Stille Gesellschaft

Stand: 28. März 2024

Das Wichtigste in Kürze

  • Bei einer Stillen Gesellschaft handelt es sich um eine Person, die sich mit einer Kapitaleinlage an einem Gewerbe beteiligt.
  • Die Summe der Kapitaleinlage fließt in das Grundvermögen des Unternehmens ein.
  • Diese Person nimmt an den Gewinnen und Verlusten der Gesellschaft teil und ist Darlehensgeber.
  • In Bezug auf das unternehmerische Risiko steht der Stille Gesellschafter außen vor.

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeines
2 Die stille Gesellschaft als Innengesellschaft
3 Stille Gesellschaft mit einem Minderjährigen
4 Steuerliche Behandlung der stillen Gesellschaft und Abgrenzung zum partiarischen Darlehen
4.1 Abgrenzung zwischen stiller Gesellschaft und partiarischem Darlehen
4.2 Ertragsteuerrechtliche Behandlung
4.2.1 Einkünfte des stillen Gesellschafters
4.2.2 Verlustabzugsbeschränkung nach § 15 Abs. 4 Satz 6 bis 8 EStG
4.2.3 Negative ausländische Einkünfte
4.2.4 Behandlung der ausgezahlten Gewinnanteile als Betriebsausgaben
4.2.5 Die stille Beteiligung als steuerfreie Vermögensanlage
4.2.6 Die stille Beteiligung als verdeckte Gewinnausschüttung
5 Die Behandlung bei der Gewerbesteuer
6 Ansatz der stillen Beteiligung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer
7 Die atypische stille Gesellschaft
7.1 Allgemeines
7.2 Mitunternehmerschaft einer Innengesellschaft
7.3 Einkünfte des atypischen stillen Gesellschafters
8 Behandlung bei der Umsatzsteuer
9 Literaturhinweise
10 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeines

Die Vfg. der OFD Erfurt vom 23.10.2003 (S 2241 A – 08 – L 221, FR 2003, 1299) enthält Grundsätze zur steuerlichen Behandlung der typischen wie der atypischen stillen Gesellschaft (→ Atypische stille Gesellschaft). Zur einkommensteuerlichen Behandlung der atypischen stillen Gesellschaft s.a. OFD Frankfurt vom 3.11.2008 (S 2241 A-37-St 213, FMNRab7310008).

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Das HGB enthält keine Definition der stillen Gesellschaft. Aus den §§ 230 ff. HGB kann lediglich auf die Begriffsmerkmale geschlossen werden. Danach besteht die stille Beteiligung an dem Handelsgewerbe, das ein anderer betreibt, in einer Vermögenseinlage, die in das Vermögen des Inhabers des Handelsgeschäfts übergeht. Die Beteiligung muss an einem handelsrechtlichen, also kaufmännischen Unternehmen erfolgen.

Die Beteiligung an einem nicht kaufmännischen Unternehmen, z.B. die Beteiligung an einer freiberuflichen Tätigkeit, begründet keine stille Gesellschaft, sondern eine BGB-Innengesellschaft, auf die allerdings die Vorschriften des § 230 ff. HGB entsprechend anwendbar sind (BFH Urteil vom 10.7.2001, VIII R 45/98, BStBl II 2002, 339).

Ein zwischen dem Angehörigen eines freien Berufs und seinem minderjährigen Kind zivilrechtlich wirksam geschlossenes, als stille Gesellschaft bezeichnetes Gesellschaftsverhältnis führt, da es an einem Handelsgewerbe i.S.d. § 230 HGB fehlt, zur Entstehung einer Innengesellschaft bürgerlichen Rechts, die einer stillen Gesellschaft einkommensteuerlich gleichsteht (s. BFH vom 23.11.2021, VIII R 17/19, BFH/NV 2022, 521).

Es können nur Vermögensgegenstände eingelegt werden, die das bilanzierte Betriebsvermögen vermehren. Die Hingabe eines Darlehens oder die Übernahme einer Bürgschaft für die Verbindlichkeiten des Unternehmens führen nicht zu einer Mehrung des Betriebsvermögens und sind deshalb nicht als Einlage i.S.d. § 230 HGB geeignet; sie sind jedoch unzweifelhaft mögliche Beiträge zur Förderung des Gesellschaftszwecks z.B. i.S.d. § 705 BGB (BFH Urteil vom 16.12.2003, VIII R 6/93, BFH/NV 2004, 1080).

Stiller Gesellschafter kann jede natürliche oder juristische Person sein. Sie muss kein Kaufmann i.S.d. HGB sein.

2. Die stille Gesellschaft als Innengesellschaft

Der stille Gesellschafter ist lediglich Kapitalgeber und am Gewinn und Verlust nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages beteiligt. Am Betriebsvermögen ist er nicht beteiligt; er trägt somit kein Unternehmerrisiko und ist folglich kein Mitunternehmer (H 15.8 (1) [Stiller Gesellschafter] EStH). Ein Kommanditist, der weder am laufenden Gewinn noch am Gesamtgewinn der KG beteiligt ist, ist auch dann nicht Mitunternehmer, wenn seine gesellschaftsrechtlichen Mitwirkungsrechte denjenigen eines Kommanditisten entsprechen. Er ist nach Einkommensteuerrecht wie ein Darlehensgeber oder stiller Gesellschafter zu behandeln (BFH Urteil vom 28.10.1999, VIII 6 66 – 70/97, BStBl II 2000, 183). Da der stille Gesellschafter nach außen nicht in Erscheinung tritt, handelt es sich um eine reine Innengesellschaft. Stille Beteiligungen können an dem Handelsgewerbe eines Einzelkaufmanns, einer Personenhandelsgesellschaft oder Kapitalgesellschaft bestehen. Die stille Gesellschaft bildet kein Gesellschaftsvermögen. Als Innengesellschaft ist die stille Gesellschaft rechtsunfähig.

Die stille Gesellschaft ist keine Handelsgesellschaft, hat keine Firma und ist auch nicht Kaufmann. Zur Definition der stillen Gesellschaft s.a. das BFH-Urteil vom 8.4.2008 (VIII R 3/05, BStBl II 2008, 852).

3. Stille Gesellschaft mit einem Minderjährigen

Zur ertragsteuerrechtlichen Anerkennung einer typischen stillen Gesellschaft mit einem minderjährigen Kind siehe BFH-Urteil vom 14.5.2003 (X R 14/99, BFH/NV 2003, 1547).

Eine Innengesellschaft bürgerlichen Rechts zwischen nahen Angehörigen kann steuerlich auch dann anerkannt werden, wenn die Beteiligung oder die zum Erwerb der Beteiligung aufzuwendenden Mittel dem in die Gesellschaft aufgenommenen Angehörigen unentgeltlich zugewendet worden sind. Voraussetzung ist jedoch, dass die Vereinbarungen einem Fremdvergleich standhalten, d.h., sie müssen zivilrechtlich wirksam sein, inhaltlich dem unter fremden Dritten Üblichen entsprechen und auch wie unter fremden Dritten vollzogen werden (s. BFH vom 23.11.2021, VIII R 17/19, BFH/NV 2022, 521).

Der Gesellschaftsvertrag über die Errichtung einer atypisch stillen Gesellschaft mit einem minderjährigen Familienangehörigen bedarf der Mitwirkung eines Ergänzungspflegers, wenn der Gesellschaftsvertrag zu Lasten des Minderjährigen ein Wettbewerbsverbot und eine Vertragsstrafe enthält. Zur atypischen stillen Gesellschaft s. BFH Urteil vom 12.5.2016 (IV R 27/13, BFH/NV 2016, 1559).

4. Steuerliche Behandlung der stillen Gesellschaft und Abgrenzung zum partiarischen Darlehen

4.1. Abgrenzung zwischen stiller Gesellschaft und partiarischem Darlehen

Wie das FG Sachsen mit rechtskräftigem Urteil vom 7.12.2009 (5 K 669/06, die Nichtzulassungsbeschwerde wurde als unbegründet zurückgewiesen, BFH Beschluss vom 30.11.2009, I B 171/09, BFH/NV 2010, 908) entschieden hat, ist die Frage, ob sich eine Kapitalüberlassung im Einzelfall als Hingabe eines partiarischen Darlehens oder als Begründung einer stillen Gesellschaft darstellt, anhand eines Vergleichs zwischen den konkret getroffenen Vereinbarungen und dem in §§ 230 ff. HGB beschriebenen Regelstatut der stillen Gesellschaft zu beantworten. Die Bezeichnung des Vertragsverhältnisses durch die Vertragsparteien ist für dessen steuerrechtliche Beurteilung nicht maßgebend, wenn sie im Widerspruch zu dem dahinterstehenden Rechtsfolgewillen steht. Für das Vorliegen einer stillen Beteiligung spricht es, wenn der Kapitalgeber zumindest in bestimmten Situationen (Insolvenz, Vergleichsverfahren) am Verlust des Beteiligungsunternehmens teilnehmen soll, seine Kontrollrechte über die dem stillen Gesellschafter nach § 233 HGB zustehenden hinausgehen und der Zusammenschluss einem gemeinsamen Zweck dient. Bei einem partiarischen Darlehen handelt es sich inhaltlich um einen Darlehensvertrag i.S.d. bürgerlichen Rechts, der die Besonderheit aufweist, dass anstelle oder neben einer (Mindest-)Verzinsung eine Beteiligung am Gewinn vereinbart ist.

Einem partiarischen Darlehen sind, in Abgrenzung von einer stillen Beteiligung, eine Verlustbeteiligung des Darlehensgebers und eine gemeinsame Zweckverfolgung fremd (vgl. BFH vom 28.11.2019, IV R 54/16, BFH/NV 2020, 420; LEXinform 0951185).

4.2. Ertragsteuerrechtliche Behandlung

Die stille Gesellschaft und das partiarische Darlehen werden einkommensteuerrechtlich gleich behandelt.

4.2.1. Einkünfte des stillen Gesellschafters

Die typisch stille Gesellschaft stellt im Ergebnis eine bloße Kapitalüberlassung dar. Der stille Gesellschafter hat → Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG (s.a. H 20.1 [Stiller Gesellschafter] EStH). Für den Zufluss der Gewinnanteile eines typisch stillen Gesellschafters gilt das Zuflussprinzip des § 11 EStG. Nach § 43 Abs. 1 Nr. 3 EStG wird die ESt durch die → Kapitalertragsteuer erhoben. Die Kapitalertragsteuer beträgt nach § 43a Abs. 1 Nr. 2 EStG 25 % des Kapitalertrags. Nach § 43 Abs. 5 EStG ist die ESt mit der KapESt grundsätzlich abgegolten.

4.2.2. Verlustabzugsbeschränkung nach § 15 Abs. 4 Satz 6 bis 8 EStG

Zur Verlustabzugsbeschränkung des § 15 Abs. 4 Satz 6 bis 8 EStG hat das BMF (koordinierter Ländererlass) ein Anwendungsschreiben erlassen (BMF vom 19.11.2008, BStBl I 2008, 970).

Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 19.11.2008 (BStBl I 2008, 970) sind auf typisch stille Gesellschaften i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 8 EStG entsprechend anzuwenden. Allerdings liegen bei dem Inhaber des Handelsgeschäfts und dem typisch stillen Gesellschafter keine gemeinschaftlich erzielten Einkünfte vor, die folglich auch nicht gesondert und einheitlich festgestellt werden. Die gesonderte Feststellung des nach § 15 Abs. 4 Satz 6 bis 8 EStG verrechenbaren Verlustes erfolgt auch in diesen Fällen ausschließlich auf Ebene des Gesellschafters. Zu weiteren Erläuterungen s. → Atypische stille Gesellschaft.

4.2.3. Negative ausländische Einkünfte

Negative ausländische Einkünfte aus der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, wenn der Schuldner Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung in einem ausländischen Staat hat, dürfen nach § 2a Abs. 1 EStG nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden (→ Verlustabzug nach § 10d EStG).

Der Verlust der Einlage eines stillen Gesellschafters, der steuerrechtlich als Teilwertabschreibung abgebildet wird, unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. Satz 2 EStG. Gewinnminderungen i.S.d. § 2a Abs. 1 Satz 2 EStG sind nur solche Gewinnminderungen, die vorgangsbezogen aus einer Privatentnahme oder Teilwertabschreibung resultieren und nicht zu negativen Einkünften führen, weil sie etwa nur höhere positive Einkünfte mindern (BFH vom 9.6.2021, I R 35/18, BFH/NV 2021, 1550; DStR 2021, 2442; LEXinform 0952250).

4.2.4. Behandlung der ausgezahlten Gewinnanteile als Betriebsausgaben

Der Betriebsinhaber weist die Beteiligung des stillen Gesellschafters grundsätzlich als Fremdkapital aus. Der Gewinnanteil des Stillen wird gewinnmindernd gebucht. Er ist anhand des Jahresabschlusses des Inhabers des Handelsgeschäfts zu ermitteln. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei dem Betriebsinhaber um eine Kapitalgesellschaft handelt, für deren Jahresabschluss die Sondervorschriften gem. §§ 264 ff. HGB zu beachten sind (z.B. GmbH & Still).

Die an den typisch stillen Gesellschafter gezahlten Gewinnanteile sind insoweit nicht als Betriebsausgaben abziehbar, als der Geschäftsinhaber die Vermögenseinlage des stillen Gesellschafters zu privaten Zwecken verwendet hat (BFH Urteil vom 6.3.2003, XI R 24/02, BStBl II 2003, 656).

4.2.5. Die stille Beteiligung als steuerfreie Vermögensanlage

Ein ArbN kann sich nach § 3 Nr. 39 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Buchst. i des 5. VermBG als stiller Gesellschafter i.S.d. § 230 HGB am Unternehmen des ArbG steuerfrei beteiligen.

4.2.6. Die stille Beteiligung als verdeckte Gewinnausschüttung

Die stille Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft kann zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen, wenn der stille Gesellschafter für seine Beteiligung einen unangemessen hohen Gewinnanteil erhält (H 8.5 V [Stille Gesellschaft] KStH 2015; BFH vom 6.2.1980, I R 50/76, BStBl II 1980, 477).

5. Die Behandlung bei der Gewerbesteuer

Im Falle der typisch stillen Gesellschaft unterliegt lediglich der Inhaber der Handelsgesellschaft der Gewerbesteuer. Nach § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG werden die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters zu 25 % wieder hinzugerechnet (→ Gewerbeertrag) (siehe dazu auch Abschn. 8.1 Abs. 3 GewStR 2016). Der Begriff des stillen Gesellschafters i.S.d. § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG geht über den handelsrechtlichen – und den einkommensteuerrechtlichen – Begriff insofern hinaus, als nicht die Beteiligung an einem Handelsgewerbe erforderlich ist, sondern die Beteiligung an einem Gewerbe schlechthin genügt (R 8.1 Abs. 3 GewStR 2016).

Die Gewinnanteile des stillen Gesellschafters sind unabhängig von der gewerbesteuerlichen Behandlung beim Empfänger hinzuzurechnen (Rz. 28 des BMF-Schreibens vom 4.7.2008, BStBl I 2008, 730; → Gewerbeertrag).

Gewerbesteuerrechtlich sind die Zinsen (Vergütungen) für partiarische Darlehen zu 25 % nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG dem Gewinn hinzuzurechnen (R 8.1 Abs. 1 GewStR 2016).

6. Ansatz der stillen Beteiligung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer

Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer wird die stille Einlage des Gesellschafters als Kapitalforderung gem. § 12 Abs. 1 BewG angesetzt. Die Bewertung erfolgt mit dem Nennwert. Eine Begünstigung für Betriebsvermögen gem. §§ 13a, 13b ErbStG kommt nicht in Betracht, weil die Einlage des typisch stillen Gesellschafters kein Betriebsvermögen darstellt. Die Einlage ist als Kapitalvermögen anzusetzen.

7. Die atypische stille Gesellschaft

7.1. Allgemeines

Hat der stille Gesellschafter Anspruch auf Beteiligung am tatsächlichen Zuwachs des Gesellschaftsvermögens unter Einschluss der stillen Reserven und eines Geschäftswertes, so handelt es sich um eine atypische stille Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG; → Atypische stille Gesellschaft).

Zur Abgrenzung zwischen atypisch stiller und typisch stiller Gesellschaft s.a. das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 9.2.2010 (6 K 6178/08, EFG 2010, 1127, LEXinform 5009890; → Atypische stille Gesellschaft) sowie die Vfg. der OFD Erfurt vom 23.10.2003 (S 2241 A – 08 – L 221, FR 2003, 1299). Der nicht nach außen auftretende Gesellschafter einer Innengesellschaft kann Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG sein. Eine stille Gesellschaft ist steuerlich als atypisch stille Gesellschaft und damit als Mitunternehmerschaft i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren, wenn der atypisch stille Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist. Dies setzt voraus, dass er ein Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann.

Beide Merkmale müssen vorliegen; jedoch kann die geringere Ausprägung eines Merkmals im Rahmen der gebotenen Gesamtbeurteilung der Umstände des Einzelfalles durch eine stärkere Ausprägung des anderen Merkmals ausgeglichen werden (BFH Urteil vom 16.12.2003, VIII R 6/93, BFH/NV 2004, 1080). Ein mangels ausdrücklicher Beteiligung an den stillen Reserven eingeschränktes Mitunternehmerrisiko des stillen Gesellschafters kann dadurch kompensiert werden, dass seine Mitunternehmerinitiative durch ein ihm eingeräumtes Widerspruchsrecht, das ihm die Einflussnahme auf sämtliche Geschäfte des Unternehmens ermöglicht, besonders stark ausgeprägt ist. Mitunternehmerinitiative bedeutet dabei Teilhabe an unternehmerischen Entscheidungen zumindest in dem Umfang der Kontroll-, Stimm- und Widerspruchsrechte eines Kommanditisten. Bei einer GmbH & Still kann sich die Entfaltung einer stark ausgeprägten Mitunternehmerinitiative des stillen Gesellschafters auch aus dessen Stellung als Geschäftsführer der GmbH als Inhaberin des Handelsgewerbes ergeben (BFH Urteil vom 13.7.2017, IV R 41/14, BStBl II 2017, 1133; LEXinform 0950132; BFH vom 12.4.2021, VIII R 46/18, BStBl II 2021, 614).

7.2. Mitunternehmerschaft einer Innengesellschaft

Kennzeichnend für das Mitunternehmerrisiko des Gesellschafters einer Innengesellschaft ist, dass das Unternehmen im Innenverhältnis (d.h. mit schuldrechtlicher Wirkung) auf gemeinsame Rechnung und Gefahr des nach außen auftretenden Geschäftsinhabers geführt wird. Der Gesellschafter der Innengesellschaft muss daher nicht nur am laufenden Unternehmenserfolg (Gewinn und Verlust) beteilig sein; die Regelungen des Gesellschaftsvertrages müssen darüber hinaus die Gewähr dafür bieten, dass er grundsätzlich im Fall der Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses entsprechend seinem Gewinnanteil Anspruch auf den Zuwachs an den stillen Reserven des Betriebsvermögens einschließlich des Zuwachses an dem – nach den üblichen Methoden des Geschäftsverkehrs ermittelten – Firmenwert hat. Fehlt im Gesellschaftsvertrag einer stillen Gesellschaft eine ausdrückliche Regelung über die Beteiligung des stillen Gesellschafters an den stillen Reserven, so genügt es für die Annahme einer atypisch stillen Gesellschaft nicht, dass im Vertrag kein ausdrücklicher Ausschluss der Beteiligung des stillen Gesellschafters an den stillen Reserven geregelt ist (FG Berlin-Brandenburg Urteil vom 9.2.2010, 6 K 6178/08, EFG 2010, 1127).

7.3. Einkünfte des atypischen stillen Gesellschafters

Der atypisch stille Gesellschafter bezieht Einkünfte aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG (→ Einkünfte aus Gewerbebetrieb) (H 15.8 (1) [Stiller Gesellschafter] EStH). Im Gegensatz zur typisch stillen Gesellschaft (hier liegen beim stillen Gesellschafter Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG vor) sind atypisch stille Gesellschaften nach den Grundsätzen der → Mitunternehmerschaft zu behandeln. Ausführliche Erläuterungen s. → Atypische stille Gesellschaft.

8. Behandlung bei der Umsatzsteuer

Umsatzsteuerrechtlich sind die Innengesellschaften, die ohne eigenes Vermögen, ohne Betrieb, ohne Rechtsfähigkeit und ohne Firma bestehen, unbeachtlich, weil ihnen mangels Auftretens nach außen hin die Unternehmereigenschaft (→ Unternehmer) fehlt (A 2.1 Abs. 5 UStAE). Zu den Innengesellschaften gehört auch die – typische oder atypische – stille Gesellschaft (A 2.1. Abs. 5 Satz 3 UStAE). Unternehmer sind – beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – nur die an der Innengesellschaft beteiligten Personen oder Personenzusammenschlüsse (BFH Urteil vom 11.11.1965, V 146/63 S, BStBl III 1966, 28). Bei stillen Gesellschaften ist Unternehmer derjenige Beteiligte, der gegenüber einem Leistungsempfänger als Schuldner der Leistung auftritt (s.a. Kurz, Finanz und Steuern Bd. 2, 16. Aufl. 2012, 287).

Beispiel:

Kaufmann K hat mit S eine stille Gesellschaft i.S.d. §§ 230 ff. HGB gebildet. Gegen eine Einlage von 100 000 € ist S mit 20 % am Gewinn und Verlust einschließlich der stillen Reserven beteiligt. K betreibt ein Einzelhandelsgeschäft.

Lösung:

Es handelt sich nicht um eine typische, sondern um eine atypische stille Gesellschaft. Die Umsätze des K in seinem Einzelhandelsgeschäft werden nicht der atypischen oder typischen stillen Gesellschaft zugerechnet, da nicht diese, sondern K gegenüber den Kunden als Schuldner der Warenlieferungen auftritt. K ist also Unternehmer, dessen Unternehmen das Einzelhandelsgeschäft darstellt. Mangels Auftretens nach außen fehlt der Innengesellschaft die Unternehmereigenschaft (A 2.1 Abs. 5 Satz 1 UStR). Zu der Innengesellschaft gehört die typische und auch die atypische stille Gesellschaft (A 2.3 Abs. 5 Satz 3 UStR).

Das bloße Erwerben und Halten von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen stellt keine unternehmerische Tätigkeit dar (A 2.3 Abs. 2 Satz 1 UStAE). Wer sich an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft beteiligt, übt zwar eine »Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen« aus. Gleichwohl ist er im Regelfall nicht Unternehmer i.S.d. UStG, weil Dividenden und andere Gewinnbeteiligungen aus Gesellschaftsverhältnissen nicht als umsatzsteuerrechtliches Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs anzusehen sind (EuGH Urteil vom 21.10.2004, C-8/03, EuGHE I, 10157; A 2.3 Abs. 2 Satz 2 und 3 UStAE). Selbst wenn die Beteiligung ertragsteuerrechtlich im Betriebsvermögen gehalten wird, kann diese Beteiligung grundsätzlich nicht dem Unternehmen zugeordnet werden. Es ist deshalb eine Trennung des unternehmerischen Bereichs vom nichtunternehmerischen Bereich geboten. Dieser Grundsatz gilt für alle Unternehmer gleich welcher Rechtsform (BFH 20.12.1984, V R 25/76, BStBl II 1985, 176; A 2.3 Abs. 2 Satz 5 ff. UStAE). Nur unter den Voraussetzungen des Abschn. 2.3 Abs. 3 Satz 5 UStR stellt das Erwerben, Halten und Veräußern einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung eine unternehmerische Tätigkeit dar.

Zu den Anteilen an Gesellschaften gehören insbesondere die Anteile an Kapitalgesellschaften, z.B. GmbH-Anteile, die Anteile an Personengesellschaften, z.B. OHG-Anteile, und die stille Beteiligung (§ 230 HGB; A 4.8.10 Abs. 1 UStAE).

Eine Gesellschaft erbringt mit der Aufnahme eines Gesellschafters – und auch mit der Bildung einer stillen Gesellschaft – gegen Bar- oder Sacheinlage an den Gesellschafter bzw. stillen Beteiligten keinen steuerbaren Umsatz und damit auch keinen nach § 4 Nr. 8 Buchst. f UStG steuerfreien Umsatz. Das gilt u.a. auch für die Aufnahme von typischen und atypischen stillen Gesellschaftern.

Wie oben bereits ausgeführt, wird der atypische und der typische stille Gesellschafter mit dem Halten der Beteiligung nicht zum Unternehmer (A 2.3 Abs. 2 UStAE).

9. Literaturhinweise

Fahsel, Die mehrgliedrige atypische stille Gesellschaft als Innen-KG: Stille Gesellschaft, quo vadis?, NWB 34/2016, 2576; Rennar, Steuerliche Implikationen bei atypisch stiller Beteiligung an einer Personengesellschaft, NWB 45/2018, 3333; Carlé, Ein Freiberufler kann Angehörige über eine Innen-GbR an seiner Praxis beteiligen, NWB 10/2022, 646; Dorn/Dräger, Die stille Gesellschaft im Steuerrecht, NWB 52/2022, Beilage.

10. Verwandte Lexikonartikel

Atypische stille Gesellschaft

Verluste bei beschränkter Haftung

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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