1 Zivilrechtliche Grundlagen
2 Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis
2.1 Sinngemäße Anwendung des BGB
2.2 Voraussetzungen der Aufrechnung
2.2.1 Gleichartigkeit
2.2.2 Gegenseitigkeit
2.2.3 Fälligkeit der Gegenforderung
2.2.4 Erfüllbarkeit der Hauptforderung
2.3 Aufrechnung durch das Finanzamt
2.4 Aufrechnung durch den Steuerpflichtigen
2.5 Erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten
2.6 Folgen der Aufrechnung
3 Aufrechnung im Insolvenzverfahren
4 Verfahrensrechtliche Stellung
5 Anfechtbarkeit der Herstellung einer Aufrechnungslage
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Die Aufrechnung ist in den §§ 387 bis 396 BGB geregelt. Die Aufrechnung stellt ein Rechtsgeschäft dar, durch das gegenseitige und gleichartige Forderungen wechselseitig getilgt werden. Neben der Erfüllung, Hinterlegung und dem Erlass gehört die Aufrechnung zu den Gründen, die eine Forderung erlöschen lassen (§ 389 BGB).
Beispiel 1:
Steuerberater S schuldet Handwerker H 1 000 € aus einer Reparatur. H schuldet S gleichzeitig 800 € Honorar für das Erstellen der Steuererklärung.
Lösung 1:
Rechnet S seine Forderung i.H.v. 800 € wirksam gegen die Forderung des H i.H.v. 1 000 € auf, schuldet S dem H nur noch 200 €.
Die Voraussetzungen der Aufrechnung normiert § 387 BGB. Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald die eigene Forderung gefordert (Fälligkeit) und die andere Forderung bewirkt werden kann.
Die Voraussetzungen einer wirksamen Aufrechnung sind:
Aufrechnungserklärung des Aufrechnenden (§ 388 BGB). Die Aufrechnung ist ein einseitiges Rechtsgeschäft. Es handelt sich bei ihr um eine empfangsbedürftige Willenserklärung (§ 388 Satz 1 BGB), die bedingungs- und befristungsfeindlich ist (§ 388 Satz 2 BGB),
Gegenseitigkeit der Forderungen (jede Partei ist zugleich Schuldner und Gläubiger der anderen Partei),
Gleichartigkeit der Forderungen (Forderungsgegenstände gleicher Gattung),
Erfüllbarkeit der Hauptforderung,
Wirksamkeit und Fälligkeit der Gegenforderung (keine Einrede, § 390 BGB),
kein Aufrechnungsverbot.
Die Aufrechnung wirkt auf den Zeitpunkt zurück, zu dem sich die beiden Forderungen zum ersten Mal aufrechenbar gegenüberstanden (Eintritt der Aufrechnungslage), d.h. von diesem Zeitpunkt an gelten die Forderungen – soweit sie sich decken – als erloschen (§ 389 BGB).
Für die Aufrechnung gelten nach § 226 Abs. 1 AO sinngemäß die Vorschriften des BGB (§§ 387 bis 396), soweit in § 226 Abs. 2 bis 4 AO nichts anderes bestimmt wird. Das Recht der Aufrechnung steht, falls die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind, sowohl dem Stpfl. als auch dem Steuergläubiger zu.
Beide Forderungen müssen gleichartig sein. Für das Steuerrecht bedeutet dies, dass sie auf Geldleistungen gerichtet sein müssen (§ 3 Abs. 1 AO). Ohne Bedeutung ist, dass der Gegenanspruch aus dem → Steuerschuldverhältnis ist oder die gleiche Steuer betrifft. Damit könnte der Stpfl. beispielsweise auch mit Forderungen aus privatrechtlichen Verträgen aufrechnen.
Eine Verrechnung der Haftungsschuld gem. § 74 Abs. 1 Satz 1 AO des an einem Unternehmen wesentlich beteiligten Eigentümers von Gegenständen mit einem diesem zustehenden Steuerguthaben ist unwirksam (BFH vom 28.1.2014, VII R 34/12, BStBl II 2014, 551).
Es müssen sich zwei Forderungen gegenüberstehen: Hauptforderung und Gegenforderung. Der Schuldner der einen Forderung muss Gläubiger der anderen Forderung sein und umgekehrt. Mit dem Anspruch gegen einen Dritten oder mit Ansprüchen eines Dritten kann daher nicht aufgerechnet werden. Damit kann das Finanzamt gegen den Erstattungsanspruch eines Gesellschafters nicht mit einem Anspruch gegen die Gesellschaft aufrechnen. Ebenso wenig kann ein Gesellschafter gegen einen Steueranspruch eine Steuerforderung der Gesellschaft aufrechnen. Im letzteren Fall könnte durch → Abtretung die Gegenseitigkeit der Gesellschaftsforderung an den Gesellschafter hergestellt werden.
Beispiel 2:
Der Stpfl. C hat gegen das FA Mainz einen ESt-Erstattungsanspruch. Gleichzeitig schuldet die C & D-GbR, an der C zu 50 % beteiligt ist, dem FA Mainz die USt.
Lösung 2:
Es fehlt an der Gegenseitigkeit. Schuldner der USt ist die GbR. Erst wenn der Stpfl. für die USt der GbR mit Haftungsbescheid in Anspruch genommen würde, könnte das FA aufrechnen, wenn der Haftungsanspruch als Gegenforderung fällig ist.
Der Steuerschuldner kann mit Forderungen, die gegen ihn bestehen (Steuerschulden), nur mit seinen eigenen Ansprüchen aufrechnen, nicht z.B. mit Ansprüchen der Ehefrau gegen die Finanzbehörde. Der Schuldner kann sich jedoch Ansprüche abtreten lassen (§ 398 BGB), um so die Aufrechnungslage herbeizuführen.
In Fällen der Zusammenveranlagung von Ehegatten zur ESt ist zu beachten, dass der Anspruch auf Auszahlung von überzahlter LSt dem Ehegatten zusteht, der die LSt entrichtet hat. Gegen diesen Anspruch kann daher das FA mit rückständigen Steuerschulden des anderen Ehegatten nicht aufrechnen. Die Zusammenveranlagung begründet zwar eine Gesamtschuldnerschaft (§§ 44, 268 AO), jedoch keine Gesamtgläubigerschaft (→ Erstattungsanspruch).
Beispiel 3:
Der Ehemann hat Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit i.H.v. 40 000 €; für ihn sind 5 000 € LSt einbehalten worden. Die Ehefrau hat Verluste aus Gewerbebetrieb i.H.v. 40 000 €. Das FA setzt die ESt auf 0 € fest und rechnet gegen den LSt-Erstattungsanspruch i.H.v. 5 000 € mit rückständigen USt-Schulden der Ehefrau auf.
Lösung 3:
Die Aufrechnungserklärung ist unwirksam. Schuldnerin der USt ist die Ehefrau; sie ist jedoch nicht Gläubigerin des LSt-Erstattungsanspruchs. Dieser steht allein dem Ehemann zu. Erstattungsbeträge aufgrund einbehaltener Lohnsteuerbeträge sind nach dem Verhältnis der von den Ehegatten gezahlten LSt aufzuteilen. Es fehlt an der Gegenseitigkeit.
Die Gegenseitigkeit von Forderungen aus dem → Steuerschuldverhältnis ist gewahrt, wenn die Abgabe derselben Körperschaft zusteht (§ 226 Abs. 1 AO) oder von derselben Körperschaft verwaltet wird (§ 226 Abs. 4 AO). Daher können gegenüber der Finanzbehörde und von der Finanzbehörde alle ihrer Verwaltung unterstehenden Forderungen aufgerechnet werden. Das FA kann beispielsweise von einem Stpfl. geforderte Erbschaftssteuer (dem Land allein zustehende Abgabe) gegen an diesen Stpfl. zu erstattenden Solidaritätszuschlag (dem Bund allein zustehende Abgabe) aufrechnen (AEAO zu § 226).
Die Gegenforderung – Forderung, mit der aufgerechnet wird – ist die Forderung des Aufrechnenden (s.o.). Diese Forderung muss fällig sein (§ 387 BGB). Erfolgt die Aufrechnung vor Eintritt der Fälligkeit der eigenen Forderung, ist diese unwirksam. Die Unwirksamkeit wird nicht durch Eintritt der Fälligkeit geheilt.
Die Hauptforderung ist die Forderung des Aufrechnungsgegners. Die Hauptforderung ist erfüllbar, wenn sie entstanden ist. Ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ist erfüllbar, sobald der Anspruch gem. § 38 AO entstanden ist. Auf die Festsetzung des Anspruchs durch einen Steuerbescheid kommt es für die Erfüllbarkeit nicht an (BFH Urteil vom 6.2.1990, VII R 86/88, BStBl II 1990, 523). Dagegen ist eine materiell-rechtlich nicht entstandene Steuerforderung, die wirksam festgesetzt ist, so lange erfüllbar, wie die Festsetzung nicht aufgehoben ist.
Im Insolvenzverfahren sind Steuerforderungen unabhängig von einer Festsetzung durch Steuerbescheid existent, sobald der gesetzliche Besteuerungstatbestand verwirklicht ist. Im Insolvenzverfahren können Steuerforderungen nicht durch Steuerbescheid festgesetzt werden.
Bei einer Aufrechnungserklärung seitens des FA schuldet das FA eine Erstattung an den Stpfl. und dieser eine Zahlung an das FA. Die Gegenforderung – Forderung des aufrechnenden FA – muss fällig sein. Zur Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis s. → Steuerschuldverhältnis. Die Hauptforderung – Forderung des Stpfl. – muss erfüllbar (entstanden) sein. Bei Erstattungsansprüchen gegenüber zusammenveranlagten Ehegatten kann es trotz der Vorschrift des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG, wonach die Auszahlung an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten wirkt, insbesondere in den Fällen der Aufrechnung erforderlich werden, Feststellungen zur Erstattungsberechtigung der beiden Ehegatten zu treffen und ggf. die Höhe des auf jeden entfallenden Erstattungsbetrags zu ermitteln. Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden, sind zwar gem. § 44 Abs. 1 AO Gesamtschuldner, aber nicht Gesamtgläubiger eines Erstattungsanspruchs nach § 37 Abs. 2 AO (BFH Urteil vom 19.10.1982, VII R 55/80, BStBl II 1983, 162). Zur ausführlichen Darstellung vgl. → Erstattungsanspruch.
Eine bestimmte Form ist für die Aufrechnungserklärung nicht vorgeschrieben. Folglich kann die Aufrechnung schriftlich, mündlich oder durch schlüssiges Handeln erfolgen. Allerdings ist die empfangsbedürftige Aufrechnungserklärung erst mit dem Zugang beim Aufrechnungsgegner wirksam. Damit ist eine nur amtsinterne Umbuchung nicht wirksam.
Ein Stpfl. kann gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen (§ 226 Abs. 3 AO).
Beruft sich der Kläger auf das Erlöschen von Steuerforderungen aufgrund der Durchführung eines englischen Insolvenzverfahrens, hat er gem. § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO nachzuweisen, dass er die von einer Aufrechnung betroffenen Forderungen und Gegenforderungen dort angegeben hat und somit die tatsächlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, dass diese von den Rechtswirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens erfasst werden (BFH Urteil vom 8.3.2017, VII R 13/15, BFH/NV 2017, 1011).
Die Aufrechnung bewirkt, dass die gegenseitigen Ansprüche in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, in dem sie sich erstmals aufrechenbar gegenüberstanden (§ 389 BGB). Die Rückwirkung der Aufrechnung geht aber nicht über den Zeitpunkt der Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden hinaus.
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen gem. § 47 AO durch Aufrechnung. Die Aufrechnung wirkt wie eine Erfüllung. Der Gläubiger kann sich im Gegensatz zur Erfüllung durch Zahlung im Fall der Aufrechnung die Erfüllung durch eigene Handlung (= Aufrechnungserklärung) verschaffen. Erst mit Zugang der empfangsbedürftigen Aufrechnungserklärung beim Aufrechnungsgegner wird die Aufrechnung wirksam. Diese wirkt dann aber auf den Zeitpunkt der Aufrechnungslage zurück.
Die Säumniszuschläge, die bis zur Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden entstanden sind, bleiben gem. § 240 Abs. 1 Satz 5 AO unberührt.
Beispiel 4:
Die ESt-Abschlusszahlung des Gewerbetreibenden Karl Lauer (K.L.) i.H.v. 2 000 € ist am 18.8.24 fällig. Aufgrund der am 10.9.24 eingereichten USt-Voranmeldung für August 24 steht K.L. ein USt-Erstattungsanspruch i.H.v. 3 000 € zu. Die Zustimmung des FA gem. § 168 Satz 2 AO erfolgte am 15.9.24. Da K.L. die ESt i.H.v. 2 000 € bisher nicht entrichtet hat, verrechnete das FA am 15.9.24 die USt-Erstattung mit der ESt-Nachzahlung und überwies lediglich den Differenzbetrag von 1 000 €.
Lösung 4:
Gegenseitigkeit der Forderungen:
Dieses Merkmal ist erfüllt, da die gegenüberliegenden Forderungen (ESt und USt) zwischen denselben Personen (K.L. und FA). bestehen.
Erfüllbarkeit der Hauptforderung:
Die Hauptforderung ist die Forderung des Aufrechnungsgegners, hier der Umsatzsteuererstattungsbetrag des Stpfl. K.L. Die Hauptforderung ist erfüllbar, wenn sie entstanden ist. Die USt entsteht gem. § 38 AO i.V.m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind, also mit Ablauf des 31.8.24.
Fälligkeit der Gegenforderung:
Die Gegenforderung ist die Forderung des Aufrechnenden, hier die ESt-Forderung des FA. Die ESt wird einen Monat nach Bekanntgabe des ESt-Bescheids fällig (§ 36 Abs. 4 EStG), hier am 18.8.24.
Die Aufrechnung bewirkt, dass die gegenseitigen Ansprüche in dem Zeitpunkt als erloschen gelten, in dem sie sich erstmals aufrechenbar gegenüberstanden (§ 389 BGB). Auf den Zeitpunkt der Abgabe der Aufrechnungserklärung kommt es nicht an. Die Aufrechnungsvoraussetzungen wären im o.g. Beispiel mit Ablauf des 31.8.24 erfüllt.
Der Anwendungserlass zur AO bestimmt aber, dass die Rückwirkung der Aufrechnung nach § 389 BGB nicht über den Zeitpunkt der Fälligkeit der Schuld des Aufrechnenden hinausgeht (AEAO zu § 226 Nr. 2). Die Fälligkeit ist abhängig von der Zustimmung des FA (§ 168 Satz 2 AO), hier am 15.9.24. Rechnet das FA mit einer Steuerforderung gegen eine später als die Steuerforderung fällig gewordene Erstattungsforderung auf, so bleiben Säumniszuschläge hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Steuerforderung für die Zeit vor der Fälligkeit der Erstattungsforderung bestehen. Zur Vermeidung von unbilligen Härten ist deshalb in der AEAO zu § 226 Nr. 2 für die Erhebung von Säumniszuschlägen aus Billigkeitsgründen bestimmt, dass bei der Umbuchung von Ansprüchen auf Steuererstattungen oder Steuervergütungen, die sich aus Steueranmeldungen ergeben, als Fälligkeitstag der Tag des Eingangs der Steueranmeldung gilt, frühestens jedoch der erste Tag des auf den Anmeldungszeitraum folgenden Monats. Diese Regelung führt im o.g. Beispiel zu folgendem Ergebnis:
Die am 18.8.24 fällige ESt-Abschlusszahlung gilt mit Eingang der USt-Voranmeldung am 10.9.24 und damit erst nach Ablauf der Schonfrist als getilgt. Säumniszuschläge sind deshalb vom 19.8.24 bis 10.9.24 zu erheben, und zwar 1 % von 2 000 € = 20 €.
Der Stpfl. kann ebenfalls die Aufrechnung erklären. Die Hauptforderung, hier die ESt, ist mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entstanden (§ 36 Abs. 1 EStG). Die Gegenforderung, hier die USt, ist mit Zustimmung am 15.9.24 fällig. Der Stpfl. kann frühestens am 15.9.24 aufrechnen. Aus Billigkeitsgründen gilt aber auch hier als Fälligkeitstag der Tag des Eingangs der Steueranmeldung.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an das FA entrichtete Beträge, die nicht aus freigegebenen Vermögen stammen, können gem. § 36 Abs. 2 Nr. 1 EStG nur auf Steuerschulden angerechnet werden, die zu den Masseverbindlichkeiten gehören (vgl. BFH Urteil vom 24.2.2015, VII R 27/14, BStBl II 2015, 993). In Höhe eines nach Anrechnung der Zahlungen auf nachinsolvenzlich begründete Steuerschulden verbliebenen Überschusses entsteht ein Erstattungsanspruch zugunsten der Masse gem. § 36 Abs. 4 Satz 2 EStG. Einer Aufrechnung gegen diesen Erstattungsanspruch mit Insolvenzforderungen des FA steht das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen. Das Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO besteht nach Einstellung des Insolvenzverfahrens nicht mehr. Das FA kann gegen eine abgetretene Forderung der Insolvenzmasse unter den Voraussetzungen des § 406 BGB auch gegenüber dem neuen Gläubiger die Aufrechnung erklären (BFH Urteil vom 13.12.2016, VII R 1/15, BStBl II 2017, 541).
Für die Anwendung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist bei einer Steuerberichtigung nach § 14c Abs. 2 UStG entscheidend, wann die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist; dies ist bei vorheriger Durchführung des Vorsteuerabzugs durch den Rechnungsempfänger der Fall, wenn die geltend gemachte Vorsteuer zurückgezahlt worden ist (BFH Beschluss vom 26.8.2021, V R 38/20, BFH/NV 2022, 146).
Mangels hoheitlicher Maßnahme stellt die Aufrechnung keinen → Verwaltungsakt dar. Zwar tritt insoweit die Finanzbehörde gegenüber einem Bürger auf, begründet ihren Anspruch jedoch aus einer zivilrechtlichen Grundlage, wie beispielsweise Werkverträgen oder Kaufverträgen, und stellt damit die rechtsgeschäftliche Ausübung eines Gestaltungsrechts dar.
Will der Erklärungsempfänger dagegen vorgehen, ist ein Antrag auf Erteilung eines Abrechnungsbescheides gem. § 218 Abs. 2 AO (→ Abrechnungsbescheid) erforderlich, gegen den dann die Möglichkeit der Einspruchseinlegung besteht.
Für den Erlass eines Abrechnungsbescheids ist die Finanzbehörde zuständig, die den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis, um dessen Verwirklichung gestritten wird, festgesetzt hat (AEAO zu § 226 Nr. 4). Nachträgliche Änderungen der die örtliche Zuständigkeit für die Besteuerung begründenden Umstände – wie z.B. ein Wohnsitzwechsel des Stpfl. – führen nicht zu einem Wechsel jener Zuständigkeit (BFH Urteil vom 12.7.2011, VII R 69/10, BFHE 234, 114, BFH/NV 2011, 1936) (→ Örtliche Zuständigkeit).
Das Gericht des zulässigen Rechtswegs entscheidet gem. § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG den Rechtsstreit grundsätzlich unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten und damit auch über eine zur Aufrechnung gestellte rechtswegfremde Gegenforderung, es sei denn, diese Entscheidung erwächst nach § 322 Abs. 2 ZPO in Rechtskraft (BFH Urteil vom 1.8.2017, VII R 12/16, BStBl II 2018, 737).
Die Herstellung einer Aufrechnungslage durch Rechtshandlungen ist ihrerseits eine Rechtshandlung und selbstständig anfechtbar (BFH vom 18.2.2020, VII R 39/18, BStBl II 2023, 224). Der für die Anfechtbarkeit wesentliche Zeitpunkt der Vornahme der Rechtshandlung ist (sinngemäß) nach § 140 InsO zu bestimmen. Dabei ist entscheidend, zu welchem Zeitpunkt das Gegenseitigkeitsverhältnis begründet worden ist.
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