1 Vorbemerkungen
2 Steuergegenstand bei der Grundsteuer
2.1 Einheitswerte
2.2 Hauptfeststellungen
2.3 Wertfortschreibungen
2.4 Artfortschreibungen
2.5 Zurechnungsfortschreibungen
2.6 Fehlerbeseitigende Fortschreibungen
2.7 Allgemeines zur Feststellung der Einheitswerte
2.8 Nachfeststellungen
2.9 Aufhebung von Einheitswerten
3 Steuergegenstand bei der Bedarfsbewertung
4 Gesonderte Feststellung von Grundbesitzwerten
5 Bewertung nach der Grundsteuerreform ab 1.1.2022 – Grundsteuerwerte
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Die häufig verwendeten Begriffe Grundbesitz i.S.d. § 19 BewG, Grundvermögen und Grundstück müssen streng differenziert werden. Grundbesitz ist als sog. Oberbegriff, der die wirtschaftlichen Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, des Grundvermögens und der Betriebsgrundstücke umfasst. Unter Grundvermögen versteht man im Allgemeinen den Teil des Grundbesitzes, der nicht zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört und kein Betriebsgrundstück darstellt. Nach § 18 BewG ist das Grundvermögen mithin eine der drei Vermögensarten. Nach § 68 Abs. 1 BewG gehören zum Grundvermögen:
der Grund und Boden, die Gebäude (→ Gebäude, Begriff), die sonstigen Bestandteile und das Zubehör,
das → Erbbaurecht,
das Wohnungseigentum.
Die wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens ist das → Grundstück.
Der Grundbesitz ist Steuergegenstand der → Grundsteuer und stellt sich nach § 19 Abs. 1 BewG wie folgt dar:
Grundbesitz | ||
Betriebe der Land- und Forstwirtschaft | Grundstücke | Betriebsgrundstücke |
Wirtschaftliche Einheiten des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. | Wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens. | Wirtschaftliche Untereinheiten des Betriebsvermögens von Gewerbebetrieben (99 Abs. 1 Nr. 1 BewG) oder des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft (§ 99 Abs. 1 Nr. 2 BewG). |
Abb.: Grundbesitz
Die Bemessung der Grundsteuer erfolgt unter Zugrundelegung des sog. Einheitswertes.
Gem. § 19 Abs. 1 BewG werden Einheitswerte für den inländischen Grundbesitz festgestellt. Hierunter fallen
Betriebe der Land- und Forstwirtschaft,
Grundstücke und
Betriebsgrundstücke.
Einheitswerte werden zu jedem Hauptfeststellungszeitpunkt allgemein festgestellt (§ 21 Abs. 1 BewG). Die letzte Hauptfeststellung wurde zum 1.1.1964 durchgeführt (Gesetz zur Änderung des BewG vom 13.8.1965, BGBl I 1965, 851). Der Hauptfeststellung werden die Wertverhältnisse zu Beginn des Kj. 1964 (Hauptfeststellungszeitpunkt) zugrunde gelegt.
Einheitswerte werden neu festgestellt (Wertfortschreibung), wenn der neue Wert vom letzten Einheitswert wie folgt abweicht (§ 22 Abs. 1 BewG):
nach oben | nach unten |
mehr als 10 %, mindestens um 5 000 DM, oder um mehr als 100 000 DM | mehr als 10 %, mindestens um 500 DM, oder um mehr als 5 000 DM |
Abb.: Wertfortschreibung
Eine Artfortschreibung wird gem. § 22 Abs. 2 BewG durchgeführt, wenn sich die Grundstücksart i.S.d. § 75 BewG ändert.
Ändern sich die Eigentumsverhältnisse, wird eine Zurechnungsfortschreibung durchgeführt (§ 22 Abs. 2 BewG). Fortschreibungszeitpunkt ist gem. § 22 Abs. 4 Nr. 1 BewG der Beginn des Kj., das auf die Änderung folgt. Bei der Art- bzw. Zurechnungsfortschreibung wird nur dann auch ein neuer Einheitswert ermittelt, wenn die Voraussetzungen der Wertfortschreibung erfüllt sind.
Nach § 22 Abs. 3 BewG ist auch eine fehlerbeseitigende Fortschreibung möglich.
Die Einheitswerte werden weiterhin in DM ermittelt. Der Wert wird auf volle 100 DM nach unten abgerundet und danach in Euro umgerechnet. Der umgerechnete Betrag wird auf volle Euro abgerundet (§ 30 BewG).
Der Wertfortschreibung werden die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 zugrunde gelegt (§ 27 BewG).
Nach § 19 Abs. 1 BewG werden die Einheitswerte für inländischen Grundbesitz gesondert festgestellt (§ 180 Abs. 1 Nr. 1 AO; → Einheitswertfeststellungen).
Wenn eine wirtschaftliche Einheit neu entsteht oder erstmals zu einer Steuer herangezogen wird, ist gem. § 23 BewG eine Nachfeststellung durchzuführen.
Fällt eine wirtschaftliche Einheit weg, ist der Einheitswert nach § 24 BewG aufzuheben.
Nach den §§ 138 ff. BewG waren für die ErbSt in der bis zum 31.12.2008 geltenden Fassung hingegen Grundbesitzwerte festzustellen. Nach den Änderungen durch das Jahressteuergesetz 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878) waren dabei die tatsächlichen Verhältnisse und die Wertverhältnisse zum Besteuerungszeitpunkt zugrunde zu legen (§ 138 Abs. 1 BewG).
Für folgende wirtschaftliche Einheiten waren Grundbesitzwerte festzustellen:
für land- und forstwirtschaftliches Vermögen und für Betriebsgrundstücke i.S.d. § 99 Abs. 1 Nr. 2 BewG (§ 138 Abs. 2 i.V.m. §§ 139 bis 144 BewG),
für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens und für Betriebsgrundstücke i.S.d. § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG (§ 138 Abs. 3 i.V.m. §§ 68, 69, 99 Abs. 2, 139, 145 bis 150 BewG).
Infolge der Feststellung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des Erbschaftssteuergesetzes, wurde Ende 2008 das Erbschaftsteuergesetz umfassend novelliert. Die neue Rechtslage wird grundsätzlich für alle Erwerbe nach dem 31.12.2008 angewandt.
Nach Art. 3 ErbStRG kann ein Erwerber auch schon für Erwerbe von Todes wegen auf die neuen gesetzlichen Regelungen optieren, wenn der Erwerb von Todes wegen nach dem 31.12.2006 und vor dem 1.1.2009 erfolgte. In diesem Fall werden alle neuen gesetzlichen Regelungen – mit Ausnahme der ab dem 1.1.2009 geltenden persönlichen Freibeträge nach § 16 ErbStG – angewendet.
Aufgrund der Neuregelung erfolgt eine Ermittlung der Grundbesitzwerte nach den Vorschriften der §§ 176 ff. BewG.
Keine Feststellung ist ab 1.1.2009 über die Eigenschaft »Betriebsgrundstück« mehr zu treffen, da § 99 Abs. 2 BewG gestrichen wurde.
Durch das Jahressteuergesetzes 2007 (BGBl I 2006, 2878) wurden in den §§ 151 ff. BewG die gesonderten Feststellungen im Rahmen der ErbSt neu geregelt. Danach werden u.a. die Grundbesitzwerte i.S.d. § 138 BewG bzw. §§ 176 ff. BewG gesondert festgestellt (§ 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BewG).
Das BVerfG hat mit Beschluss vom 23.6.2015 (1 BvL 13/11, 1 Bvl 14/11) beschlossen, dass die grunderwerbsteuerliche Ersatzbemessungsgrundlage (d.h. der Grundbesitzwert), die bei bestimmten Erwerbstatbeständen anstelle des Kaufpreises (als Regel-Bemessungsgrundlage) zur Anwendung kommt, vor dem Hintergrund eines unabhängig von der Art und Weise der Wertermittlung anwendbaren Grunderwerbsteuersatzes nicht gleichheitskonform ausgestaltet. Der Grundbesitzwert wird nach den Vorgaben des Bewertungsgesetzes (§ 138 Abs. 2 bis 4 BewG) berechnet und kommt zur Anwendung. Der Gesetzgeber hat nun mit dem Steueränderungsgesetz dies rückwirkend zum 1.1.2009 verankert.
Das BewG wurde um einen siebten Abschnitt ergänzt, die §§ 218 – 266 BewG enthalten die ab 1.1.2022 geltenden Regelungen zur Bewertung von Grundbesitz für die GrSt (sog. »Grundsteuerwerte«). Die erste Hauptfeststellung erfolgt auf den 1.1.2022 und gilt für die Hauptveranlagung zur GrSt auf den 1.1.2025, § 266 BewG. Anschließend sollen die Grundsteuerwerte im Abstand von sieben Jahren allgemein festgestellt werden, § 221 BewG. Übersicht der zentralen Bewertungsvorschriften ab 1.1.2022:
Bewertung für Grundsteuer ab 1.1.2022 | Kurze Erläuterung bzw. vergleichbare §§ für ErbSt |
§ 218 BewG Vermögensarten | nur L+F und Grundvermögen |
§ 219 BewG Grundsteuerwerte | vergleichbar mit § 151 BewG |
§ 221 BewG Hauptfeststellung | 1.1.2022 und dann alle 7 Jahre |
§§ 222–230 BewG Verfahren | Einzelheiten zum Feststellungverfahren, insbes. zur Fortschreibung, Nachholung, Aufhebung, Erklärungspflichten, Abrundung auf volle 100 € |
§§ 232–242 BewG Bewertung L+F-Vermögen | Bewertung anhand des Ertragswerts (§ 236 BewG), Ausgangspunkt ist der Reinertrag (§ 237 BewG, Flächenwerte), ggf. mit Zuschlägen nach § 238 BewG |
§§ 243–262 BewG Bewertung Grundvermögen | Gliederung entspricht §§ 176 ff. BewG (GrV für ErbSt) |
§ 243 BewG Umfang Grundvermögen | entspricht inhaltlich § 176 BewG bzw. § 68 BewG |
§ 246 und § 247 BewG Unbebaute Grundstücke | Bewertung unbebauter Grundstücke auf Basis des Bodenrichtwertes |
§§ 248–249 BewG Bebaute Grundstücke | Bebaute Grundstücke, Beschreibung der Grundstücksarten |
§ 250 BewG Bewertungsverfahren | Bewertungsverfahren:
Ertragswertverfahren:
Sachwertverfahren:
Beachte: Die Zuordnung entspricht nicht den Bewertungsverfahren für Zwecke der ErbSt aus § 182 BewG. Im Unterschied zu § 182 BewG gibt es kein Vergleichswertverfahren. |
§ 251 BewG | Mindestwert für bebaute Grundstücke |
§ 252 – § 257 BewG Ertragswertverfahren | Ertragswertverfahren:
Der Rohertrag basiert auf Nettokaltmieten, die nach Land, Gebäudeart, Wohnfläche, Baujahr und in Abhängigkeit von Mietniveaustufen angegeben werden (Anlage 39 zum BewG) |
§ 258 – § 260 BewG Sachwertverfahren | Sachwertverfahren: Gebäudesachwert zuzüglich Bodenwert Der Gebäudesachwert berücksichtigt Normalherstellungskosten (Anlage 42) bezogen auf die Brutto-Grundfläche (der Aufbau entspricht dem SWV für Zwecke der ErbSt). Die Normalherstellungskosten werden anhand der Baupreisentwicklung indiziert. Der grundsätzliche Aufbau ist an § 190 BewG angelehnt. |
§ 261 und § 262 BewG Sonderfälle | Sonderfälle:
|
§ 266 BewG Erstmalige Anwendung | Anwendungsvorschriften
|
Anlagen zum BewG | Das BewG wird um Anlagen zur Bewertung ergänzt:
|
Beispiel – Ertragswertverfahren:
Für Zwecke der GrSt ist ein EFH in Baden-Württemberg zu bewerten (Baujahr 2002). Das Grundstück umfasst eine Fläche von 600 qm und der Bodenrichtwert beträgt 380 €/qm. Die Wohnung hat eine Wohnfläche von 120 qm und wird selbstgenutzt.
Lösung:
EFH sind im Ertragswertverfahren zu bewerten, § 250 Abs. 2 Nr. 1 BewG. Ausgangswert ist der Rohertrag, § 254 BewG. Der Rohertrag ist anhand der Anlage 39 zu bestimmen:
Baden-Württemberg
EFH
Wohnfläche 100 qm und mehr
Baujahr ab 2001
Die monatliche Nettokaltmiete beträgt bei 6,46 €/qm, der jährliche Rohertrag somit 9302 € (6,46 €/qm × 120 qm × 12 Monate; Wertverhältnisse 1.1.2022). Abzuziehen sind pauschalierte Bewirtschaftungskosten, § 255 i.V.m. Anlage 40. Bei einer Restnutzungsdauer von 60 Jahren (Gebäudealter 20 Jahre; Gesamtnutzungsdauer lt. Anlage 38 80 Jahre) belaufen sich diese auf 18 % (= 1 675 €).
Rohertrag | 9 302 € | |
./. | Bewirtschaftungskosten | 1 675 € |
= | jährlicher Reinertrag § 253 Abs. 1 BewG | 7 627 € |
x | Vervielfältiger § 253 Abs. 2 i.V.m. Anlage 37 (Rest-ND 60 Jahre und Liegenschaftszinssatz 2,5 %) | 30,91 |
= | Barwert des Reinertrags | 235 750 € |
Bodenwert (600 qm × 380 €/qm) | 228 000 € | |
x | Abzinsungsfaktor § 257 Abs. 2 i.V.m. Anlage 41 | 0,2273 |
= | abgezinster Bodenwert | 51 824 |
Barwert des Reinertrags | 235 750 € | |
+ | abgezinster Bodenwert | 51 824 € |
= | Ertragswert § 253 Abs. 1 BewG | 287 574 € |
Mindestwert § 251 BewG (228 000 € × 75 %) ohne Bedeutung | 171 000 € | |
Grundsteuerwert (Abrundung volle 100 €) | 287 500 € |
Beispiel – Sachwertverfahren:
Für die GrSt ist ein Geschäftsgrundstück zu bewerten (Baujahr 2002). Das Grundstück hat eine Fläche von 500 qm. Der Bodenrichtwert beträgt 600 €/qm. Im Gebäude befinden sich ausschließlich vermietete Büroflächen. Die Brutto-Grundfläche des Gebäudes beträgt 440 qm.
Lösung:
Geschäftsgrundstücke sind im Sachwertverfahren zu bewerten, § 250 Abs. 3 Nr. 1 BewG. Der Bodenwert beträgt 300 000 €, § 258 Abs. 2 i.V.m. § 247 BewG (Bodenrichtwert × Fläche). Berechnung Gebäudesachwert:
Normal-HK lt. Anlage 42 (Bürogebäude, Baujahrgruppe 1995–2004) | 1 071 € | |
x | Baupreisindex § 259 Abs. 3 BewG i.V.m. BMF-Schreiben (noch nicht bekannt) | |
= | Indizierte HK | 1 071 € |
x | Bruttogrundfläche | 440 |
= | Gebäudenormalherstellungswert | 471 240 € |
./. | Alterswertminderung § 259 Abs. 4 BewG (20/60) | 157 080 € |
= | Gebäudesachwert | 314 160 € |
+ | Bodenwert | 300 000 € |
= | Vorläufiger Sachwert § 258 Abs. 3 BewG | 614 160 € |
x | Wertzahl § 260 BewG i.V.m. Anlage 43 | 0,95 |
= | Sachwert | 583 452 € |
Abrundung volle 100 € | ||
= | Grundsteuerwert | 583 400 € |
Den Bundesländern wurde über eine Ergänzung in Art. 72 Abs. 3 GG eine umfassende abweichende Regelungskompetenz eröffnet (»Öffnungsklausel«). So hat beispielsweise Baden-Württemberg am 4.11.2020 hierzu das Landesgrundsteuergesetz erlassen und ein modifiziertes Bodenwertmodell eingeführt (LGrStG, Gesetzblatt für Baden-Württemberg 2020, 974). Weitere Bundesländer, die von der Öffnungsklausel Gebrauch machen, sind Bayern (reines Flächenmodell, die Höhe der Steuer soll sich nur nach Grundstücks- bzw. Gebäudefläche, der Grundstücksnutzung und dem Hebesatz berechnen), Hamburg (Berechnung nach Fläche und Wohnlage), Hessen und Sachsen. Niedersachsen wird sich offenbar am Modell aus Bayern orientieren.
→ Abgabefristen von Steuererklärungen
→ Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer
→ Gebäude auf fremdem Grund und Boden
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