Zwangsmittel

Stand: 28. März 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Zwangsmittelarten gem. § 328 AO
2 Zwangsgeld gem. § 329 AO
2.1 Anwendungsbereich
2.2 Festsetzung eines Verspätungszuschlags neben der Zwangsgeldandrohung und/oder Zwangsgeldfestsetzung
2.3 Ermessensentscheidung
2.4 Adressat der Zwangsgeldfestsetzung
2.4.1 Allgemeines
2.4.2 Mehrere Personen als Erfüllungsverpflichtete
2.4.3 Gesetzliche Vertreter als Erfüllungsverpflichtete
2.4.4 Feststellungsbeteiligte als Erfüllungsverpflichtete
2.4.5 Gewillkürte Vertretung
2.5 Androhung des Zwangsgeldes gem. § 332 AO
2.6 Festsetzung des Zwangsgeldes
2.7 Rechtsbehelfe
2.8 Ersatzzwangshaft gem. § 334 AO
2.9 Beendigung des Zwangsverfahrens gem. § 335 AO
3 Ersatzvornahme gem. § 330 AO
4 Unmittelbarer Zwang gem. § 331 AO
5 Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2b AO
6 Literaturhinweise
7 Verwandte Lexikonartikel

1. Zwangsmittelarten gem. § 328 AO

Nach § 328 Abs. 1 AO kann ein → Verwaltungsakt, der auf Vornahme einer Handlung, auf Duldung oder Unterlassung gerichtet ist, mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Zu den Zwangsmitteln gehören gem. § 328 Abs. 1 AO

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  • das Zwangsgeld (§ 329 AO),

  • die Ersatzvornahme (§ 330 AO),

  • der unmittelbare Zwang (§ 331 AO).

Im Ermittlungsverfahren ist die Finanzverwaltung auf die Mitwirkung der Stpfl. angewiesen. Kommen Beteiligte ihrer Mitwirkungspflicht nicht nach, sollen die Zwangsmittel dazu dienen, den Stpfl. zur Vornahme einer bestimmten Handlung zu zwingen. Die Zwangsmittel sind als Mittel zur Erzwingung anderer Handlungen als Geldzahlungen neben der Vollstreckung wegen Geldforderungen (→ Zwangsvollstreckung) dem Vollstreckungsverfahren zuzuordnen.

2. Zwangsgeld gem. § 329 AO

Das Zwangsgeld stellt von den gesetzlich möglichen Zwangsmitteln, die den Finanzämtern zur Verfügung stehen, nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der geringsten Beeinträchtigung i.S.d. § 328 Abs. 2 AO regelmäßig das geeignete und damit das am häufigsten vorkommende Mittel dar.

2.1. Anwendungsbereich

Mit einem Zwangsgeld sind u.a. durchsetzbar:

  • Abgabe von Steuererklärungen,

  • Erteilung von Auskünften,

  • Vorlage von Urkunden,

  • Führung von Büchern gem. §§ 140, 141 AO,

  • Vorlage von Abschlussunterlagen zur Steuererklärung gem. § 150 Abs. 4 AO i.V.m. § 60 EStDV,

  • Duldung einer Betriebsprüfung,

  • Duldung von Vollstreckungsmaßnahmen,

  • bei einer mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Erinnerung zur Abgabe der Zusammenfassenden Meldung (§ 18a UStG), da hier ein Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO vorliegt (BFH Urteil vom 27.9.2017, XI R 15/15, BStBl II 2018, 155; DStR 2017, 2611),

  • die Aufforderung zur Abgabe der E-Bilanz gem. § 5b EStG (BFH vom 15.5.2018, VII R 14/17, BFH/NV 2018, 1137).

Nicht erzwingbar sind u.a.:

  • auf Geldleistung gerichtete Verwaltungsakte (z.B. Leistungsgebot),

  • die Versicherung an Eides statt gem. § 95 Abs. 6 AO,

  • die Erteilung von Auskünften, sofern ein Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrecht gem. §§ 101 ff. AO besteht.

Darüber hinaus sind gem. § 393 Abs. 1 Satz 2 AO im Besteuerungsverfahren Zwangsmittel gegen den Stpfl. unzulässig, wenn er dadurch gezwungen würde, sich selbst wegen einer von ihm begangenen Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu belasten.

2.2. Festsetzung eines Verspätungszuschlags neben der Zwangsgeldandrohung und/oder Zwangsgeldfestsetzung

Sowohl das Zwangsgeld als auch der → Verspätungszuschlag gem. § 152 AO sollen den ordnungsgemäßen Gang des Besteuerungsverfahrens durch den rechtzeitigen Eingang der Steuererklärungen und damit verbunden auch die rechtzeitige Festsetzung und Zahlung der Steuern sicherstellen.

Das Zwangsgeld zielt allerdings auf die Pflichterfüllung, insbes. die Abgabe von Steuererklärungen, ab. Der → Verspätungszuschlag gem. § 152 AO hingegen hat eine Doppelfunktion. Einerseits dient er als Sanktion einer Pflichtverletzung, andererseits dient er einer auf die Zukunft gerichteten Prävention. Dabei kann die Doppelfunktion bei der Bemessung dieses Druckmittels in unterschiedlichem Maße von Bedeutung sein (BFH vom 26.2.2002, IV R 63/00, BStBl II 2002, 679).

Es besteht keine Verpflichtung des Finanzamtes, von einer Festsetzung des Verspätungszuschlags abzusehen, weil die Androhung eines Zwangsgeldes ausreicht, den Stpfl. zur rechtzeitigen Abgabe von Steuererklärungen anzuhalten. Das eine Mittel schließt das andere nicht aus. Das Ermessen des Finanzamtes hinsichtlich der Androhung und/oder der Festsetzung eines Zwangsgeldes wird nicht auf eine mögliche Entscheidung hinsichtlich der Festsetzung eines Verspätungszuschlags eingeschränkt, weil es treuwidrig gehandelt hätte. Das Finanzamt erweckt bei seiner Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung unter Androhung des Zwangsgeldes nicht den Eindruck, Verspätungszuschläge würden nicht erhoben (BFH vom 29.3.2007, IX R 9/05, BFH/NV 2007, 1617).

2.3. Ermessensentscheidung

Im Zwangsmittelverfahren steht der Finanzbehörde sowohl hinsichtlich der Androhung als auch bezüglich der Festsetzung ein Entschließungs- und Auswahlermessen zu. Das Ermessen hat die Finanzbehörde im gesamten Verfahren nach §§ 328 ff. AO i.R.d. § 5 AO auszuüben (BFH vom 13.2.1996, VII R 43/95, BFH/NV 1996, 530). Insbes. hat das Finanzamt bei der nicht fristgerechten Abgabe von Steuererklärungen abzuwägen, ob der Stpfl. mit Zwangsmaßnahmen zur Erfüllung seiner Verpflichtung angehalten werden soll oder ob es eine Veranlagung im Wege der → Schätzung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 162 AO nach Gewährung rechtlichen Gehörs durchführt. Der Schätzung von Besteuerungsgrundlagen muss nicht zwangsläufig ein Zwangsverfahren gem. §§ 328 ff. AO vorangehen. Hat das Finanzamt die Veranlagung im Wege der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durchgeführt, so schließt dies ein nachfolgendes Zwangsmittelverfahren bzw. das Weiterbetreiben eines bereits begonnenen Zwangsmittelverfahrens grundsätzlich nicht aus, da gem. § 149 Abs. 1 Satz 4 AO die Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung auch nach Schätzung bestehen bleibt.

Ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Zwangsgeldandrohung besteht auch bei bestandskräftiger Zwangsgeldfestsetzung, weil der Stpfl. bei Aufhebung der Zwangsgeldandrohung einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung des FA nach § 130 AO hat (BFH Beschluss vom 29.5.2019, VII B 10/19, BFH/NV 2019, 1121).

2.4. Adressat der Zwangsgeldfestsetzung

2.4.1. Allgemeines

Zwangsgelder sind demjenigen anzudrohen und aufzuerlegen, der zur Befolgung der durchzusetzenden Anordnung verpflichtet ist. Die Anordnung (z.B. Abgabe von Steuererklärungen) sowie die Androhung und die Festsetzung des Zwangsgeldes sind daher stets gegen denselben Adressaten zu richten. Dies wird regelmäßig der Inhaltsadressat des Verwaltungsaktes, aber muss nicht notwendigerweise der Stpfl. selbst sein. Auch auskunftspflichtige Dritte kommen als Adressat eines Zwangsgeldes in Betracht.

Beispiel 1:

Der Arbeitgeber eines Stpfl. wird gem. § 93 AO zur Auskunft eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts des Beteiligten aufgefordert.

Lösung 1:

Der Arbeitgeber (= Inhaltsadressat des Auskunftserteilungsersuchens) ist als Dritter zur Erteilung von Auskünften verpflichtet. Gegenüber ihm kann nach erfolgloser Anordnung und Androhung eines Zwangsgeldes eine Zwangsgeldfestsetzung erfolgen.

2.4.2. Mehrere Personen als Erfüllungsverpflichtete

Sind mehrere Personen zur Erfüllung der gleichen Handlung verpflichtet, so kommen sie nur einzeln als Adressaten in Betracht. Insbes. in den Fällen der Abgabe von Einkommensteuererklärungen von zusammen zu veranlagenden Ehegatten ist demnach eine Androhung bzw. Festsetzung an die Ehegatten (»Herrn und Frau«) nicht zulässig. Demgegenüber ist eine gesonderte Zwangsgeldandrohung und -festsetzung nebeneinander gegen jeden Verpflichteten zwar zulässig, aber eher unüblich. Es ist regelmäßig ausreichend, nur gegen einen das Zwangsgeldverfahren zu betreiben.

Beispiel 2:

Die Eheleute A und B werden gem. § 26b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. A bezieht Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit sowie Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (= Abgabepflicht). B verfügt über keine Einkünfte. Da die Steuererklärung für den VZ 01 im Oktober 02 noch nicht beim zuständigen Finanzamt eingereicht wurde, entschließt sich der Bearbeiter, ein Zwangsgeldverfahren zu betreiben.

Lösung 2:

Gem. § 332 Abs. 1 Satz 1 AO ist das Zwangsgeld zunächst schriftlich anzudrohen. Obwohl beide Ehegatten zur Abgabe der Einkommensteuererklärung verpflichtet sind, ist eine Androhung des Zwangsmittels nur gegenüber einem der Ehegatten zulässig (alt. gesondert gegenüber beiden). Vorliegend erscheint es ermessensgerecht, das Zwangsgeldverfahren gegenüber A zu betreiben, da er die Einkünfte erzielt, die zu der Verpflichtung zur Abgabe der Steuererklärung führen.

2.4.3. Gesetzliche Vertreter als Erfüllungsverpflichtete

Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.v. § 1 Abs. 1 KStG sind selbst steuererklärungspflichtig. Sonstige Personenvereinigungen sind hinsichtlich der Betriebssteuern ebenfalls steuererklärungspflichtig. Sie trifft als Steuerrechtssubjekt die Pflicht zur Abgabe der entsprechenden Steuererklärungen, die gem. § 34 AO ihre gesetzlichen Vertreter, Geschäftsführer, Mitglieder oder Gesellschafter zu erfüllen haben. Eine Zwangsgeldfestsetzung kann sich sowohl gegen die

  • Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse selbst als auch

  • für sie handlungspflichtige natürliche Personen

richten. Wegen einer ggf. möglichen Umwandlung des anzudrohenden und festzusetzenden Zwangsgeldes in Ersatzzwangshaft gem. § 334 AO ist die Zwangsmaßnahme regelmäßig gegen die handlungspflichtigen natürlichen Personen zu richten, da nur ihnen gegenüber eine Ersatzzwangshaft angeordnet werden kann.

2.4.4. Feststellungsbeteiligte als Erfüllungsverpflichtete

Zur Abgabe von Feststellungserklärungen ist im Falle der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nicht die Gesellschaft oder Gemeinschaft/Personenmehrheit verpflichtet, sondern gem. § 181 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AO jeder Feststellungsbeteiligte, dem ein Anteil zuzurechnen ist. Bei Nichtabgabe der Feststellungserklärung sind Zwangsgelder daher nur gegen die in Betracht kommenden natürlichen Personen und nicht gegen die Gesellschaft oder Gemeinschaft/Personenmehrheit anzudrohen und festzusetzen.

2.4.5. Gewillkürte Vertretung

Ein Beteiligter kann sich gem. § 80 Abs. 1 AO durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Insoweit liegt keine gesetzliche, sondern eine gewillkürte Vertretung vor. Daher können ihnen gegenüber Zwangsmittel weder angedroht noch festgesetzt werden. Da die Empfangsvollmacht regelmäßig die Entgegennahme von Verwaltungsakten der Finanzbehörde umfasst, sind die an Stpfl. gerichteten Zwangsgeldandrohungen bzw. -festsetzungen den Bevollmächtigten in ihrer Eigenschaft als Empfangsbevollmächtigte zu übermitteln. Eine Ausnahme dazu stellt das Zwangsverfahren gegenüber den Bevollmächtigten für den Fall der Vorlage von Urkunden dar, sollten diese die Aufbewahrung der Unterlagen für den Stpfl. übernommen haben.

2.5. Androhung des Zwangsgeldes gem. § 332 AO

Nach § 332 Abs. 1 Satz 1 AO muss das Zwangsgeld schriftlich angedroht werden. Außerdem muss bei Zwangsgeldandrohungen gegen natürliche Personen gem. § 334 Abs. 1 Satz 1 AO darauf hingewiesen werden, dass das Zwangsgeld durch Beschluss des Amtsgerichts in Ersatzzwangshaft umgewandelt werden kann, wenn es uneinbringlich ist. Zur Erfüllung der Verpflichtung ist gem. § 332 Abs. 1 Satz 3 AO eine angemessene Frist zu bestimmen.

Für jede einzelne Verpflichtung, wie beispielsweise die Verpflichtung zur Abgabe einer Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- sowie Gewerbesteuererklärung, ist gem. § 332 Abs. 2 Satz 2 AO getrennt ein Zwangsgeld in bestimmter Höhe (§ 332 Abs. 2 Satz 3 AO) anzudrohen. Die Festlegung der Höhe des Zwangsgeldes steht im Ermessen der Behörde. Als Anhaltspunkt für die Ausübung des Ermessens kann 1 % der folgenden Bemessungsgrundlagen dienen:

  • die Höhe der festgesetzten Steuer des Vorjahres bei Steuererklärungen, die Steuerfestsetzungen zugrunde liegen,

  • die Gewerbesteuer des Vorjahres bei Gewerbesteuererklärungen,

  • 25 % des Gewinns bzw. der Einkünfte des Vorjahres bei Feststellungen von Besteuerungsgrundlagen.

Bei Androhung eines weiteren Zwangsgeldes wegen derselben Verpflichtung nach erfolgloser Androhung und Festsetzung des Zwangsgeldes wird regelmäßig eine angemessene Erhöhung des Betrages vorgenommen. Der Höchstbetrag für das einzelne Zwangsgeld darf gem. § 329 AO 25 000 € nicht überschreiten. Eine neue Androhung wegen derselben Verpflichtung ist gem. § 332 Abs. 3 Satz 1 AO erst dann zulässig, wenn das zunächst angedrohte Zwangsgeld erfolglos geblieben ist, d.h. die in der vorangegangenen Androhung gesetzte Frist ohne Erfüllung der Anordnung verstrichen ist. Die Festsetzung, Zahlung oder Vollstreckung eines zunächst angedrohten Zwangsmittels ist nicht erforderlich.

In dem → Verwaltungsakt, mit dem das Zwangsgeld angedroht wird, ist zur Erfüllung der Verpflichtung gem. § 332 Abs. 1 Satz 3 AO eine angemessene Frist zu bestimmen. Die Fristdauer ist abhängig von den Umständen des Einzelfalles, insbes. vom Umfang der zu erfüllenden Verpflichtung. Beispielsweise erscheint eine kürzere Frist von zwei Wochen bei der Erteilung von einfachen Auskünften oder zur Vorlage von Belegen als angemessen. Hingegen ist für die Abgabe von Steuererklärungen regelmäßig eine längere Frist von einem Monat zu setzen, da insbes. der vor Zwangsgeldandrohung zur Verfügung stehende Zeitraum bei der Fristbemessung keine Berücksichtigung findet.

Nach den für Fristen (→ Fristen und Termine) allgemein geltenden Grundsätzen kann gem. § 109 AO auch die Frist zur Erfüllung der Verpflichtung i.S.d. § 332 Abs. 1 Satz 3 AO verlängert werden. Dies stellt keine Verlängerung der Frist zur Abgabe der Steuererklärung i.S.d. § 149 Abs. 2 AO (→ Steuererklärung) dar. Damit ist bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen gem. § 152 AO die Festsetzung eines Verspätungszuschlags (→ Abgabefristen von Steuererklärungen) zulässig.

2.6. Festsetzung des Zwangsgeldes

Wird die Verpflichtung innerhalb der in der Zwangsgeldandrohung bestimmten Frist nicht erfüllt oder handelt der Stpfl. zuwider, so ist das angedrohte Zwangsgeld festzusetzen.

Mit der Zwangsgeldfestsetzung wird regelmäßig die Androhung eines erneuten Zwangsgeldes i.S.d. § 332 Abs. 3 Satz 1 AO verbunden. Erfüllt der Pflichtige die Aufforderung erst nach Fristablauf, jedoch vor Zwangsmittelfestsetzung, kommt eine Zwangsgeldfestsetzung nicht mehr in Betracht.

Eine niedrigere Zwangsgeldfestsetzung als in zunächst angedrohter Höhe ist bei neuen Erkenntnissen zulässig. Eine höhere Zwangsgeldfestsetzung gegenüber der Androhung ist dagegen ausgeschlossen.

Darüber hinaus ist eine zeitnahe Festsetzung des Zwangsgeldes vorzunehmen. Liegt zwischen dem Ablauf der gesetzten Frist und der Festsetzung des Zwangsgeldes ohne erkennbaren Grund eine zu große Zeitspanne, kann davon ausgegangen werden, dass die Behörde von der Durchsetzung der Anordnung Abstand genommen hat. Daher sollte seit dem Ende der gem. § 332 Abs. 1 Satz 3 AO gesetzten Frist (ggf. gem. § 109 AO verlängert) nach Ablauf von sechs Wochen keine Zwangsgeldfestsetzung mehr erfolgen. Sollte die Zwangsgeldfestsetzung dennoch weiter betrieben werden, ist eine erneute Zwangsgeldandrohung erforderlich.

2.7. Rechtsbehelfe

Sowohl die Androhung als auch die Festsetzung von Zwangsgeld stellen Verwaltungsakte (→ Verwaltungsakt) i.S.d. § 118 AO dar. Gem. § 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist daher der Einspruch gegeben. Im → Einspruchsverfahren wird der Verwaltungsakt auf Rechtmäßigkeit geprüft. Im Falle der Behaftung mit Mängeln kommt eine Rücknahme gem. § 130 Abs. 1 AO (→ Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO) ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit im Wege einer Abhilfe in Betracht. Ist die Androhung bzw. Festsetzung des Zwangsgeldes ohne Fehler erfolgt, ist über den Einspruch gem. § 367 AO zu entscheiden. Wird die Verpflichtung nach Einlegung des Einspruchs erfüllt, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis und damit die für einen zulässigen Einspruch erforderliche Beschwer, da eine Festsetzung des angedrohten Zwangsgeldes nicht mehr möglich ist. Nach Unterrichtung des Einspruchsführers hat dieser die Möglichkeit der Rücknahme des Einspruchs gem. § 362 Abs. 1 AO. Wird der Einspruch nicht zurückgenommen, ist er gem. § 367 Abs. 2 Satz 3 AO mittels Einspruchsentscheidung als unzulässig zu verwerfen (§ 358 Satz 2 AO), wenn der Einspruchsführer auf eine Entscheidung besteht. Anderenfalls erübrigt sich m.E. eine Einspruchsentscheidung, da nach Erfüllung der Verpflichtung durch Einstellung des Vollzugs der Einspruch als erledigt betrachtet werden kann. Ein Rechtsverlust erleidet der Einspruchsführer dadurch nicht.

2.8. Ersatzzwangshaft gem. § 334 AO

Ist ein gegen eine natürliche Person festgesetztes Zwangsgeld uneinbringlich, so kann das Amtsgericht auf Antrag des Finanzamtes nach Anhörung des Pflichtigen gem. § 334 AO Ersatzzwangshaft anordnen, wenn bei der Androhung des Pflichtigen hierauf hingewiesen worden ist. Der Antrag der Finanzbehörde an das Amtsgericht stellt keinen → Verwaltungsakt dar. Damit hat der Stpfl. nicht die Möglichkeit, sich dagegen zu wehren. Allerdings hat das Gericht vor seiner Entscheidung über die Haft den Stpfl. zu hören.

Die Ersatzzwangshaft tritt an die Stelle des uneinbringlichen Zwangsgeldes und ist ein reines Beugemittel und keine Strafmaßnahme. Uneinbringlich ist das festgesetzte Zwangsgeld, wenn die Vollstreckung gem. §§ 258 AO ff. ohne Erfolg geblieben ist. Die Ersatzzwangshaft beträgt gem. § 334 Abs. 3 AO mindestens einen Tag, höchstens zwei Wochen.

Zahlt der Verpflichtete das Zwangsgeld oder kommt er seiner Verpflichtung vor Antritt oder während der Haft nach, entfällt der Haftgrund. Der Haftvollzug ist damit zu beenden.

2.9. Beendigung des Zwangsverfahrens gem. § 335 AO

Wird die Verpflichtung nach Festsetzung des Zwangsgeldes erfüllt, ist der Vollzug gem. § 335 AO einzustellen. Die Einstellung des Vollzugs kann daher folgende Auswirkungen haben:

  1. Die Festsetzung des angedrohten Zwangsgeldes nach Erfüllung der Verpflichtung ist (über den Wortlaut des Gesetzestextes hinaus) nicht zulässig.

  2. Die Einziehung eines festgesetzten Zwangsgeldes kommt nach Erfüllung der Verpflichtung nicht mehr in Betracht. Damit ist eine Aufrechnung nicht mehr zulässig. Vollstreckungsmaßnahmen sind zu unterlassen bzw. zu beenden.

  3. Zahlt der Pflichtige das festgesetzte Zwangsgeld und erfüllt danach die Verpflichtung, kommt eine Erstattung nicht in Betracht.

  4. Hat der Verpflichtete das festgesetzte Zwangsgeld nach Erfüllung der Verpflichtung entrichtet, ist es zu erstatten.

Die Einstellung des Vollzugs entspricht dem Rechtsgedanken des Zwangsgeldes als Beugemittel. Ziel ist es, den Pflichtigen zur Vornahme einer Handlung zu zwingen. Wird die Verpflichtung erfüllt, wird der Pflichtige von dem bereits festgesetzten Zwangsgeld befreit. Das Zwangsgeld hat damit keinen Straf- oder Bußgeldcharakter (BFH vom 29.4.1980, VII R 4/79, BStBl II 1981, 110).

Die Einstellung des Vollzugs bedeutet aber nicht, dass eine Rücknahme i.S.d. § 130 AO bzw. Widerruf i.S.d. § 131 AO der Zwangsgeldfestsetzung vorzunehmen ist.

3. Ersatzvornahme gem. § 330 AO

Wird die Verpflichtung, eine vertretbare Handlung vorzunehmen, nicht erfüllt, kann gem. § 330 AO die Vollstreckungsbehörde einen anderen mit der Vornahme der Handlung auf Kosten des Pflichtigen beauftragen (z.B. Aufstellung einer Bilanz durch einen Steuerberater, wenn der Stpfl. sich hierzu weigert). Für Handlungen, die vom Stpfl. nur persönlich vorgenommen werden können, kommt die Ersatzvornahme nicht in Betracht. Hierzu gehört u.a. die Abgabe der Steuererklärungen.

Sofern die Handlung durch Ersatzvornahme ausgeführt werden soll, ist gem. § 332 Abs. 4 AO der erforderlichen Androhung eine vorläufige Veranschlagung des Kostenbetrags beizufügen. Ein Einzug der Kosten vor Ausführung der Ersatzvornahme ist unzulässig.

4. Unmittelbarer Zwang gem. § 331 AO

Führen das Zwangsgeld oder die Ersatzvornahme nicht zum Ziel oder sind sie untunlich, kann die Finanzbehörde nach § 331 AO den Pflichtigen zur Handlung, Duldung oder Unterlassung zwingen oder die Handlung selbst vornehmen.

5. Verzögerungsgeld gem. § 146 Abs. 2b AO

Das Finanzamt kann nach § 146 Abs. 2b AO ein Verzögerungsgeld festsetzen, wenn der Stpfl.

  • seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung des zuständigen Finanzamts ins Ausland verlagert hat,

  • der Aufforderung zur Rückverlagerung seiner im Ausland befindlichen elektronischen Buchführung oder Teilen nicht nachkommt,

  • seine Mitteilungspflicht nach § 146 Abs. 2a Satz 4 AO nicht unverzüglich befolgt,

  • den Datenzugriff auf die elektronische Buchführung nach § 147 Abs. 6 AO nicht, nicht zeitnah oder nicht in vollem Umfang einräumt,

  • seiner Pflicht zur Erteilung von Auskünften oder zur Vorlage von Unterlagen i.S.d. § 200 Abs. 1 AO im Rahmen einer Außenprüfung nicht, nicht zeitnah oder nicht vollständig nachkommt.

Eine mehrfache Festsetzung eines Verzögerungsgelds wegen fortdauernder Nichtvorlage derselben Unterlagen ist nicht zulässig (BFH Beschlüsse vom 16.6.2011, IV B 120/10, BStBl II 2011, 855 und vom 28.6.2011, X B 37/11, BFH/NV 2011, 1833).

Das Verzögerungsgeld nach § 146 Abs. 2b AO ist nicht als Zwangsmittel gem. §§ 328 ff. AO anzusehen, sodass § 335 AO keine Anwendung findet. Der Zweck des Verzögerungsgeldes erfüllt sich damit nicht, wenn der Verpflichtung zur Vorlage von Aufzeichnungen nach der Festsetzung nachgekommen wird. Wird also die Verpflichtung nach Festsetzung des Verzögerungsgeldes erfüllt, so ist der Vollzug nicht einzustellen (AEAO zu § 146 Nr. 3).

Überwiegend wird § 146 Abs. 2b AO auch als Sanktionsvorschrift bei der Verletzung von Mitwirkungspflichten und zur Absicherung des Datenzugriffs unabhängig von einer Buchführungsverlagerung ins Ausland nach § 146 Abs. 2a AO verstanden (AEAO zu § 146 Nr. 3).

6. Literaturhinweise

Bröder, Das steuerliche Zwangsmittelverfahren, Steuer & Studium 2006, 189.

7. Verwandte Lexikonartikel

Steuererklärung

Verwaltungsakt

Zwangsvollstreckung

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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