1 Allgemeines
2 Vollstreckungsbehörden
3 Vollstreckbare Verwaltungsakte und Vollstreckungsmöglichkeiten
4 Voraussetzungen für den Beginn der Vollstreckung
4.1 Vollstreckbarer Verwaltungsakt
4.2 Fälligkeit
4.3 Leistungsgebot
4.4 Wochenfrist
5 Einwendungen gegen die Vollstreckung
6 Vollstreckungsverfahren gegen nicht rechtsfähige Personenvereinigungen nach § 267 AO
7 Pfändungsfreigrenzen
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Ausführliche Erläuterungen zur Zwangsvollstreckung enthält die »Allgemeine Verwaltungsvorschrift über die Durchführung der Vollstreckung nach der Abgabenordnung – Vollstreckungsanweisung (VollstrA)« vom 13.3.1980 (BStBl I 1980, 112; Änderung durch Art. 1 der Dritten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Vollstreckungsanweisung und der Vollziehungsanweisung vom 23.10.2017 m.W.v. 15.11.2017, BStBl I 2017, 1374) und die »Allgemeine Verwaltungsvorschrift für Vollziehungsbeamte der Finanzverwaltung – Vollziehungsanweisung (VollzA)« vom 29.4.1980 (BStBl I 1980, 194; Änderung durch Ar. 2 der Dritten Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Vollstreckungsanweisung und der Vollziehungsanweisung vom 23.10.2017 m.W.v. 15.11.2017, BStBl I 2017, 1374).
Das Zwangsvollstreckungsverfahren ist in den §§ 249 ff. AO geregelt. Vollstreckung ist ein staatliches Verfahren, das dazu dient einen Anspruch des Gläubigers gegen einen Schuldner mit Hilfe staatlicher Zwangsgewalt zu verwirklichen. Vollstreckungsbehörden sind die Finanzämter, die Hauptzollämter sowie die Landesfinanzbehörden, denen durch eine Rechtsverordnung nach § 17 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 FVG (Finanzverwaltungsgesetz) die landesweite Zuständigkeit für Kassengeschäfte und das Erhebungsverfahren einschließlich der Vollstreckung übertragen worden ist (§ 249 Abs. 1 Satz 3 AO).
Die Finanzbehörden können Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung, eine sonstige Handlung, eine Duldung oder Unterlassung gefordert wird, im Verwaltungsweg vollstrecken. Die gilt auch für Steueranmeldungen i.S.d. § 168 AO. Die Abgabenordnung unterscheidet zwischen der Vollstreckung wegen Geldforderungen des Finanzamts (§§ 249 ff. und §§ 259 ff. AO) und der Vollstreckung zu Erzwingung anderer Handlungen als Geldzahlungen (§§ 328 ff. AO, → Zwangsmittel).
Abb.: Zwangsvollstreckung
Nach § 254 Abs. 1 AO darf die Vollstreckung gegen einen vollstreckbaren Verwaltungsakt erst beginnen, wenn
die Leistung fällig ist,
der Vollstreckungsschuldner zur Leistung oder Duldung oder Unterlassung aufgefordert worden ist (= Leistungsgebot) und
seit der Aufforderung mindestens eine Woche verstrichen ist.
Verwaltungsakte, mit denen eine Geldleistung festgesetzt wird, sind grundsätzlich vollstreckbar. Dazu gehören z.B. Steuerbescheide (→ Steuerbescheid), Steueranmeldungen (→ Steueranmeldung), Haftungsbescheide (→ Haftung) sowie Verwaltungsakte, mit denen steuerliche Nebenleistungen, Geldbußen oder an das Finanzamt zurückzuzahlende Beträge festgesetzt werden. Verwaltungsakte können gem. § 251 AO nicht vollstreckt werden, soweit ihre Vollziehung ausgesetzt ist (§ 361 AO). Auch im Insolvenzverfahren ist die Vollstreckung in den Fällen des § 201 Abs. 2, §§ 257 und 308 Abs. 1 InsO zulässig. Eine Insolvenzforderung aus dem Steuerschuldverhältnis wird erforderlichenfalls durch einen schriftlichen Verwaltungsakt festgestellt (§ 251 Abs. 3 AO). Ausführliche Regelungen hierzu enthält der AEAO zu § 251.
Gem. § 220 Abs. 1 AO richtet sich die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis nach den Einzelsteuergesetzen. Eine Einkommensteuerabschlusszahlung ist z.B. gem. § 220 Abs. 1 AO i.V.m. § 36 Abs. 4 EStG einen Monat nach Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheides zu entrichten.
Fehlt es an einer besonderen gesetzlichen Regelung über die Fälligkeit, wird der Anspruch gem. § 220 Abs. 2 AO mit seiner Entstehung fällig, es sei denn, dass in einem Leistungsgebot eine Zahlungsfrist eingeräumt wurde. Auch im Hinblick auf Säumniszuschläge (→ Säumniszuschlag) fehlt es an einer ausdrücklichen Regelung der Fälligkeit. Säumniszuschläge entstehen kraft Gesetzes und werden gem. § 220 Abs. 2 Satz 1 1. Alt. AO gleichzeitig mit ihrer Entstehung fällig. Ein Leistungsgebot bedarf es nach § 254 Abs. 2 AO nicht, wenn sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden.
Das Leistungsgebot nach § 254 AO ist kein Bestandteil des Steuerbescheides, sondern ein selbstständiger sonstiger → Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO. Mit dem Leistungsgebot erfolgt die Aufforderung der Behörde an den Vollstreckungsschuldner, die geschuldete Leistung innerhalb einer Frist zu bewirken. Ein Leistungsgebot erfordert die ordnungsgemäße Festsetzung der geschuldeten Leistung, z.B. die Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid. Regelmäßig wird der Steuerbescheid mit dem Leistungsgebot verbunden. Das Leistungsgebot ist gem. § 254 Abs. 1 Satz 1 AO grundsätzlich Voraussetzung für den Beginn der Zwangsvollstreckung und muss Folgendes enthalten:
den Vollstreckungsschuldner,
Benennung des Gegenstandes der Leistung,
Aufforderung zur Bewirkung der Leistung.
Als Verwaltungsakt muss das Leistungsgebot gem. § 119 Abs. 1 AO inhaltlich hinreichend bestimmt sein.
Hat der Vollstreckungsschuldner eine von ihm aufgrund einer → Steueranmeldung geschuldete Leistung nicht erbracht, ist ein Leistungsgebot gem. § 254 Abs. 1 Satz 4 AO nicht erforderlich. Damit entfällt auch die Wahrung der Wochenfrist nach § 254 Abs. 1 Satz 1 AO. Hintergrund der Regelung ist, dass eine Steueranmeldung des Steuerpflichtigen, die mit Eingang beim Finanzamt gem. § 168 Satz 1 AO einer → Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht, als eine Art »Anerkenntnis« wirkt, womit ein Leistungsgebot nicht erforderlich erscheint. Dennoch soll nach § 259 AO i.d.R. vor Beginn der Vollstreckung mit Wochenfrist gemahnt werden.
Wird eine Steueranmeldung nicht eingereicht oder will das Finanzamt eine von der Steueranmeldung abweichende Steuer festsetzen, erfolgt dies gem. § 167 Abs. 1 AO mit Steuerbescheid, der mit einem Leistungsgebot einhergeht.
Eine Vollstreckung ohne Leistungsgebot ist gem. § 254 Abs. 2 AO auch statthaft, wenn sie wegen Säumniszuschlägen und Zinsen erfolgt, soweit sie zusammen mit der Steuer beigetrieben werden, für die sie entstanden sind. Daneben ist auch eine Vollstreckung wegen Vollstreckungskosten ohne Leistungsgebot zulässig, wenn sie zusammen mit dem Hauptanspruch beigetrieben werden. Werden diese unabhängig von der Hauptforderung beigetrieben, bedarf es eines gesonderten Leistungsgebots.
Seit der Aufforderung zur Leistung muss mindestens eine Woche verstrichen sein, bevor die Vollstreckung beginnen kann. Im Fall der Steuerfestsetzung durch Steueranmeldung ist die Wahrung der Wochenfrist mangels Leistungsgebots nicht erforderlich.
Für die Berechnung der Wochenfrist gelten über den Verweis des § 108 Abs. 1 AO die Vorschriften der §§ 187 ff. BGB (→ Fristen und Termine).
Die Durchführung der Vollstreckung wird nicht dadurch gehindert, dass der Vollstreckungsschuldner Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt, zum Beispiel gegen die Steuerfestsetzung, erhebt. Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Verwaltungsakt sind gem. § 256 AO außerhalb des Vollstreckungsverfahrens mit den hierfür zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen.
Bei Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung selbst ist die Vollstreckung gegebenenfalls einzustellen oder zu beschränken, wenn die Voraussetzungen hierfür nachgewiesen werden. Kann der Nachweis nicht geführt werden, ist die Vollstreckung in der Regel fortzusetzen. Der Vollstreckungsschuldner kann gegebenenfalls außerhalb des Vollstreckungsverfahrens den Erlass eines Verwaltungsaktes nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung beantragen.
Rechtsbehelf gegen Maßnahmen der Vollstreckung ist Einspruch (§ 347 AO). Er ist unzulässig vor Beginn und nach Beendigung der Vollstreckungsmaßnahme, gegen die er sich richtet. Zur Einlegung des Einspruchs ist nur befugt, wer geltend macht, durch eine Vollstreckungsmaßnahme beschwert zu sein. Durch Einlegung des Einspruchs wird die Vollstreckung nicht gehemmt.
Bei nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen (§ 14a Abs. 3 AO i.d.F. vom 22.12.2023), die als solche stpfl. sind, genügt für die Vollstreckung in deren Vermögen nach § 267 Abs. 1 Satz 1 AO ein vollstreckbarer Verwaltungsakt gegen die Personenvereinigung. Hat eine nicht rechtsfähige Personenvereinigung nachträglich Rechtsfähigkeit erlangt (§ 14a Abs. 2 AO i.d.F. vom 22.12.2023), so kann auch aus einem Verwaltungsakt vollstreckt werden, der vor diesem Zeitpunkt wirksam geworden ist (§ 267 Abs. 2 AO).
Ab dem 1.7.2022 beträgt der unpfändbare Grundbetrag nach § 850c ZPO 1 330,16 €/mtl. (bis zum 30.6.2022: 1 252,64 €). Dieser Betrag erhöht sich, wenn gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen sind, um 500,62 €/mtl. (bis zum 30.6.2022: 471,44 €) für die erste und um jeweils weitere 278,90 €/mtl. (bis zum 30.6.2022: 262,65 €) für die zweite bis fünfte Person. Die genauen Beträge ergeben sich aus einem tabellarischen Anhang zur Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2022 (PfändfreiGrBek 2022, BGBl I 2022, 825). Die Tabelle endet für Monatsbezüge künftig bei 4 077,72 €; alle Beträge darüber sind voll pfändbar.
Zur Erhöhung ab 1.7.2023 s. die Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung 2023 vom 20.3.2023 (PfändfreiGrBek 2023, BGBl I 2023 Nr. 79, 1–24).
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