1 Einheitswerte
2 Hauptfeststellungen
3 Wertfortschreibungen
4 Artfortschreibungen
5 Zurechnungsfortschreibungen
6 Fehlerbeseitigende Fortschreibungen
7 Allgemeines zur Feststellung der Einheitswerte
8 Nachfeststellungen
9 Aufhebung von Einheitswerten
10 Bewertungsmethodik
10.1 Ertragswertverfahren
10.2 Sachwertverfahren
10.3 Besonderheiten für Grundstücke in den neuen Bundesländern
11 Literaturhinweise
12 Verwandte Lexikonartikel
Gem. § 19 Abs. 1 BewG werden Einheitswerte für den inländischen Grundbesitz festgestellt. Hierunter fallen
Betriebe der Land- und Forstwirtschaft,
Grundstücke und
Betriebsgrundstücke.
Die Einheitswerte werden aktuell insbesondere für die → Grundsteuer benötigt.
Während früher eine Bedeutung für mehrere Steuerarten zu beachten war (z.B. Vermögensteuer, Grundsteuer, Gewerbesteuer, Erbschaftsteuer, Grunderwerbsteuer), haben Einheitswerte derzeit nur Bedeutung für folgende Steuerarten:
Grundsteuer: Aus dem Einheitswert wird durch die Anwendung einer Grundsteuermesszahl der Grundsteuermessbetrag errechnet.
Gewerbesteuer: Für Betriebsgrundstücke wird der Gewerbeertrag um 1,2 % des Einheitswertes des Betriebsgrundstücks gekürzt (vgl. § 9 GewStG). Für diese Berechnung ist von 140 % des Einheitswertes auszugehen. Hierdurch soll eine doppelte Belastung mit Grund- und Gewerbesteuer vermieden werden.
Der BFH hatte erhebliche Zweifel, dass die derzeitigen Regelungen zur Einheitsbewertung dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz des Art. 3 GG genügen. Der BFH legte mit Beschluss vom 22.10.2014 (LEXinform 0442658) ein entsprechendes Verfahren dem BVerfG vor. Das BVerfG hat mit Urteil vom 10.4.2018 entschieden, dass die Übernahme der Einheitswerte als Bezugsgröße für die Grundsteuer jedenfalls seit 2002 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz unvereinbar ist (1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12, LEXinform 5215706). Das Festhalten an dem Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 führe zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen. Der Gesetzgeber wird durch die Entscheidung verpflichtet bis zum 31.12.2019 eine Neuregelung zu treffen. Die vom BVerfG beanstandeten Bewertungsregelungen (Einheitsbewertung) gelten dann noch für eine weitere Übergangsfrist bis zum Ablauf des Jahres 2024. D.h. die Finanzverwaltung hat nach der Verabschiedung der gesetzlichen Neuregelung noch längstens bis 31.12.2024 Zeit für die Durchführung der Bewertungen. Betroffen sind hier alle wirtschaftlichen Einheiten, die der Grundsteuer unterliegen.
Der Bundestag hat am 18.10.2019 das Gesetz zur Reform der GrSt verabschiedet (BT-Drs. 19/11084 und 19/11085, Gesetzentwurf zur Reform des GrStG und BewG). Am 8.11.2019 hat die Reform den Bundesrat passiert, das GrStRefG wurde am 2.12.2019 im BGBl. veröffentlicht. Das BewG wurde um einen siebten Abschnitt ergänzt, die §§ 218–266 BewG enthalten die ab 1.1.2022 geltenden Regelungen zur Bewertung von Grundbesitz für die GrSt. Die erste Hauptfeststellung erfolgt auf den 1.1.2022 und gilt für die Hauptveranlagung zur GrSt auf den 1.1.2025, § 266 BewG. Anschließend sollen die Grundsteuerwerte im Abstand von sieben Jahren allgemein festgestellt werden, § 221 BewG.
Gem. gleichlautendem Erlass der obersten Finanzbehörden der Länder vom 18.5.2015 (FinMin BW, 3 – S-0338(66) sind bisher die Einheitswertbescheide vorläufig ergangen. Die Vorläufigkeitsvermerke gelten zwischenzeitlich nicht mehr, da das Verfassungsgericht den Gesetzgeber verpflichtet hat eine Neuregelung zu treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt dürfen die als unvereinbar mit dem Grundgesetz festgestellten Regeln über die Einheitsbewertung weiter angewandt werden (s.o. längstens aber bis zum 31.12.2024). Mit gleich lautenden Ländererlassen vom 17.1.2019 wurde daher der o.g. Erlass vom 18.5.2015 aufgehoben. Die Vorläufigkeitsvermerke entfallen somit. Gleichzeitig hat die Finanzverwaltung auch anhängige Einspruchsverfahren und vorliegende Änderungsbescheide zurückgewiesen, vgl. Allgemeinverfügung der obersten Finanzbehörden der Länder vom 18.1.2019 (LEXinform 5236792) ergänzt durch Allgemeinverfügung vom 3.6.2019 (LEXinform 5236895).
Der BFH hat mit Urteil vom 27.5.2020 (II R 38/18, LEXinform 0952063) entschieden, dass die Regelungen zur Einheitsbewertung von Grundstücken im Beitrittsgebiet für ihre restliche Laufzeit verfassungsrechtlich hinzunehmen sei. Der Senat sei nicht von der Verfassungswidrigkeit der angewandten Normen des materiellen Rechts überzeugt. Eine Vorlage an das BVerfG komme daher nicht in Betracht. Mit dieser Maßgabe stellen die gleichlautenden Ländererlasse betreffend die Bewertung von Grundstücken im Beitrittsgebiet zulässige, typisierte Schätzungen des gemeinen Werts dar, so der BFH in dieser Entscheidung. Im Entscheidungsfall ging es um die Nachfeststellung eines Einheitswertes auf den 1.1.2012. Somit ist für Zwecke der Grundsteuer § 129 BewG in der aktuell noch geltenden Fassung des BewG anzuwenden. Das durch das Grundsteuer-Reformgesetz vom 26.11.2019 geänderte Bewertungsrecht, in dem u.a. §§ 129 bis 133 BewG weggefallen sind, findet nach dem neuen § 266 BewG erst vom Jahr 2022 (Hauptfeststellung) bzw. 2025 (Hauptveranlagung) an Anwendung.
Einheitswerte werden zu jedem Hauptfeststellungszeitpunkt allgemein festgestellt (§ 21 Abs. 1 BewG). Die letzte Hauptfeststellung wurde zum 1.1.1964 durchgeführt (Gesetz zur Änderung des BewG vom 13.8.1965 (BGBl I 1965, 851). Der Hauptfeststellung werden die Wertverhältnisse zu Beginn des Kj. 1964 (Hauptfeststellungszeitpunkt) zugrunde gelegt.
Einheitswerte werden neu festgestellt (Wertfortschreibung), wenn der neue Wert vom letzten Einheitswert wie folgt abweicht (§ 22 Abs. 1 BewG):
nach oben |
nach unten |
mehr als 10 %, mindestens um 5 000 DM, oder um mehr als 100 000 DM |
mehr als 10 %, mindestens um 500 DM, oder um mehr als 5 000 DM |
Abb.: Wertfortschreibung
Eine Artfortschreibung ist eine Feststellungsart nach § 22 Abs. 2 BewG und wird durchgeführt, wenn sich die Grundstücksart i.S.d. § 75 BewG (→ Grundstück) ändert.
Ändern sich die Eigentumsverhältnisse, wird eine Zurechnungsfortschreibung durchgeführt (§ 22 Abs. 2 BewG). Fortschreibungszeitpunkt ist gem. § 22 Abs. 4 Nr. 1 BewG der Beginn des Kj., das auf die Änderung folgt. Bei der Art- bzw. Zurechnungsfortschreibung wird nur dann auch ein neuer Einheitswert ermittelt, wenn die Voraussetzungen der Wertfortschreibung erfüllt sind.
Nach § 22 Abs. 3 BewG ist auch eine fehlerbeseitigende Fortschreibung möglich.
Die Einheitswerte werden weiterhin in DM ermittelt. Der Wert wird auf volle hundert DM nach unten abgerundet und danach in Euro umgerechnet. Der umgerechnete Betrag wird auf volle Euro abgerundet (§ 30 BewG).
Der Wertfortschreibung werden die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 zugrunde gelegt (§ 27 BewG).
Wenn eine wirtschaftliche Einheit neu entsteht oder erstmals zu einer Steuer herangezogen wird, ist gem. § 23 BewG eine Nachfeststellung durchzuführen.
Fällt eine wirtschaftliche Einheit weg, ist der Einheitswert nach § 24 BewG aufzuheben.
Die Bewertung eines Grundstücks erfolgt für die Grundsteuer nach § 76 BewG entweder im Ertragswertverfahren oder im Sachwertverfahren.
Das Ertragswertverfahren gilt nach § 76 Abs. 1 BewG für
Mietwohngrundstücke (§ 75 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 BewG),
Geschäftsgrundstücke (§ 75 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 BewG),
gemischt genutzte Grundstücke (§ 75 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 4 BewG),
Einfamilienhäuser (§ 75 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 5 BewG),
Zweifamilienhäuser (§ 75 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Abs. 6 BewG).
Die Ermittlung des Grundstückswerts auf der Grundlage des Ertragswertverfahrens ist in den §§ 78 bis 82 BewG geregelt. Der Grundstückswert ergibt sich nach diesem Verfahren durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete und umfasst den Bodenwert, den Gebäudewert und den Wert der Außenanlagen (Abschn. 18 Abs. 1 BewRGr). Bei Fortschreibungen und Nachfeststellungen gelten für die Höhe der Miete die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (§ 79 Abs. 5 BewG). Zur Ermittlung der üblichen Miete ziehen die Finanzbehörden überwiegend Mietspiegel heran, die regelmäßig nach Baujahren, mietpreisrechtlichen Gegebenheiten, Ausstattungsgruppen und Gemeindegrößen gegliederte Quadratmeter-Mieten zum Stand vom 1.1.1964 ausweisen. Im Hinblick auf die Ausstattungsgruppen unterteilen die Mietspiegel meist in einfache, mittlere, gute und sehr gute Ausstattung und legen hierfür Rahmensätze für die anzuwendenden Mietwerte fest, vgl. o.g. BVerfG-Entscheidung vom 10.4.2018 unter Rz. 12. Der BFH hat entschieden, dass eine Zurückrechnung der der Einheitsbewertung zugrunde zu legenden Mieten aus aktuellen Mietspiegeln mit den §§ 27, 79 Abs. 2, 5 BewG nicht vereinbar sei. Dies ergebe sich daraus, dass die im Ertragswertverfahren gem. § 80 BewG auf die Jahresrohmiete anzuwendenden und aus den Anlagen 3 bis 8 zum Bewertungsgesetz ersichtlichen Vervielfältiger ebenfalls nach den Verhältnissen des Jahres 1964 ermittelt wurden (BFH Urteil vom 16.5.2018, II R 37/14).
Die Heranziehung eines auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 aufgestellten Mietspiegels für die Schätzung der üblichen Miete im Ertragswertverfahren der Einheitsbewertung ist nach Auffassung des BFH dann zulässig, wenn vergleichbare vermietete Objekte nicht vorhanden waren und der Mietspiegel in seinen Aufgliederungen den vom Gesetz gestellten Anforderungen entspricht (BFH Urteil vom 19.9.2018, II R 20/15, LEXinform 0950257). Im Entscheidungsfall ging es um eine fehlerbeseitigende Wertfortschreibung auf den 1.1.2011. In der Urteilsbegründung führt der BFH aus, dass die Heranziehung dieser auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 aufgestellten Mietspiegel für die Schätzung der üblichen Miete zulässig sei, wenn eine Schätzung der üblichen Miete im unmittelbaren Vergleich daran scheitere, dass nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare vermietete Objekte am 1.1.1964 nicht oder nicht in hinreichender Zahl vorhanden waren und die Mietspiegel in ihren Aufgliederungen nach Mietpreisregelungen und den anderen gem. § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG maßgebenden Kriterien (insbes. Baujahr und Ausstattung) den vom Gesetz gestellten Anforderungen für die Schätzung der üblichen Miete entspreche. Vgl. hierzu auch o.g. BFH Urteil vom 16.5.2018 (II R 37/14).
Beim Ertragswertverfahren ist die übliche Miete für alle Flächen anzuwenden, die zu Wohnzwecken genutzt werden können. Dabei ist die bauordnungsrechtliche Einordnung der Flächen ohne Bedeutung, dies hat der BFH klargestellt (BFH vom 18.9.2019, II R 15/16, LEXinform 0950852).
Nach § 76 Abs. 2 BewG sind die sonstigen bebauten Grundstücke im Sachwertverfahren zu bewerten. Bei den anderen bebauten Grundstücken ist das Sachwertverfahren unter den Voraussetzungen des § 76 Abs. 3 BewG anzuwenden.
Der Grundstückswert ist gem. § 83 BewG wie folgt zu ermitteln:
Bodenwert |
Gebäudewert |
Außenanlagen |
Ausgangswert |
||
× Wertzahl gem. § 90 BewG |
||
= Grundstückswert |
||
Abrundung nach § 30 Nr. 1 BewG |
||
= Einheitswert |
Abb.: Sachwertverfahren
Einen Überblick über das Sachwertverfahren enthält die Anlage 10 zu den BewRGr.
Zur Ermittlung eines SB-Marktes im Sachwertverfahren hat der BFH entschieden, dass für die Ermittlung der Gebäudenormalherstellungskosten der Raum unterhalb der Traufe voll anzurechnen sei (Beitrittsgebiet). Auch Versorgungsleitungen unterhalb der Traufe, stünden einer Vollanrechnung nicht entgegen (vgl. BFH vom 14.10.2020, II R 4/14, LEXinform 0952141). In einem im wesentlichen inhaltsgleichen Urteil hat der BFH entschieden, dass bei der Ermittlung des Gebäudenormalherstellungswerts eines Flachdachgebäudes, das von den Außenwänden des Gebäudes gänzlich umschlossene Raumvolumen voll anzurechnen sei (Altbundesgebiet), vgl. BFH vom 14.10.2020, II R 27/18, LEXinform 0951956.
Für die Ermittlung von Einheitswerten im Beitrittsgebiet für Zwecke der Grundsteuer gelten nicht die für die Feststellung von Einheitswerten auf den 1.1.1964 maßgebenden Vorschriften des BewG i.d.F. der Bekanntmachung vom 10.12.1965 (BGBl I 1965, 1861, BStBl I 1966, 2) bzw. i.d.F. der Bekanntmachung vom 1.2. 1991 (BGBl I 1991, 230, BStBl I 1991, 168), sondern es sind weiterhin die Bestimmungen des BewG der DDR i.d.F. der Bekanntmachung vom 18.9.1970 (GBl. Sonderdruck Nr. 674), der Durchführungsverordnung zum Reichsbewertungsgesetz vom 2.2.1935 (RGBl I 1935, 81) und die Rechtsverordnungen der Präsidenten der Landesfinanzämter über die Bewertung bebauter Grundstücke vom 17.12.1934 (RMBl, 785 ff., RStBl, 1641 ff.) maßgebend.
Haar/Wittenmayer, Lehrbuch des Bewertungsrechts, 1. A. Gebauer, Bemessungsgrundlage der Grundsteuer verfassungswidrig – was kommt jetzt?, NWB-EV Nr. 6 vom 6.6.2018, 198.
→ Abgabefristen von Steuererklärungen
→ Gebäude auf fremdem Grund und Boden
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