Gebäude, anschaffungsnahe Herstellungskosten oder Erhaltungsaufwand

Stand: 28. März 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Sachlicher Anwendungsbereich
1.1 Gesetzliche Voraussetzungen
1.2 Überblick über die Rechtsprechung
1.3 Aufwendungen zur Herstellung der Betriebsbereitschaft stellen Anschaffungskosten dar
1.4 Aufwendungen zur Hebung des Gebäudestandards stellen Herstellungskosten dar
1.4.1 Überblick
1.4.2 Definition der Herstellungskosten
1.4.3 Schenkung oder Erbfall
1.4.4 Sanierung in Raten
1.4.5 Wesentliche Verbesserung bei unterschiedlicher Gebäudenutzung
1.5 Aufwendungen als Werbungskosten
2 Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG
3 Einkommensteuerrechtliche Behandlung von anschaffungsnahen Aufwendungen
4 Einzelfälle aus der Rechtsprechung
4.1 Aufwendungen vor Anschaffung
4.2 Renovierung wegen verdeckter Mängel
4.3 Entnahme als Anschaffung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG
4.4 Abfindung an Mieter gehört nicht zu Aufwendungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG
5 Literaturhinweise
6 Verwandte Lexikonartikel

1. Sachlicher Anwendungsbereich

1.1. Gesetzliche Voraussetzungen

Herstellungskosten als Folge einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung können vorliegen, wenn in zeitlicher Nähe zur Anschaffung – in der Regel innerhalb von drei Jahren – im Verhältnis zum Kaufpreis hohe Reparatur- oder Modernisierungsaufwendungen anfallen. Ob anschaffungsnaher Herstellungsaufwand vorliegt, ist für die ersten drei Jahre nach Anschaffung des Gebäudes in der Regel nicht zu prüfen, wenn die Aufwendungen für Instandsetzung (Rechnungsbetrag ohne USt) in diesem Zeitraum insgesamt 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes nicht übersteigen. Die Grundsätze des anschaffungsnahen Aufwands gelten dann nicht, wenn der Stpfl. ein Grundstück in vollem Umfang unentgeltlich erwirbt (BFH Urteil vom 28.4.1998, IX R 66/95, BStBl II 1998, 515). Die Erhaltungsaufwendungen sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abzugsfähig (s. § 9 Abs. 5 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG).

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Zur Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwendungen bei Instandsetzung und Modernisierung von Gebäuden s. BMF vom 18.7.2003 (BStBl I 2003, 386).

1.2. Überblick über die Rechtsprechung

Der BFH hat mit den Urteilen vom 12.9.2001 (IX R 39/97 und IX R 52/00, BStBl II 2003, 569 und 574) seine Rspr. zu den so genannten anschaffungsnahen Aufwendungen geändert. Die Urteile gehen von dem Grundsatz aus, dass Aufwendungen für Baumaßnahmen allein wegen ihrer Höhe und ihrer Nähe zur Anschaffung steuerrechtlich nicht anders zu bewerten sind als spätere Aufwendungen. Ihre Nähe zur Anschaffung wirft die Frage auf, ob es sich um Anschaffungskosten gem. § 255 Abs. 1 HGB handeln könnte. Soweit die anschaffungsnahen Aufwendungen nicht der Herstellung oder Erweiterung eines Gebäudes dienen, stellen diese nur dann Herstellungskosten dar, wenn sie zu einer wesentlichen Verbesserung gem. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führen. Zur Anwendung der Urteile s.a. OFD Nürnberg und München vom 9.8.2002, DStR 2002, 1813.

Sachverhalt (BFH Urteil vom 12.9.2001, IX R 39/97, BStBl II 2003, 569):

Der Stpfl. erwarb im März 08 ein bebautes Grundstück. Auf das vermietete Gebäude mit neun Wohnungen und einem Laden entfielen Anschaffungskosten i.H.v. 123 000 €. Der Stpfl. machte für die folgenden Jahre Werbungskosten (Erhaltungsaufwendungen) in folgender Höhe geltend:

Kj. 08

19 560 €

Kj. 09

4 400 €

Kj. 10

104 150 €

Im Wesentlichen handelt es sich um Aufwendungen für den Einbau von Isolierglasfenstern, den Austausch von Ofenheizungen gegen Etagenheizungen, die Modernisierung der Bäder sowie Aufwendungen für die Erneuerung des Ladens.

Sachverhalt (BFH Urteil vom 12.9.2001, IX R 52/00, BStBl II 2003, 574):

Der Stpfl. erwarb im Oktober 2004 ein leer stehendes Gebäude mit drei Wohnungen zum Preis von 263.933 €. Anschließend renovierte er das Gebäude und versetzte die Wohnungen in einen den heutigen Anforderungen entsprechenden Zustand. Dafür wandte er in den Jahren 04 bis 06 insgesamt 48.121 € auf. Es wurden dabei laufende Reparaturen und Tapezierarbeiten durchgeführt, Fliesen erneuert, Elektromaterial ausgetauscht sowie Rollläden instand gesetzt. Ab dem Kj. 05 erklärte der Stpfl. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung.

Entscheidungsgründe:

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Baumaßnahmen ist § 255 HGB. Zunächst ist zu prüfen, ob Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB vorliegen (BFH Urteil vom 12.9.2001, IX R 52/00, BStBl II 2003, 574).

Die Aufwendungen im Urteil vom 12.9.2001 (IX R 52/00, BStBl II 2003, 574) sind sofort abzugsfähige Werbungskosten. Die Aufwendungen im Urteil vom 12.3.2001 (IX R 39/97, BStBl II 2003, 569) sind keine Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB. Die Aufwendungen sind weder zum Erwerb des Gebäudes geleistet worden, noch stellen sie Nebenkosten oder nachträgliche Anschaffungskosten dar. Sie sind auch nicht aufgewendet worden, um das Gebäude in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Ein Gebäude ist betriebsbereit, wenn es entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann.

1.3. Aufwendungen zur Herstellung der Betriebsbereitschaft stellen Anschaffungskosten dar

Nutzt der Erwerber das Gebäude ab dem Zeitpunkt der Anschaffung (d.h. ab Übergang von Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten) zur Erzielung von Einkünften oder zu eigenen Wohnzwecken, ist es ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich betriebsbereit. Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen können in diesem Fall keine Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB sein. Dies gilt nicht, wenn der Erwerber ein vermietetes Gebäude erworben hat und umgehend die Mietverträge kündigt, weil das Gebäude aus der Sicht des Erwerbers nicht zur Erzielung der vor der Veräußerung erwirtschafteten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bestimmt war, auch wenn diese während einer kurzen Übergangszeit tatsächlich erzielt wurden (Rz. 3 des BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386; BFH Urteil vom 22.1.2003, X R 9/99, BStBl II 2003, 596). Da der Nutzungszweck des Gebäudes durch den Erwerber bestimmt wird und bereits im Zeitpunkt der Anschaffung die Eigennutzung und nicht die weitere Vermietung des Gebäudes geplant war, dienen die von vornherein beabsichtigten und nach Beendigung des Mietverhältnisses durchgeführten Baumaßnahmen dazu, das WG entsprechend den Anforderungen und Bedürfnissen der neuen Eigentümer nutzen zu können. Unschädlich ist nach Auffassung des BFH, dass während einer kurzen, einige Monate umfassenden Übergangszeit tatsächlich Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung erzielt werden.

Gebäudeerwerb

Wohnung 1

Wohnung 2

bei Erwerb vermietet

bei Erwerb vermietet

Aufwendungen für Baumaßnahmen

Da der Stpfl. ein vermietetes Gebäude erworben hat, das er nach dem Erwerb weiterhin durch Vermietung nutzte, sind die Kosten der Baumaßnahmen keine Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB, weil sie das Gebäude nicht in einen betriebsbereiten Zustand versetzt haben (BFH Urteil vom 12.9.2003, IX R 39/97, BStBl II 2003, 569). Kosten für Baumaßnahmen können nur sofort abziehbare Werbungskosten oder Herstellungskosten gem. § 255 Abs. 2 HGB sein.

Im BFH-Urteil vom 12.9.2003 (IX R 52/00, BStBl II 2003, 574) stand das Gebäude beim Übergang des Besitzes leer; damit war zunächst offen, ob es aus der Sicht des Erwerbers betriebsbereit war.

Wird das Gebäude im Zeitpunkt der Anschaffung nicht genutzt, ist zunächst offen, ob es aus Sicht des Erwerbers betriebsbereit ist. Führt der Erwerber im Anschluss an den Erwerb und vor der erstmaligen Nutzung Baumaßnahmen durch, um das Gebäude entsprechend seiner Zweckbestimmung nutzen zu können, sind die Aufwendungen hierfür Anschaffungskosten. Zweckbestimmung bedeutet die konkrete Art und Weise, in der der Erwerber das Gebäude zur Erzielung von Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart nutzen will (z.B. ob er das Gebäude zu Wohnzwecken oder als Büroraum nutzen will; BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 4).

Betriebsbereit in diesem Sinne kann bei einem bebauten Grundstück auch der Teil eines Gebäudes sein, der nach seiner Zweckbestimmung selbstständig genutzt werden soll.

Gebäudeerwerb

Wohnung 1

Wohnung 2

selbst genutzt und betriebsbereit

leer stehend und nicht betriebsbereit

Der Erwerber bestimmt

  • den Zweck des WG, d.h. die konkrete Art und Weise, in der das WG zur Erzielung von Einnahmen im Rahmen einer Einkunftsart genutzt werden soll;

  • ob das Gebäude zu Wohnzwecken oder als Büroraum genutzt werden soll,

  • welchem Standard das Gebäude entsprechen soll (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll).

Befindet sich ein Wohngebäude, vor der erstmaligen Nutzung nach dem Erwerb, wegen eines Schadens nicht in einem vermietbaren Zustand, dann führen die Aufwendungen zur Behebung dieses Schadens zu Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB, weil dadurch das Gebäude erst gem. seiner Zweckbestimmung betriebsbereit wird. Unerheblich ist, ob der Schaden bereits bei Erwerb vorhanden war (BFH Urteil vom 20.8.2002, IX R 70/00, BStBl II 2003, 585 und vom 3.12.2002, IX R 71/00, BFH/NV 5/2003, 600). Kosten für unvermutete Instandsetzungsmaßnahmen zur Beseitigung eines Substanzschadens, der nachweislich erst nach Anschaffung des Gebäudes durch das schuldhafte Handeln eines Dritten verursacht worden ist, sind auch dann nicht den anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zuzuordnen, wenn die Maßnahmen vom Steuerpflichtigen innerhalb von drei Jahren seit Anschaffung zur Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft des Gebäudes durchgeführt werden (BFH Urteil vom 9.5.2017, IX R 6/16, BStBl II 2018, 9). In dem Sachverhalt dieses Urteils kam es zu einem Zivilrechtsstreit und der Mieter beschädigte die Wohnung, nachdem der Vermieter diese erworben hatte.

Zusätzlich zu den oben genannten Fällen führen Kosten für Baumaßnahmen im Anschluss an den Erwerb und vor der erstmaligen Nutzung eines Gebäudes zu Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB (BFH Urteil vom 12.9.2001, IX R 52/00, BStBl II 2003, 574):

  • wenn funktionsuntüchtige Teile des Gebäudes, die für seine Nutzung z.B. als Wohnung unerlässlich sind, wieder hergestellt werden, z.B. bei einer defekten Heizung, bei die Bewohnbarkeit ausschließenden Wasserschäden, bei einer durch Brand verwüsteten Wohnung;

  • wenn Renovierungs- oder Modernisierungsarbeiten gleichzeitig mit dem Kaufvertrag (einheitlicher Vorgang trotz mehrerer Verträge) über eine Eigentumswohnung in einem Altbau in Auftrag gegeben und alsbald durchgeführt werden (»Modernisierungsmodell«).

1.4. Aufwendungen zur Hebung des Gebäudestandards stellen Herstellungskosten dar

1.4.1. Überblick

Zur Zweckbestimmung gehört auch die Entscheidung, welchem Standard das Gebäude künftig entsprechen soll (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll). Baumaßnahmen, die das Gebäude auf einen höheren Standard bringen, machen es betriebsbereit; ihre Kosten sind Anschaffungskosten. Der Standard eines Wohngebäudes bezieht sich auf die Eigenschaften einer Wohnung. Wesentlich sind vor allem Umfang und Qualität der Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen sowie der Fenster (zentrale Ausstattungsmerkmale). Führt ein Bündel von Baumaßnahmen bei mindestens drei Bereichen der zentralen Ausstattungsmerkmale zu einer Erhöhung und Erweiterung des Gebrauchswertes, hebt sich der Standard eines Gebäudes (BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 9 und 10). Zu den Aufwendungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören auch Kosten für eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung des Gebäudes i.S.v. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB, wenn sie im Rahmen einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit dem Erwerb des Gebäudes anfallen (BFH vom 14.6.2016, IX R 25/14, BStBl II 2016, 992).

1.4.2. Definition der Herstellungskosten

Zu prüfen ist, ob die Aufwendungen Herstellungskosten i.S.d. § 255 Abs. 2 HGB sind (BFH Urteil vom 12.9.2001, BStBl II 2003, 569). Danach sind Herstellungskosten Aufwendungen, die

  • durch den Verbrauch von Gütern und

  • die Inanspruchnahme von Diensten

    • für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes,

    • seine Erweiterung oder

    • für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.

Abb.: Wesentliche Verbesserung eines Gebäudes

Kriterien für eine wesentliche Verbesserung und somit für eine Wohnstandard-Änderung sind:

sehr einfach

mittel

sehr anspruchsvoll

Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen sowie die Fenster

Sehr einfacher Wohnungsstandard liegt vor, wenn die zentralen Ausstattungsmerkmale im Zeitpunkt der Anschaffung nur im nötigen Umfang oder in einem technisch überholten Zustand vorhanden sind.

Beispiele:

  • Das Bad besitzt kein Handwaschbecken.

  • Das Bad ist nicht beheizbar.

  • Eine Entlüftung ist im Bad nicht vorhanden.

  • Die Wände im Bad sind nicht überwiegend gefliest.

  • Die Badewanne steht ohne Verblendung frei.

  • Es ist lediglich ein Badeofen vorhanden.

  • Die Fenster haben nur eine Einfachverglasung.

  • Es ist eine technisch überholte Heizungsanlage vorhanden (z.B. Kohleöfen).

  • Die Elektroversorgung ist unzureichend.

(Rz. 11 des BMF vom 18.7.2003).

entsprechen in Umfang und Ausführung durchschnittlichen und selbst höheren Ansprüchen (Rz. 12 des BMF vom 18.7.2003).

Es ist nicht nur das Zweckmäßige, sondern sogar das Mögliche vorhanden und das vor allem unter Verwendung außergewöhnlich hochwertiger Materialien (Luxus; Rz. 13 des BMF vom 18.7.2003).

Baumaßnahmen, die das Gebäude auf einen höheren Standard bringen, machen es betriebsbereit, ihre Kosten führen zu Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 bzw. Herstellungskosten i.S.d. § 255 Abs. 2 HGB. Es sind die Maßstäbe zu Grunde zu legen, die zu dem Zeitpunkt, in dem sich das Gebäude im ursprünglichen Zustand befand, allgemein üblich waren (BFH Urteil vom 3.12.2002, IX R 64/99, BStBl II 2003, 590).

Indizien für die Hebung des Standards liegen vor, wenn

  • ein Gebäude in zeitlicher Nähe zum Erwerb im Ganzen und von Grund auf modernisiert wird,

  • hohe Aufwendungen für die Sanierung der zentralen Ausstattungsmerkmale getätigt werden,

  • auf Grund dieser Baumaßnahmen der Mietzins erheblich erhöht wird.

Ob eine Hebung des Standards vorliegt, ist für die ersten drei Jahre nach Anschaffung des Gebäudes nicht zu prüfen, wenn die Aufwendungen für die Instandsetzung und Modernisierung des Gebäudes insgesamt 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes nicht übersteigen. Dies gilt nicht, wenn sich bei Erwerb des Gebäudes mit mehreren Wohnungen der Standard für einzelne Wohnungen hebt oder die Instandsetzungsmaßnahme der Beginn einer Sanierung in Raten sein kann. Veranlagungen sind vorläufig durchzuführen, solange in diesem Zeitraum die Instandsetzungsarbeiten 15 % der Anschaffungskosten des Gebäudes nicht übersteigen oder wenn eine Sanierung in Raten zu vermuten ist (Rz. 37 und 38 des BMF vom 18.7.2003).

Abb.: Wohnstandard eines Gebäudes

Wenn daher im Zuge der Baumaßnahme diese Einrichtungen nicht nur in zeitgemäßer Form ersetzt, sondern darüber hinaus in ihrer Funktion (Gebrauchswert) deutlich erweitert und ergänzt werden und dadurch der Wohnkomfort des Hauses insgesamt deutlich gesteigert wird, dann wird ein Wohnhaus dadurch wesentlich verbessert. Dies kann der Fall sein, wenn

  • Sanitärinstallationen deutlich erweitert oder ergänzt und ihr Komfort (z.B. durch zweckmäßigere und funktionstüchtigere Ausstattungsdetails) erheblich gesteigert wird,

  • eine technisch überholte Heizungsanlage (z.B. Kohleöfen) durch eine dem Stand der Technik entsprechende Heizungsanlage ersetzt wird,

  • bei der Modernisierung der Elektroinstallation die Leitungskapazität maßgeblich erweitert und die Zahl der Anschlüsse erheblich vermehrt wird und

  • wenn einfach verglaste Fenster durch Isolierglasfenster ersetzt werden.

Wenn Elektroleitungen den bestehenden Sicherheitsvorschriften angepasst werden, dann kann dadurch die Elektroinstallation als Ganzes nur dann wesentlich verbessert werden, wenn sie zuvor in einem Maße mit zwingenden Vorschriften unvereinbar war, dass die Behörde deswegen bereits eingeschritten ist (BFH Urteil vom 20.8.2002, IX R 98/00, BStBl II 2003, 604).

Wird durch Baumaßnahmen zwar der Nutzungswert der Fenster und Bäder deutlich erhöht, bei der vorhandenen Heizungsanlage dagegen lediglich der Heizungskessel samt Brenner ausgetauscht, dann sind die dafür aufgewendeten Kosten insgesamt keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten gem. § 255 HGB (BFH Urteil vom 20.8.2002, IX R 43/00, BFH/NV 1/2003, 34). So bedeutet auch der Austausch von Heizkörpern und Zuleitungen für die Heizungsanlage noch keine Erweiterung des Nutzungswerts der Heizungsanlage als Ganzes (BFH Urteil vom 20.8.2002, IX R 2/01, BFH/NV 4/2003, 452).

Aufwendungen für den Einbau neuer Gegenstände (z.B. Sprechanlage) in vorhandene Installationen (Elektroinstallation mit Klingelanlage) eines Wohnhauses können nur dann zu Herstellungskosten gem. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB führen, wenn sie eine deutliche Erweiterung seines Gebrauchswerts (wesentliche Verbesserung) zur Folge haben. Der Einbau dieser Gegenstände führt nicht bereits unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung (§ 255 Abs. 2 Satz 1 Variante 2 HGB) zu Herstellungskosten. Das Merkmal der Erweiterung tritt insoweit hinter das der wesentlichen Verbesserung zurück. Dies gilt insbesondere auch für die Verbesserung der Elektro- und Sanitärinstallation. Zusätzliche Anschlüsse, besondere Leitungen oder zwei statt bisher eines Waschbeckens, eine zusätzliche Dusche oder funktionstüchtigere Armaturen sind nicht unter dem Gesichtspunkt der Erweiterung, sondern nur unter dem der wesentlichen Verbesserung zu würdigen.

Baumaßnahmen vor der erstmaligen Nutzung eines Gebäudes, deren Schwerpunkt nicht die Reparatur und Ersetzung des Vorhandenen, sondern die funktionserweiternde Ergänzung wesentlicher Bereiche der Wohnungsausstattung zum Gegenstand haben, können den Standard eines Gebäudes erhöhen. Wenn Baumaßnahmen die Wohnungen in einen den heutigen Anforderungen entsprechenden Zustand versetzt haben, bedeutet das weder, dass sie vorher nicht bewohnbar oder vermietbar waren, noch dass sie aufgrund der Baumaßnahmen einem höheren Wohnstandard zuzuordnen wären.

Einzelne dieser Maßnahmen führen noch nicht zu einer wesentlichen Verbesserung (s.a. BFH Urteil vom 20.8.2002, IX R 61/99, BFH/NV 2/2003, 148). Ein Bündel derartiger Baumaßnahmen, bei dem mindestens drei der o.g. wesentlichen Bereiche betroffen sind, kann ein Gebäude gegenüber seinem Zustand bei Erwerb in seinem Standard heben und es damit i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB wesentlich verbessern (s.a. BFH Urteil vom 3.12.2002, IX R 64/99, BStBl II 2003, 590).

Eine Wohnung wird nicht in ihrem Standard erhöht und damit i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB betriebsbereit gemacht, wenn durch Baumaßnahmen nach dem Erwerb der Wohnung von den Kernbereichen der Wohnungsausstattung (Heizung, Sanitär- und Elektroinstallation sowie Fenster) nur einer in seinem Gebrauchswert deutlich erhöht wurde, während im Bereich der anderen lediglich Reparaturen durchgeführt und deren Gebrauchswert nicht wesentlich gesteigert wurde. Weitere Baumaßnahmen in anderen Bereichen der Wohnungsausstattung (z.B. Fußböden, Türen) bleiben in diesem Zusammenhang grundsätzlich außer Betracht (BFH Urteil vom 20.8.2002, IX R 95/00, BFH/NV 3/2003, 301).

Werden Baumaßnahmen an einem Gebäude mit mehreren Wohnungen im Anschluss an den Erwerb und vor der erstmaligen Nutzung durchgeführt und wird dabei der Standard einer Wohnung gehoben (wesentlich verbessert), dann führen bereits die damit zusammenhängenden Aufwendungen zu (Teil-)Anschaffungskosten des Gebäudes gem. § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB. Es ist nicht erforderlich, dass durch die Baumaßnahmen der Standard sämtlicher Wohnungen des Hauses gehoben wird (BFH Urteil vom 3.12.2002, IX R 71/00, BFH/NV 5/2003, 600).

Zu den Aufwendungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG gehören auch Kosten für eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung des Gebäudes i.S.v. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB, wenn sie im Rahmen einer Renovierung und Modernisierung im Zusammenhang mit dem Erwerb des Gebäudes anfallen (BFH vom 14.6.2016, IX R 25/14, BStBl II 2016, 992).

1.4.3. Schenkung oder Erbfall

Ursprünglicher Zustand« i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB ist bei Erwerb eines Wohngebäudes durch Schenkung oder Erbfall der Zustand der Anschaffung oder Herstellung durch den Schenker/Erblasser (BFH Urteil vom 3.12.2002, IX R 64/99, BStBl II 2003, 590).

1.4.4. Sanierung in Raten

Der zeitliche Zusammenhang und die Höhe der Aufwendungen sind für die Behandlung der Baumaßnahmen als Herstellungskosten unerheblich. Eine Ausnahme hiervon ist jedoch die Sanierung »in Raten«.

Veranlagungszeitraum 08

Veranlagungszeitraum 09

Veranlagungszeitraum 10

Die Sanitärinstallationen werden deutlich erweitert.

Eine technisch überholte Heizungsanlage (z.B. Kohleöfen) wird durch eine dem Stand der Technik entsprechende Heizungsanlage ersetzt.

Einfach verglaste Fenster werden durch Isolierglasfenster ersetzt.

Für sich gesehen führt die jeweilige Baumaßnahme noch nicht zu einer wesentlichen Verbesserung. Die Baumaßnahmen können jedoch dann als Herstellungskosten i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zu werten sein, wenn sie Teil einer Gesamtmaßnahme sind, die sich planmäßig in zeitlichem Zusammenhang über mehrere Veranlagungszeiträume erstreckt und die insgesamt zu einer wesentlichen Verbesserung führt (BFH Urteil vom 20.8.2002, IX R 73/99, BFH/NV 3/2003, 299). Von einer Sanierung in Raten ist grundsätzlich auszugehen, wenn die Maßnahmen innerhalb eines Fünfjahreszeitraums durchgeführt worden sind (BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386, Rz. 31).

Abb.: Sanierung »in Raten«

Das rechtskräftige Urteil des FG Köln vom 18.6.2002 (EFG 20/2002, 1291) beschäftigt sich mit der Abgrenzung des Erhaltungsaufwands von Herstellungskosten bei einer Sanierung »in Raten«. Die nach der geänderten Rspr. des BFH (Urteile vom 12.9.2001, BStBl II 2003, 569, 574) für die Beurteilung einer wesentlichen Verbesserung eines Gebäudes i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB entscheidende Aufzählung der Merkmale für die Bestimmung des Gebäudestandards – nämlich der Zustand der Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen sowie der Fenster – ist nicht abschließend. Bei einer Sanierung in Raten können auch Baumaßnahmen im Außenbereich zusammen mit den Maßnahmen im Innenbereich als Herstellungskosten behandelt werden.

1.4.5. Wesentliche Verbesserung bei unterschiedlicher Gebäudenutzung

Bei der Prüfung, ob eine Baumaßnahme nach § 255 Abs. 2 HGB zu Herstellungsaufwand führt, darf nicht auf das gesamte Gebäude, sondern nur auf den entsprechenden Gebäudeteil abgestellt werden, wenn das Gebäude in unterschiedlicher Weise genutzt wird und deshalb mehrere WG umfasst. Ob eine wesentliche Verbesserung i.S.d. § 255 Abs. 2 HGB des WG erreicht wird, richtet sich danach, ob die durch die Baumaßnahme bewirkten Veränderungen vor dem Hintergrund der betrieblichen Zielsetzung zu einer höherwertigeren (verbesserten) Nutzbarkeit des Vermögensgegenstandes führen (BFH Urteil vom 25.9.2007, IX R 28/07, BStBl II 2008, 218).

Der BFH hat mit seinen Urteilen vom 14.6.2016 (IX R 25/14, BStBl II 2016, 992, IX R 15/15, BStBl II 2016, 996 und IX R 22/15, BStBl II 2016, 999) klargestellt, dass bei der Prüfung, ob die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG führen, bei einem aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude nicht auf das gesamte Gebäude, sondern auf den jeweiligen selbstständigen Gebäudeteil abzustellen ist, wenn das Gesamtgebäude in unterschiedlicher Weise genutzt wird. Maßgeblich ist insoweit, ob die einzelnen Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen. Das BMF hat zur Anwendung der neuen BFH-Rechtsprechung zu anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Stellung genommen (BMF vom 20.10.2017, IV C 1 – S 2171–c/09/10004 :006, BStBl I 2017, 1447). Danach sind die o.g. Urteile unter Beachtung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn auf Antrag des Steuerpflichtigen abweichend hiervon die bisher von der Finanzverwaltung vertretene Rechtsauffassung, dass eine gebäudebezogene Prüfung der Aufwendungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG vorzunehmen ist, auf Sachverhalte weiter angewendet wird, bei denen der Kaufvertrag bzw. ein ihm gleichstehender Rechtsakt vor dem 1.1.2017 abgeschlossen wurde.

1.5. Aufwendungen als Werbungskosten

Allein die Höhe der Aufwendungen lässt nicht auf Herstellungskosten i.S.d. § 255 Abs. 2 HGB schließen. Reparaturaufwendungen führen auch dann nicht zu einer Erhöhung des Nutzungswerts und damit zu einer wesentlichen Verbesserung des Wohngebäudes gem. § 255 Abs. 2 HGB, wenn sie alle Kernbereiche einer Wohnungsausstattung wie Heizungs-, Elektro- und Sanitärinstallation sowie Fenster betreffen (BFH Urteil vom 20.8.2002, IX R 10/02, BFH/NV 1/2003, 35).

Baumaßnahmen im Anschluss an den Erwerb eines vermieteten Wohngebäudes, die zu einer deutlichen Nutzungserweiterung bei den Fenstern und den Sanitäranlagen führen, haben noch nicht die wesentliche Verbesserung des Gebäudes gem. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB zur Folge; ihre Kosten sind daher sofort abziehbare Werbungskosten (BFH Urteile vom 20.8.2002, IX R 21/00, BFH/NV 1/2003, 33 und IX R 61/99, BFH/NV 2/2003, 148).

2. Die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG

Die Vfg. der OFD Frankfurt vom 16.9.2004 (S 171a A – 2 – St II 2.04, DB 2004, 2191) nimmt zu den Voraussetzungen für eine Umqualifizierung von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu Herstellungskosten i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG wie folgt Stellung:

  1. Es muss sich um die Anschaffung eines Gebäudes handeln; Herstellungsfälle werden durch § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht erfasst. Der BFH hat mit Urteil vom 3.5.2022 (IX R 7/21, BStBl II 2023, 104; LEXinform 0953378) entgegen der Vorinstanz entschieden, dass die Entnahme eines Wirtschaftsguts (Wohnung) keine Anschaffung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG darstellt.

  2. Die Aufwendungen (ohne USt) müssen innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes 15 % der ursprünglichen Anschaffungskosten übersteigen. Zu den »Aufwendungen« i.S. dieser Vorschrift gehören nicht Herstellungskosten für Erweiterungen i.S.d. § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB und Kosten für jährlich üblicherweise anfallende Erhaltungsarbeiten (z.B. Heizungswartung). Dagegen sind Kosten für die Herstellung der Funktionsbereitschaft und Kosten, die zu einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung führen, also für sich Anschaffungs- oder Herstellungskosten i.S.d. HGB sind, »Aufwendungen« i.S. dieser Vorschrift.

Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gilt nach dem Gesetzeswortlaut nur für solche Aufwendungen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung vom Stpfl. getragen werden. Vor der Anschaffung des Grundstücks vom Stpfl. getätigte Aufwendungen sind nach den allgemeinen handelsrechtlichen Abgrenzungskriterien als Anschaffungs-, Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand steuerlich zu berücksichtigen (BFH Beschluss vom 28.4.2020, IX B 121/19, BFH/NV 2020, 870; LEXinform 5909006).

Eine Abfindung, die der Stpfl. für die vorzeitige Kündigung des Mietvertrags und die Räumung der Wohnung an seinen Mieter zahlt, um das Gebäude umfangreich renovieren zu können, gehört nicht zu den Aufwendungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG (BFH vom 20.9.2022, IX R 29/21, BFH/NV 2023, 299).

Wird ein Gebäude zu unterschiedlichen Zwecken genutzt und sind daher für steuerliche Zwecke mehrere WG anzunehmen (R 4.2 Abs. 4 EStR), wird die Prüfung der 15 %-Grenze trotzdem für das ganze Gebäude vorgenommen (OFD Frankfurt vom 31.1.2006, S 2171aA – 2 – St II 2.04, DStR 2006, 567). Der BFH hat mit seinen Urteilen vom 14.6.2016 (IX R 25/14, BStBl II 2016, 992, IX R 15/15 und IX R 22/15, BStBl II 2016, 999) klargestellt, dass bei der Prüfung, ob die Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen zu anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG führen, bei einem aus mehreren Einheiten bestehenden Gebäude nicht auf das gesamte Gebäude, sondern auf den jeweiligen selbstständigen Gebäudeteil abzustellen ist, wenn das Gesamtgebäude in unterschiedlicher Weise genutzt wird. Maßgeblich ist insoweit, ob die einzelnen Gebäudeteile in verschiedenen Nutzungs- und Funktionszusammenhängen stehen. Das BMF hat zur Anwendung der neuen BFH-Rechtsprechung zu anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Stellung genommen (BMF vom 20.10.2017, IV C 1 – S 2171–c/09/10004 :006, BStBl I 2017, 1447). Danach sind die o.g. Urteile unter Beachtung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn auf Antrag des Steuerpflichtigen abweichend hiervon die bisher von der Finanzverwaltung vertretene Rechtsauffassung, dass eine gebäudebezogene Prüfung der Aufwendungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG vorzunehmen ist, auf Sachverhalte weiter angewendet wird, bei denen der Kaufvertrag bzw. ein ihm gleichstehender Rechtsakt vor dem 1.1.2017 abgeschlossen wurde.

Sind die entstandenen Kosten nicht höher als 15 % der ursprünglichen Anschaffungskosten oder übersteigen diese Kosten erst nach Ablauf von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes die 15 %-Grenze, können trotzdem Anschaffungs- oder Herstellungskosten vorliegen. In diesen Fällen ist ausschließlich § 255 HGB als Maßstab für das Vorliegen von Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten heranzuziehen, da die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht erfüllt sind.

Beispiel:

Am 7.7.2008 (Übergang Nutzen, Lasten und Gefahr) erwirbt Unternehmer A ein bebautes Grundstück. Die Anschaffungskosten betragen 500 000 €, davon entfallen 100 000 € auf den Grund und Boden. Das Grundstück wird seit der 1988 steuerfrei vermietet.

Nach dem Erwerb lässt A folgende Modernisierungsmaßnahmen am Gebäude durchführen:

Rechnung I: 25.10.2008 für Sanitärinstallation

17 000 €

zzgl. 19 % USt

3 230 €

Rechnung II: 21.5.2009 für Dacheindeckung

12 000 €

zzgl. 19 % USt

2 280 €

Rechnung III: 1.11.2009 für Wärmedämmung der Fassade

15 500 €

zzgl. 19 % USt

2 945 €

Rechnung IV: 23.1.2010 für Elektroinstallation

16 000 €

zzgl. 19 % USt

3 040 €

Eine Hebung des Gebäudestandards ist nicht geplant.

Die Ingebrauchnahme der jeweiligen Modernisierungsmaßnahme soll jeweils mit Rechnungsstellung erfolgen.

Ab 7.7.2008 erzielt A Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

Lösung:

Rechtslage nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG.

Herstellungskosten als Folge einer über den ursprünglichen Zustand hinausgehenden wesentlichen Verbesserung können vorliegen, wenn in zeitlicher Nähe zur Anschaffung – in der Regel innerhalb von drei Jahren – im Verhältnis zum Kaufpreis hohe Reparatur- oder Modernisierungsaufwendungen anfallen.

Die Aufwendungen im Kj. 08 betragen 17 000 €. Die 15 %-Grenze der Anschaffungskosten des Gebäudes i.H.v. 400 000 € = 60 000 € ist nicht erreicht. Ob anschaffungsnahe Aufwendungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG vorliegen, kann nicht abschließend geprüft werden. Bei der ESt-Veranlagung für das Kj. 08 sind die Nettoaufwendungen i.H.v. 17 000 € nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen. Da die in Rechnung gestellte USt i.H.v. 3 230 € nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf, gehört dieser Betrag gem. § 9b Abs. 1 EStG zu den Kosten und ist als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Bezüglich dieser Erhaltungsaufwendungen ergeht der Bescheid allerdings mit folgender Begründung vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO: Eine abschließende Prüfung über die Berücksichtigung der Erhaltungsaufwendungen erfolgt nach dem dritten Jahr.

Die Aufwendungen im Kj. 09 (Rechnung II und III) i.H.v. 27 500 € stellen Erhaltungsaufwendungen dar. Da die gesamten Erhaltungsaufwendungen i.H.v. jetzt 44 500 € die Grenze von 60 000 € nicht erreichen, kann § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG noch nicht abschließend geprüft werden. Die weitere Behandlung erfolgt wie im Kj. 08.

Die Aufwendungen vom 23.1.2010 i.H.v. 16 000 € (netto) stellen dem Grunde nach Erhaltungsaufwendungen dar. Die anschaffungsnahen Aufwendungen innerhalb der ersten drei Jahre betragen danach 60 500 € und überschreiten die 15 %-Grenze der Anschaffungskosten des Gebäudes i.H.v. 400 000 € = 60 000 €. Die Aufwendungen i.H.v. 60 500 € sind in den jeweiligen Kj. als Herstellungskosten anzusetzen. Die ESt-Veranlagungen für die Kj. 08 und 09 sind nach § 165 Abs. 2 AO zu ändern; die jeweiligen Vorläufigkeitsvermerke der Einkommensteuerbescheide sind aufzuheben.

Die Umqualifizierung der Erhaltungsaufwendungen zu nachträglichen Anschaffungskosten erhöht die bisherige Bemessungsgrundlage für die AfA (H 7.3 [Nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten] und H 7.4 [AfA nach nachträglichen …] EStH 2020).

Die AfA beginnt am 7.7.2008 (R 7.4 Abs. 1 Satz 1 EStR 2012 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 4 EStG).

Bemessungsgrundlage sind die Anschaffungskosten (R 7.3 Abs. 1 Satz 1 EStR 2012)

400 000 €

2 % von 400 000 € = 8 000 € Jahresbetrag

Die AfA für sechs Monate (ab 1.7.2008) beträgt

./. 4 000 €

Restwert zum 31.12.2008

396 000 €

bisherige AfA-Bemessungsgrundlage

400 000 €

zzgl. anschaffungsnaher Herstellungsaufwand im Kj. 08

17 000 €

+17 000 €

zzgl. nicht abzugsfähige Vorsteuer (§ 9b Abs. 1 EStG)

3 230 €

+3 230 €

neue AfA-Bemessungsgrundlage

420 230 €

neue AfA für 08: 50 % von 2 % von 420 230 € (abzgl. bereits berücksichtigte 4 000 €), nach R 7.4 Abs. 9 Satz 3 EStR 2020 sind die Aufwendungen so zu berücksichtigen, als wären sie zu Beginn des Jahres (hier bei Anschaffung Juli 2008) aufgewendet worden

./. 203 €

neuer Restwert zum 31.12.2008

416 027 €

bisherige AfA-Bemessungsgrundlage

420 230 €

zzgl. anschaffungsnaher Aufwand im Kj. 09

27 500 €

+27 500 €

zzgl. nicht abzugsfähige Vorsteuer

5 225 €

+5 225 €

neue AfA-Bemessungsgrundlage

452 955 €

neues AfA-Volumen

448 752 €

AfA für 09: 2 % von 452 955 €

./. 9 059 €

Restwert zum 31.12.2009

439 693 €

bisherige AfA-Bemessungsgrundlage

452 955 €

zzgl. anschaffungsnaher Aufwand im Kj. 10

16 000 €

+16 000 €

zzgl. nicht abzugsfähige Vorsteuer

3 040 €

+3 040 €

neue AfA-Bemessungsgrundlage

471 995 €

neues AfA-Volumen

458 733 €

AfA für 10: 2 % von 471 995 €

./. 9 440 €

Restwert zum 31.12.2010

449 293 €

3. Einkommensteuerrechtliche Behandlung von anschaffungsnahen Aufwendungen

Die OFD Rheinland-Pfalz hat zu einigen zweifelhaften Fragestellungen bzgl. der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Stellung genommen (OFD Rheinland-Pfalz vom 6.7.2010, S 2211 – 1001 – St 232, DB 2010, 1910 Nr. 35), die durch das Nebeneinander der gesetzlichen Regelung und der Verwaltungsanweisung (BMF vom 18.7.2003, BStBl I 2003, 386) aufgetreten sind:

  • Aufwendungen, die zur Beseitigung der Funktionsuntüchtigkeit und somit zu Anschaffungskosten führen, sind in die Prüfung der 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG mit einzubeziehen. Das gilt auch für Aufwendungen zur Hebung des Standards.

  • Überschreiten Aufwendungen, die nach dem BMF-Schreiben Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind, innerhalb eines Dreijahreszeitraums in ihrer Summe nicht die 15 %-Grenze, bleiben diese weiterhin Anschaffungs- oder Herstellungskosten i.S.d. § 255 HGB.

  • Die 15 %-Grenze des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG bezieht sich auf das Gebäude insgesamt und nicht auf einzelne Gebäudeteile.

  • Es sind sämtliche Baumaßnahmen nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG in den Dreijahreszeitraum einzubeziehen, die innerhalb dieser Frist ausgeführt wurden. Die Baumaßnahmen müssen zum Ende der Frist weder abgeschlossen, abgerechnet noch bezahlt sein. Nach dem Ablauf der Dreijahresfrist getätigte Leistungen dieser Baumaßnahmen sind keine anschaffungsnahen Herstellungsaufwendungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG.

  • Der BFH hat mit seinen Urteilen vom 14.6.2016 (IX R 25/14, BStBl II 2016, 992, IX R 15/15, BStBl II 2016, 996 und IX R 22/15, BStBl II 2016, 999) entschieden, dass zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. § 9 Abs. 5 Satz 2 EStG sämtliche Aufwendungen für bauliche Maßnahmen gehören, die im Rahmen einer Instandsetzung und Modernisierung im Zusammenhang mit der Anschaffung des Gebäudes anfallen. Soweit der BFH bisher bei Schönheitsreparaturen einen engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit den Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen gefordert hatte (vgl. auch BFH Urteil vom 25.8.2009, IX R 20/08, BStBl II 2010, 125), hält er daran nicht mehr fest. Das BMF hat zur Anwendung der neuen BFH-Rechtsprechung zu anschaffungsnahen Herstellungskosten i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG Stellung genommen (BMF vom 20.10.2017, IV C 1 – S 2171 – c/09/10004 :006; BStBl I 2017, 1447). Danach sind die o.g. Urteile unter Beachtung des § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO in allen offenen Fällen anzuwenden. Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn auf Antrag des Steuerpflichtigen abweichend hiervon die bisherige BFH-Rechtsprechung auf Sachverhalte weiter angewendet wird, bei denen der Kaufvertrag bzw. ein ihm gleichstehender Rechtsakt vor dem 1.1.2017 abgeschlossen wurde.

4. Einzelfälle aus der Rechtsprechung

4.1. Aufwendungen vor Anschaffung

Die Regelung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG gilt nach dem Gesetzeswortlaut nur für solche Aufwendungen, die innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung vom Stpfl. getragen werden. Vor der Anschaffung des Grundstücks vom Stpfl. getätigte Aufwendungen sind nach den allgemeinen handelsrechtlichen Abgrenzungskriterien als Anschaffungs-, Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand steuerlich zu berücksichtigen (BFH Beschluss vom 28.4.2020, IX B 121/19, BFH/NV 2020, 870; LEXinform 5909006).

4.2. Renovierung wegen verdeckter Mängel

Unvermutete Aufwendungen für Renovierungsmaßnahmen, die lediglich dazu dienen, Schäden zu beseitigen, welche aufgrund des langjährigen vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache durch den Nutzungsberechtigten entstanden sind, führen unter den weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu anschaffungsnahen Herstellungskosten (BFH vom 13.3.2018, IX R 41/17, BStBl II 2018, 533; LEXinform 0951645). Dies gilt auch, wenn im Rahmen einer solchen Renovierung verdeckte, d.h. dem Steuerpflichtigen im Zuge der Anschaffung verborgen gebliebene, jedoch zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandene Mängel behoben werden. Demgegenüber sind Kosten für Instandsetzungsmaßnahmen, die vom Steuerpflichtigen innerhalb von drei Jahren seit Anschaffung zur Wiederherstellung der Betriebsbereitschaft in Zusammenhang mit einem Schaden durchgeführt werden müssen, der im Zeitpunkt der Anschaffung nicht vorhanden und auch nicht angelegt war, sondern nachweislich erst zu einem späteren Zeitpunkt durch das schuldhafte Handeln eines Dritten am Gebäude verursacht worden ist, nicht den anschaffungsnahen Herstellungskosten zuzuordnen.

4.3. Entnahme als Anschaffung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG

Der BFH hat mit Urteil vom 3.5.2022 (IX R 7/21, BStBl II 2023, 104; LEXinform 0953378) entgegen der Vorinstanz entschieden, dass die Entnahme eines Wirtschaftsguts (Wohnung) keine Anschaffung i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG darstellt.

4.4. Abfindung an Mieter gehört nicht zu Aufwendungen i.S.d. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG

Eine Abfindung, die der Stpfl. für die vorzeitige Kündigung des Mietvertrags und die Räumung der Wohnung an seinen Mieter zahlt, um das Gebäude umfangreich renovieren zu können, gehört nicht zu den Aufwendungen i.S.v. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG (BFH vom 20.9.2022, IX R 29/21, BFH/NV 2023, 299). Der Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG ist auf bauliche Maßnahmen an Einrichtungen des Gebäudes oder am Gebäude selbst beschränkt. Aufwendungen, die durch die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen lediglich mitveranlasst sind, unterfallen nicht § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG.

5. Literaturhinweise

Velte, Herstellungskosten nach dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens – Betonung der Maßgeblichkeit in § 6 Abs. 1 Nr. 1b EStG n.F., StuB Nr. 11 vom 10.6.2016, 407; Rukaber, Musterfall – Anschaffungsnahe Herstellungskosten, NWB 46/2016, 3476; Gehm, Einkommensteuer: Anschaffungsnahe Herstellungskosten, Steuer und Studium 1/2017, 7; Marx, Anschaffungs- und Herstellungskosten, Steuer und Studium 2/2017, 115; Dorn, Abgrenzung von anschaffungsnahen Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand – ein Spannungsfeld, NWB 1-2/2018, 18; Denker/Gummels, Gestaltungsüberlegungen zur Vermeidung von anschaffungsnahen Herstellungskosten, NWB Nr. 51/2020, 3839; Grotherr, Stolperfallen bei den anschaffungsnahen Herstellungskosten eines Vermietungsobjekts, NWB 12/2023, 843.

6. Verwandte Lexikonartikel

Änderung von Steuerbescheiden nach § 175 AO

Herstellungskosten

Nachträgliche Anschaffungskosten

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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