Einspruchsverfahren

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • rüfen Sie nach Erhalt des Steuerbescheids, ob die Berechnung von smartsteuer mit der Berechnung des Finanzamts übereinstimmt. Stellen Sie Abweichungen fest, können Sie Einspruch gegen Steuerbescheid einlegen.

Hinweis: Bei offensichtlichen Schreib- oder Rechenfehlern oder wenn Sie einen Beleg vergessen haben genügt oft ein Antrag auf Änderung des Steuerbescheids.

  • Den Einspruch müssen Sie innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Steuerbescheids schriftlich und mit Begründung beim Finanzamt einreichen. Eine entsprechende Vorlage und Musterbrief finden Sie hier.
    • Nachdem Sie Einspruch eingelegt haben, prüft das Finanzamt den ganzen Steuerbescheid und kann ihn zu Ihren Gunsten aber auch zu Ihren Ungunsten ändern.
    • Vor einer Änderung zu Ihren Ungunsten muss das Finanzamt dies dem Steuerzahler mitteilen. Dieser kann den Einspruch dann noch zurücknehmen.
    • Der Einspruch an sich hat keinen Einfluss auf die Zahlungspflicht. Das bedeutet, Sie müssen eventuelle Steuerrückzahlungen begleichen, auch wenn über Ihren Einspruch noch nicht entschieden wurde. Sie haben lediglich die Möglichkeit, einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen. Gibt das Finanzamt Ihrem Antrag statt, müssen Sie die Steuern zunächst nicht ausgleichen. Beachten Sie, dass in diesem Fall hohe Zinsen auf Sie zukommen können, wenn Ihr Einspruch abgelehnt wird.
    • Wird Ihr Einspruch abgelehnt, haben Sie die Möglichkeit Klage beim zuständigen Finanzgericht einzulegen.

Inhaltsverzeichnis

1 Unterscheidung zwischen Einspruch und Antrag auf Änderung
2 Auslegung von Einspruchsschreiben
3 Einspruchsfrist
4 Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis
5 Anzubringende Behörde
6 Form des Einspruchs
7 Verböserung
8 Rücknahmemöglichkeit
9 Aussetzung der Entscheidung
10 Ruhen des Verfahrens
11 Anfechtungsbeschränkung
12 Einspruch gegen Grundlagenbescheid
13 Untätigkeitseinspruch
14 Erlass von Verwaltungsakten während des Einspruchsverfahrens
15 Einspruchsentscheidung
15.1 Allgemeine Verfahrensvorschriften
15.2 Klagefrist
15.3 Abhilfebescheid
15.4 Teileinspruchsentscheidung
15.5 Allgemeinverfügung
16 Einspruch bei Sprungklage
17 Verwandte Lexikonartikel

1. Unterscheidung zwischen Einspruch und Antrag auf Änderung

Der förmliche Einspruch nach den §§ 347 ff. AO unterscheidet sich von einfachen Korrekturanträgen (§ 129 bis 132, 172 bis 177 AO) in folgenden Punkten:

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  • Er hindert den Eintritt der formellen und materiellen → Bestandskraft.

  • Er kann zur Verböserung führen (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO). Der Verböserungsgefahr kann der Stpfl. aber durch rechtzeitige Rücknahme des Einspruchs entgehen. Eine mögliche Änderung im Rahmen der Korrekturvorschriften der AO ist aber auch nach Rücknahme des Einspruchs zu beachten.

  • Er ermöglicht die → Aussetzung der Vollziehung gem. § 361 AO. § 347 AO regelt die Statthaftigkeit des Einspruchs. Einspruch ist gegen Verwaltungsakte in Abgabenangelegenheiten nach der AO gegeben. Zum Einspruch befugt ist nur, wer geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder dessen Unterlassung beschwert zu sein (§ 350 AO). Bei einer Festsetzung auf 0 € besteht grundsätzlich keine Beschwer (vgl. hierzu BFH vom 16.12.2021, V R 19/21, BStBl II 2022, 774). Bei einem Antrag auf schlichte Änderung gem. § 172 Abs. 1 Nr. 2a AO kommt keine Aussetzung der Vollziehung in Betracht. Es kann ggf. eine Stundung gem. § 222 AO beantragt werden.

2. Auslegung von Einspruchsschreiben

Der BFH hat mit Urteil vom 29.10.2019 (IX R 4/19, BStBl II 2020, 368; LEXinform 0952223) entschieden, dass bei der Auslegung des Einspruchsbegehrens auch spätere Begründungen herangezogen werden können, wenn bei der Anfechtung verbundener Bescheide keine konkreten Einwendungen gegen einen bestimmten Verwaltungsakt erhoben wurden. Bei nachträglich eingereichten Begründungen ist stets anhand objektiver Umstände zu prüfen, ob der Stpfl. die Anfechtung eines bestimmten Verwaltungsakts bereits bei Erhebung des Einspruchs in seinen Willen aufgenommen hatte oder ob sich dieser Wille erst nachträglich gebildet hat. Spätere Erklärungen können insofern bei der Auslegung herangezogen werden, soweit sie einen Schluss auf den ursprünglichen Willen des Einspruchsführers zulassen. Dies zu prüfen und festzustellen, ist Aufgabe des Tatrichters im Einzelfall.

Die vorbehaltlose Festsetzung von Kindergeld und die Verfügung über die Nichtauszahlung sind eigenständige Verwaltungsakte. Richtet sich der Einspruch nur gegen die verweigerte Auszahlung, liegt hierin nicht zugleich ein Einspruch gegen die Festsetzung (BFH vom 14.4.2021, III R 50/20, BStBl II 2021, 866).

3. Einspruchsfrist

Der Einspruch ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (→ Verwaltungsakt) einzulegen (§ 355 AO). Die Frist für die Einlegung des Einspruchs beginnt nur, wenn der Stpfl. über die Einspruchsmöglichkeit belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Einspruchs nur binnen eines Jahres seit Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zulässig (§ 356 AO; → Fristen und Termine).

Eine Einspruchseinlegung ist auch durch E-Mail möglich.

Die Rechtsbehelfsbelehrung in einem Steuerbescheid muss keinen Hinweis darauf enthalten, dass der Einspruch auch per E-Mail eingelegt werden kann. Es reicht vielmehr aus, wenn sie hinsichtlich der Formerfordernisse für die Einlegung eines Einspruchs den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO wiedergibt (hier »schriftlich«). Dies hat der BFH mit Urteil vom 20.11.2013 (X R 2/12, BStBl II 2014, 236) entschieden und damit zwei frühere Entscheidungen vom 12.10.2012 (III B 66/12, BFH/NV 2013, 177) und vom 12.12.2012 (I B 127/12, BStBl II 2013, 272) bestätigt.

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt hatte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehen, die hinsichtlich der Form der Einspruchseinlegung den Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO in der für die Streitjahre geltenden Fassung wiederholten. Der Kläger legte erst einige Monate nach Bekanntgabe der Bescheide Einsprüche ein, die das FA wegen der Verletzung der Einspruchsfrist von einem Monat als unzulässig verwarf. Der Kläger machte demgegenüber geltend, die Rechtsbehelfsbelehrungen seien unvollständig gewesen, sodass die Jahresfrist gem. § 356 Abs. 2 AO zum Tragen kommen müsse. Das FG gab ihm Recht. Den Rechtsbehelfsbelehrungen hätte der Hinweis auf die Möglichkeit zur Einlegung eines Einspruchs per E-Mail gefehlt.

Dem ist der BFH nicht gefolgt. Er sieht die Rechtsbehelfsbelehrungen als vollständig an. Nach § 356 Abs. 1 AO beginnt die Frist für die Einlegung eines Einspruchs zwar nur, wenn der Beteiligte über den Einspruch und die Finanzbehörde, bei der er einzulegen ist, deren Sitz und die einzuhaltende Frist in der für den Verwaltungsakt verwendeten Form (schriftlich oder elektronisch) belehrt worden ist. Über die Form des Einspruchs selbst sei hiernach nicht (zwingend) zu belehren. Allerdings müsse eine Rechtsbehelfsbelehrung auch Angaben, die nicht zwingend vorgeschrieben seien, richtig, vollständig und unmissverständlich darstellen. Das sei jedoch der Fall, wenn der Wortlaut der insoweit maßgeblichen Vorschrift, nämlich § 357 Abs. 1 AO, wiedergegeben werde. (BFH Urteil vom 20.11.2013, X R 2/12, BStBl II 2014, 236).

Weist die Rechtsbehelfsbelehrung entgegen dem Wortlaut des § 357 Abs. 1 Satz 1 AO nicht auf die Möglichkeit der elektronischen Einreichung des Einspruchs hin, ist die Rechtsbehelfsbelehrung nach Auffassung des BFH (Urteil vom 28.4.2020, VI R 41/17, BStBl II 2020, 531) unrichtig i.S.d. § 356 Abs. 2 AO, sodass die Einspruchsfrist ein Jahr beträgt. Die Erwähnung der Internetseite in der Fußzeile eines Bescheids macht den Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Einlegung des Einspruchs nicht entbehrlich.

4. Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis

War jemand ohne Verschulden verhindert, die Einspruchsfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 110 AO). Eine etwaige Fehlleistung der unzuständigen Behörde bei der Weiterleitung eines Rechtsbehelfs führt im Fall der Fristversäumnis jedenfalls bei einer falschen Bezeichnung der Rechtsbehelfsbehörde in der Regel nicht zur → Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (BFH Urteil vom 19.12.2000, BStBl II 2001, 158).

Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung i.S.d. § 121 AO oder ist die erforderliche Anhörung i.S.d. § 91 AO eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsakts unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsakts versäumt worden, so gilt nach der gesetzlichen Fiktion des § 126 Abs. 3 AO die Versäumung als nicht verschuldet. Versäumt der Stpfl. wegen einem Begründungsfehler des Finanzamts die Einspruchsfrist (Kausalität erforderlich!), ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Wiedereinsetzungsfrist bei Nachholung der Begründung ist allerdings zu beachten. Die unterlassene Anhörung ist im Allgemeinen nur dann für die Versäumung der Einspruchsfrist ursächlich, wenn die notwendigen Erläuterungen auch im Verwaltungsakt selbst unterblieben sind (BFH Urteil vom 13.12.1984, VIII R 19/81, BStBl II 1985, 601).

5. Anzubringende Behörde

Der Einspruch ist nach § 357 Abs. 2 Satz 1 AO bei der Behörde anzubringen, deren Verwaltungsakt angefochten wird. Ein Einspruch gegen die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (→ Gesonderte Feststellung) oder gegen die Festsetzung eines Steuermessbetrages kann gem. § 357 Abs. 2 Satz 2 AO auch fristwahrend bei der zur Erteilung des Steuerbescheids (= Folgebescheid) zuständigen Behörde angebracht werden. Die schriftliche Anbringung des Einspruchs bei einer anderen Behörde ist nach § 357 Abs. 2 Satz 4 AO nur dann unschädlich, wenn er vor Ablauf der Einspruchsfrist einer der o.a. Behörden übermittelt wird. Kann eine Behörde leicht und einwandfrei erkennen, dass sie für einen bei ihr eingegangenen Einspruch nicht und welche Finanzbehörde zuständig ist, hat sie diesen Einspruch unverzüglich an die zuständige Finanzbehörde weiterzuleiten. Geschieht dies nicht und wird dadurch die Einspruchsfrist versäumt, kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 110 AO) in Betracht (BVerfG Beschluss vom 2.9.2002, 1 BvR 476/01, BStBl II 2002, 835; vgl. AEAO zu § 357 Nr. 2).

Hat die unzuständige Behörde die Übermittlung schuldhaft verzögert oder überhaupt unterlassen, kommt im Falle willkürlichen, offenkundig nachlässigen und nachgewiesenen Fehlverhaltens der Behörde die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht (hier: Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gewährt; FG Sachsen-Anhalt Zwischengerichtsbescheid vom 7.12.2021, 1 K 539/21, EFG 2022, 1073; Revision BFH: VIII R 2/2022). Zur Erfüllung dieser Pflicht hat sie entweder den Rechtsbehelfsführer bzw. dessen Vertreter umgehend, d.h. in dem Zeitpunkt, in dem das Versehen bekannt wird, telefonisch, per Fax oder per E-Mail darauf hinzuweisen, dass er einen fristgebundenen Schriftsatz bei der falschen Behörde eingereicht hat, um ihm Gelegenheit zu geben, den Fehler selbst zu korrigieren, oder sie hat den fristgebundenen Schriftsatz umgehend per Fax, eingescannt als E-Mail oder über das besondere elektronische Behördenpostfach an die zuständige Behörde weiterzuleiten. Es ist als offenbar nachlässiges und nachgewiesenes Fehlverhalten der unzuständigen Behörde zu werten, wenn sie den fristgebundenen Schriftsatz nicht z.B. per Fax weiterleitet, sondern diesen stattdessen auf dem Postweg an die zuständige Behörde sendet (hier: mit der Folge des verspäteten Eingangs bei der zuständigen Behörde).

Wird ein Einspruch fehlerhaft an eine andere als die in der Rechtsbehelfsbelehrung benannte Behörde adressiert, so ist weder das Verhalten der empfangenen Behörde bei der Weiterleitung noch die Verzögerung des Eingangs bei der zuständigen Behörde geeignet, die Sorgfaltspflichtverletzung des Absenders oder die Kausalität seines Verhaltens für die Fristversäumnis entfallen zu lassen (BFH Urteil vom 19.12.2000, VII R 7/99, BStBl II 2001, 158).

6. Form des Einspruchs

Der Einspruch ist schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären (§ 357 Abs. 1 AO). Die Schriftform für einen Einspruch ist auch bei einer Einlegung durch Telefax gewahrt (BFH Beschluss vom 26.3.1991, BStBl II 1991, 463). Die erforderliche Schriftform des per Telefax übermittelten Einspruchs wird, im Gegensatz zur fristwahrenden Wirkung von elektronisch eingelegten Rechtsbehelfen bei elektronischer Speicherung, erst mit dem Ausdruck des im Empfangsgeräts gespeicherten Dokuments erfüllt (BFH Beschluss vom 22.6.2020, VI B 117/19, BFH/NV 2020, 1270). Nach § 87a Abs. 3 AO kann eine durch Gesetz für Anträge, Erklärungen oder Mitteilungen an die Finanzbehörden angeordnete Schriftform, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist, durch die elektronische Form ersetzt werden. So kann der Einspruch auch über das ELSTER-Onlineportal (www.elster.de) eingelegt werden. Hierfür ist eine vorherige Registrierung erforderlich (vgl. auch LEXinform 0443895). Auch ist die Einlegung des Einspruchs durch E-Mail möglich (BFH Urteil vom 13.5.2015, III R 26/14, BStBl II 2015, 790). Eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz ist insoweit nicht erforderlich. Voraussetzung für die Übermittlung elektronischer Dokumente ist nach § 87a Abs. 1 AO, dass der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet. Die Zugangseröffnung kann durch ausdrückliche Erklärung oder konkludent sowie generell oder nur für bestimmte Fälle erfolgen. Finanzbehörden, die eine E-Mail-Adresse angeben, erklären damit ihre Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Dokumente.

Ein elektronisches Dokument ist nach § 87a Abs. 1 Satz 2 AO zugegangen, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung es in für den Empfänger bearbeitbarer Weise aufgezeichnet hat. Ob und wann der Empfänger das bearbeitbare Dokument tatsächlich zur Kenntnis nimmt, ist für den Zeitpunkt des Zugangs unbeachtlich. Erfolgt jedoch die Einlegung des Einspruchs via E-Mail und ist das Dokument durch das Finanzamt nicht bearbeitbar, ist der Einspruch nicht zugegangen und löst somit noch keine Rechtsfolgen, insbes. die Wahrung der Einspruchsfrist, aus. In diesen Fällen muss die Finanzbehörde nach § 87a Abs. 2 AO dem Absender unter Angabe der für sie geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mitteilen, dass das elektronische Dokument für sie zur Bearbeitung nicht geeignet ist.

Vorbehaltlich einer ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung (wie z.B. bei Lohnsteuer- und Umsatzsteueranmeldungen) besteht weder für die Stpfl. noch für die Finanzbehörden ein Zwang zur Übermittlung elektronischer Dokumente.

7. Verböserung

Der angefochtene Verwaltungsakt kann gem. § 372 Abs. 2 Satz 2 AO auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Dieser Hinweis ist nur dann ausnahmsweise entbehrlich, wenn sich die Änderung zum Nachteil des Einspruchsführers durch Einspruchsrücknahme nicht hätte vermeiden lassen. Ist zweifelhaft, ob eine solche Änderung noch möglich ist, darf auf diesen Hinweis nicht verzichtet werden (vgl. BFH Urteil vom 22.3.2006, XI R 24/05, BStBl II 2006, 576; vgl. AEAO zu § 367 Nr. 2.2). Der Verböserungsgefahr kann der Stpfl. aber ggf. durch rechtzeitige Rücknahme des Einspruchs entgehen. Außerhalb des Einspruchsverfahrens prüft die Finanzbehörde allerdings die mögliche Anwendung der Korrekturvorschriften, um die Festsetzung der objektiv entstandenen Steuer vornehmen zu können. Nimmt der Stpfl. seinen Einspruch zurück, ist eine Änderung zum Nachteil des Stpfl. nur noch möglich, wenn dies nach den Vorschriften über Aufhebung, Änderung, Rücknahme oder Widerruf von Verwaltungsakten zulässig ist (vgl. AEAO zu § 367 Nr. 2.4).

Der Verböserungshinweis bei Änderung des Steuerbescheids während des Einspruchsverfahrens ist auch auf Änderungen des angefochtenen Steuerbescheids während des Einspruchsverfahrens nach § 132 AO i.V.m. § 164 Abs. 2 AO entsprechend anzuwenden, wenn die Änderungsmöglichkeit nur deshalb besteht, weil die Festsetzungsfrist durch den Einspruch gem. § 171 Abs. 3a AO in ihrem Ablauf gehemmt ist.

Nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung des Gleichartigen kann in diesen Fällen eine Änderung des angefochtenen Steuerbescheids während des Einspruchsverfahrens nicht anders als eine Änderung durch die Einspruchsentscheidung nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO behandelt werden, denn beide Sachverhalte gleichen sich in der für die Wertung des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO entscheidenden Hinsicht, dass der Stpfl. der Finanzbehörde mit seinem Einspruch die Möglichkeit eröffnet hat, den angefochtenen Steuerbescheid zu seinem Nachteil zu ändern (vgl. BFH Urteil in BFHE 159, 405, BStBl II 1990, 414). Eine Gleichbehandlung beider Sachverhalte ist ferner deshalb geboten, weil sonst § 367 Abs. 2 Satz 2 AO in den genannten weiteren Fällen leerlaufen würde, denn die Finanzbehörde könnte einen Verböserungshinweis stets dadurch vermeiden, dass sie den angefochtenen Steuerbescheid bereits während des Einspruchsverfahrens nach § 164 Abs. 2 AO ändert und erst danach über den Einspruch entscheidet (BFH vom 25.2.2009, BStBl II 2009, 587).

8. Rücknahmemöglichkeit

Der Einspruch kann bis zur Bekanntgabe der Entscheidung zurückgenommen werden (§ 362 Abs. 1 AO), um damit z.B. eine Verböserung zu umgehen. Ein Einspruch kann auch elektronisch ohne qualifizierte elektronische Signatur zurückgenommen werden. Dies folgt daraus, dass § 362 Abs. 1 Satz 2 AO zur Form einer Rücknahmeerklärung auf § 357 Abs. 1 Satz 2 AO verweist (vgl. AEAO zu § 362 Nr. 1 und AEAO zu § 357, Nr. 1).

Eine fristgerechte Rücknahme des Einspruchs liegt aber nicht vor, wenn ein entsprechendes Rücknahmeschreiben in den Finanzamtsakten nicht enthalten ist und der Stpfl. nicht nachweisen kann, dass er vor Ergehen der Einspruchsentscheidung den Einspruch tatsächlich zurückgenommen hat (FG München vom 2.4.2009, 6 K 232/08, LEXinform 5009049, BB 2009, 2636).

9. Aussetzung der Entscheidung

Hängt die Entscheidung ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anhängigen Rechtsstreits bildet, kann das FA die Entscheidung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung des Gerichts aussetzen (§ 363 Abs. 1 AO).

10. Ruhen des Verfahrens

Nach § 363 Abs. 2 AO kann das FA das Verfahren mit Zustimmung des Einspruchsführers ruhen lassen, wenn das aus wichtigen Gründen zweckmäßig erscheint. Das Ruhen des Verfahrens ist von einem zulässigen Einspruch abhängig. Das Ruhen des Verfahrens ist

  1. mit Zustimmung des Einspruchsführers möglich – Zustimmungsruhe i.S.d. § 363 Abs. 2 Satz 1 AO. Das Ruhenlassen erscheint aus wichtigen Gründen zweckmäßig. Beispielsweise liegt dann ein wichtiger Grund vor, wenn ein Musterverfahren erst auf der Ebene der Finanzgerichte anhängig ist und das weitere Verfahren abgewartet werden soll. Der Stpfl. kann das Ruhenlassen auch selbst beantragen;

  2. aufgrund eines anhängigen Musterverfahrens zu veranlassen – Zwangsruhe i.S.d. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO. Das Einspruchsverfahren ruht, wenn

    • ein Verfahren hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm oder einer Rechtsfrage vor dem EuGH, BVerfG oder obersten Bundesgericht anhängig ist,

    • der Einspruchsführer seinen zulässigen Einspruch hierauf stützt und

    • die Steuer nicht nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO vorläufig festgesetzt worden ist (→ Vorläufige Steuerfestsetzung).

    Im Gegensatz zu § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO muss es sich nicht um eine Rechtsfrage höherrangigen Rechts handeln, sodass auch ein Musterverfahren hinsichtlich der Auslegung einer Norm oder irgendeiner Rechtsfrage zu einem Ruhen des Verfahrens führt.

    Die Zwangsruhe hält weiter an, wenn gegen die Entscheidung des BFH Verfassungsbeschwerde eingelegt wird. Ausführliche Erläuterungen zur Zwangsruhe enthält die Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 26.1.2016 (S 0622.1.1-20/6 St42) unter Tz. 1 bis 3.

  3. aufgrund von Allgemeinverfügungen anzuordnen – Anordnungsruhe i.S.d. § 363 Abs. 2 Satz 3 AO (→ Allgemeinverfügung, Erledigung von Massenanträgen und -einsprüchen). Danach kann das Ruhen des Verfahrens durch eine öffentlich bekannt gegebene Allgemeinverfügung i.S.d. § 118 Abs. 2 AO mit Zustimmung der obersten Finanzbehörde für bestimmte gleichgelagerte Fallgruppen angeordnet werden.

11. Anfechtungsbeschränkung

Wird ein Verwaltungsakt angegriffen, der einen unanfechtbaren Verwaltungsakt geändert hat, ist die Sache nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO in vollem Umfang erneut zu prüfen. Gem. § 351 Abs. 1 AO kann aufgrund der Anfechtung des Änderungsbescheids eine Änderung nur in dem Umfang erfolgen, in dem er vom ursprünglichen (bestandskräftigen) Bescheid abweicht (= Anfechtungsbeschränkung). Die Beschränkung bezieht sich bei Steuerbescheiden auf den festgesetzten Steuerbetrag. Einwendungen, die bereits gegen die ursprüngliche Steuerfestsetzung vorgebracht werden konnten, können auch gegen den Änderungsbescheid vorgetragen werden. Ist z.B. im Änderungsbescheid eine höhere Steuer festgesetzt worden, kann die ursprünglich festgesetzte Steuer nicht unterschritten werden; ist dagegen im Änderungsbescheid eine niedrigere Steuer festgesetzt worden, kann der Stpfl. nicht eine weitere Herabsetzung erreichen (vgl. AEAO zu § 351 Nr. 1).

Die Anfechtungsbeschränkung des § 351 Abs. 1 AO gilt nach Ansicht des FG Rheinland-Pfalz (21.2.2013, 4 K 1758/12, EFG 2013, 824) auch für Verspätungszuschläge.

Ist in den Vorschriften über die Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten eine Korrektur vorgesehen (z.B. die Änderung wegen neuer Tatsachen gem. § 173 AO; → Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden), greift die Anfechtungsbeschränkung nicht.

12. Einspruch gegen Grundlagenbescheid

Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid können nur durch Anfechtung dieses Bescheids, nicht auch durch Anfechtung des Folgebescheids, angegriffen werden (§ 351 Abs. 2 AO). Ein Einspruch gegen einen Folgebescheid, mit welchem nur Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid geltend gemacht werden, ist unbegründet, nicht unzulässig (BFH Urteil vom 2.9.1987, I R 162/84, BStBl II 1988, 142; vgl. AEAO zu § 351 Nr. 4).

13. Untätigkeitseinspruch

Nach § 347 Abs. 1 Satz 2 AO ist ein Einspruch statthaft, wenn geltend gemacht wird, dass in den in Satz 1 bezeichneten Angelegenheiten über einen vom Einspruchsführer gestellten Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist. Dieser Einspruch ist nach § 355 Abs. 2 AO unbefristet.

14. Erlass von Verwaltungsakten während des Einspruchsverfahrens

Die Vorschriften über Rücknahme und Widerruf (§§ 130, 131 AO) sowie Aufhebung und Änderung (z.B. § 164 Abs. 2, § 165 Abs. 2, §§ 172 ff. AO, § 35b GewStG) von Verwaltungsakten gelten auch während des Einspruchsverfahrens (vgl. § 132 AO; vgl. AEAO zu § 367 Nr. 2). Gleiches gilt für die Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten nach § 129 AO. Das FA kann daher einen angefochtenen Verwaltungsakt auch während eines Einspruchsverfahrens nach den Korrekturvorschriften zurücknehmen, widerrufen, aufheben, ändern oder berichtigen. Die OFD Hannover nimmt mit Vfg. vom 8.10.2007 (S 0625 – 1 – StO 141, DStR 2007, 2114) zum Erlass von Verwaltungsakten während des Einspruchsverfahrens ausführlich Stellung.

Eine vorweggenommene Korrektur empfiehlt sich u.U. in Rechtsbehelfsfällen mit umfangreichem Streitstoff, um das Verfahren auf die streitigen Punkte, deren Klärung voraussichtlich noch geraume Zeit in Anspruch nehmen wird, zu beschränken. Sie kann ferner in Betracht kommen, wenn der Einspruch teilweise begründet, im Übrigen aber noch nicht entscheidungsreif ist und dem Einspruchsführer nicht zugemutet werden kann, auf die Erstattung der unstreitigen Beträge bis zum Erlass der Einspruchsentscheidung zu warten. Hierfür wird häufig dann ein Bedürfnis bestehen, wenn anschließend das Einspruchsverfahren wegen der verbleibenden Streitpunkte ausgesetzt werden oder ruhen (§ 363 AO) soll.

Ist ein Änderungsbescheid zum Gegenstand eines Einspruchsverfahrens geworden, besteht für einen Einspruch gegen den Änderungsbescheid kein Rechtsschutzbedürfnis (BFH vom 17.3.2022, XI R 39/19, BFH/NV 2022, 938).

15. Einspruchsentscheidung

15.1. Allgemeine Verfahrensvorschriften

Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, durch Einspruchsentscheidung (§ 367 Abs. 1 Satz 1 AO). Die Einspruchsentscheidung ist schriftlich zu erteilen, zu begründen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und den Beteiligten bekannt zu geben (§ 366 AO). Jeder nach Erlass eines Verwaltungsakts eintretende Zuständigkeitswechsel bewirkt auch eine Zuständigkeitsänderung im Einspruchsverfahren. Die Einspruchsvorgänge sind daher mit den übrigen Akten abzugeben. Die zunächst zuständige Behörde kann jedoch unter Wahrung der Interessen der Beteiligten aus Zweckmäßigkeitsgründen das Einspruchsverfahren fortführen, wenn das neu zuständige FA zustimmt (vgl. AEAO zu § 367 Nr. 1).

Gem. § 132 AO gelten die Vorschriften über Rücknahme, Widerruf, Aufhebung und Änderung von Verwaltungsakten auch während des Einspruchsverfahrens. Aufgrund der im Einspruchsverfahren geltenden umfassenden Überprüfungsmöglichkeit nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO ist die Finanzbehörde jedoch nicht an die Voraussetzungen der Korrekturvorschriften §§ 130 ff., 172 ff. AO gebunden (BFH Urteil vom 10.3.2016, III R 2/15, BStBl II 2016, 508; vgl. AEAO zu § 367 Nr. 2.1).

Das FA ist auch dann noch zum Erlass einer verbösernden Einspruchsentscheidung gem. § 367 Abs. 2 Satz 2 AO berechtigt, wenn es zuvor einen Änderungsbescheid erlassen hat, in dem es dem Einspruchsbegehren teilweise entsprochen, jedoch nicht in voller Höhe abgeholfen hat (BFH Urteil vom 6.9.2006, XI R 51/05, BStBl II 2007, 83).

15.2. Klagefrist

Die Monatsfrist für die Erhebung einer → Anfechtungsklage beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf (§ 47 Abs. 1, § 54 Abs. 2 FGO). Die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf in diesem Sinne ist die vollständige Einspruchsentscheidung. Fehlt eine Seite der Einspruchsentscheidung und wird dies vor Ablauf der regulären Klagefrist gerügt, so endet die Klagefrist erst einen Monat nach Bekanntgabe der fehlenden Seite (BFH Urteil vom 25.7.2007, III R 15/07, BStBl II 2008, 94). Der Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO deutet nicht darauf hin, dass bereits die Bekanntgabe von Teilen der Einspruchsentscheidung die Klagefrist beginnen lässt. Die Auslegung, dass die Klagefrist erst mit der Bekanntgabe der vollständigen Einspruchsentscheidung beginnt, ist auch aus Gründen der Rechtssicherheit geboten.

Wird die Einspruchsentscheidung ohne das Blatt übermittelt, auf der sich die Unterschrift befindet, so fehlt es – außer wenn eine Unterschrift z.B. in Massenverfahren nicht vorgesehen ist (§ 365 Abs. 1, § 119 Abs. 3 Satz 2 AO) – an der durch § 366 AO vorgeschriebenen Schriftform. Die Klagefrist kann durch sie deshalb nicht in Gang gesetzt werden.

Fehlt die erste Seite eines Einspruchsbescheids mit Rubrum (erlassende Finanzbehörde, Adressat, Gegenstand der Entscheidung) und Tenor (Entscheidungssatz) und ist infolgedessen nicht zu erkennen, welche Finanzbehörde den Bescheid erlassen hat, so ist er nichtig (§ 125 Abs. 2 Nr. 1 AO). Eine »Nicht-Entscheidung« wäre auch dann anzunehmen, wenn die erlassende Finanzbehörde zwar erkennbar wäre, Gegenstand und Entscheidung aber nur aus den übermittelten Gründen erraten oder rekonstruiert werden könnten.

15.3. Abhilfebescheid

Nach § 367 Abs. 2 Satz 3 AO bedarf es einer Einspruchsentscheidung nur insoweit, als die Finanzbehörde dem Einspruch nicht abhilft. Im Einspruchsverfahren sind die Korrekturvorschriften gem. § 132 Satz 1 AO anzuwenden. Daher wird die Abhilfe eines Steuerbescheids in aller Regel auf § 172 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO gestützt. Die Korrektur nach anderen Vorschriften, wie z.B. § 164 AO, ist auch möglich. Der Abhilfebescheid trägt dem Antrag des Einspruchsführers vollständig Rechnung. Ein solcher Vollabhilfebescheid steht zwar einer Einspruchsentscheidung insofern gleich, als beide das Einspruchsverfahren wegen des vorangehenden Bescheids beenden und eine Fortsetzung bzw. Ergänzung jenes Einspruchsverfahrens danach nicht mehr möglich ist; er ist aber im Übrigen, wie sich aus § 367 Abs. 2 Satz 3 AO und § 44 Abs. 1 FGO ergibt, von einer Einspruchsentscheidung zu unterscheiden. Nach dem BFH-Urteil vom 18.4.2007 (XI R 47/05, BStBl II 2007, 736) ist gegen einen im Einspruchsverfahren erlassenen Änderungsbescheid, mit dem dem Antrag des Stpfl. voll entsprochen wird (Vollabhilfebescheid), der Einspruch zulässig. Eine den Wortlaut erweiternde Anwendung des § 348 Nr. 1 AO auf Vollabhilfebescheide ist nicht sachgerecht. Denn § 348 Nr. 1 AO schließt den Einspruch gegen eine Einspruchsentscheidung nicht wegen der das Einspruchsverfahren beendenden Wirkung der Einspruchsentscheidung aus, sondern deshalb, weil gegen eine Einspruchsentscheidung der Rechtsweg zum FG eröffnet ist und der Einspruch gegen eine Einspruchsentscheidung eine nicht endende Kette von Einspruchsverfahren zur Folge haben könnte. Dies trifft auf Vollabhilfebescheide nicht zu. Gegen sie kann kein Rechtsschutz durch Erhebung einer Anfechtungsklage erlangt werden. Denn Verfahrensvoraussetzung für eine Anfechtungsklage ist nach § 44 Abs. 1 FGO gerade, dass der außergerichtliche Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

15.4. Teileinspruchsentscheidung

Nach § 367 Abs. 2a AO kann die Finanzbehörde vorab über Teile des Einspruchs entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Sie hat in dieser Entscheidung zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile → Bestandskraft nicht eintreten soll.

Dies soll es den Finanzbehörden ermöglichen, in einer förmlichen Einspruchsentscheidung zunächst nur über Teile des Einspruchs zu befinden. Dies ist insbes. dann sinnvoll, wenn ein Teil des Einspruchs entscheidungsreif ist, während über einen anderen Teil des Einspruchs zunächst nicht entschieden werden sollte, weil beispielsweise eine vom Einspruchsführer aufgeworfene Rechtsfrage Gegenstand eines beim BFH anhängigen Verfahrens ist und nach einer Entscheidung des BFH eine einvernehmliche Erledigung des Rechtsstreits erwartet werden kann. Die Regelung ermöglicht es, dass der Stpfl. hinsichtlich des entscheidungsreifen Teils seines Einspruchsbegehrens ggf. schnelleren gerichtlichen Rechtsschutz erlangen kann. Es liegt sowohl im Interesse der Stpfl. als auch im Interesse der Finanzverwaltung, wenn über entscheidungsreife Teile zeitnah entschieden wird und nicht ggf. erst nach Ablauf mehrerer Jahre, wenn möglicherweise längst überholte rechtliche Vorschriften anzuwenden wären und erforderliche Nachweise ggf. nicht mehr beigebracht werden können. Durch die Verpflichtung der Finanzbehörde, in der Teil-Einspruchsentscheidung ausdrücklich zu bestimmen, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll, wird Klarheit darüber geschaffen, inwieweit der Steuerfall »offen« bleibt.

Ob die Finanzbehörde von der Möglichkeit einer Teil-Einspruchsentscheidung Gebrauch macht, steht in ihrem Ermessen (BFH vom 14.3.2012, X R 50/09, BFHE 237, 14, BStBl II 2012, 536).

Der Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung muss aber sachdienlich sein. Ausführliche Erläuterungen hierzu enthält die Verfügung des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 26.1.2016 (S 0622.1.1-20/6 St42) unter Tz. 4. Es besteht keine über § 367 Abs. 2 Satz 2 AO (»Verböserungshinweis«) hinausgehende Verpflichtung, dem Einspruchsführer vor Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung rechtliches Gehör zu gewähren, damit dieser prüfen kann, ob er noch Einwendungen vorträgt. Die Finanzbehörde ist auch nicht verpflichtet, dem Einspruchsführer vor Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung eine Frist nach § 364b Abs. 1 Nr. 1 AO zu setzen (BFH Urteil vom 14.3.2012, X R 50/09, BStBl II 2012, 536). Der Erlass einer Teil-Einspruchsentscheidung hat nicht zur Folge, dass stets noch eine förmliche »End-Einspruchsentscheidung« ergehen muss. Das Einspruchsverfahren kann beispielsweise auch dadurch abgeschlossen werden, dass die Finanzbehörde dem Einspruch hinsichtlich der zunächst »offen« gebliebenen Frage abhilft, der Stpfl. seinen Einspruch zurücknimmt oder eine Allgemeinverfügung nach § 367 Abs. 2b AO ergeht.

Wird die wirksam ergangene Teil-Einspruchsentscheidung bestandskräftig, kann im weiteren Verfahren über den »noch offenen« Teil der angefochtenen Steuerfestsetzung nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, die in der Teil-Einspruchsentscheidung vertretene Rechtsauffassung entspreche nicht dem Gesetz. Dies ist auch in einem eventuellen Klageverfahren gegen eine »End-Einspruchsentscheidung« zu beachten. Zum Erlass einer Teileinspruchsentscheidung s.a. AEAO zu § 367 Nr. 6.

Erlässt das Finanzamt vor Ablauf der Einspruchsfrist eine (Teil-)Einspruchsentscheidung, ist ein nochmaliger Einspruch gegen die Steuerfestsetzung nicht statthaft, auch wenn er innerhalb der noch währenden Einspruchsfrist eingelegt worden ist (BFH vom 18.9.2014, VI R 80/13, BStBl II 2015, 115).

Die Teileinspruchsentscheidung erfordert einen Ausspruch darüber, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll (BFH vom 17.3.2022, XI R 39/19, BFH/NV 2022, 938; LEXinform 0952651). Das teilweise Fehlen einer Begründung der Einspruchsentscheidung vermag das Fehlen einer Bestimmung nach § 367 Abs. 2a Satz 2 AO, hinsichtlich welcher Teile Bestandskraft nicht eintreten soll, nicht zu ersetzen.

15.5. Allgemeinverfügung

§ 367 Abs. 2b AO soll es den obersten Finanzbehörden ermöglichen, durch eine Allgemeinverfügung (§ 118 Satz 2 AO) Einsprüche, die eine vom EuGH, vom BVerfG oder vom BFH entschiedene Rechtsfrage betreffen, insoweit zurückzuweisen. Der Einspruchsführer wird in diesen Fällen wegen der höchstrichterlichen Klärung in der Regel kein Interesse mehr daran haben, dass über seinen Rechtsbehelf förmlich entschieden wird. Zum Verfahrensablauf siehe → Allgemeinverfügung, Erledigung von Massenanträgen und -einsprüchen.

16. Einspruch bei Sprungklage

Legt der Steuerpflichtige nach Erhebung einer Sprungklage und noch vor dem Ergehen der behördlichen Zustimmungserklärung Einspruch ein, führt dies zur Umwandlung der Sprungklage in einen Einspruch (BFH Urteil vom 8.11.2016, I R 1/15, BStBl II 2017, 720). Es bedarf dazu keiner ausdrücklichen Umwandlungserklärung. Folge hiervon ist, dass der ursprünglich verfolgte Rechtsbehelf seine Rechtsnatur ändert und eine Klage, über die noch entschieden werden könnte, nicht mehr existent ist.

17. Verwandte Lexikonartikel

Allgemeinverfügung, Erledigung von Massenanträgen und -einsprüchen

Anfechtungsklage

Aufhebung und Änderung von Steuerbescheiden

Aussetzung der Vollziehung

Bestandskraft

Finanzrechtsweg

Gesonderte Feststellung

Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO

Schlichte Änderung

Verwaltungsakt

Vorläufige Steuerfestsetzung

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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