sind. Es ist unbeachtlich, ob die mögliche Erwerbstätigkeit dem behinderten Menschen nach seinem derzeitigen Bildungs- und Ausbildungsstand zugemutet werden kann. Allein die Feststellung eines sehr hohen Grades der Behinderung rechtfertigt andererseits die Annahme der Ursächlichkeit allein auch nicht.

Die Ursächlichkeit ist anzunehmen, wenn der Grad der Behinderung 50 oder mehr beträgt (vgl. DA-KG A 19.2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010) und besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint. Als besondere Umstände gelten:

  • die Unterbringung in einer Werkstatt für behinderte Menschen,

  • wenn das Kind vollstationär in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung untergebracht ist.

  • der Bezug von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII,

  • die Fortdauer einer Schul- oder Berufsausbildung eines Kindes aufgrund seiner Behinderung über das 25. Lebensjahr hinaus,

  • wenn im Ausweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch das Merkmal »H« (hilflos) eingetragen oder im Feststellungsbescheid festgestellt ist, dass die Voraussetzungen für das Merkmal »H« (hilflos) vorliegen,

  • wenn eine volle Erwerbsminderungsrente gegenüber dem Kind bewilligt ist oder eine dauerhafte volle Erwerbsminderung nach § 45 SGB XII festgestellt ist.

Mit Urteil vom 30.4.2014 (XI R 24/13 BStBl II 2014, 1014) entschied der BFH, dass für ein behindertes Kind in Haft kein Kindergeldanspruch besteht. Die Behinderung eines Kindes ist für dessen Unfähigkeit zum Selbstunterhalt nicht ursächlich, wenn es sich in Untersuchungs- und anschließender Strafhaft befindet, selbst wenn die Straftat durch die Behinderung gefördert wurde. Das Kind tötete vorsätzlich, jedoch im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit, eine Person. Nach einem fachpsychiatrischen Gutachten war das Kind infolge seiner Behinderung seit 2004 außerstande, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen.

Ein Kind ist bei entsprechender Feststellung durch das Gericht ungeachtet dessen als behindertes Kind i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen, dass der Arzt und Gutachter in dem von der Familienkasse aufgelegten Vordruck das Element »Behinderung« nicht angekreuzt hat. Der ärztliche Gutachter hat lediglich die Befunde seiner Untersuchung festzustellen; vgl. FG Köln vom 31.10.2019, 10 K 3059/18.

Die Ursächlichkeit der Behinderung kann durch folgende Nachweise erbracht werden:

  • bei einer Behinderung, deren Grad auf mindestens 50 festgestellt ist, durch einen Ausweis nach dem SGB IX oder durch einen Bescheid der nach § 69 Abs. 1 SGB IX zuständigen Behörde;

  • bei einer Behinderung, deren Grad auf weniger als 50, aber mindestens 25 festgestellt ist, durch eine Bescheinigung der nach § 69 Abs. 1 SGB IX zuständigen Behörde aufgrund eines Feststellungsbescheids nach § 69 Abs. 1 SGB IX, die eine Äußerung darüber enthält, ob die Behinderung zu einer dauernden Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat oder auf einer typischen Berufskrankheit beruht oder, wenn dem Kind wegen seiner Behinderung nach den gesetzlichen Vorschriften Renten oder andere laufende Bezüge zustehen, durch den Rentenbescheid oder einen entsprechenden Bescheid;

  • bei einer Einstufung in den Pflegegrad 4 oder 5 (bis 31.12.2016: in Pflegestufe III) nach dem SGB XI oder diesem entsprechende Bestimmungen durch den entsprechenden Bescheid.

Der Nachweis der Behinderung kann auch nach dem BFH-Urteil vom 9.2.2012, Az. III R 47/08 in Form einer Bescheinigung bzw. eines Zeugnisses des behandelnden Arztes oder eines ärztlichen Gutachtens erbracht werden. Auch Suchtkrankheiten können Behinderungen darstellen; vgl. BFH Urteil vom 16.4.2002, VIII R 62/99. Allein der Umstand, dass sich ein Kind wegen Drogenabhängigkeit in einem Polamidon-Substitutionsprogramm befunden hat, lässt nicht den Schluss zu, dass das Kind behindert und wegen der Behinderung außer Stande war, sich selbst zu unterhalten. Die vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebenen »Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz« erlauben keine ausreichenden Feststellungen zu Beginn, Grad und Folgen einer Behinderung wegen Drogenabhängigkeit.

Nach dem Urteil des BFH vom 19.11.2008 (III R 105/07, BFH/NV 2009, 638, LEXinform 0588766) ist für ein über 21 Jahre altes behindertes Kind, das arbeitslos ist und deshalb nicht selbst für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, Kindergeld zu gewähren, wenn die Behinderung in erheblichem Umfang mitursächlich für die Arbeitslosigkeit ist.

Wer Kindergeld beansprucht ist beweispflichtig dafür, dass das erwachsene Kind wegen seiner Behinderung mit einem GdB von 50 oder mehr außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Ggf. ist diese Frage auf der Grundlage eines gerichtlich bestellten Sachverständigengutachtens zu entscheiden; vgl. FG Hamburg Urteil vom 22.5.2014, 5 K 142/11.

Zum Nachweis der Behinderung eines behinderten, volljährigen Kindes vgl. auch das Urteil des FG Münster vom 29.3.2017, 7 K 1828/15 Kg.AO: Der Nachweis einer Behinderung eines volljährigen Kindes i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 SGB IX ist in der Regel durch einen Schwerbehindertenausweis nach dem SGB IX oder durch einen Feststellungsbescheid des Versorgungsamts zu führen. Der Nachweis der Behinderung kann auch auf andere Weise erbracht werden, z.B. durch eine Bescheinigung oder ein Zeugnis des behandelnden Arztes oder durch ein ärztliches Gutachten. Die seelische Behinderung eines volljährigen Kindes lässt sich indes nicht (mehr) feststellen, wenn das Kind im und vor dem Streitzeitraum lediglich an wenigen und einzelnen Tagen verschiedene Ärzte aufgesucht hat, die keine Psychotherapeuten bzw. Psychiater waren.

Der notwendige Ursachenzusammenhang für die Unfähigkeit eines Kindes zum Selbstunterhalt aufgrund einer Behinderung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG ist nach den Gesamtumständen des konkreten Einzelfalls regelmäßig dann gegeben, wenn für das Kind ein Grad der Behinderung von 50 % oder mehr festgestellt wird und besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheint; vgl. Hessisches FG vom 29.5.2017, 3 K 6/13.

Die Behinderung kann in Form einer Bescheinigung des behandelnden Arztes erbracht werden. A 19.1 Abs. 8 Satz 6 DA-KG vom vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010verlangt, dass das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen in diesem Fällen jährlich zu überprüfen ist. Diese Fälle sind fortan deutlich strenger zu behandeln als Fälle, in denen der Nachweis auf »amtliche« Weise erfolgt, z.B. mittels eines Schwerbehindertenausweises – dort wird nur alle fünf Jahre überprüft.

4.2. Außerstande sein, sich selbst zu unterhalten

Bei behinderten Kindern ist grundsätzlich der notwendige Lebensbedarf den kindeseigenen Mitteln gegenüberzustellen. Übersteigen die kindeseigenen Mittel nicht den notwendigen Lebensbedarf, ist das Kind außerstande, sich selbst zu unterhalten. Falls die kindeseigenen Mittel den notwendigen Lebensbedarf überschreiten und ungleichmäßig zufließen (z.B. durch eine Nachzahlung oder die erstmalige Zahlung einer Rente), ist zu prüfen, ab welchem vollen Monat das Kind in der Lage ist, sich selbst zu unterhalten. Führt eine Nachzahlung dazu, dass das Kind nicht länger außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist die Kindergeldfestsetzung erst ab dem Folgemonat des Zuflusses aufzuheben (vgl. BFH vom 11.4.2013, BStBl II 2013, 1037).

Die Prüfung, ob ein Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist für jeden Monat – gesondert – zu prüfen. Wird daher der – anteilige – Einkunftsgrenzbetrag in einem Monat unterschritten, kann für diesen Monat das behinderte Kind berücksichtigt werden. Sonderzuwendungen, die nicht monatlich anfallen, und einmalige Einnahmen sind auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag anzusetzen.

Der notwendige Lebensbedarf des behinderten Kindes setzt sich aus dem allgemeinen Lebensbedarf und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (vgl. BFH vom 15.10.1999, BStBl II 2000, 75 und 79). Als allgemeiner Lebensbedarf ist der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG i.H.v. 10 347 € (für 2021: 9 744 €) anzusetzen. Die kindeseigenen Mittel setzen sich aus dem verfügbaren Nettoeinkommen und sämtlichen Leistungen Dritter zusammen; das Vermögen des Kindes gehört nicht zu den kindeseigenen Mitteln (BFH vom 19.8.2002, BStBl II 2003, 88 und 91). Übersteigen die kindeseigenen Mittel nicht den allgemeinen Lebensbedarf, ist davon auszugehen, dass das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Bei dieser vereinfachten Berechnung zählen zum verfügbaren Nettoeinkommen und den Leistungen Dritter keine Leistungen, die dem Kind wegen eines behinderungsbedingten Bedarfs zweckgebunden zufließen, insbes. sind dies Pflegegeld bzw. -zulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung, nach § 35 BVG oder nach § 64 SGB XII, Ersatz der Mehrkosten für den Kleider- und Wäscheverschleiß (z.B. § 15 BVG), die Grundrente und die Schwerstbeschädigtenzulage nach § 31 BVG und Leistungen der Pflegeversicherung (§ 3 Nr. 1a EStG) oder die Eingliederungshilfe bei voll- und teilstationärer Unterbringung. Wird nach dieser Berechnung der allgemeine Lebensbedarf überschritten, ist eine ausführliche Berechnung (vgl. Abs. 1 Satz 1 und Vordruck »Berechnungsbogen zur Überprüfung der Selbstunterhaltsfähigkeit eines volljährigen behinderten Kindes«) vorzunehmen.

Mit Urteil vom 22.10.2009 (III R 50/07, BFH/NV 2010, 716, LEXinform 0588341) bestätigt der BFH seine Rspr. im Urteil vom 19.11.2008 (III R 105/07, BFH/NV 2009, 638, LEXinform 0588766). In Ergänzung dazu führt der BFH weiter aus, dass dann, wenn die Behinderung nicht in erheblichem Umfang mitursächlich dafür ist, dass das Kind keine Arbeit gefunden hat, ein Anspruch auf Kindergeld auch dann besteht, wenn die Einkünfte, die das Kind aus einer – trotz der Behinderung möglichen – Erwerbstätigkeit erzielen könnte, nicht ausreichen würden, seinen gesamten Lebensbedarf (existenziellen Grundbedarf und behinderungsbedingten Mehrbedarf) zu decken.

Mit Urteil vom 15.3.2012 (III R 29/09) hat der BFH entschieden, dass ein Anspruch auf Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG nicht allein deshalb zu verneinen ist, weil das behinderte Kind einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Ist das behinderte Kind trotz seiner Erwerbstätigkeit nicht in der Lage, seinen gesamten Lebensbedarf zu bestreiten, hat das FG unter Würdigung der Umstände des einzelnen Falles zu entscheiden, ob die Behinderung für die mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt in erheblichem Maße (mit-)ursächlich ist. So kommt es nicht allein darauf an, ob das behinderte Kind im Wesentlichen durch seine Behinderung überhaupt an einer Erwerbstätigkeit gehindert wird. Denn auch bei einem behinderten Kind, das wegen der allgemeinen Lage auf dem Arbeitsmarkt oder mangelnder Mitwirkung bei der Arbeitsvermittlung keine Beschäftigung findet, muss sichergestellt sein, dass es im Falle einer Erwerbstätigkeit hierdurch auch seinen gesamten Lebensbedarf bestreiten könnte. Wäre ihm dies trotz einer Erwerbstätigkeit nicht möglich, so rückt der Umstand, dass es wegen der allgemeinen Lage auf dem Arbeitsmarkt oder mangelnder Bemühungen keine Anstellung findet, in den Hintergrund. Könnte das Kind trotz einer unterstellten Erwerbstätigkeit nicht seinen gesamten Lebensbedarf aus eigenen Mitteln decken, so kann letztlich wiederum die Behinderung ursächlich dafür sein, dass es sich nicht selbst unterhalten kann.

Zum behinderungsbedingten Mehrbedarf gehören alle mit einer Behinderung zusammenhängenden außergewöhnlichen Belastungen, z.B. Aufwendungen für die Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, für die Pflege sowie für einen erhöhten Wäschebedarf. Sofern kein Einzelnachweis erfolgt, bemisst sich der behinderungsbedingte Mehrbedarf grds.in Anlehnung an den Pauschbetrag für behinderte Menschen des § 33b Abs. 3 EStG. Als Einzelnachweis sind beispielsweise zu berücksichtigen:

  • sämtliche Leistungen nach dem SGB XII, ggf. abzüglich des Verpflegungsanteils (vgl. Abs. 6 Satz 4 und Abs. 7 Satz 2),

  • Pflegegeld aus der Pflegeversicherung (BFH vom 24.8.2004, VIII R 50/03, BStBl II 2010, 1052),

  • Landespflegegeld nach dem Bayerischen Landespflegegeldgesetz,

  • Blindengeld (BFH vom 31.8.2006, III R 71/05).

Bei der Prüfung, ob ein Kind aufgrund seiner Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist der Bezug einer privaten Rente, deren Kapitalstamm mit Zuwendungen der Kindsmutter und eigenen Ersparnissen des Kindes dotiert wurde, nur mit dem stpfl. Ertragsanteil bei den kindeseigenen Mitteln zu berücksichtigen; vgl. FG Baden-Württemberg vom 14.4.2022, 1 K 2137/21.

4.3. Verfügbares Nettoeinkommen

Für die Ermittlung des verfügbaren Nettoeinkommens ist zunächst die Summe aus steuerpflichtigen Einkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG, steuerfreien Einnahmen, Kapitalerträgen i.S.d. § 32d Abs. 1 EStG ohne Abzug des Sparer-Pauschbetrags nach § 20 Abs. 9 EStG und Erstattungen von Steuern vom Einkommen (Einkommensteuer, Kapitalertragsteuer einschließlich Abgeltungsteuer, Kirchensteuer, Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag) zu bilden. Davon sind abzuziehen: unvermeidbare Vorsorgeaufwendungen (Sozialversicherungsbeiträge, Beiträge zur Basiskranken- und Pflegeversicherung sowie Zuzahlungen nach § 61 SGB V), tatsächlich gezahlte Steuern vom Einkommen (Steuervorauszahlungen, -nachzahlungen, -abzugsbeträge).

Zu den eigenen Mitteln eines behinderten Kindes gehört auch das Pflegegeld nach § 69b BSHG. Dieses ist in der tatsächlich ausgezahlten Höhe zu berücksichtigen (BFH Urteil vom 24.8.2004, VIII R 59/01, DStRE 2004, 1411).

Bei der Berechnung der Einkünfte und Bezüge eines volljährigen, aufgrund einer Schädigung durch Contergan von Geburt an behinderten Kindes sind die Leistungen der Conterganstiftung (sog. Conterganrente) nicht zu berücksichtigen; vgl. FG Baden-Württemberg Urteil vom 9.11.2016, 12 K 2756/16.

Nicht zu berücksichtigen sind Unterhaltsleistungen des Kindes an seinen Ehegatten und an sein eigenes Kind (vgl. BFH Urteil vom 7.4.2011, III R 72/07, BStBl II 2011, 974 und BFH vom 9.2.2012, III R 73/09, BStBl II 2012, 463) sowie Schmerzensgeld (BFH vom 13.4.2016, III R 28/15, BStBl II 2016, 648). Die Berechnung des verfügbaren Nettoeinkommens ist bei Selbstständigen auf der Grundlage eines Dreijahreszeitraums vorzunehmen (vgl. BFH vom 28.3.2012, VI R 31/11, BStBl II 2012, 769).

Das Elterngeld, das ein behindertes Kind, für das Kindergeld begehrt wird, wegen der Betreuung und Erziehung seines eigenen Kindes erhält, gehört in vollem Umfang zu den Bezügen, die zur Abdeckung des Grundbedarfs des behinderten Kindes geeignet sind, vgl. BFH Urteil vom 5.2.2015, III R 31/13, BStBl II 2015, 1017.

Zur Berücksichtigung des Blindengeldes beim Vergleich der Einkünfte und der Bezüge eines volljährigen behinderten Kindes hat der BFH mit Urteil vom 31.8.2006 (III R 71/05, BFH/NV 2006, 2347) entschieden, dass das Blindengeld den zur Bestreitung des Lebensunterhalts geeigneten Bezügen zuzuordnen ist. Jedoch ist es bei der Ermittlung des behinderungsgerechten Mehrbedarfs an Stelle des Pauschbetrages für behinderte Menschen nach § 33b Abs. 3 Satz 3 EStG anzusetzen, wenn es der Höhe nach den Pauschbetrag übersteigt. Es ist zu vermuten, dass in Höhe des tatsächlich ausbezahlten Blindengeldes ein behinderungsbedingter Mehraufwand besteht.

Zum verfügbaren Nettoeinkommen vgl. die ausführlichen Regelungen in A 19.5 Nettoeinkommen DA KG vom vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010.

Bei der Prüfung, ob ein volljähriges behindertes Kind über hinreichende finanzielle Mittel zur Bestreitung seines persönlichen Unterhalts verfügt, ist eine Schmerzensgeldrente grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; vgl. BFH vom 13.4.2016, III R 28/15.

Leidet ein volljähriges Kind unter dem Asperger-Syndrom, kann dies eine Behinderung sein, die erheblich mitursächlich dafür ist, dass das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten; vgl. FG Hamburg vom 12.11.2020, 6 K 314/19.

5. Kinder während des gesetzlichen Grundwehrdienstes bzw. Zivildienstes

Für Kinder, die ihren gesetzlichen Grundwehrdienst leisten, erhalten Eltern keine Freibeträge nach § 32 Abs. 6 EStG. Nach dem BFH-Beschluss vom 4.7.2001 (VI B 176/00, BStBl II 2001, 675) ist diese Regelung verfassungsgemäß. Durch die Rspr. des BFH ist bereits geklärt, dass der Zivildienst grundsätzlich keine Berufsausbildung darstellt (s. dazu BFH Urteil vom 16.3.2004, VIII R 86/02, BFH/NV 2004, 1242). Allerdings entschied der BFH mit Urteil vom 27.9.2012 (III R 70/11, BStBl II 2013, 544), dass der Berücksichtigungstatbestand nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG nicht allein deshalb ausgeschlossen wird, weil das Kind während seiner Bemühungen um einen Ausbildungsplatz den gesetzlichen Zivildienst ableistet.

Mit Schreiben vom 25.3.2015 nimmt das BZSt zur Berücksichtigung von Kindern während des Wehrdienstes Stellung:

Der BFH hat in seinem Urteil vom 3.7.2014 (III R 53/13) entschieden, dass der freiwillige Wehrdienst, abhängig von seiner Ausgestaltung und der Art der Durchführung im Einzelfall, eine Maßnahme der Berufsausbildung gem. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG darstellen kann. Darüber hinaus wurde § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG durch das Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 22.12.2014 (BGBl I 2014, 2417) dahingehend geändert, dass durch den freiwilligen Wehrdienst eine Übergangszeit begründet werden kann.

Eine Berücksichtigung von Kindern während des Wehrdienstes kommt daher in den nachfolgenden Fällen in Betracht:

  • Die Ausbildung eines Soldaten für seine spätere Verwendung im Mannschaftsdienstgrad umfasst die Grundausbildung und die sich anschließende Dienstpostenausbildung (BFH vom 10.5.2012, BStBl II 2012, 895). Die Soldaten in der Laufbahn der Mannschaften gehören entweder der Statusgruppe der Soldaten auf Zeit an oder leisten freiwilligen Wehrdienst. Unabhängig davon, zu welcher dieser beiden Statusgruppen das Kind gehört, ist es kindergeldrechtlich zu berücksichtigen, wenn es eine Ausbildung absolviert. Die Grundausbildung dauert drei Monate und findet regelmäßig zu Beginn der Wehrdienstzeit statt. Die Dauer der möglichen Dienstpostenausbildungen ist unterschiedlich. Sie umfasst mindestens einen und häufig mehrere Monate. Aus diesem Grund können die ersten vier Monate der Wehrdienstzeit ohne näheren Nachweis berücksichtigt werden; lediglich der Dienstantritt ist glaubhaft zu machen. Für eine darüber hinausgehende Berücksichtigung hat der Berechtigte die Dauer der sich an die Grundausbildung anschließenden Dienstpostenausbildung nachzuweisen.

  • Die Ausbildung eines Soldaten zum Unteroffizier oder Offizier ist als Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen. Neben der militärischen Ausbildung sind auch zivilberufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen (sog. ZAW-Maßnahmen) berücksichtigungsfähig. Ebenso ist sowohl das Studium an einer Bundeswehrhochschule als auch das Studium an zivilen Hochschulen berücksichtigungsfähig. Unbeachtlich ist, ob der Soldat im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit oder eines Berufssoldaten steht. Ebenso ist nicht anspruchserheblich, ob der Soldat die Bezeichnung »Anwärter« oder eine vergleichbare Bezeichnung im Dienstgrad trägt (z.B. Fahnenjunker oder Fähnrich). Daher kann die Ausbildung auch dann berücksichtigt werden, wenn der Soldat bereits mit höherem Dienstgrad eingestellt wurde (z.B. aufgrund seiner Vorbildung).

  • Die Ausbildung eines Soldaten zum Reserveoffizier als Reserveoffiziersanwärter ist als Berufsausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zu berücksichtigen, sofern sie während des Wehrdienstes stattfindet. Eine Reserveoffiziersausbildung außerhalb des Wehrdienstes (Wehrübungen) ist keine Berufsausbildung.

Hat das Kind bereits eine Erstausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG abgeschlossen, kommt eine Berücksichtigung nur in Betracht, wenn die Erwerbstätigkeit anspruchsunschädlich ist. Dies ist insbes. der Fall, wenn es sich um ein Ausbildungsdienstverhältnis handelt. Die militärische Ausbildung oder das Studium eines Soldaten an einer Bundeswehrhochschule finden regelmäßig im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses i.S.d. § 32 Abs. 4 Satz 3 EStG statt. Die zivilberufliche Ausbildung oder das Studium an einer zivilen Hochschule stellen nur dann ein Ausbildungsdienstverhältnis dar, wenn die Maßnahme Bestandteil der Unteroffiziers- oder Offiziersausbildung ist.

Eine Berücksichtigung von Kindern nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG ist unter den in A 16 DA-KG vom vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010 genannten Voraussetzungen möglich. Aufgrund der während des Wehrdienstes stattfindenden Berufsausbildung stellen die Bemühungen des Kindes um eine Einstellung gleichzeitig Bemühungen um einen Ausbildungsplatz i.S.d. A 16 DA-KG dar. Als Nachweis i.S.d. A 16 Abs. 2 Satz 4 DA-KG vom 30.6.2022, St II 2 – S 2280-DA/21/00002, BStBl I 2022, 1010 kommt insbes. die Bewerbung für einen Wehrdienst (auch freiwilligen Wehrdienst) in Betracht.

6. Verlängerung der Berücksichtigung als Kind

Kinder ohne Arbeitsplatz, Kinder, die für einen Beruf ausgebildet werden, und Kinder, die sich in einer Übergangszeit befinden, die den gesetzlichen GWD oder ZD geleistet hatten oder sich anstelle des gesetzlichen GWD freiwillig für die Dauer von nicht mehr als drei Jahren zum Wehrdienst verpflichtet hatten, oder eine vom gesetzlichen GWD oder ZD befreiende Tätigkeit als Entwicklungshelfer i.S.d. § 1 Abs.1 EhfG ausgeübt hatten, werden nach § 32 Abs. 5 EStG für einen der Dauer dieser Dienste oder der Tätigkeit entsprechenden Zeitraum, höchstens für die Dauer des inländischen gesetzlichen GWD oder bei anerkannten Kriegsdienstverweigerern für die Dauer des inländischen gesetzlichen ZD, über das 21. oder 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt.

Bei den in § 32 Abs. 5 EStG geregelten Verlängerungstatbeständen handelt es sich um eine abschließende Aufzählung von zu berücksichtigenden Fällen, nämlich geleistete Grundwehr- oder Zivildienste oder Tätigkeiten als Entwicklungshelfer – nicht aber Freiwilligendienste. Wie der BFH bestätigte (BFH Urteil vom 31.3.2014, III B 147/13), liegt hier keine durch Analogiebildung zu schließende planwidrige Gesetzeslücke vor. Der Grund dieser Regelung besteht darin, dass die in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG genannten Dienste bereits kindergeldrechtlich während dieser Tätigkeit berücksichtigt werden und deshalb keines Verlängerungstatbestandes bedürfen, während Zivil- oder Wehrdienstleistende in der Regel während der Ausübung des Dienstes nicht Kindergeld anspruchsberechtigt waren. Nach diesen Grundsätzen liegt im Streitfall keine Regelungslücke vor. Mit dem in § 32 Abs. 5 EStG genannten Verlängerungstatbestand wollte der Gesetzgeber einen Ausgleich dafür schaffen, dass Kinder während der Ableistung ihres Wehr- oder Zivildienstes steuerlich nicht berücksichtigt werden (BT-Drs. 13/1558, 155 f.).

Beispiel 6:

Der Sohn, geboren am 23.9.1982, vollendet im März 2002 seine Schulausbildung. Vom 2.4.2002 bis zum 31.1.2003 leistet er den gesetzlichen Zivildienst, danach beginnt er eine Berufsausbildung, die voraussichtlich am 15.9.2009 enden wird.

Lösung 6:

Das Kind vollendet mit Ablauf des 22.9.2000 das 18. Lebensjahr. Bis einschließlich September 2000 ist das Kind nach § 32 Abs. 3 EStG zu berücksichtigen.

Ab Oktober 2000 bis zum Ende der Schulausbildung ist das Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als Kind zu berücksichtigen.

Zeiten, in denen das Kind den gesetzlichen Wehr- oder Zivildienst ableistet, können nicht berücksichtigt werden. Der Wehrdienst beginnt immer am 1. eines Monats, auch wenn der Dienst erst später (am ersten Werktag) angetreten wird. Der Zivildienst beginnt dagegen erst an dem Tag, an dem der Dienst aufgenommen wird, sodass das Kind ggf. in diesem Monat noch berücksichtigt werden kann. Für diesen Zeitraum kann jedoch keine Berücksichtigung im Rahmen des § 32 Abs. 5 EStG erfolgen. Der Sohn ist im April nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG als Kind zu berücksichtigen. Von Mai 2002 bis Januar 2003 (Zivildienstzeit) kann das Kind nicht berücksichtigt werden.

Ab Februar 2003 befindet sich der Sohn in Berufsausbildung, die voraussichtlich am 15.9.2009 enden wird. Mit Ablauf des 22.9.2008 vollendet der Sohn das 26. Lebensjahr. Nach der Übergangsregelung des § 52 Abs. 40 EStG sind Kinder, die nach dem 1.1.1982 und vor dem 2.1.1983 geboren wurden, bis zur Vollendung des 26. Lebensjahres zu berücksichtigen. Der Sohn ist somit bis einschließlich September 2008 nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als Kind zu berücksichtigen.

Wegen des abgeleisteten Zivildienstes kann der Sohn nach § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG auch über das 26. Lebensjahr hinaus als Kind berücksichtigt werden. Als Verlängerungstatbestand können nur die Monate des Zivildienstes berücksichtigt werden, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres abgeleistet wurden und nicht wegen Vorliegens eines Tatbestandes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG bereits zu einem Kindergeldanspruch geführt haben (hier April 2002). Während der Zivildienstzeit von zehn Monaten hatte der Sohn für einen Monat (April 2002) Anspruch auf Kindergeld. Der mögliche Verlängerungszeitraum umfasst daher lediglich neun Monate. Der Verlängerungszeitraum endet somit mit Ablauf Juni 2009.

Wird ein Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, innerhalb des viermonatigen Übergangszeitraums des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG zwischen einem Ausbildungsabschnitt und der Ableistung des gesetzlichen Wehrdienstes nicht bereits am ersten, sondern erst an einem späteren Tag des Monats zum gesetzlichen Wehrdienst einberufen, besteht für diesen Monat grds. ein Anspruch auf Kindergeld; vgl. BFH vom 5.9.2013, XI R 7/12.

Bei der Ermittlung des Verlängerungszeitraums sind zunächst die Monate zu berücksichtigen, in denen mindestens an einem Tag ein Dienst bzw. eine Tätigkeit i.S.d. § 32 Abs. 5 Satz 1 EStG geleistet wurde. Dabei sind auch die Monate zu berücksichtigen, für die Anspruch auf Kindergeld bestand (vgl. BFH Urteil vom 5.9.2013, BStBl II 2014, 39).

Das FG Münster hat mit Urteil vom 20.10.2014 (5 K 2339/14 Kg) entschieden, dass der Berechtigungszeitraum für den Bezug von Kindergeld sich nicht über das 25. Lebensjahr hinaus verlängert, wenn das Kind einen freiwilligen Wehrdienst ableistet. Ein junger Mann wurde im Mai 2014 25 Jahre alt. Ab Juni erhielten seine Eltern daher kein Kindergeld mehr für ihn – das sie ihrer Meinung nach jedoch bekommen müssten, da sich ihr Sohn in einer Ausbildung befand. Zuvor hatte er nach seinem Schulabschluss vom 1.1.2012 bis zum 30.6.2013 einen freiwilligen Wehrdienst abgeleistet. Diese 18 Monate wollten die Eltern an die Kindergeldberechtigung nach dem 25. Geburtstag anhängen. Das Finanzgericht entschied allerdings wie folgt: Der Berechtigungszeitraum verlängere sich nur bei Ableistung eines gesetzlichen Wehrdienstes oder eines freiwilligen Wehrdienstes anstelle des gesetzlichen Grundwehrdienstes. Die Wehrpflicht war jedoch zum 1.7.2011 ausgesetzt worden, sodass der hier geleistete freiwillige Wehrdienst nicht an die Stelle eines gesetzlichen Wehrdienstes getreten ist. Eine andere Auslegung des Gesetzes sei nicht erforderlich: Die allgemeine Wehrpflicht habe für die Wehrpflichtigen einen erheblichen Grundrechtseingriff dargestellt und die (weitere) Ausbildung zeitlich verzögert. Als Ausgleich dieses Nachteils habe das Kindergeld entsprechend länger gezahlt werden können.

Mit Urteil vom 2.3.2015, 7 K 1823/14 entschied das FG München, dass die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres nicht zu einer Verlängerung des Kindergeldanspruchs für ein sich in Ausbildung befindliches Kind über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus führt. Nach der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber hierdurch einen Ausgleich dafür schaffen, dass Kinder während der Ableistung des Grundwehr- oder Zivildienstes steuerlich und kindergeldrechtlich unberücksichtigt bleiben, jedoch sich deren Berufsausbildung zeitlich verzögert.

Verpflichtet sich ein Kind zu einem mehrjährigen Dienst im Katastrophenschutz (hier: Dienst bei der freiwilligen Feuerwehr) und wird es deshalb vom Wehrdienst freigestellt, erwächst daraus keine Verlängerung der kindergeldrechtlichen Berücksichtigungsfähigkeit über das 25. Lebensjahr hinaus; vgl. BFH Urteil vom 19.10.2017, III R 8/17, BStBl II 2018, 399. Der BFH hat keine verfassungsrechtlichen Erwägungen zur unterschiedlichen Behandlung zwischen den den im Verlängerungstatbestand genannten Diensten und dem Dienst im Katastrophenschutz angestellt. Er sieht vielmehr in der Nichtberücksichtigung des Katastrophendienstes im Verlängerungstatbestand eine notwendige Typisierung, mit der der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung gegenüber Eltern geschaffen hat, deren in Ausbildung befindliche Kinder sich neben dem Studium oder der betrieblichen Berufsausbildung in anderer Weise engagieren (z.B. in einem Sportverein, einer Jugendorganisation oder einer kirchlichen Vereinigung) und dadurch gesellschaftliche Aufgaben übernehmen.

7. Kinder bei der Erbschaftsteuer

Zur Behandlung von Kindern bei der Erbschaftsteuer s. → Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer.

8. Literaturhinweise

Christoffel, Neuregelungen durch das Steueränderungsgesetz 2007, INF 2006, 616; Jochum u.a., Das auszubildende Kind im Familienleistungsausgleich – Die Ermittlung der sog. »schädlichen Einkünfte« aus steuerrechtlicher und sozialrechtlicher Perspektive, FR 2006, 677; Viefhues, Die Adoption von Kindern, NWB Fach 19, 3501; Gunsenheimer, Die Folgen aus der Herabsetzung des Kindesalters auf das 25. Lebensjahr, Steuer & Studium 2007, 599; Greite, Kindergeldanspruch für ein arbeit- oder ausbildungsuchendes Kind, NWB Fach 3, 15271; Hechtner u.a., Die Günstigerprüfung des Familienleistungsausgleichs nach dem zweiten Konjunkturpaket, FR 2009, 573; Hollatz, Einbeziehung von Einkünften aus Voll-Erwerbstätigkeit – Kindergeld zwischen zwei Ausbildungsabschnitten –, NWB 2009, 1572; Wälzholz, Adoption aus steuerrechtlichem Anlass und zivilrechtlicher Sicht, NWB 2009, 1591; Greite, Kindergeld für behinderte Kinder, NWB 2009, 1917; Bering/Friedenberger, Aktuelle Entwicklungen beim Kindergeld und bei der steuerlichen Berücksichtigung von Kindern, NWB 2013, 1560; Steck Verfassungswidrigkeit der Kinder(nicht-)berücksichtigung am Ersten eines Monats Geborener, NWB 2013, 2639; Müller, Praxisfälle zum Kindergeld, NWB 2014, 3902; Krönauer, Kindergeld bei mehraktigen Ausbildungsabschnitten, NWB 42/2019, 3056; Selting, Kindergeld bei neben der Ausbildung ausgeübter Erwerbstätigkeit, NWB 26/2019, 1887; Schmitt; Kindergeldanspruch bei mehraktiger Berufsausbildung, NWB 52/2018, 15; Hechtner, Steuerliche Entlastungen durch das Zweite Familienentlastungsgesetz, NWB 20/2021, 1455; Weidlich/Bering, Praxisleitfaden Kindergeld, NWB 20/2022, 1439.

9. Verwandte Lexikonartikel

Betreuungsleistungen

Einkünfte und Bezüge von Kindern

Familienleistungsausgleich

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Kinderfreibetrag

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Kindervergünstigungen

Kindesunterhalt

Nichteheliche Lebensgemeinschaften

Pflegegeld für Kinder in Familienpflege

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Verträge zwischen Angehörigen

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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