Umsatzsteuer und E-Commerce (Zweites MwSt-Digitalpaket JStG 2020)

Stand: 28. März 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Allgemeines
2 Rechtsentwicklung
3 Überblick
4 Fernverkauf ohne elektronische Schnittstelle
4.1 Allgemeines
4.2 Definitionen
4.2.1 »Fernverkauf«
4.2.2 Liefernder Unternehmer
4.2.3 Erwerberkreis
4.2.4 Warenweg
4.2.5 Fernverkauf mittels elektronischer Schnittstelle
4.2.5.1 Allgemeines
4.2.5.2 Definition
4.2.5.3 Unterstützung einer Lieferung
4.2.5.4 Lieferfiktion nach § 3 Abs. 3a Satz 1 und 2 UStG
5 Literaturhinweise
6 Verwandte Lexikonartikel

1. Allgemeines

E-Commerce hat mittlerweile ein Niveau erreicht, bei dem nicht nur physische Produkte, sondern vor allem auch digitale Produkte und Dienstleistungen über das Internet vertrieben werden. Er ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor geworden und auch anfällig für umsatzsteuerlichen Missbrauch und Betrug.

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Mit dem → Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020) (BGBl I 2020, 3096) wurden im UStG auch zwingend notwendige Anpassungen an das EU-Recht vorgenommen. Insbes. wurde die zweite Stufe des europäischen MwSt-Digitalpakets zum 1.7.2021 umgesetzt. Dabei wurden die bestehenden Regelungen zum Mini-One-Stop-Shop (MOSS) zum sog. One-Stop-Shop (OSS) erweitert und ein sog. Import-One-Stop-Shop (IOSS) eingeführt. Die Maßnahmen, die EU-weit umzusetzen sind, beinhalten wesentliche Vereinfachungen für Unternehmer, die B2C-Leistungen in mehreren EU-Mitgliedstaaten ausführen, da sie durch die zentrale Anlaufstelle nicht mehr in jedem EU-Mitgliedstaat umsatzsteuerlich erfasst werden müssen. Unternehmer, die ab dem 1.7.2021 an einem der neuen Verfahren teilnehmen wollen, konnten dies ab dem 1.4.2021 anzeigen.

Erste Auslegungs- und Zweifelsfragen – flankiert von zahlreichen Beispielen – hat das BMF bereits mit Schreiben vom 1.4.2021 (BStBl I 2021, 629) klären können. Der UStAE wurde entsprechend angepasst und viele neue Abschn. eingefügt, so z.B.:

  • Abschn. 3.18. »Einbeziehung von Betreibern elektronischer Schnittstellen in fiktive Lieferketten«

  • Abschn. 3c.1 »Ort der Lieferung beim Fernverkauf«

2. Rechtsentwicklung

Die Globalisierung und der technologische Wandel haben zu einer massiven Zunahme des elektronischen Geschäftsverkehrs (E-Commerce) geführt. Innerhalb des europäischen Binnenmarkts ist es jedoch insoweit bis heute nicht gelungen, einheitliche Regelungen für die Erbringung grenzüberschreitender Leistungen herbeizuführen, die allgemein die Besteuerung im Empfängerland gewährleisten (sog. Bestimmungslandprinzip). Im Rahmen des E-Commerce wurden bisher nur sukzessive Maßnahmen ergriffen, die das Bestimmungslandprinzip umsetzen.

Durch das Kroatien-Anpassungsgesetz vom 25.7.2014 (BGBl I 2014, 1266) wurden ab 2015 insbes. § 3a Abs. 5, § 18 Abs. 4e und § 18h UStG eingeführt:

Dem Ziel des gemeinsamen europäischen Mehrwertsteuersystems verpflichtet, erarbeitete die EU insbes. im Rahmen des grenzüberschreitenden elektronischen Geschäftsverkehrs mit Privatkunden (E-Commerce) Regelungen, die im (ersten) MwSt-Digitalpaket geschnürt wurden. Diese erste Stufe des Digitalpakets wurde mit Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338) ab 2019 umgesetzt und § 3a Abs. 5 Satz 3–5, § 18 Abs. 4c Satz 1 sowie Abs. 4d und § 22f und § 25e UStG neu in das UStG aufgenommen.

Die Umsetzung der zweiten Stufe des Digitalpakets erfolgt nunmehr durch das JStG 2020. Insbesondere werden folgende Maßnahmen ergriffen:

  • Das bisherige besondere Besteuerungsverfahren für im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 5 UStG erbringen (Mini-One-Stop-Shop – MOSS/einzige kleine Anlaufstelle) wird auf Lieferungen innerhalb eines Mitgliedstaates über eine elektronische Schnittstelle, innergemeinschaftliche Fernverkäufe und alle am Ort des Verbrauchs ausgeführten Dienstleistungen an Nichtunternehmer mit Sitz oder Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet ausgedehnt (One-Stop-Shop – OSS/einzige Anlaufstelle).

  • Neufassung des § 3c UStG.

  • Für Fernverkäufe von Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert bis 150 € aus dem Drittlandsgebiet wird ein neuer Import-One-Stop-Shop (IOSS) eingeführt. Wird IOSS nicht genutzt, werden Sonderregelungen für die Erklärung und Entrichtung der Einfuhrumsatzsteuer bei der Einfuhr eingeführt, die von den Personen genutzt werden können, die Waren für Rechnung der jeweiligen Empfänger beim Zoll anmelden (z.B. Post- bzw. Expresskurierdienstleister).

Als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie gelten die neuen Regelungen materiellrechtlich nicht bereits zum 1.1.2021, sondern erst zum 1.4.2021 bzw. 1.7.2021.

3. Überblick

Nachfolgend ein Überblick über die wichtigsten Änderungen.

UStG

Regelung

§ 18i (neu)

Abschn. 18i.1 UStAE

Besonderes Besteuerungsverfahren (OSS) für

  • von nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern

  • erbrachte sonstige Leistungen

Die bisher in § 18 Abs. 4c und Abs. 4d UStG enthaltenen Sonderregelungen werden durch § 18i UStG in einer Norm zusammengefasst und modifiziert. Darüber hinaus wird das besondere Besteuerungsverfahren auf alle von nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern ausgeführte Dienstleistungen an Nichtunternehmer mit Sitz oder Wohnsitz im Gemeinschaftsgebiet erweitert.

Es werden insbes. folgende Maßnahmen ergriffen:

  • OOS und Widerruf (§ 18i Abs. 1 UStG)

Die Teilnahme am besonderen Besteuerungsverfahren hat der Unternehmer der zuständigen Finanzbehörde eines EU-Mitgliedstaats (in Deutschland dem BZSt) anzuzeigen. Die Teilnahme ist nur einheitlich für alle Mitgliedstaaten der EU und alle sonstigen Leistungen an Empfänger nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG (Nichtunternehmer) im Gemeinschaftsgebiet möglich.

Der nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer kann die Inanspruchnahme dieser Sonderregelung widerrufen. Der Widerruf ist gegenüber der für dieses Besteuerungsverfahren zuständigen Finanzbehörde, gegenüber der der Unternehmer die Teilnahme an der Sonderregelung angezeigt hat, zu erklären. Ein Widerruf ist nur bis zum Beginn eines neuen Besteuerungszeitraums mit Wirkung ab diesem Zeitraum möglich. Dadurch wird vermieden, dass der Unternehmer für ein Kalendervierteljahr sowohl Voranmeldungen als auch eine Steuererklärung nach § 18i UStG abgeben muss. Außerdem wären die ihm in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge zum Teil im Vorsteuer-Vergütungsverfahren, zum Teil im allgemeinen Besteuerungsverfahren geltend zu machen. Dies wäre für die betroffenen Unternehmer und die Finanzverwaltung ein nicht zu rechtfertigender Aufwand.

  • Ablehnung OOS (§ 18i Abs. 2 UStG)

Zeigt ein Unternehmer die Teilnahme am OSS im Inland an, erfüllt aber die Voraussetzungen nicht, stellt das BZSt dies gegenüber dem Unternehmer fest und lehnt dessen Teilnahme an dem besonderen Besteuerungsverfahren ab.

  • Frist zur Abgabe einer Erklärung (§ 18i Abs. 3 UStG)

Es hat sich gezeigt, dass die Verpflichtung zur Abgabe einer Erklärung innerhalb von 20 Tagen nach Ablauf des Besteuerungszeitraums, eine zu kurze Frist ist. Des Weiteren ist die Vornahme von Berichtigungen für den betreffenden Besteuerungszeitraum sehr aufwändig. Folglich wird die Frist für die Einreichung von 20 Tagen bis zum Ende des Monats, der auf das Ende des Besteuerungszeitraums folgt, verlängert, und Unternehmern wird es gestattet sein, vorangegangene Mehrwertsteuererklärungen in einer späteren Erklärung und nicht in den Erklärungen der Besteuerungszeiträume, auf die sich die Berichtigungen beziehen, zu berichtigen.

  • Ausschluss OSS (§ 18i Abs. 5 UStG)

Weiterhin wird festgelegt, dass der Unternehmer von dem besonderen Besteuerungsverfahren ausgeschlossen wird, wenn er seinen Verpflichtungen wiederholt nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt. Der Ausschluss hat durch die für dieses Besteuerungsverfahren zuständige Finanzbehörde, gegenüber der der Unternehmer die Teilnahme an der Sonderregelung angezeigt hat, zu erfolgen. Der Ausschluss ist auch dann möglich, wenn der Unternehmer seinen Aufzeichnungspflichten und der Verpflichtung, die Aufzeichnungen der zuständigen Finanzbehörde auf elektronischem Weg zur Verfügung zu stellen, nicht nachkommt. Der Ausschluss gilt ab dem Besteuerungszeitraum, der nach dem Zeitpunkt der Bekanntgabe des Ausschlusses gegenüber dem Unternehmer beginnt. Ist der Ausschluss jedoch auf eine Änderung des Ortes des Sitzes oder der Betriebsstätte zurückzuführen, ist der Ausschluss ab dem Tag dieser Änderung wirksam. Der Ausschluss wegen eines wiederholten Verstoßes gegen die oben genannten Verpflichtungen hat auch den Ausschluss von den Verfahren nach den §§ 18j und 18k UStG zur Folge.

Zeitliche Anwendung

Die neuen Regelungen treten am 1.4.2021 in Kraft.

Abschn. 18i.1 UStAE

Einzelheiten dazu sind im neuen Abschn. 18i.1 »Besonderes Besteuerungsverfahren für von nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern erbrachte sonstige Leistungen« UStAE enthalten.

§ 18j (neu)

Abschn. 18j.1 UStAE

Besonderes Besteuerungsverfahren (OSS) für

  • den innergemeinschaftlichen Fernverkauf,

  • Lieferungen innerhalb eines Mitgliedstaates über eine elektronische Schnittstelle und

  • von im Gemeinschaftsgebiet, nicht aber im Mitgliedstaat des Verbrauchs ansässigen Unternehmern erbrachte sonstige Leistungen

Die bisher in § 18 Abs. 4e UStG und § 18h UStG enthaltenen Regelungen werden im neuen § 18j UStG zusammengefasst und modifiziert. Die ergriffenen Maßnahmen entsprechen denen des § 18i UStG.

Abschn. 18j.1 UStAE

Einzelheiten dazu sind im neuen Abschn. 18j.1 »Besonderes Besteuerungsverfahren für den innergemeinschaftlichen Fernverkauf, für Lieferungen innerhalb eines Mitgliedstaates über eine elektronische Schnittstelle und für von im Gemeinschaftsgebiet, nicht aber im Mitgliedstaat des Verbrauchs ansässigen Unternehmern erbrachte sonstige Leistungen« UStAE enthalten.

§ 18k (neu)

Besonderes Besteuerungsverfahren (IOSS) für

  • Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen

  • in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 €

Als Alternative zur Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer durch die Zollverwaltung wird ein besonderes Besteuerungsverfahren für Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € etabliert. Es gilt für:

  • Verkäufe von Gegenständen mit einem Sachwert von höchstens 150 €, die aus einem Drittgebiet oder einem Drittland direkt an einen Erwerber in der Gemeinschaft versandt werden, sowie

  • Fälle, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € unterstützt.

Die Beschränkung der Sonderregelung auf Fernverkäufe von Gegenständen mit einem Sachwert von höchstens 150 € wird damit begründet, dass diese nach Artikel 23 und 24 der Verordnung (EG) Nr. 1186/2009 zollfrei sind und erst ab diesem Wert bei der Einfuhr für Zollzwecke eine vollständige Zollanmeldung verlangt wird. Verbrauchsteuerpflichtige Waren werden vom Anwendungsbereich ausgenommen, da die Verbrauchsteuer Teil der Bemessungsgrundlage für die Einfuhrumsatzsteuer ist (§ 18k Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 11 Abs. 3 Nr. 2 UStG). Verbrauchsteuerpflichtige Waren i.S.d. UStG sind Mineralöle, Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren (§ 1a Abs. 5 Satz 2 UStG).

Die weiteren verfahrensrechtlichen Regelungen entsprechen denen der §§ 18i und 18j UStG.

Zeitliche Anwendung

Die neuen Regelungen treten am 1.4.2021 in Kraft.

Abschn. 18k.1 UStAE

Einzelheiten dazu sind im neuen Abschn. 18k.1 »Besonderes Besteuerungsverfahren für Fernverkäufe von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 €« UStAE enthalten.

§ 3 Abs. 3a (neu) und Abs. 6b (neu)

Lieferfiktion bei Lieferungen mittels elektronischer Schnittstelle

  • Lieferfiktion (§ 3 Abs. 3a Satz 1 UStG)

Lieferungen, bei denen ein Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen in § 3a Abs. 5 Satz 1 bezeichneten Empfänger unterstützt, werden so behandelt, als ob der Gegenstand für sein Unternehmen geliefert worden wäre.

Zur Ansässigkeit i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG nimmt das FinMin Schleswig-Holstein in seiner Umsatzsteuer-Kurzinfo vom 1.7.2022 (VI 3510 – S 7110-099) Stellung: »Aus § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG ergibt sich, dass der Betreiber einer elektronischen Schnittstelle, der mittels dieser Schnittstelle bestimmte Lieferungen eines Gegenstands durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer unterstützt, gesetzlich als Mittelsmann in ein Kommissiongeschäft einbezogen wird. Die Anwendung der Regelung ist also ausgeschlossen, wenn der Unternehmer im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist.«

  • Lieferfiktion (§ 3 Abs. 3a Satz 2 UStG)

Sieht eine entsprechende Regelung für Drittlandsfälle vor, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen (Ausnahmen in § 3 Abs. 3a Satz 6 UStG) in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € unterstützt.

  • Definition der elektronischen Schnittstelle (§ 3 Abs. 3a Satz 3 UStG)

Hier erfolgt die Definition der elektronischen Schnittstelle. Dem Begriff ist ein sehr weites Verständnis zugrunde zu legen, so dass in den Anwendungsbereich nicht nur elektronische Marktplätze, Plattformen oder Portale fallen, sondern auch alle anderen vergleichbaren elektronischen Mittel.

  • Definition des Fernverkaufs (§ 3 Abs. 3a Satz 4 und 5 UStG)

Hier erfolgt die Definition des »Einfuhr«-Fernverkaufs. Ein solcher ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Drittlandsgebiet an einen Erwerber i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 5 UStG in einem Mitgliedstaat befördert oder versandt wird, einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist. Folgende Fälle sind als indirekte Beteiligung des Lieferers am Versand oder der Beförderung der Gegenstände anzusehen:

  • Die Versendung oder Beförderung der Gegenstände wird vom Lieferer als Unterauftrag an einen Dritten vergeben, der die Gegenstände an den Erwerber liefert;

  • Die Versendung oder Beförderung der Gegenstände erfolgt durch einen Dritten, der Lieferer trägt jedoch entweder die gesamte oder die teilweise Verantwortung für die Lieferung der Gegenstände an den Erwerber;

  • der Lieferer stellt dem Erwerber die Transportkosten in Rechnung, zieht diese ein und leitet sie dann an einen Dritten weiter, der die Versendung oder Beförderung der Waren übernimmt;

  • der Lieferer bewirbt in jeglicher Weise gegenüber dem Erwerber die Zustelldienste eines Dritten, stellt den Kontakt zwischen dem Erwerber und einem Dritten her oder übermittelt einem Dritten auf andere Weise die Informationen, die dieser für die Zustellung der Gegenstände an den Erwerber benötigt.

  • Zuordnung der bewegten Lieferung (§ 3 Abs. 6b UStG)

Wird ein Unternehmer gem. § 3 Abs. 3a UStG behandelt, als ob er einen Gegenstand erhalten und geliefert hätte, wird nach § 3 Abs. 6b UStG die Beförderung oder Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben.

Zeitliche Anwendung

Die Neufassung ist erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 bewirkt werden (§ 27 Abs. 34 Satz 1 UStG).

Abschn. 3.18 UStAE

Einzelheiten dazu sind im neuen Abschn. 3.18 »Einbeziehung von Betreibern elektronischer Schnittstellen in fiktive Lieferketten« UStAE enthalten.

§ 3c (neu)

Abschn. 3c.1 UStAE

Ort der Lieferung beim Fernverkauf

  • Ortsverlagerung (§ 3c Abs. 1 UStG)

Die Regelung verlagert den Ort der Lieferung eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs gem. dem Bestimmungslandprinzip an den Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet, sofern nicht der Ausschlusstatbestand des § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG greift. Dann verlagert sich der Ort der Lieferung eines innergemeinschaftlichen Fernverkaufs nicht an den Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet, sondern es verbleibt bei der Regelung des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG.

Ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf ist die Lieferung eines Gegenstands, der durch den Lieferer oder für dessen Rechnung aus dem Gebiet eines Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaates oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete an eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person oder eine Person nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG – unter direkter oder indirekter Beteiligung – befördert oder versandt wird.

Im Hinblick auf die in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannten Personen ist der Erwerberkreis auf diejenigen Personen beschränkt, die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreiten noch auf ihre Anwendung verzichten. Sofern die Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates endet, ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend.

Beispiel:

Ein inländischer Händler verkauft über die eigene Internetseite ein iPhone 13 an eine Privatperson in Belgien. Das iPhone wird aus seinem inländischen Lager an den Wohnsitz der Privatperson in Belgien versendet. Der Händler überschreitet die Umsatzschwelle i.S.d. § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG von 10 000 € nicht und verzichtet auch nicht auf ihre Anwendung.

  • Ortsverlagerung (§ 3c Abs. 2 UStG)

Die Regelung verlagert den Ort der Lieferung auch beim »Einfuhr«-Fernverkauf eines Gegenstands, der aus dem Drittlandsgebiet in einen anderen Mitgliedstaat als den, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands an den Erwerber endet, eingeführt wird, an den Ort, an dem sich der Gegenstand bei Beendigung der Beförderung oder Versendung an den Erwerber befindet.

  • Ortsverlagerung (§ 3c Abs. 3 UStG)

Die Regelung verlagert den Ort der Lieferung beim Fernverkauf eines Gegenstands, der aus dem Drittlandsgebiet in den Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung der Gegenstände an den Erwerber endet, eingeführt wird, in diesen Mitgliedstaat, sofern die Steuer auf diesen Gegenstand gem. dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG zu erklären ist.

Dabei dient § 3c Abs. 3 Satz 3 UStG dazu, die Entstehung einer Besteuerungslücke zu verhindern. Sollte die Steuer auf diesen Gegenstand nicht gemäß dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG zu erklären sowie ein im Drittlandsgebiet ansässiger Unternehmer Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer sein und diese als Vorsteuer geltend machen, würde eine Besteuerungslücke entstehen, da der Ort der Lieferung mangels Erklärung der Steuer nach § 18k UStG nicht nach § 3c Abs. 3 Satz 1 UStG ins Inland verlagert werden würde. Es würde aber auch nicht zu einer Verlagerung des Orts der Lieferung nach § 3 Abs. 8 UStG kommen, da nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG i.V.m. § 3 Abs. 6b UStG die fingierte vorangehende Lieferung des im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmers eine ruhende Lieferung wäre.

  • Keine Ortsverlagerung (§ 3c Abs. 5 UStG)

Durch die Vorschrift wird geregelt, dass es zu keiner Verlagerung des Orts der Lieferung an den Bestimmungsort kommt, wenn z.B. ein neues Fahrzeug geliefert wird oder wenn verbrauchsteuerpflichtige Waren an eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person geliefert werden.

Zeitliche Anwendung

Die Neufassung ist erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 bewirkt werden (§ 27 Abs. 34 Satz 1 UStG).

Abschn. 3c.1 UStAE

Einzelheiten dazu sind im neuen Abschn. 3c.1 »Ort der Lieferung beim Fernverkauf« UStAE – flankiert mit vielen Anwendungsbeispielen – enthalten.

§ 3a Abs. 5 Satz 3 und § 3c Abs. 4 (neu)

Abschn. 3a.9a UStAE

Geringfügigkeitsschwelle (Umsatzschwelle) i.H.v. 10 000 €

  • Umsatzschwelle i.H.v. 10 000 €

Nach § 3a Abs. 5 Satz 1 und 2 UStG befindet sich der Leistungsort bei RFTE-Leistungen, die an Nichtunternehmer erbracht werden, grundsätzlich an dem Ort, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz oder seinen Sitz hat. § 3a Abs. 5 Satz 3 UStG sieht einen Schwellenwert in Höhe von 10 000 € vor, bis zu dem diese Dienstleistungen weiterhin der Mehrwertsteuer im Mitgliedstaat der Ansässigkeit des leistenden Unternehmers unterliegen. Dadurch sollten Kleinstunternehmen mit Sitz in nur einem EU-Mitgliedstaat, die solche Dienstleistungen an Nichtunternehmer in anderen Mitgliedstaaten erbringen, von der Erfüllung mehrwertsteuerlicher Pflichten in anderen Mitgliedstaaten entlastet werden. Nunmehr wird die Regelung auf innergemeinschaftliche Fernverkäufe erweitert. Innergemeinschaftliche Fernverkäufe werden in die Berechnung des Schwellenwerts i.H.v. 10 000 € einbezogen.

  • Keine Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 5 und § 3c UStG

Die entsprechende Änderung von § 3a Abs. 5 und § 3c UStG führt dazu, dass bei RFTE-Leistungen, die von einem im Inland ansässigen Unternehmer, der über keine (weitere) Ansässigkeit im übrigen Gemeinschaftsgebiet verfügt, an Nichtunternehmer erbracht werden, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, der Leistungsort an dem Ort liegt, der sich nach § 3a Abs. 1 UStG bestimmt und bei innergemeinschaftlichen Fernverkäufen der Lieferungsort an dem Ort liegt, der sich aus § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG ergibt, wenn der Gesamtbetrag der Entgelte der bezeichneten Leistungen den Betrag von 10 000 € im laufenden Kj. nicht überschreitet und im vorangegangenen Kj. nicht überschritten hat.

  • Verzicht auf die Geringfügigkeitsschwelle

Der leistende Unternehmer kann auf die Anwendung der Geringfügigkeitsschwelle verzichten mit der Folge, dass sich der Leistungsort der bezeichneten sonstigen Leistungen stets an dem Ort befindet, an dem der Leistungsempfänger seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort oder seinen Sitz hat, bzw. der Lieferungsort der innergemeinschaftlichen Fernverkäufe stets an dem Ort befindet, wo die Beförderung oder Versendung endet. Die Verzichtserklärung bindet den Unternehmer für mindestens zwei Kj (§ 3a Abs. 5 Satz 4 und 5 sowie § 3c Abs. 4 Satz 2 und 3 UStG).

Abschn. 3a.9a UStAE

Einzelheiten dazu sind im neuen Abschn. 3a.9a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 UStAE enthalten.

§ 4 Nr. 4c (neu)

Abschn. 4.4c.1 UStAE

Steuerbefreiung bei Lieferfiktion i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG

Die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch nicht in der Gemeinschaft ansässige Unternehmer an Nichtunternehmer, die von einem Unternehmer durch die Nutzung einer elektronischen Schnittstelle unterstützt wird, wird nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG so behandelt, als ob er diesen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte. Mit der Einfügung des neuen § 4 Nr. 4c UStG wird diese (fiktive) Lieferung an diesen Unternehmer von der Umsatzsteuer befreit.

Vgl. dazu auch die Ausführungen in Abschn. 4.4c.1 UStAE.

Die Neufassung ist erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 bewirkt werden (§ 27 Abs. 34 Satz 1 UStG).

Abschn. 4.4c.1 UStAE

Einzelheiten dazu sind im neuen Abschn. 4.4c.1 UStAE enthalten.

§ 5 Abs. 1 Nr. 7 (neu)

Steuerbefreiung bei der Einfuhrumsatzsteuer, wenn § 18k UStG greift

Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wird (unter weiteren formellen Voraussetzungen) eine Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer für eingeführte Gegenstände in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € festgelegt, für die die Steuer im besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG zu erklären ist.

§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f bis i (neu)

Entstehung der Steuer, wenn § 18i, § 18j, § 18k und § 3 Abs. 3a UStG greifen

§ 13a Abs. 1 Nr. 7 (neu)

Steuerschuldnerschaft des Unternehmers und Vertreters in Fällen des § 18k UStG

Ein Unternehmer, der an dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG teilnimmt, kann bzw. muss einen im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Vertreter als Steuerschuldner der Umsatzsteuer und zur Erfüllung der Verpflichtungen gem. dem besonderen Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG im Namen und für Rechnung des Unternehmers benennen.

Die neue Vorschrift regelt, dass in diesen Fällen der im Gemeinschaftsgebiet ansässige Vertreter neben dem Unternehmer Steuerschuldner ist. Schulden mehrere Personen nebeneinander eine Steuer, sind diese Gesamtschuldner (§ 44 AO). Die Finanzbehörde kann in dieser Konstellation in einem zusammengefassten Bescheid gegenüber allen Gesamtschuldnern Steuern festsetzen.

Der Vertreter ist kraft Gesetzes auch gleichzeitig Empfangsbevollmächtigter für den Unternehmer. Er ist dadurch ermächtigt, alle Verwaltungsakte und Mitteilungen in Empfang zu nehmen, die im Rahmen des Besteuerungsverfahrens nach § 18k UStG und in einem eventuell anschließenden Einspruchsverfahren für den Unternehmer bestimmt sind. Bei der Bekanntgabe an den Vertreter ist darauf hinzuweisen, dass die Bekanntgabe mit Wirkung für und gegen beide erfolgt. Die Empfangsbevollmächtigung des Vertreters kann allerdings nur nach Beendigung des der Vertretung zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses und dann auch nur mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Ein solcher Widerruf wird gegenüber der Finanzbehörde zudem erst wirksam, wenn er ihr zugegangen ist.

§ 14a Abs. 2

Keine Rechnungsausstellungspflicht in Fällen des § 3c Abs. 1 UStG, wenn § 18j UStG greift.

Die Neufassung ist erstmals auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 30.6.2021 bewirkt werden (§ 27 Abs. 34 Satz 1 UStG).

§ 16 Abs. 1c und 1d (neu)

Besteuerungszeitraum = Kalendervierteljahr, wenn

§ 18i und § 18j UStG greifen

§ 16 Abs. 1e (neu)

Besteuerungszeitraum = Kalendermonat, wenn § 18k UStG greift

§ 18

Zahlreiche Folgeänderungen im Besteuerungsverfahren

§ 21a (neu)

Abschn. 21a.1 UStAE

Sonderregelungen bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 €

Die neue Vorschrift soll die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer bei der entsprechenden Einfuhr in Fällen vereinfachen, in denen das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG nicht genutzt wird und die Gegenstände im Mitgliedstaat des Verbrauchs eingeführt werden. § 21a UStG kann von Personen genutzt werden, die Waren für Rechnung der jeweiligen Empfänger beim Zoll gestellen (i.d.R. die Beförderer, insbesondere Post- bzw. Expresskurierdienstleister).

Die Regelung gilt nicht für Sendungen, die verbrauchsteuerpflichtige Waren enthalten. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit der Nutzung der allgemeinen zollrechtlichen Verfahren.

Abschn. 21a.1 UStAE Einzelheiten dazu sind im neuen Abschn. 21a.1 »Sonderregelungen bei der Einfuhr von Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 €« UStAE enthalten.

§ 22f

Neufassung der besonderen Aufzeichnungspflichten für Betreiber einer elektronischen Schnittstelle

§ 25e

Neufassung der Haftung beim Handel über eine elektronische Schnittstelle.

Einzelheiten dazu sind im neuen Abschn. 25e.1 bis 25e.4 UStAE enthalten.

§ 26a

Neufassung der Bußgeldvorschriften

§ 26b

aufgehoben

Literatur

  1. Ramb, Umsetzung der zweiten Stufe des MwSt-Digitalpakets durch das JStG 2020, NWB 2021, 1045:

    – Teil I: Rechtsentwicklung, Überblick und Erläuterungen, NWB 2021, 1045.

  2. – Teil II: Fernverkauf ohne elektronische Schnittstelle, NWB 2021, 1475.Kirsch und Keiper, Umsatzsteuerliche Besonderheiten des E-Commerce, NWB 2021, 2202.

4. Fernverkauf ohne elektronische Schnittstelle

4.1. Allgemeines

Die Globalisierung und der technologische Wandel haben zu einer massiven Zunahme des elektronischen Geschäftsverkehrs (E-Commerce) und somit der Beförderungs- und Versendungslieferungen von Gegenständen geführt, die sowohl von einem EU-Mitgliedstaat (§ 1 Abs. 2a Satz 1 UStG) in einen anderen als auch aus dem Drittland (§ 1 Abs. 2a Satz 3 UStG) in das Gemeinschaftsgebiet geliefert werden. Diese Lieferungen werden (unter weiteren Voraussetzungen, vgl. 2) als sog. Fernverkäufe bezeichnet. Gerade durch die neuen Regelungen zum Fernverkauf wird das UStG an die Entwicklung der massiven Zunahme des elektronischen Geschäftsverkehrs angepasst, wobei die Notwendigkeit, die Steuereinnahmen der Mitgliedstaaten zu schützen, gleiche Ausgangsbedingungen für die betreffenden Unternehmen zu schaffen und deren Verwaltungsaufwand zu verringern, berücksichtigt und das Bestimmungslandprinzip beibehalten werden soll.

4.2. Definitionen

4.2.1. »Fernverkauf«

Der Begriff »Fernverkauf« wird in mehreren Stellen im UStG verwendet und definiert; so z.B. in § 3c Abs. 1 Satz 2 UStG.

Entscheidend sind:

  • der liefernde Unternehmer,

  • der Erwerberkreis und

  • der tatsächliche Warenweg.

Des Weiteren ist zu unterscheiden, ob der Fernverkauf mit oder ohne elektronische Schnittstelle erfolgt.

4.2.2. Liefernder Unternehmer

Unter »liefernder Unternehmer« ist Folgendes zu verstehen: Beförderung oder Versendung eines Gegenstands durch den Lieferer oder für dessen Rechnung an den Erwerberkreis (direkte Beteiligung), einschließlich jener Lieferung, an deren Beförderung oder Versendung der Lieferer indirekt beteiligt ist (indirekte Beteiligung).

Das Rechtsinstitut der »indirekten Beteiligung« im Rahmen der Transportverantwortung ist neu im UStG. Das Gesetz erläutert jedoch nicht, was unter einer indirekten Beteiligung zu verstehen ist. Entsprechend Art. 5a der DV (EU) Nr. 282/2011 sowie der von Deutschland zugestimmten Nr. 2 der Leitlinie Nr. 876 des MwSt-Ausschusses sind darunter folgende Fälle zu fassen:

  • die Beförderung/Versendung wird vom Lieferer als Unterauftrag an einen Dritten vergeben, der an den Erwerber liefert;

  • die Beförderung/Versendung erfolgt durch einen Dritten, der Lieferer trägt jedoch entweder die gesamte oder die teilweise Verantwortung für die Lieferung;

  • der Lieferer stellt dem Erwerber die Transportkosten in Rechnung, zieht diese ein und leitet sie dann an einen Dritten weiter, der die Beförderung/Versendung der Waren übernimmt;

  • der Lieferer bewirbt in jeglicher Weise gegenüber dem Erwerber die Zustelldienste eines Dritten, stellt den Kontakt zwischen dem Erwerber und einem Dritten her oder übermittelt einem Dritten auf andere Weise die Informationen, die dieser für die Zustellung der Gegenstände an den Erwerber benötigt.

4.2.3. Erwerberkreis

In § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG bezeichnete Empfänger (hauptsächlich Nichtunternehmer) oder eine in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG genannte Person (Schwellenerwerber, z.B. Kleinunternehmer), die weder die maßgebende Erwerbsschwelle überschreitet (in Deutschland = 12 500 €, § 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG) noch auf ihre Anwendung verzichtet (in Deutschland nach § 1a Abs. 4 UStG); im Fall der Beendigung der Beförderung oder Versendung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ist die von diesem Mitgliedstaat festgesetzte Erwerbsschwelle maßgebend.

Dies ergibt sich aus: § 3 Abs. 3a Satz 5, § 3c Abs. 1 Satz 3, § 3c Abs. 2 Satz 2, § 3c Abs. 3 Satz 2 UStG.

4.2.4. Warenweg

Hier sind mehrere Fallgestaltungen möglich. Entscheidend ist dabei immer der tatsächliche Warenweg; wo der liefernde Unternehmer seinen Sitz hat, ist nicht von Belang. Das UStG unterscheidet zwischen dem sog. innergemeinschaftlichen Fernverkauf und dem sog. Einfuhr-Fernverkauf.

Innergemeinschaftlicher Fernverkauf

Lieferung aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates oder aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete (§ 3c Abs. 1 Satz 2 UStG). Hier ist insbes. die (EU-einheitliche) sog. Geringfügigkeitsschwelle nach § 3c Abs. 4 UStG (bisher = EU-uneinheitliche Lieferschwelle nach § 3c Abs. 3 UStG a.F.) zu beachten.

Einfuhr-Fernverkauf

Neu ist, dass § 3c UStG nunmehr auch für bestimmte Einfuhrfälle gilt. So regelt § 3c Abs. 2 bzw. Abs. 3 UStG das Bestimmungslandprinzip auch für den sog. Einfuhr-Fernverkauf. Neben dem tatsächlichen Warenweg, der immer im Drittland beginnt, ist der Erwerberkreis entscheidend. Dieser ist der gleiche wie in den Fällen des innergemeinschaftlichen Fernverkaufs. Wird bei diesem der Erwerberkreis nach § 3c Abs. 1 Satz 3 UStG (direkt) bestimmt, so definiert das Gesetz den Erwerberkreis beim Einfuhr-Fernverkauf über den Verweis in § 3c Abs. 2 Satz 2 bzw. Abs. 3 Satz 2 UStG auf § 3 Abs. 3a Satz 5 UStG. Der Unterschied zwischen § 3c Abs. 2 und Abs. 3 UStG liegt in dem tatsächlichen Warenweg des Einfuhr-Fernverkaufs und dem Sachwert »150 €-Grenze« i.V.m. § 18k UStG.

  • § 3c Abs. 2 UStG: Fernverkauf eines Gegenstands, der aus dem Drittland in einen anderen Mitgliedstaat als den, in dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstands an den Erwerber endet, eingeführt wird. Die Höhe des Sachwerts ist hier nicht von Bedeutung.

  • § 3c Abs. 3 UStG: Fernverkauf eines Gegenstands, der aus dem Drittland in den Mitgliedstaat, in dem die Beförderung oder Versendung der Gegenstände an den Erwerber endet, eingeführt wird. Die Regelung betrifft nur eingeführte Gegenstände mit einem Sachwert von max. 150 €, für die das besondere Besteuerungsverfahren nach § 18k UStG in Anspruch genommen wird.

Die Geringfügigkeitsschwelle nach § 3c Abs. 4 UStG ist in diesen Fällen nicht zu beachten.

4.2.5. Fernverkauf mittels elektronischer Schnittstelle

4.2.5.1. Allgemeines

Nach Feststellungen der Finanzverwaltung kam es beim Handel mit Waren über das Internet unter Nutzung von elektronischen Marktplätzen (z.B. Amazon, eBay) verstärkt zu Umsatzsteuerhinterziehungen. Zur Sicherstellung des Umsatzsteueraufkommens sowie zum Schutz und zur Wahrung der Wettbewerbsfähigkeit von steuerehrlichen Unternehmen wurde durch Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl I 2018, 2338) mit § 25e UStG eine Regelung zur Haftung von Betreibern elektronischer Marktplätze in das UStG eingeführt. Danach können Betreiber eines Onlinemarktplatzes unter bestimmten Voraussetzungen für die entstandene und nicht abgeführte Umsatzsteuer aus den auf ihrem Marktplatz von in- und ausländischen Händlern – die in Deutschland steuerlich nicht registriert sind – ausgeführten Umsätzen in Haftung genommen werden. Zusätzlich wurden mit § 22f UStG besondere Aufzeichnungspflichten für Betreiber eines elektronischen Marktplatzes in das UStG aufgenommen. Einzelheiten sind dem BMF vom 28.1.2019 (BStBl I 2019, 106) zu entnehmen.

Durch das JStG 2020 wurden die Vorschriften für Betreiber einer elektronischen Schnittstelle erweitert. Für Fernverkäufe, die mittels einer elektronischen Schnittstelle abgewickelt werden, sind insbes. die Sonderregelungen in § 3 Abs. 3a Satz 1 und 2 sowie Abs. 6b UStG eingeführt worden.

Eine elektronische Schnittstelle i.d.S. ist ein elektronischer Marktplatz (z.B. Amazon, ebay), eine elektronische Plattform (z.B. Zalando), ein elektronisches Portal oder Ähnliches (§ 3 Abs. 3a Satz 3 UStG). Dadurch wird das UStG an die Entwicklung der massiven Zunahme des elektronischen Geschäftsverkehrs angepasst.

Die Finanzverwaltung hat sich dazu in Abschn. 3.18 »Einbeziehung von Betreibern elektronischer Schnittstellen in fiktive Lieferketten« UStAE ausführlich geäußert.

4.2.5.2. Definition

In § 3 Abs. 3a Satz 3 UStG erfolgt die Definition der elektronischen Schnittstelle. Dem Begriff ist ein sehr weites Verständnis zugrunde zu legen, so dass in den Anwendungsbereich nicht nur elektronische Marktplätze, Plattformen oder Portale fallen, sondern auch alle anderen vergleichbaren elektronischen Mittel. Damit wird der Begriff weiter gefasst als noch in § 25e UStG (a.F.), wo lediglich von einem »Betreiber eines elektronischen Markplatzes« die Rede war (§ 25e UStG wurde entsprechend geändert).

  • Elektronischer Marktplatz und elektronische Plattform: Sie stellen virtuelle Orte (z.B. im Internet) zur Durchführung geschäftlicher Transaktionen dar, wie bspw. Amazon, ebay, Zalando oder Alibaba.com.

  • Elektronisches Portal: Hier vertreiben Händler ihre Ware direkt an Endkunden.

  • Ähnliches: Dadurch werden auch andere (zukünftige) Möglichkeiten des E-Commerce miterfasst.

4.2.5.3. Unterstützung einer Lieferung

Nach § 3 Abs. 3a Satz 1 und 2 UStG muss der Unternehmer (Betreiber) mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf unterstützen. Wann von einer Unterstützung auszugehen ist, ist in Artikel 5b MwStVO geregelt. Die Finanzverwaltung übernimmt im Ergebnis die Positiv- und Negativdefinition aus § 25e Abs. 6 UStG und legt sie aus (Abschn. 3.18 Abs. 3 Satz 2 bis 8 UStAE).

Demnach unterstützt ein Unternehmer eine Lieferung i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG oder einen Fernverkauf nach § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG mittels seiner elektronischen Schnittstelle, wenn er es einem Erwerber und einem Lieferer, der über diese elektronische Schnittstelle Gegenstände zum Verkauf anbietet, ermöglicht, in Kontakt zu treten, woraus eine Lieferung von Gegenständen über diese elektronische Schnittstelle an den Erwerber resultiert.

Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen eine solche Unterstützung verneint werden muss. Ein Schnittstellenbetreiber unterstützt eine Lieferung insbesondere dann nicht, wenn kumulativ verschiedene Voraussetzungen erfüllt sind:

4.2.5.4. Lieferfiktion nach § 3 Abs. 3a Satz 1 und 2 UStG

Was sind nun die Rechtsfolgen, wenn ein Unternehmer (Betreiber) mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf unterstützt?

Ein Unternehmer, der mittels seiner elektronischen Schnittstelle die Lieferung eines Gegenstands, dessen Beförderung/Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Empfänger nach § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG unterstützt, wird behandelt, als ob er diesen Gegenstand für sein Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätte. Wichtig ist, dass der Verkäufer ein nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässiger Unternehmer sein muss, die Lieferung selbst aber im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet.

Hinweis:

Zur Ansässigkeit i.S.d. § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG nimmt das FinMin Schleswig-Holstein in seiner Umsatzsteuer-Kurzinfo vom 1.7.2022 (VI 3510 – S 7110-099) Stellung.

Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Unternehmer mittels seiner elektronischen Schnittstelle den Fernverkauf von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 € unterstützt. § 3 Abs. 3a Satz 3 UStG definiert diesen Einfuhr-Fernverkauf und § 3 Abs. 3a Satz 4 UStG beschreibt den betroffenen Erwerberkreis (dieser ist weiter gefasst als der Erwerberkreis in § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG).

Eigentlich gibt es nur eine (echte) Lieferung zwischen dem Verkäufer und dem Kunden, der auch die Ware direkt an den Kunden leitet. Der Betreiber der elektronischen Schnittstelle ist nur der Vermittler dieses Verkaufsgeschäfts, der ggf. bisher in Haftung für die nicht entrichtete Steuer des Verkäufers nach § 25e UStG (a.F.) genommen werden konnte. Dies soll also nunmehr durch § 3 Abs. 3a Satz 1 und 2 UStG insoweit verschärft werden, dass der Betreiber selbst als Lieferer fingiert wird. Der Gesetzgeber spaltet die (echte) Lieferung des Verkäufers an den Kunden in zwei (fiktive) Lieferungen auf:

  1. Lieferung Verkäufer: Betreiber elektronische Schnittstelle

  2. Betreiber elektronische Schnittstelle: Kunde

Der Betreiber, der somit (fingierter) Lieferer ist, wird dadurch selbst zum Schuldner der USt. Eine Haftung nach § 25e UStG (n.F.) ist demnach in diesen Fällen nicht mehr nötig (§ 25e Abs. 1 HS 2 UStG).

Wird ein Unternehmer gemäß § 3 Abs. 3a Satz 1 und 2 UStG behandelt, als ob er einen Gegenstand selbst erhalten und geliefert hätte, wird die Beförderung/Versendung des Gegenstands der Lieferung durch diesen Unternehmer zugeschrieben (§ 3 Abs. 6b UStG). Das bedeutet, dass der Betreiber, der als Lieferer fingiert wird, eine bewegte Lieferung an den Kunden ausführt. Im Umkehrschluss daraus, ist die (fingierte) Lieferung des Verkäufers an den Betreiber eine ruhende (unbewegte) Lieferung.

§ 3 Abs. 6b UStG regelt, dass der Betreiber die warenbewegte Lieferung erbringt. Demzufolge ist die Lieferung des Verkäufers an den Betreiber eine ruhende Lieferung, deren Ort sich nach § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG bestimmt, da sie der bewegten Lieferung des Betreibers an den Käufer vorangeht

Beispiel:

B, wohnhaft in Belgien, bestellt im Mai 2022 über den elektronischen Marktplatz »Ebai« (Betreiber E ist in Deutschland ansässig) bei Unternehmer US (USA) Zubehör für seinen privaten Fitnessraum. E überschreitet die Umsatzschwelle i.S.v. § 3c Abs. 4 Satz 1 UStG. US befördert das Zubehör von seinem Warenlager in Frankfurt mit eigenem Transporter unmittelbar nach Belgien zu B.

Lösung:

Legt man die zivilrechtlichen Vereinbarungen zugrunde, so finden zwei Umsätze statt. Zum einen eine Lieferung von US an B (Kaufvertrag) i.S.d. § 3 Abs. 1 UStG und zum anderen eine Vermittlungsleistung (sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG; Agenturgeschäft) von E (wohl) an US. Diese zivilrechtliche Konstellation wird jedoch durch die neuen Regelungen nicht nachvollzogen. Ähnlich wie im Rahmen eines Güterkommissionsgeschäfts (§ 3 Abs. 3 UStG) wird durch § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG eine Lieferkette fingiert.

Es liegt ein innergemeinschaftlicher Fernverkauf vor. US, der nicht im Gemeinschaftsgebiet, sondern im Drittland (§ 1 Abs. 2a Satz 3 UStG) ansässig ist, befördert das Zubehör aus dem Gebiet eines EU-Mitgliedstaates (Deutschland) in das Gebiet eines anderen EU-Mitgliedstaates (Belgien) und B gehört als Privatperson zum betroffenen Erwerberkreis i.S.d. § 3a Abs. 5 Satz 1 UStG.

5. Literaturhinweise

Prätzler, Umsatzsteuerliche Änderungen durch das JStG 2020, StuB 2021, 157; Ramb, Umsetzung der zweiten Stufe des MwSt-Digitalpakets durch das JStG 2020, Teil I: Rechtsentwicklung, Überblick und Erläuterungen, NWB 2021, 1045, Teil II: Fernverkauf ohne elektronische Schnittstelle, NWB 2021, 1475; Kirsch und Keiper, Umsatzsteuerliche Besonderheiten des E-Commerce, NWB 2021, 2202.

6. Verwandte Lexikonartikel

eBay und andere Plattformbetreiber

Umsatzsteuerhaftung im Internethandel

Jahressteuergesetz 2020 (JStG 2020)

 

Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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