Zwangsvollstreckung

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Zwangsvollstreckung ist die Durchsetzung der durchweg vernachlässigten Ansprüche des Gläubigers gegenüber dem Schuldner mit rechtlichen Mitteln durch den Staat.
  • Beachtet der Schuldner nicht den Mahnbescheid, den Vollstreckungsbescheid sowie alle anderen Forderungen außergerichtlicher Art, steht am Ende eines gerichtlichen Verfahrens die Zwangsvollstreckung.
  • Die unbezahlte Geldforderung führt der Gerichtsvollzieher durch, in Form einer Sach- oder Kontopfändung. Neben diesen gibt es auch die Lohnpfändung oder die Zwangsversteigerung von Immobilien.

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeines
2 Vollstreckungsbehörden
3 Vollstreckbare Verwaltungsakte und Vollstreckungsmöglichkeiten
4 Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung
4.1 Vollstreckbarer Verwaltungsakt
4.2 Fälligkeit
4.3 Leistungsgebot
4.4 Wochenfrist
5 Einwendungen gegen die Vollstreckung
6 Auswirkungen der Corona-Krise auf das Vollstreckungsverfahren
7 Pfändungsfreigrenzen
8 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeines

Ausführliche Erläuterungen zur Zwangsvollstreckung enthält die »Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der Vollstreckung nach der Abgabenordnung – Vollstreckungsanweisung (VollstrA)« vom 13.3.1980 (BStBl I 1980, 112; Änderung durch Art. 1 der Dritten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Vollstreckungsanweisung und der Vollziehungsanweisung vom 23.10.2017 m.W.v. 15.11.2017, BStBl I 2017, 1374) und die »Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Vollziehungsbeamte der Finanzverwaltung – Vollziehungsanweisung (VollzA)« vom 29.4.1980 (BStBl I 1980, 194; Änderung durch Ar. 2 der Dritten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Vollstreckungsanweisung und der Vollziehungsanweisung vom 23.10.2017 m.W.v. 15.11.2017, BStBl I 2017, 1374).

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2. Vollstreckungsbehörden

Das Zwangsvollstreckungsverfahren ist in den §§ 249 ff. AO geregelt. Vollstreckung ist ein staatliches Verfahren, das dazu dient einen Anspruch des Gläubigers gegen einen Schuldner mit Hilfe staatlicher Zwangsgewalt zu verwirklichen. Vollstreckungsbehörden sind die Finanzämter, die Hauptzollämter sowie die Landesfinanzbehörden, denen durch eine Rechtsverordnung nach § 17 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 FVG (Finanzverwaltungsgesetz) die landesweite Zuständigkeit für Kassengeschäfte und das Erhebungsverfahren einschließlich der Vollstreckung übertragen worden ist (§ 249 Abs. 1 Satz 3 AO).

3. Vollstreckbare Verwaltungsakte und Vollstreckungsmöglichkeiten

Die Finanzbehörden können Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken. Die gilt auch für Steueranmeldungen i.S.d. § 168 AO. Die Abgabenordnung unterscheidet zwischen der Vollstreckung wegen Geldforderungen des Finanzamts (§§ 249 ff. und §§ 259 ff. AO) und der Vollstreckung zu Erzwingung anderer Handlungen als Geldzahlungen (§§ 328 ff. AO, → Zwangsmittel).

Abb.: Zwangsvollstreckung

4. Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung

Nach § 254 Abs. 1 AO darf die Vollstreckung gegen einen vollstreckbaren Verwaltungsakt erst beginnen, wenn

  • die Leistung fällig ist,

  • der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (= Leistungsgebot) und

  • seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist.

4.1. Vollstreckbarer Verwaltungsakt

Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung festgesetzt wird, sind grundsätzlich vollstreckbar. Dazu gehören z.B. Steuerbescheide (→ Steuerbescheid), Steueranmeldungen (→ Steueranmeldung), Haftungsbescheide (→ Haftung) sowie Verwaltungsakte, mit denen steuerliche Nebenleistungen, Geldbußen oder an das Finanzamt zurückzuzahlende Beträge festgesetzt werden. Verwaltungsakte können gem. § 251 AO nicht vollstreckt werden, soweit ihre Vollziehung ausgesetzt ist (§ 361 AO). Auch im Insolvenzverfahren ist die Vollstreckung in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 InsO zulässig. Eine Insolvenzforderung aus dem Steuerschuldverhältnis wird erforderlichenfalls durch einen schriftlichen Verwaltungsakt festgestellt (§ 251 Abs. 3 AO). Ausführliche Regelungen hierzu enthält der AEAO zu § 251.

4.2. Fälligkeit

Gem. § 220 Abs. 1 AO richtet sich die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach den Einzelsteuergesetzen. Eine Einkommensteuerabschlusszahlung ist z.B. gem. § 220 Abs. 1 AO i.V.m. § 36 Abs. 4 EStG einen Monat nach Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides zu entrichten.

Fehlt es an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit, wird der Anspruch gem. § 220 Abs. 2 AO mit seiner Entstehung fällig, es sei denn, dass in einem Leistungsgebot eine Zahlungsfrist eingeräumt wurde. Auch im Hinblick auf Säumniszuschläge (→ Säumniszuschlag) fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung der Fälligkeit. Säumniszuschläge entstehen kraft Gesetzes und werden gem. § 220 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. AO gleichzeitig mit ihrer Entstehung fällig. Ein Leistungsgebot bedarf es nach § 254 Abs. 2 AO nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden.

4.3. Leistungsgebot

Das Leistungsgebot nach § 254 AO ist kein Bestandteil des Steuerbescheides, sondern ein selbstständiger sonstiger → Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO. Mit dem Leistungsgebot erfolgt die Aufforderung der Behörde an den Vollstreckungsschuldner, die geschuldete Leistung innerhalb einer Frist zu bewirken. Ein Leistungsgebot erfordert die ordnungsgemäße Festsetzung der geschuldeten Leistung, z.B. die Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid. Regelmäßig wird der Steuerbescheid mit dem Leistungsgebot verbunden. Das Leistungsgebot ist gem. § 254 Abs. 1 Satz 1 AO grundsätzlich Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung und muss Folgendes enthalten:

  • den Vollstreckungsschuldner,

  • Benennung des Gegenstandes der Leistung,

  • Aufforderung zur Bewirkung der Leistung.

Als Verwaltungsakt muss das Leistungsgebot gem. § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein.

Hat der Vollstreckungsschuldner eine von ihm aufgrund einer → Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht, ist ein Leistungsgebot gem. § 254 Abs. 1 Satz 4 AO nicht erforderlich. Damit entfällt auch die Wahrung der Wochenfrist nach § 254 Abs. 1 Satz 1 AO. Hintergrund der Regelung ist, dass eine Steueranmeldung des Steuerpflichtigen, die mit Eingang beim Finanzamt gem. § 168 Satz 1 AO einer → Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, als eine Art »Anerkenntnis« wirkt, womit ein Leistungsgebot nicht erforderlich erscheint. Dennoch soll nach § 259 AO i.d.R. vor Beginn der Vollstreckung mit Wochenfrist gemahnt werden.

Wird eine Steueranmeldung nicht eingereicht oder will das Finanzamt eine von der Steueranmeldung abweichende Steuer festsetzen, erfolgt dies gem. § 167 Abs. 1 AO mit Steuerbescheid, der mit einem Leistungsgebot einhergeht.

Eine Vollstreckung ohne Leistungsgebot ist gem. § 254 Abs. 2 AO auch statthaft, wenn sie wegen Säumniszuschlägen und Zinsen erfolgt, soweit sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden, für die sie entstanden sind. Daneben ist auch eine Vollstreckung wegen Vollstreckungskosten ohne Leistungsgebot zulässig, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden. Werden diese unabhängig von der Hauptforderung beigetrieben, bedarf es eines gesonderten Leistungsgebots.

4.4. Wochenfrist

Seit der Aufforderung zur Leistung muss mindestens eine Woche verstrichen sein, bevor die Vollstreckung beginnen kann. Im Fall der Steuerfestsetzung durch Steueranmeldung ist die Wahrung der Wochenfrist mangels Leistungsgebots nicht erforderlich.

Für die Berechnung der Wochenfrist gelten über den Verweis des § 108 Abs. 1 AO die Vorschriften der §§ 187 ff. BGB (→ Fristen und Termine).

5. Einwendungen gegen die Vollstreckung

Die Durchführung der Vollstreckung wird nicht dadurch gehindert, dass der Vollstreckungsschuldner Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt, zum Beispiel gegen die Steuerfestsetzung, erhebt. Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind gem. § 256 AO außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen.

Bei Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung selbst ist die Vollstreckung gegebenenfalls einzustellen oder zu beschränken, wenn die Voraussetzungen hierfür nachgewiesen werden. Kann der Nachweis nicht geführt werden, ist die Vollstreckung in der Regel fortzusetzen. Der Vollstreckungsschuldner kann gegebenenfalls außerhalb des Vollstreckungsverfahrens den Erlass eines Verwaltungsaktes nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung beantragen.

Rechtsbehelf gegen Maßnahmen der Vollstreckung ist Einspruch (§ 347 AO). Er ist unzulässig vor Beginn und nach Beendigung der Vollstreckungsmaßnahme, gegen die er sich richtet. Zur Einlegung des Einspruchs ist nur befugt, wer geltend macht, durch eine Vollstreckungsmaßnahme beschwert zu sein. Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollstreckung nicht gehemmt.

6. Auswirkungen der Corona-Krise auf das Vollstreckungsverfahren

Wird dem FA bis zum 31.1.2022 aufgrund einer Mitteilung des Vollstreckungsschuldners bekannt, dass der Vollstreckungsschuldner nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffen ist, soll bis zum 30.6.2022 von Vollstreckungsmaßnahmen bei bis zum 31.3.2022 fällig gewordenen Steuern abgesehen werden (vgl. BMF vom 31.1.2022, BStBl I 2022, 132). In diesen Fällen sind die im Zeitraum vom 1.1.2021 bis zum 30.6.2022 entstandenen Säumniszuschläge grundsätzlich zu erlassen. Bei Vereinbarung einer angemessenen Ratenzahlung ist hierbei eine Verlängerung des Vollstreckungsaufschubs für die bis zum 31.3.2022 fälligen Steuern längstens bis zum 30.9.2022 einschließlich des Erlasses der bis dahin insoweit entstandenen Säumniszuschläge möglich. Das ist nur dann möglich, wenn das FA Kenntnis davon hat, dass der Stpfl. von der Corona Krise betroffen ist. Das Finanzamt ist daher über die konkrete Situation zu informieren. Insolvenzanträge, die von den Finanzbehörden bereits vor Beginn der Corona-Krise gestellt wurden, werden nur in begründeten Ausnahmefällen zurückgenommen beziehungsweise für erledigt erklärt, da davon auszugehen ist, dass der Insolvenzgrund bereits vor Ausbruch der Corona-Krise vorgelegen hat. S. hierzu www.bundesfinanzministerium.de – Themen – Steuern FAQ »Corona« (Steuern), Stand 20.10.2022.

Bei der Corona-Soforthilfe handelt es sich aufgrund ihrer Zweckbindung um eine nach § 851 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 399 Alt. 1 BGB regelmäßig nicht pfändbare Forderung (BFH Beschluss vom 9.7.2020, VII S 23/20, BFH/NV 2020, 1104; LEXinform 5909023; BGH Beschluss vom 10.3.2021, VII ZB 24/20, BStBl II 2021, 501).

7. Pfändungsfreigrenzen

Ab dem 1.7.2022 beträgt der unpfändbare Grundbetrag nach § 850c ZPO 1 330,16 €/mtl. (bis zum 30.6.2022: 1 252,64 €). Dieser Betrag erhöht sich, wenn gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen sind, um 500,62 €/mtl. (bis zum 30.6.2022: 471,44 €) für die erste und um jeweils weitere 278,90 €/mtl. (bis zum 30.6.2022: 262,65 €) für die zweite bis fünfte Person. Die genauen Beträge ergeben sich aus einem tabellarischen Anhang zur Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2022 (PfändfreiGrBek 2022, BGBl I 2022, 825). Die Tabelle endet für Monatsbezüge künftig bei 4 077,72 €; alle Beträge darüber sind voll pfändbar.

8. Verwandte Lexikonartikel

Fristen und Termine

Steueranmeldung

Zwangsmittel

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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