1 Allgemeines
2 Beginn des Säumniszeitraums
3 Fiktive Säumnis als Folge einer Scheckeinreichung
4 Höhe der Säumniszuschläge
5 Säumniszuschläge bei Korrektur der Steuerfestsetzung
6 Säumniszuschläge bei Herabsetzung von Vorauszahlungen
7 Säumniszuschläge bei Aussetzung der Vollziehung gem. § 361 AO
8 Säumniszuschläge bei Stundung gem. § 222 AO
9 Erlass eines Abrechnungsbescheids
10 Erlass von Säumniszuschlägen
11 Verwandte Lexikonartikel
Säumniszuschläge (§ 240 AO) stellen einerseits ein Druckmittel dar, durch das die rechtzeitige Erfüllung der Steuerzahlungspflicht erreicht und die nicht rechtzeitige Erfüllung dieser Pflicht mit nachteiligen Folgen ausgestattet werden soll. Außerdem bezwecken Säumniszuschläge, der Finanzbehörde eine Gegenleistung für das Hinausschieben einer Steuerzahlung zu gewähren. Des Weiteren sollen durch Säumniszuschläge auch die Verwaltungsaufwendungen abgegolten werden, die durch die unterlassene oder nicht fristgemäße Zahlung durch den Steuerpflichtigen entstanden ist (BFH vom 30.3.2006, V R 2/04, BStBl II 2006, 612).
Nach § 240 Abs. 1 AO tritt Säumnis ein, wenn die Steuer oder die zurückzuzahlende Steuervergütung nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages entrichtet wird. Nach § 240 Abs. 3 AO wird jedoch ein Säumniszuschlag bei Überweisungen (§ 224 Abs. 2 Nr. 2 AO) bei einer Säumnis bis zu drei Tagen nicht erhoben (Schonfrist). Diese Schonfrist gilt nicht bei Zahlung i.S.d. § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO (z.B. bei Scheckzahlung). Bei Fälligkeitssteuern tritt die Säumnis nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder die Steueranmeldung abgegeben worden ist.
Beispiel 1:
U gibt die monatliche USt-Voranmeldung Juli 06 am 20.8.07 mit einer Zahllast i.H.v. 5 345 € ab. Beigefügt ist ein Scheck i.H. dieses Betrags.
Lösung 1:
Nach § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG ist die USt-Vorauszahlung am 10.8.07 fällig. Mit Eingang beim Finanzamt steht die Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Nach § 240 Abs. 1 Satz 3 AO tritt die Säumnis nicht ein, bevor die Steuer angemeldet oder festgesetzt worden ist. Die Säumnis beginnt somit ab dem 21.8.07. Nach § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt für bei der Finanzbehörde eingegangene Schecks der 23.8.08 als Tag der Zahlung (drei Tage nach Eingang des Schecks), sodass Säumniszuschläge entstanden sind. Der Säumniszuschlag beträgt nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO 1 % von 5 300 € = 53 €.
Bei der Übersendung von Schecks gilt die wirksam geleistete Zahlung nach § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO drei Tage nach dem Tag des Eingangs als entrichtet. Diese generelle Regelung nimmt in Kauf, dass eine Zahlung mitunter als nicht entrichtet anzusehen ist, obwohl das FA bereits über den Zahlbetrag verfügen kann. Der BFH hat mit Urteil vom 28.8.2012 (VII R 71/11, BStBl II 2013, 103) festgestellt, dass die Drei-Tage-Regel das Verwaltungsverfahren vereinfachen soll, in dem das FA den Zahlungseingang nicht im Einzelfall ermitteln muss. Obwohl aufgrund programmgesteuerter elektronischer Datenverarbeitung der tatsächliche Zahlungseingang erfasst werden könne, sei die Regelung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Stpfl. könne die Gefahr des Entstehens von Säumniszuschlägen ohne Weiteres durch eine rechtzeitige Scheckeinreichung ausschließen.
Säumniszuschläge werden grundsätzlich ab Fälligkeit berechnet. Für jeden angefangenen Monat der Säumnis ist ein Säumniszuschlag von 1 % des rückständigen auf 50 € abgerundeten teilbaren Steuerbetrages zu entrichten.
Gegen die Höhe des Säumniszuschlags nach § 240 Abs. 1 Satz 1 AO in den Streitjahren 2015, 2016 und 2017 bestehen auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH vom 23.8.2022, VII R 21/21, BStBl II 2023, 304; BFH vom 15.11.2022, VII R 55/20, BStBl II 2023, 621, LEXinform 0953235; BFH Beschluss vom 13.9.2023, XI B 38/22 (AdV), BFH/NV 2024, 301).
Bei summarischer Prüfung bestehen nach den Urteilen des BFH vom 23.8.2022 (VII R 21/21, BStBl II 2023, 304), vom 15.11.2022 (VII R 55/20, BStBl II 2023, 621) und vom 23.8.2023 (X R 30/21, BFH/NV 2024, 298) keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit verwirkter Säumniszuschläge, auch soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind (BFH Beschluss vom 16.10.2023, V B 49/22 (AdV), BFH/NV 2024, 63). Im Hinblick hierauf hält der Senat an seiner bisherigen Beurteilung in dem Beschluss vom 23.5.2022 (V B 4/22 (AdV), BFH/NV 2022, 1030) nicht mehr fest.
Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu drei Tagen (Säumnisschonfrist) nicht erhoben (§ 240 Abs. 3 AO). Fällt das Ende der dreitägigen Schonfrist auf einen Samstag, Sonntag oder Feiertag, verschiebt sich das Ende der Schonfrist auf den folgenden Werktag (§ 108 Abs. 3 AO.
Die Schonfrist hat jedoch keinen Einfluss auf die Fälligkeit. Überschreitet die Säumnis die Schonfrist, verwirken die Säumniszuschläge vom Fälligkeitstag an. Dies gilt allerdings nicht bei Übergabe oder Übersendung von Zahlungsmitteln i.S.d. § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO, also bei Barzahlung oder Scheckhingabe.
Beispiel 2:
Der Unternehmer in Beispiel 1 überweist am 20.8.06 den Betrag. Die Gutschrift auf dem Konto der Finanzkasse erfolgt am 26.8.06.
Die Zahlung mittels Schecks erfolgt am 22.8.06 (Eingang des Schecks beim Finanzamt).
Lösung 2:
Tag der Zahlung gem. § 224 Abs. 2 Nr. 2 AO ist der 26.8.06. Die Säumnisschonfrist des § 240 Abs. 3 AO beginnt am 21.8. und endet am 23.8.06. Da die Zahlung nach Ablauf der Schonfrist erfolgt, sind Säumniszuschläge zu erheben. Der Säumnismonat beginnt am 21.8. und endet am Tag der Zahlung am 26.8.06. Es ist ein Säumniszuschlag von 1 % von 5 300 € = 53 € zu erheben.
Tag der Zahlung gem. § 224 Abs. 2 Nr. 1 AO ist der 22.8.06. Die Säumnisschonfrist des § 240 Abs. 3 AO ist nicht anzuwenden. Da die Zahlung nach Ablauf der kassentechnischen Fälligkeit (20.8.06) erfolgt, sind Säumniszuschläge zu erheben. Der Säumnismonat beginnt am 21.8. und endet am Tag der Zahlung am 22.8.08. Es ist ein Säumniszuschlag von 1 % von 5 300 € = 53 € zu erheben.
Bei steuerlichen Nebenleistungen entstehen keine Säumniszuschläge (§ 240 Abs. 2 AO).
Im Falle der Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 AO bleiben die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge bestehen (§ 240 Abs. 1 Satz 4 AO). Säumniszuschläge sind nicht zu entrichten, soweit sie sich auf Steuerbeträge beziehen, die durch nachträgliche Anrechnung von Lohn-, Kapitalertrag- oder Körperschaftsteuer entfallen sind, weil insoweit zu keiner Zeit eine rückständige Steuer i.S.d. § 240 Abs. 1 Satz 4 AO vorgelegen hat (BFH Urteil vom 24.3.1992, VII R 39/91, BStBl II 1992, 956). Es entstehen keine Säumniszuschläge, wenn aufgrund einer Anfechtung des Insolvenzverwalters Steuern, die bis zum Ablauf des Fälligkeitstages vom Insolvenzschuldner gezahlt wurden, zurückgewährt werden (BFH vom 22.11.2017, XI R 14/16, BStBl II 2018, 455, LEXinform 0951017). Eine Säumnis i.S.d. § 240 AO entfällt mit dem Zeitpunkt der Zahlung. Es kommt für die Entstehung von Säumniszuschlägen nicht auf den Bestand der Steuerforderungen an, die nach § 47 AO erlöschen, sondern auf den Zeitpunkt der Entrichtung der Steuern.
Wird einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Herabsetzung von Vorauszahlungen erst nach Fälligkeit entsprochen, sind Säumniszuschläge auf den Herabsetzungsbetrag nicht zu erheben.
Wird ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Herabsetzung von Vorauszahlungen nach Fälligkeit abgelehnt, so kann im Allgemeinen eine Frist zur Zahlung der rückständigen Steuern bewilligt werden. Die Zahlungsfrist soll eine Woche grundsätzlich nicht überschreiten. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3 AO) ist vom Ende der Zahlungsfrist an zu gewähren. Bei Zahlung bis zum Ablauf der Schonfrist sind keine Säumniszuschläge zu erheben.
Wird einer der vorbezeichneten Anträge mit dem Ziel gestellt, sich der rechtzeitigen Zahlung der Steuer zu entziehen (Missbrauchsfälle), ist keine Zahlungsfrist zu bewilligen.
Wird ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach Fälligkeit abgelehnt, so kann im Allgemeinen eine Frist zur Zahlung der rückständigen Steuern bewilligt werden. Die Zahlungsfrist soll eine Woche grundsätzlich nicht überschreiten. Die Schonfrist (§ 240 Abs. 3 AO) ist vom Ende der Zahlungsfrist an zu gewähren. Bei Zahlung bis zum Ablauf der Schonfrist sind keine Säumniszuschläge zu erheben.
Wird eine Stundung bis zur Fälligkeit beantragt, aber erst nach Fälligkeit bewilligt, so ist die Stundung mit Wirkung vom Fälligkeitstag an auszusprechen. Vom neuen Fälligkeitstag an gilt nach § 240 Abs. 3 AO wieder eine Schonfrist (vgl. AEAO zu § 240 Nr. 6; BMF vom 20.1.2021, BStBl I 2021, 128).
Bei einem innerhalb der Schonfrist nach § 240 Abs. 3 AO eingegangenen Stundungsantrag sind für die Zeit von der Fälligkeit bis zum Beginn der Stundung keine Säumniszuschläge zu erheben. Das Gleiche gilt, wenn der Stundungsantrag am ersten Werktag nach Ablauf der Schonfrist eingegangen ist und die Stundung daher unmittelbar an die Schonfrist anschließt.
Bei Zahlung bis zum Ablauf dieser Schonfrist sind keine Säumniszuschläge zu erheben.
Bis zum Beginn der Stundung entstandene und zu erhebende Säumniszuschläge sind in die Stundungsverfügung einzubeziehen.
Besteht Streit über die Entstehung und die Verwirklichung von Säumniszuschlägen, hat die Finanzbehörde darüber durch → Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 Satz 1 AO zu entscheiden (BFH Urteil vom 12.8.1999, VII R 92/98, BStBl II 1999, 751).
Eine Aufzählung von Erlassfällen findet sich im AEAO zu § 240 Nr. 5 (BMF vom 23.1.2023, BStBl I 2023, 192).
Die Erhebung von Säumniszuschlägen ist sachlich unbillig, wenn dem Stpfl. die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit unmöglich ist und deshalb die Ausübung von Druck zur Zahlung ihren Sinn verliert. Das Finanzamt ist regelmäßig nicht verpflichtet, bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Stpfl. mehr als die Hälfte der verwirkten Säumniszuschläge zu erlassen (BFH Urteil vom 9.7.2003, V R 57/02, BStBl II 2003, 901).
Säumniszuschläge, die auf einer materiell rechtswidrigen und deswegen aufgrund eines Rechtsbehelfs des Steuerpflichtigen geänderten Jahressteuerfestsetzung beruhen, sind aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, wenn der Steuerpflichtige insoweit die → Aussetzung der Vollziehung der Vorauszahlungsbescheide erreicht hat und die – weitere – Aussetzung dieser Beträge nach Ergehen des Jahressteuerbescheides allein an den Regelungen der §§ 361 Abs. 2 Satz 4 AO und 69 Abs. 2 Satz 8 FGO scheitert (BFH vom 20.5.2010, V R 42/08, BStBl II 2010, 955).
Säumniszuschläge sind in vollem Umfang zu erlassen, wenn eine rechtswidrige Steuerfestsetzung aufgehoben wird und der Steuerpflichtige zuvor alles getan hat, um die Aussetzung der Vollziehung zu erreichen und diese, obwohl möglich und geboten, abgelehnt wurde (BFH vom 24.4.2014, V R 52/13, BStBl II 2015, 106). Die beim BVerfG anhängigen Verfahren wegen der möglichen Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung rechtfertigen keine AdV von Einheitswertbescheiden und damit auch keinen Erlass von Säumniszuschlägen zur Grundsteuer (BFH Beschluss vom 2.3.2017, II B 33/16, BStBl II 2017, 646).
Säumniszuschläge sind nicht wegen sachlicher Unbilligkeit zu erlassen, wenn der Steuerpflichtige seinen vom Finanzamt zurückgewiesenen Einspruch gegen die teilweise Ablehnung von AdV trotz entsprechender Ankündigung nicht begründet (BFH Urteil vom 18.9.2018, XI R 36/16, BStBl II 2019, 87; LEXinform 0951656).
Gegen die Ablehnung eines Antrags auf Erlass von Säumniszuschlägen kommt als Mittel des einstweiligen Rechtsschutzes nicht die Aussetzung der Vollziehung, sondern die einstweilige Anordnung in Betracht (BFH Beschluss vom 30.9.2015, I B 86/15, BFH/NV 2016, 569).
Greift der Steuerpflichtige eine Entscheidung des FA über die Ablehnung des Erlasses von Säumniszuschlägen mit der Klage an, kann er in diesem finanzgerichtlichen Verfahren keine Einwendungen geltend machen, die sich mit der Frage befassen, ob und ggf. in welcher Höhe die betreffenden Säumniszuschläge entstanden sind (BFH Beschluss vom 6.7.2015, III B 168/14, BFH/NV 2015, 1344).
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