1 Allgemeines
2 Voraussetzungen für die Aussetzung
2.1 Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts
2.2 Ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesvorschrift
2.3 Unbillige Härte
2.4 Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes
3 Aussetzung der Vollziehung von Grundlagenbescheiden
4 Entscheidung durch das Finanzamt
5 Sicherheitsleistung
6 Erhebung von Zinsen
7 Höhe der Säumniszuschläge nach dem 31.12.2018 verfassungsgemäß?
8 Rechtsbehelf gegen die Ablehnung
9 Zulässigkeit einer Anfechtungsklage gegen die Aussetzung der Vollziehung
10 Aussetzung der Vollziehung wegen Erlass von Säumniszuschlägen zur Grundsteuer
11 Erlass von Säumniszuschlägen bei unbilliger Versagung der Aussetzung der Vollziehung
12 Ende der Aussetzung der Vollziehung
13 Verwandte Lexikonartikel
Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts gem. § 361 Abs. 1 AO grundsätzlich nicht gehemmt (Ausnahme: § 361 Abs. 4 AO). Entsprechendes gilt bei Anfechtung von Grundlagenbescheiden (→ Gesonderte Feststellung) für die darauf beruhenden Folgebescheide. Die Erhebung einer Abgabe wird also durch die Einspruchseinlegung nicht aufgehalten. Dadurch wird verhindert, dass durch ein für den Stpfl. kostenfreies Einspruchsverfahren nicht dazu genutzt werden kann, um die Zahlung oder Vollstreckung zu verhindern.
§ 361 AO regelt die Aussetzung der Vollziehung durch die Finanzbehörde während eines Einspruchsverfahrens (→ Einspruchsverfahren). § 69 Abs. 2 FGO erlaubt es der Finanzbehörde, auch während eines Klageverfahrens die Vollziehung auszusetzen.
Wird der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vor Fälligkeit der strittigen Steuerforderung bei der Finanzbehörde eingereicht und begründet, ist die Aussetzung der Vollziehung im Regelfall ab Fälligkeitstag der strittigen Steuerbeträge auszusprechen (vgl. AEAO zu § 361, Nr. 8.1.1). Trifft die Finanzbehörde keine Aussage über den Beginn der Aussetzung der Vollziehung, wirkt die Aussetzung der Vollziehung ab Bekanntgabe der Aussetzungsverfügung (§ 124 Abs. 1 Satz 1 AO).
Die Aufhebung der Vollziehung bewirkt die Rückgängigmachung bereits durchgeführter Vollziehungsmaßnahmen. Dies gilt auch, soweit eine Steuer aufgrund des Leistungsgebots ohne besondere Einwirkungen des Finanzamts (z.B. Mahnung, Beitreibungsmaßnahmen) entrichtet worden ist (BFH vom 22.7.1977, III B 34/74, BStBl II 1977, 838).
Eine Vollziehungsaussetzung ist nur möglich, wenn der Verwaltungsakt, dessen Vollziehung ausgesetzt werden soll, angefochten und das Einspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Eine Vollziehungsaussetzung kommt daher nicht in Betracht, wenn der Stpfl. statt eines Rechtsbehelfs einen Änderungsantrag, z.B. Antrag auf schlichte Änderung gem. § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO, beim Finanzamt stellt (hier kommt ggf. eine Stundung in Betracht).
Das Finanzamt soll gem. § 361 Abs. 2 AO auf Antrag die Vollziehung aussetzen, wenn
ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn
die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte.
Die Aussetzung der Vollziehung setzt Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes voraus.
Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen, d.h. ein Erfolg des Stpfl. muss nicht wahrscheinlicher sein als ein Misserfolg (BFH vom 10.2.1967, BStBl III 1976, 182 und vom 28.11.1974, V B 52/73, BStBl II 1975, 239).
Im Verfahren über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zu beachten, dass regelmäßig keine weitergehende Entscheidung getroffen werden kann, als vom BVerfG zu erwarten ist. Der BFH hat daher mit Beschluss vom 5.4.2011 (II B 153/10, BStBl II 2011, 942) einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung eines Grunderwerbsteuerbescheids, dessen Bemessungsgrundlage sich aus einem Grundbesitzwert ergibt, abgelehnt, obwohl die Verfassungsmäßigkeit des § 11 i.V.m. § 8 Abs. 2 GrEStG und der §§ 138 ff. BewG ernstlich zweifelhaft ist.
Ein mit ernstlichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Steuerbescheid zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift begründeter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ist abzulehnen, wenn nach den Umständen des Einzelfalles dem Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt, ohne dass es einer Prüfung der Verfassungsmäßigkeit bedarf. Dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG bestehenden Geltungsanspruch jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes ist nach dem Beschluss des BFH vom 1.4.2010 (II B 168/09, BStBl II 2010, 558) dann der Vorrang einzuräumen, wenn
die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führte,
die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Stpfl. als eher gering einzustufen sind und
der Eingriff keine dauerhaft nachteiligen Wirkungen hat.
Bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm setzt die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung voraus, dass ein besonderes Aussetzungs- bzw. Aufhebungsinteresse des Antragstellers besteht (BFH Beschluss vom 20.9.2022, II B 3/22 (AdV), BFH/NV 2022, 1328). Fehlt das besondere Interesse an der Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Abrechnungsbescheides über die Entstehung von Säumniszuschlägen, kann offen bleiben, ob ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen bestehen (s. auch → Säumniszuschlag).
Eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte liegt vor, wenn dem Pflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde. Härten, die nicht mit der Zahlung vor endgültiger Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des ihr zugrundeliegenden Steuer- oder Haftungsbescheides zusammenhängen, sondern die typischerweise mit der Vollziehung eines Bescheides als solcher verbunden sind, rechtfertigen daher die Aussetzung der Vollziehung nicht (BFH vom 5.3.1998, VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325).
Die Aussetzung der Vollziehung setzt die Vollziehbarkeit eines Verwaltungsaktes voraus. Vollziehbar sind insbesondere
Steuerbescheide, die eine (positive) Steuer festsetzen,
Vorauszahlungsbescheide bis zum Erlass des Jahressteuerbescheides,
Leistungsgebote,
Widerruf einer Stundung.
Nicht vollziehbar sind insbesondere
erstmalige Steuerbescheide über 0 € Steuer,
Steuerbescheide mit negativer Steuerschuld,
Verwaltungsakte, die den Erlass oder die Korrektur eines Verwaltungsaktes ablehnen.
Auch die Vollziehung von Grundlagenbescheiden (insbes. Feststellungs- und Steuermessbescheiden) kann unter den allgemeinen Voraussetzungen – Anhängigkeit eines Rechtsbehelfs (vgl. AEAO zu § 361, Nr. 2.2), vollziehbarer Verwaltungsakt (vgl. AEAO zu § 361, Nr. 2.3), ernstliche Zweifel (vgl. AEAO zu § 361, Nr. 2.5) oder unbillige Härte (vgl. AEAO zu § 361, Nr. 2.6) – ausgesetzt werden. Bei der Aussetzung der Vollziehung von Grundlagenbescheiden (vgl. AEAO zu § 361, Nr. 5) ist als Beginn der Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung der Tag der Bekanntgabe des Grundlagenbescheids zu bestimmen, wenn der Rechtsbehelf oder der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vor Ablauf der Einspruchsfrist begründet wurde.
Soweit die Vollziehung eines Grundlagenbescheides ausgesetzt wird, ist nach § 361 Abs. 3 AO auch die Vollziehung eines Folgebescheides auszusetzen. Der Erlass eines Folgebescheids bleibt zulässig. Im Verwaltungsakt über die Aussetzung der Vollziehung eines Feststellungsbescheids müssen im Falle der gesonderten und einheitlichen Feststellung die ausgesetzten Besteuerungsgrundlagen auf die einzelnen Beteiligten aufgeteilt werden (AEAO zu § 361, Nr. 5.3). Außerdem sollte ggf. darauf hingewiesen werden, dass eine Erstattung von geleisteten Vorauszahlungen, Steuerabzugsbeträgen und anzurechnender Körperschaftsteuer im Rahmen der Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheids grds. nicht erfolgt (AEAO zu § 361, Nr. 4 zweiter Absatz und Nr. 6 letzter Absatz).
Der Antrag der Gemeinde auf Aussetzung (Aufhebung) der Vollziehung eines von ihr angefochtenen Zerlegungsbescheides ist nicht statthaft (BFH Beschluss vom 20.5.2022, IV B 50/21, AdV, BFH/NV 2022, 819). Die sich aus der Bindungswirkung eines Grundlagenbescheides für Gemeinden ergebende verfahrensrechtliche Umsetzungspflicht bzw. Anpassungspflicht nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO ist keine Vollziehung i.S.d. § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGO, die ausgesetzt oder aufgehoben werden könnte.
Über Anträge auf Aussetzung der Vollziehung hat das Finanzamt unverzüglich zu entscheiden. Die Aussetzung der Vollziehung ist regelmäßig ab Fälligkeitstag der strittigen Steuerbeträge auszusprechen. Die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung ergeht in einem summarischen Verfahren. Die Begründetheit des Rechtsbehelfs ist im Rahmen dieses Verfahrens nur in einem begrenzten Umfang zu prüfen. Insoweit steht das Verfahren wegen der Aussetzung der Vollziehung selbstständig neben dem Hauptsacheverfahren mit dem Ziel einer nur vorläufigen Entscheidung. Die Sachentscheidungsvoraussetzungen für die Vollziehungsaussetzung hingegen sind eingehend und nicht nur summarisch zu prüfen (BFH vom 21.4.1971, VII B 106/69, BStBl II 1971, 702).
Zur Berechnung der auszusetzenden Beträge vgl. Fallbeispiele in AEAO zu § 361 AO, Tz. 4.
Die Aussetzung kann von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Wird die Vollziehung eines Grundlagebescheides ausgesetzt, ist auch die Vollziehung eines Folgebescheids auszusetzen. Über eine Sicherheitsleistung ist bei der Aussetzung der Vollziehung eines Folgebescheids zu entscheiden, es sei denn, dass bei der Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids die Sicherheitsleistung ausdrücklich ausgeschlossen worden ist. Die Entscheidung hierüber ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen.
Soweit ein Einspruch oder eine Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen Verwaltungsakt, der einen Steuervergütungsbescheid aufhebt oder ändert, oder gegen eine Einspruchsentscheidung über einen dieser Verwaltungsakte endgültig keinen Erfolg gehabt hat, ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ausgesetzt wurde, nach § 237 AO zu verzinsen (→ Zinsen). Dies gilt entsprechend, wenn nach Einlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs gegen einen Grundlagenbescheid die Vollziehung eines Folgebescheids ausgesetzt wurde (§ 237 Abs. 1 Satz 2 AO).
Mit Urteil vom 1.7.2014 (IX R 31/13, BStBl II 2014, 925) sieht der IX. Senat des BFH von einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ab, da die erforderliche Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der Höhe der Aussetzungszinsen (§ 237 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) für den Verzinsungszeitraum 11.11.2004 bis 21.11.2011 nicht vorliegt. Mit Allgemeinverfügung vom 16.12.2015 (BStBl I 2015, 1078) werden aufgrund des § 367 Abs. 2b AO und § 172 Abs. 3 AO und der Urteile des BFH vom 1.7.2014 (IX R 31/13, BStBl II 2014, 925) und 14.4.2015 (IX R 5/14, BStBl II 2015, 986) alle am 16.12.2015 anhängigen und zulässigen Einsprüche gegen Festsetzungen von Zinsen für Verzinsungszeiträume vor dem 1.1.2012 abgewiesen, soweit mit den Einsprüchen geltend gemacht wird, der Zinssatz nach § 238 AO verstoße gegen das Grundgesetz. Entsprechendes gilt für am 16.12.2015 anhängige, außerhalb eines Einspruchs- oder Klageverfahrens gestellte und zulässige Anträge auf Aufhebung oder Änderung einer Zinsfestsetzung für Verzinsungszeiträume vor dem 1.1.2012.
Aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8.7.2021, 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17, BGBl I 2021, 4303, wird folgende Entscheidungsformel veröffentlicht: »§ 233a der Abgabenordnung i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung der Abgabenordnung vom 1.10.2002 (Bundesgesetzblatt I, 866), zuletzt geändert durch Art. 3 des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 1.11.2011 (Bundesgesetzblatt I, 2131) i.V.m. § 238 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung der Abgabenordnung vom 1.10.2002 (Bundesgesetzblatt I, 3866), zuletzt geändert durch Art. 10 Nr. 17 des Jahressteuergesetzes 2007 (JStG 2007) vom 13.12.2006 (Bundesgesetzblatt I, 2878), ist mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes unvereinbar, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 ein Zinssatz von ½ % für jeden Monat zugrunde gelegt wird. Das bisherige Recht ist für bis einschließlich in das Jahr 2018 fallende Verzinsungszeiträume weiter anwendbar. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen.«
Das BMF regelt für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 mit seinem Schreiben vom 17.9.2021 (BStBl I 2021, 1759) Folgendes: Die Unvereinbarkeitserklärung erstreckt sich ausdrücklich nicht auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der AO zulasten der Stpfl., namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO.
Nach dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 12.7.2022 (BGBl I 2022, 1142) erfolgt eine Absenkung des Zinssatzes für Nachzahlungs- und Erstattungszinsen nach § 233a AO für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2019 rückwirkend auf 0,15 % pro Monat (1,8 % pro Jahr). Das BMF hat zu den Änderungen der §§ 233 bis 239 AO Stellung genommen (BMF vom 22.7.2022, BStBl I 2022, 1217).
Nach § 237 Abs. 4 i.V.m. § 234 Abs. 2 AO kann auf die Zinsen ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn ihre Erhebung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.
Hatte ein Rechtsbehelf in vollem Umfang Erfolg, können auch dann keine Aussetzungszinsen gemäß § 237 AO festgesetzt werden, wenn das Finanzamt rechtsirrig einen zu hohen Betrag von der Vollziehung ausgesetzt hatte (BFH vom 31.8.2011, BStBl II 2012, 219).
Die Frage, ob ein Rechtsbehelf Erfolg hatte, bemisst sich nach dem Verfahrensgegenstand und dem konkretisierten Rechtsbehelfsbegehren und ist unabhängig von der verfahrenstechnischen Art der Erledigung. »Endgültig keinen Erfolg« hat der Rechtsbehelf insbesondere dann, wenn der Rechtsbehelf
durch unanfechtbare Entscheidung abgewiesen,
vom Rechtsbehelfsführer zurückgenommen oder eingeschränkt worden ist, wenn
das Finanzamt dem Begehren, den festgesetzten Steuerbetrag herabzusetzen, im Ergebnis nicht abhilft.
Das kann zu dem Ergebnis führen, dass der Stpfl., der mit seinem Rechtsbehelf im Wesentlichen Erfolg hatte und nur zum Teil unterlegen ist, Aussetzungszinsen für den gesamten zu viel ausgesetzten Betrag zu zahlen hat. Dagegen bleibt der Stpfl., der vollen Erfolg hatte und bei dem im Rechtsbehelfsverfahren rechtsirrig ein zu hoher Betrag von der Vollziehung ausgesetzt wurde, von der Zinspflicht verschont. Damit wirkt der »volle Erfolg« des Rechtsbehelfsverfahrens als Befreiung von der Zinspflicht des § 237 AO.
Bei summarischer Prüfung bestehen nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs vom 23.8.2022 (VII R 21/21, BStBl II 2023, 304) und vom 15.11.2022 (VII R 55/20, BStBl II 2023, 621) keine ernstlichen Zweifel mehr an der Verfassungsmäßigkeit verwirkter Säumniszuschläge, auch soweit diese nach dem 31.12.2018 entstanden sind (BFH Beschluss vom 16.10.2023, V B 49/22 (AdV), n.v., DB 2023, 2670). Im Hinblick hierauf hält der Senat an seiner bisherigen Beurteilung in dem Beschluss vom 23.5.2022, V B 4/22 (AdV), BFH/NV 2022, 1030) nicht mehr fest.
Gegen die Ablehnung eines Antrages auf Aussetzung der Vollziehung ist der Einspruch (→ Einspruchsverfahren) gegeben.
Eine → Anfechtungsklage gegen die Aussetzungsverfügung kann zulässig sein. Insbesondere können Stpfl. durch die Verfügung über die Aussetzung der Vollziehung in ihren Rechten verletzt und damit i.S.v. § 40 Abs. 2 FGO beschwert sein. Zwar sind die Aussetzungsbescheide insofern begünstigend, als sie das FA hindern, im Umfang des ausgesetzten Betrags die angefochtenen Verwaltungsakte zu vollstrecken (§ 251 Abs. 1 Satz 1 AO). Eine Beschwer ist jedoch auch dann zu bejahen, wenn der nach seinem Regelungsgehalt (Verfügungssatz) begünstigende Verwaltungsakt für weitere Verfahren Bindungswirkung entfaltet und sich hieraus ein Nachteil für den Stpfl. ergeben kann (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, § 40 FGO Rz 58 f. m.w.N.). Hiervon ist in diesem Fall auszugehen, da nach § 237 Abs. 1 Satz 1 AO dann, wenn der Einspruch oder die Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid endgültig keinen Erfolg gehabt hat, der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung ausgesetzt worden ist, für jeden vollen Monat mit 1,5 % zu verzinsen ist und für die hiernach gebotene Zinsfestsetzung (§ 239 Abs. 1 Satz 1 AO) grundsätzlich auch einem rechtswidrigen Aussetzungsbescheid Bindungswirkung zukommt (sog. Tatbestandswirkung; vgl. BFH Urteil vom 31.8.2011, X R 49/09, BStBl II 2012, 219). Demnach ist dem Stpfl. zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG die Möglichkeit einzuräumen, diese Bindungswirkung im Wege einer Anfechtungsklage zu beseitigen (BFH vom 9.5.2012, I R 91/10, BFH/NV 2012, 2004).
Ein Klageverfahren, in dem der Kläger den Erlass von Säumniszuschlägen zur Grundsteuer wegen der möglichen Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung begehrt, ist nicht deshalb nach § 74 FGO auszusetzen, weil der BFH dem BVerfG die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der Vorschriften über die Einheitsbewertung ab 2008 vorgelegt hat (BFH Beschluss vom 2.3.2017, II B 33/16, BStBl II 2017, 646). Die beim BVerfG anhängigen Verfahren rechtfertigen keine AdV von Einheitswertbescheiden und damit auch keinen Erlass von Säumniszuschlägen zur Grundsteuer (s. auch → Säumniszuschlag).
Säumniszuschläge sind in vollem Umfang zu erlassen, wenn eine rechtswidrige Steuerfestsetzung aufgehoben wird und der Steuerpflichtige zuvor alles getan hat, um die Aussetzung der Vollziehung zu erreichen und diese, obwohl möglich und geboten, abgelehnt wurde (BFH vom 24.4.2014, V R 52/13, BStBl II 2015, 106).
Das Ende der Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung ist in der Verfügung zu bestimmen (AEAO zu § 361, Nr. 8.2.1). Soweit nicht eine datumsmäßige Befristung angebracht ist, sollte das Ende bei Entscheidungen über die Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung während des außergerichtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens auf einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung bzw. nach Verkündung oder Zustellung des Urteils oder einen Monat nach dem Eingang einer Erklärung über die Rücknahme des Rechtsbehelfs festgelegt werden.
→ Zinsen
Redaktioneller Hinweis:
Steuerspar-Tipps, wichtige Fristen und Termine – alles im Blick.
Zum Newsletter anmelden