1 Allgemeines
2 Voraussetzungen der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG
3 Berechnung der Steuer auf den Gesamterwerb
3.1 Steuerberechnung allgemein
3.2 Anrechnung fiktiver Steuer oder tatsächlich zu entrichtender Steuer auf den Vorerwerb
3.2.1 Grundsätzliches
3.2.2 Ermittlung der fiktiven Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG bei zwischenzeitlicher Erhöhung des persönlichen Freibetrags
3.3 Keine Bindung an die Wertermittlung des Vorerwerbs
3.4 Beschränkung des Steuerabzugs auf die materiell-rechtlich zutreffende Steuer des Vorerwerbs
3.5 Keine Erstattung der Mehrsteuer
3.6 Negative Erwerbe
3.7 Kettenschenkung über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren
3.8 Höchstbetrag nach § 14 Abs. 3 ErbStG
4 Mindeststeuer
5 Irrige Annahme einer einheitlichen Zuwendung
6 Literaturhinweise
7 Verwandte Lexikonartikel
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile derart zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden.
Dadurch soll verhindert werden, dass eine einheitliche Zuwendung in mehrere Zuwendungen nur zu dem Zweck aufgeteilt wird, um mehrfach in den Genuss des persönlichen Freibetrags zu kommen. § 14 ErbStG verhindert darüber hinaus einen Progressionsvorteil, der sich durch die Aufteilung ergeben würde. Zur Berücksichtigung des Übergangs von Vermögen des Erblassers und von eigenem Vermögen des Vorerben auf den Nacherben s. → Vor- und Nacherbschaft.
Beispiel 1:
Vater V will seiner Tochter T insgesamt einen Geldbetrag i.H.v. 1 400 000 € möglichst steuergünstig zuwenden. V teilt daher diesen Betrag auf und schenkt seiner Tochter am 29.6.2021 zunächst 700 000 €. Am 31.7.2023 schenkt er ihr den Restbetrag i.H.v. 700 000 €.
Lösung 1:
Für die erste Schenkung entsteht für Tochter T die folgende Schenkungsteuer:
Zuwendung |
700 000 € |
Persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG |
./. 400 000 € |
Steuerpflichtiger Erwerb |
300 000 € |
Schenkungsteuer (Steuersatz 11 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) |
33 000 € |
Die gleiche Schenkungsteuer ergäbe sich (ohne eine Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG) für die zweite Schenkung.
Insgesamt hätte T somit Schenkungsteuer i.H.v. 66 000 € zu zahlen. Durch die Aufteilung käme der persönliche Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG von 400 000 € zweimal zur Anwendung. Außerdem würde sich der bei einem steuerpflichtigen Erwerb von 1 000 000 € (Gesamterwerb 1 400 000 € ./. Freibetrag 400 000 €) maßgebliche Steuersatz von 19 % auf 11 % vermindern.
Um dieses Ergebnis zu vermeiden, sind mehrere innerhalb eines Zehnjahreszeitraums von derselben Person und an dieselbe Person gemachte Zuwendungen zu einem Gesamterwerb zusammenzurechnen. Dadurch wird sichergestellt, dass der persönliche Freibetrag nur einmal innerhalb des Zehnjahreszeitraums gewährt werden kann.
Die Berechnung der Steuer ist daher insgesamt wie folgt vorzunehmen:
1. Schenkung 29.6.2021:
Die Schenkungsteuer beträgt wie oben 33 000 €.
2. Schenkung 31.7.2023:
Die Schenkungsteuer berechnet sich wie folgt:
Schenkung aus 2023 |
700 000 € |
Hinzurechnung Vorerwerb (Schenkung aus 2021) § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG |
700 000 € |
Gesamterwerb innerhalb von zehn Jahren |
1 400 000 € |
Persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) |
./. 400 000 € |
Steuerpflichtiger Erwerb |
1 000 000 € |
Schenkungsteuer (Steuersatz 19 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) |
190 000 € |
Steuer auf den Vorerwerb § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG |
./. 33 000 € |
Festzusetzende Steuer |
157 000 € |
Durch die Zusammenrechnung beider Zuwendungen erhöht sich somit die Schenkungsteuer auf 157 000 € und ist damit um 91 000 € höher als bei der Besteuerung von zwei einzelnen Zuwendungen (66 000 €).
Für die Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Zusammenrechnung aller Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums,
Anfall durch Schenkung oder Erbe im Verhältnis zur gleichen Person.
Eine Zusammenrechnung ist nur dann vorzunehmen, wenn der zeitliche Abstand zwischen dem ersten und dem letzten Erwerb nicht mehr als zehn Jahre beträgt.
Außerhalb des Zehnjahreszeitraums stattfindende Erwerbe sind somit nicht einzubeziehen. Nach Ablauf der Zehnjahresfrist ist der persönliche Freibetrag erneut zu gewähren. Dadurch kann sich ggf. auch der Steuersatz verringern. Aus Sicht des Steuerpflichtigen sollte daher bei jeder Zuwendung geprüft werden, ob eine Zusammenrechnung mit früheren Erwerben innerhalb der Zehnjahresfrist zu erfolgen hat. Ggf. sollte der Ablauf dieses Zeitraums abgewartet werden.
Die Zehnjahresfrist ist rückwärts gerichtet zu berechnen. Dabei ist der Tag des letzten Erwerbs mitzuzählen. Bei der Berechnung des Zehnjahreszeitraums des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist § 108 Abs. 3 AO nicht anzuwenden (BFH Urteil vom 28.3.2012, II R 43/11, BStBl II 2012, 599).
Hat der Letzterwerb beispielsweise am 22.12.2022 stattgefunden, reicht die Frist bis zum 23.12.2012. Nicht einzubeziehen ist ein Erwerb vom 22.12.2012. Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der Entstehung der Steuer. Im Einzelfall kann es schwierig sein, den genauen Zeitpunkt der Entstehung der Steuer zu bestimmen (z.B. bei Grundstücksübertragungen). Daher sollte eine Schenkung nicht taggenau zum Stichtag vorgenommen werden. Stattdessen sollte man einen gewissen Zeitraum noch verstreichen lassen.
Beispiel 2: (nach BFH Urteil vom 28.3.2012, II R 43/11, BStBl II 2012, 599)
Der Kläger übertrug seinem Sohn am 31.12.1998 und 31.12.2008 jeweils ein Grundstück. Bei der Festsetzung der SchenkSt für die zweite Zuwendung erfasste das FA die erste Schenkung als Vorerwerb (§ 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG).
Lösung 2:
Die Zuwendung vom 31.12.1998 ist nicht als Vorerwerb zu erfassen. Auf rückwärts zu berechnende Fristen sind die §§ 187 ff. BGB entsprechend anwendbar (BFH Urteil vom 6.6.2001, II R 56/00, BStBl II 2002, 96). § 187 Abs. 1 BGB regelt die Fälle, in denen für den Anfang einer Frist ein Ereignis oder ein in den Lauf eines Tages fallender Zeitpunkt entscheidend ist. § 187 Abs. 2 BGB betrifft die übrigen Fälle, in denen der Beginn des Tages für den Anfang einer Frist maßgebend ist. Der Letzterwerb ist nach Sinn und Zweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG kein Ereignis i.S.d. § 187 Abs. 1 BGB. Die Einstufung als Ereignis würde dazu führen, den Tag des Letzterwerbs außer Betracht zu lassen. § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG setzt aber voraus, dass Letzterwerb und Vorerwerb »innerhalb« des Zehnjahreszeitraums liegen. Deshalb umfasst die Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG den Tag der Steuerentstehung des letzten Erwerbs. Es kommt dabei nicht auf die genaue Uhrzeit der Erwerbe an, vielmehr auf volle Kalendertage. Der Zehnjahreszeitraum beginnt demnach mit dem Ende des Tages, an dem der letzte Erwerb erfolgt ist.
Maßgebend für die Berechnung der Frist des § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sind § 187 Abs. 2 BGB und § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB: Danach endet die Frist bei einer Rückwärtsberechnung mit dem Beginn desjenigen Tages des letzten Monats der Frist, welcher dem Tage nachfolgt, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht. Die Frist beginnt im Streitfall also am 31.12.2008 und endet am 1.1.1999. Fällt bei dieser Berechnung das Ende des Zehnjahreszeitraums auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend, findet § 108 Abs. 3 AO keine Anwendung. Dem Sinn und Zweck des § 14 ErbStG widerspräche es, die Frist wegen der Rückwärtsberechnung auf den Beginn des vorangegangenen Werktags zu verlängern.
Zunächst ist der Wert des Gesamterwerbs (aktueller Vermögensanfall und relevante Vorerwerbe) zu ermitteln. Die Vorerwerbe werden dem Letzterwerb mit ihrem früheren Wert hinzugerechnet. Wertveränderungen in der Zwischenzeit bleiben ohne Auswirkung. Wurden im Geltungsbereich der Einheitsbewertung (bis zum 31.12.1995) bzw. Bedarfsbewertung I (§ 138 BewG) Grundstücke übertragen, sind diese bei einer Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG mit dem Einheitswert i.S.d. § 121a BewG bzw. dem Bedarfswert nach § 138 BewG einzubeziehen. Die früheren Erwerbe werden mit ihren Bruttobeträgen, also vor Abzug von persönlichen Freibeträgen, angesetzt.
Beispiel 3:
Vater V hatte am 13.7.2007 seiner Tochter ein Grundstück geschenkt. Der nach der damaligen Bedarfsbewertung (§ 138 BewG) anzusetzende steuerliche Wert betrug 130 000 €. Auf Grund des persönlichen Freibetrages i.H.v. 205 000 € wurde für diese Schenkung keine Steuer festgesetzt. Am 8.3.2016 verstirbt G und hinterlässt seiner Tochter weiteres Vermögen mit einem steuerlichen Wert von 300 000 €. Der Grundbesitzwert i.S.d. § 157 Abs. 3 BewG (→ Grundbesitz) des Grundstücks beläuft sich zu diesem Zeitpunkt auf 230 000 €.
Lösung 3:
Bei der Zusammenrechnung ist nicht der aktuelle Grundbesitzwert i.H.v. 230 000 € zu berücksichtigen. Maßgebend ist der ursprüngliche Bedarfswert des Grundstücks, d.h. der Vorerwerb ist mit 130 000 € anzusetzen und zwar mit dem Bruttowert, d.h. ohne Berücksichtigung von persönlichen Freibeträgen.
Vom Gesamterwerb (430 000 €) wird der maßgebende persönliche Freibetrag (400 000 €) abgezogen und von dem so ermittelten steuerpflichtigen Erwerb die Erbschaftsteuer berechnet. Da für den Vorerwerb keine Steuer festzusetzen war, erfolgt keine Anrechnung.
Der Feststellung der Steuerklasse (§ 15 ErbStG), des persönlichen Freibetrags (§ 16 ErbStG) und des Steuersatzes nach § 19 ErbStG sind die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Letzterwerbs (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, Todestag 8.3.2016) zugrunde zu legen.
Zur Bindungswirkung von gesonderten Feststellungen (hier Grundbesitzwerte) hat sich der BFH mit seinem Urteil vom 26.7.2023 (II R 35/21, LEXinform 0953947) geäußert. Der BFH hat entschieden, dass ein für Zwecke der Schenkungsteuer gesondert festgestellter Grundbesitzwert für alle Schenkungsteuerbescheide bindend ist, bei denen er in die steuerliche Bemessungsgrundlage einfließt. Das gilt auch für die Berücksichtigung eines früheren Erwerbs bei einem Nacherwerb nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, d.h. bei einer Schenkung, die innerhalb von zehn Jahren nach der ersten Schenkung erfolgt.
Von der Steuer auf den Gesamterwerb ist die Steuer abzuziehen, die auf Vorerwerbe nach den persönlichen Vorschriften und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zum Zeitpunkt des Letzterwerbs zu erheben gewesen wäre (fiktive Steuer, § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG).
Um zu vermeiden, dass das durch die frühere Steuerentrichtung geschaffene Anrechnungsvolumen durch spätere Änderungen der persönlichen Verhältnisse des Erwerbers oder durch Änderung der gesetzlichen Vorschriften zur Steuerberechnung wieder verloren geht, kann nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die auf den Vorerwerb tatsächlich zu entrichtende Steuer angerechnet werden, falls diese die fiktive Steuer übersteigt.
Beispiel 4:
A hatte am 24.12.2018 seiner Lebensgefährtin B einen Geldbetrag i.H.v. 200 000 € zugewendet. Am 31.8.2023 heiraten A und B. Am 31.10.2023 schenkt A der B erneut einen Geldbetrag i.H.v. 650 000 €.
Lösung 4:
Steuer aufgrund der Zuwendung am 24.12.2018:
Bargeld |
200 000 € |
abzüglich persönlicher Freibetrag für StKl. III § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG |
./. 20 000 € |
Steuerpflichtiger Erwerb |
180 000 € |
Schenkungsteuer (Steuersatz 30 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) |
54 000 € |
Die tatsächlich zu entrichtende Steuer beträgt demnach 54 000 €.
Besteuerung der Zuwendung am 31.10.2023:
Bargeldschenkung aus 2023 |
650 000 € |
Vorerwerb aus 2018 |
200 000 € |
Gesamterwerb |
850 000 € |
Persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) |
./. 500 000 € |
Steuerpflichtiger Erwerb |
350 000 € |
Schenkungsteuer (Steuersatz 15 %, § 19 Abs. 1 ErbStG, kein Härteausgleich) |
52 500 € |
Die Steuer auf den Gesamterwerb beläuft sich somit auf 52 500 €.
Berechnung der fiktiven Schenkungsteuer in 2023 auf den Vorerwerb aus 2019 (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG):
Bargeld |
200 000 € |
Persönlicher Freibetrag (persönliche Verhältnisse im Zeitpunkt des Letzterwerbs), maximal aber nur der in 2018 tatsächlich verbrauchte Freibetrag (s. unter 3.2.2) |
./. 20 000 € |
Steuerpflichtiger Erwerb |
180 000 € |
Schenkungsteuer (Steuersatz 11 %, § 19 Abs. 1 ErbStG, kein Härteausgleich) |
19 800 € |
Die sich für den Vorerwerb ergebende fiktive Steuer beträgt 19 800 €.
Da die tatsächlich zu entrichtende Steuer höher ist als die fiktive Steuer, ist nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die tatsächlich zu entrichtende Steuer abzuziehen (54 000 €), maximal |
./. 52 500 € |
Zwischensumme |
0 € |
mindestens gem. § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG die Steuer für den Letzterwerb ohne Zusammenrechnung mit dem Vorerwerb |
|
Bargeldschenkung aus 2023 |
650 000 € |
keine Zusammenrechnung bei Berechnung der Mindeststeuer! |
|
Persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) |
./. 500 000 € |
Steuerpflichtiger Erwerb |
150 000 € |
Schenkungsteuer (Steuersatz 11 %, § 19 Abs. 1 ErbStG, kein Härteausgleich) |
16 500 € |
dies entspricht der Mindeststeuer nach § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG |
|
Festzusetzende Schenkungsteuer |
16 500 € |
Die Mindeststeuer kommt in diesem Fall zum Tragen, weil für den Vorerwerb im Jahr 2018 bei Steuerklasse III ein Steuersatz von 30 % angewendet worden ist.
Probleme ergeben sich bei mehreren Vorschenkungen dann, wenn der persönliche Freibetrag zwischenzeitlich erhöht wurde.
Die Erhöhung des Freibetrags kann sich negativ auf die Berechnung der fiktiven Steuer auswirken (die Erhöhung des persönlichen Freibetrags von z.B. von 205 000 € auf 400 000 € wirkt sich negativ auf den Anrechnungsbetrag für die Vorschenkung aus, weil die Schenkungsteuer sinkt, s. dazu FG Münster Urteil vom 13.9.2012, 3 K 1019/10, EFG 2013, 309; Grewe, ErbBstg 2013, 125 mit Berechnungsbeispielen). Dennoch ist die Berücksichtigung eines »wiederauflebenden Freibetrags« aus der Geltungszeit außerhalb des Zehnjahreszeitraums nicht möglich (BFH vom Urteil vom 2.3.2005, II R 43/03, BStBl II 2005, 728; FG Münster Urteil vom 13.9.2012, 3 K 1019/10, EFG 2013, 309; H E 14.1 Abs. 3 »Abzugssteuer – Beispiel« ErbStH). Dem Steuerpflichtigen muss ein »nicht ausgenutztes Freibetragsvolumen« nicht angerechnet und beim Freibetrag auf den Vorerwerb abgezogen werden.
Im Einzelfall kann das Nicht-Wiederaufleben des Freibetrags aber auch vorteilhaft sein (s. dazu das Beispiel bei Grewe, ErbBstg 2013, 126).
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG sind Vorerwerbe grundsätzlich mit ihrem früheren Wert in die Veranlagung des letzten Erwerbs einzubeziehen. Mit »früherer Wert« ist der frühere materiell richtige Wert gemeint. Für die Fälle, in denen der Vorerwerb unzutreffend oder gar nicht besteuert worden ist, ist deshalb bei der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG der Vorerwerb korrigiert – mit dem zutreffenden Wert – in die Besteuerung des Letzterwerbs einzubeziehen (BFH Urteil vom 17.4.1991, II R 121/88, BStBl II 1991, 522; BFH Urteil vom 9.7.2009, II R 55/08, BStBl II 2009, 969). Nach der Systematik des ErbStG soll für den letzten Erwerb unter Berücksichtigung der Vorerwerbe der letzten zehn Jahre die richtige Steuer festgesetzt werden. Das kann daher dazu führen, dass der Wert des Vorerwerbs bei seiner Einzelbesteuerung und bei der Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG in unterschiedlicher Höhe angesetzt wird.
Dies gilt auch für den Abzug der Steuer nach § 14 Abs. 1 Sätze 2 und 3 ErbStG. Die Steuer aus dem Vorerwerb ist bei der Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit einer fiktiven Steuer (§ 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG) oder der tatsächlich gezahlten Steuer, wenn diese höher ist (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG) auf die Steuer für den Gesamterwerb anzurechnen. Fiktive Steuer i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist dabei die Steuer, die »nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre«. Für die Berechnung der fiktiven Steuer nach Satz 2 ist daher u.U. ebenfalls von einem korrigierten Wert des Vorerwerbs auszugehen.
Bei der Ermittlung der Erbschaftsteuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist nach der teleologischen Auslegung der Norm durch den BFH die materiell-rechtlich zutreffende, nicht die bestandskräftig zu hoch festgesetzte Schenkungsteuer auf die Vorschenkung abzuziehen (BFH Urteil vom 9.7.2009, II R 55/08, BFH/NV 2009, 2056). Der BFH betont dabei die Selbstständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbsvorgänge.
Nach dem Gesetzeswortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ist die zu entrichtende Steuer abzuziehen, soweit diese höher ist als die fiktive anrechenbare Steuer nach Satz 2. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG soll dabei unbillige Folgen für Steuerpflichtige vermeiden, die sich durch für sie günstigere Rechtsänderungen – wie höhere Freibeträge oder Steuersätze – bei einem Übergang zum neuen Recht ergeben könnten.
Bei einer fehlerhaften Steuerfestsetzung für den Vorerwerb ist nicht die entrichtete Steuer, sondern der Steuerbetrag abzuziehen, der den seinerzeit geltenden gesetzlichen Vorschriften entspricht. Andernfalls ergäbe sich indirekt eine Minderung der bestandskräftig festgesetzten Schenkungsteuer. Eine solche wirtschaftliche Aufhebung der Steuerfestsetzung ist vom Gesetzgeber nicht gewollt (BFH Urteil vom 17.10.2001, II R 17/00, BStBl II 2002, 52). Lediglich unbillige Folgen für Steuerpflichtige sollten vermieden werden, die sich durch für sie günstigere Rechtsänderungen wie höhere Freibeträge oder niedriger Steuersätze bei einem Übergang zu neuem Recht ergeben könnten (BFH Urteil vom 2.3.2005, II R 43/03, BStBl II 2005, 728).
Auch der Abzug nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ermöglicht, die »zu entrichtende Steuer« zu berücksichtigen. Die aufgrund der falschen Berechnung des Vorerwerbs entrichtete Steuer ist im Rahmen des Abzugs nach Satz 3 durch die zutreffend berechnete Steuer zu ersetzen. Die »tatsächlich zu entrichtende Steuer« ist damit nicht die wirklich festgesetzte Steuer, sondern die Steuer, die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage für diese Erwerbe festzusetzen gewesen wäre (vgl. auch R E 14.1 Abs. 3 Satz 9 ErbStR). § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG soll allein die durch den Letzterwerb ausgelöste steuerliche Belastung mildern. Das Urteil vom 9.7.2009 (II R 55/08, BFH/NV 2009, 2056) stellt nun klar, dass antragsabhängige Steuervorteile bei der Steuerfestsetzung für den Vorerwerb bei der Anwendung des § 14 ErbStG beizubehalten sind.
Dem Schenkungssteuerbescheid über einen Vorerwerb kommt danach keine Bindungswirkung im Sinne eines Grundlagenbescheids für die Steuerfestsetzung des Letzterwerbs zu. Änderungen von bestandskräftigen Steuerbescheiden, die Nachschenkungen bzw. den Erbfall betreffen, können nicht auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO gestützt werden, wenn zuvor ein geänderter Schenkungssteuerbescheid über eine Vorschenkung erlassen worden ist (a.A. FG Köln Urteil vom 27.8.2014, 9 K 2193/12. Bei der Übertragung eines Grundstücks, bei der eine Ausgleichspflicht nach §§ 2050 ff. BGB angeordnet ist, ist ein Schenkungssteuerbescheid nachträglich gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern). Die Änderung der nachfolgenden Steuerbescheide kann dadurch erreicht werden, dass diese Steuerbescheide unter Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) oder hinsichtlich dieses Punktes vorläufig nach § 165 AO erlassen werden. Ist ein Einspruch gegen die Steuerfestsetzung eines Vorerwerbs eingelegt worden, sollte ggf. auch dieser Rechtsbehelf gegen nachfolgende Schenkungssteuerbescheide oder den Erbschaftsteuerbescheid eingelegt werden. Die Verfahren gegen die nachfolgenden Steuerbescheide können nach § 363 Abs. 2 AO zum Ruhen gebracht werden.
§ 14 Abs. 2 Satz 2 ErbStG stellt aber klar, dass bei einer Änderung des Steuerbescheides für den Vorerwerb auf Basis des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (rückwirkendes Ereignis), § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO auch für die Steuerfestsetzung des Letzterwerbs Anwendung findet. Insoweit ist die Änderung des Steuerbescheides für den Vorerwerb ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung aus Sicht der Steuerfestsetzung für den Letzterwerb, § 14 Abs. 2 Satz 1 ErbStG. Für den späteren Erwerb gelten auch der erstmalige Erlass, die Änderung und die Aufhebung eines Steuerbescheids für einen früheren, in die Zusammenrechnung einzubeziehenden Erwerb als rückwirkendes Ereignis. Dasselbe gilt auch, soweit eine Änderung der Steuerfestsetzung für den früheren Erwerb lediglich zu einer geänderten anrechenbaren Steuer führt. Diese Klarstellungen sind im Rahmen des JStG 2020 in § 14 Abs. 2 ErbStG aufgenommen worden. Vgl. hierzu auch gleich lautenden Ländererlasse vom 13.9.2021 unter 5. mit Beispiel (LEXinform 7012932). Die Änderung erfolgte als Reaktion auf die Rspr. des BFH zur Änderung der Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb. Die erstmalige oder geänderte Steuerfestsetzung für den Vorerwerb war nach Auffassung des BFH kein rückwirkendes Ereignis, das die Änderung der Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb zulasse (BFH vom 12.7.2017, II R 45/14).
Die durch das JStG 2020 erfolgte Änderung des § 14 Abs. 2 BewG lässt eine Änderung der Steuerfestsetzung für den nachfolgenden Erwerb zu.
Ist die auf den Vorerwerb tatsächlich zu entrichtende Steuer höher als die Steuer für den Gesamterwerb, ergibt sich rechnerisch ein Erstattungsbetrag. Ein solches Ergebnis könnte durch vergleichsweise geringe Schenkungen erreicht werden.
Rechtsprechung und die Finanzverwaltung lehnen die Erstattung allerdings ab (BFH Urteil vom 17.10.2001, II R 17/00, BStBl II 2002, 52; R E 14.1 Abs. 3 Satz 10 ErbStR).
Erwerbe mit steuerlich negativem Wert (z.B. bei einem Gewerbebetrieb negatives Kapitalkonto oder bei einem Anteil an einer Personengesellschaft) bleiben nach § 14 Abs. 1 Satz 5 ErbStG unberücksichtigt.
Dieses Ergebnis kann vermieden werden, wenn beide Zuwendungen in einem einheitlichen Schenkungsvertrag vorgenommen werden (BFH Urteil vom 10.11.1976, II R 135/70, BStBl II 1977, 50; BFH Urteil vom 18.3.1981, II R 11/79, BStBl II 1981, 532; s.a. FG Hamburg Urteil vom 28.4.2009, 3 K 185/07, EFG 2010, 340). In diesem Fall ist die Saldierung von positiven und negativen Erwerben möglich.
Reicht eine Schenkungskette über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren, ist ein »wiederauflebender Freibetrag« nicht zu berücksichtigen (BFH Urteil vom 2.3.2005, II R 43/03, BStBl II 2005, 728; R E 14.1 Abs. 4 ErbStR). Die Erbschaft- oder Schenkungsteuer ist für den letzten Erwerb so zu berechnen, dass sich der dem Steuerpflichtigen zur Zeit dieses Erwerbs zustehende persönliche Freibetrag tatsächlich auswirkt, soweit er nicht innerhalb von zehn Jahren vor diesem Erwerb verbraucht worden ist. Zur Berechnung vgl. Beispiel in H E 14.1 Abs. 4 »Schenkungskette über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren – Beispiel« ErbStH.
Nach § 14 Abs. 3 ErbStG darf die durch jeden weiteren Erwerb (Nacherwerb) veranlasste Steuer nicht mehr betragen als 50 % dieses Erwerbs. Der Anwendungsbereich der Vorschrift ist wegen des Härteausgleichs nach § 19 Abs. 3 ErbStG nur gering.
Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 4 ErbStG darf die Steuer, welche sich für den letzten Erwerb ohne eine Zusammenrechnung mit den früheren Erwerben ergibt, nicht durch den Abzug der tatsächlichen oder fiktiven Steuer unterschritten werden. D.h. es ist mindestens die Steuer festzusetzen, die sich ohne Anwendung des § 14 ErbStG für den Letzterwerb ergibt.
Der Grund für die Neuregelung liegt darin, dass für den Fall, dass die für einen Vorerwerb tatsächlich zu entrichtende Steuer höher ist als die fiktiv ermittelnde Steuer zur Zeit des Letzterwerbs, die für den Letzterwerb festzusetzende Steuer 0 € betragen kann, obwohl beim Letzterwerb selbst erhebliche Vermögenswerte übertragen wurden.
Der Abzug der Steuer soll daher begrenzt werden. Die Steuer, welche sich nach den geltenden Vorschriften für den Letzterwerb ohne Zusammenrechnung ergibt, bildet die Untergrenze der für diesen Erwerb festzusetzenden Steuer.
Ist das FA bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für mehrere freigebige Zuwendungen erkennbar davon ausgegangen, es liege eine einheitliche Zuwendung vor, führt dies nicht zur Nichtigkeit des Steuerbescheids. In einem solchen Fall ist der Steuerbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt i.S.d. § 119 Abs. 1 AO. Wie § 157 Abs. 1 Satz 2 AO vorschreibt, ist in einem derartigen Steuerbescheid die Steuer nach Art und Betrag bezeichnet und der Steuerschuldner angegeben (BFH Urteil vom 20.1.2010, II R 54/07, BStBl II 2010, 463 m.w.N.).
Anders sind dagegen die Fälle der unaufgegliederten Zusammenfassung mehrerer Steuerfälle in einem Bescheid zu behandeln. Hier nimmt die Rechtsprechung ggf. die Nichtigkeit wegen Unbestimmtheit an (§ 119 Abs. 1 AO; vgl. z.B. BFH Urteil vom 9.12.1998, II R 6/97, BFH/NV 1999, 1091; BFH Urteil vom 22.9.2004, II R 50/03, BFH/NV 2005, 993; BFH Urteil vom 15.3.2007, II R 5/04, BStBl II 2007, 472; BFH Urteil vom 6.6.2007, II R 17/06, BStBl II 2008, 46). In diesen Fällen lässt sich aus der unaufgegliederten Steuerfestsetzung nämlich nicht ersehen, welche Steuerbeträge für die einzelnen Steuerfälle festgesetzt sein sollen.
Halaczinsky, Berücksichtigung früherer Erwerbe gem. § 14 ErbStG – Grundlagen und aktueller Rechtszustand, ErbStB 2006, 187; Meincke, Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, DStR 2007, 273.
→ Anrechnung von Erbschaft- und Schenkungsteuer
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