1 Zeitlicher Anwendungsbereich und Allgemeines
2 Nicht oder nicht fristgemäße Abgabe einer Steuererklärung trotz Erklärungspflicht
3 Ermessensabhängige Festsetzung
3.1 Allgemeines
3.2 Entschuldbarkeit
3.2.1 Allgemeine Grundsätze
3.2.2 Verschulden bei nicht zeitnaher Veranlagung
3.2.3 Verschulden bei Krankheit
3.2.4 Verschulden bei zusammenveranlagten Ehegatten
3.2.5 Verschulden eines gesetzlichen Vertreters
4 Gesetzlich vorgeschriebene Festsetzung
5 Gesetzliche Vorgaben zur Berechnung
5.1 Allgemeines
5.2 Höhe des Verspätungszuschlags
5.3 Berechnungszeitraum
6 Festsetzung, Fälligkeit und Verjährung
7 Anfechtung und Korrektur von Verspätungszuschlagsfestsetzungen
8 Anwendung der Verjährungsvorschriften
8.1 Festsetzung mit der Steuerfestsetzung
8.2 Festsetzung außerhalb der Steuerfestsetzung
8.2.1 Festsetzung innerhalb einer Jahresfrist
8.2.2 Festsetzung außerhalb der Jahresfrist
8.3 Zahlungsverjährung
9 Inhaltsadressat des Verspätungszuschlags
10 Festsetzung eines Verspätungszuschlags neben der Zwangsgeldandrohung und/oder Zwangsgeldfestsetzung
11 Sonderregelung für die Besteuerungszeiträume 2020 bis 2024 in Bezug auf § 152 Abs. 2 AO
12 Literaturhinweise
13 Verwandte Lexikonartikel
Mit dem → Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens wurde der Verspätungszuschlag nach § 152 AO in 13 Absätzen (bisher 4 Absätze) umfangreich neu geregelt.
Das BMF hat den AEAO zu § 152 mit Schreiben vom 31.1.2019 (BStBl I 2019, 80; zuletzt BMF vom 20.12.2019, BStBl I 2020, 59) umfassend geändert und erweitert.
Für die Besteuerungszeiträume 2020 bis 2024 bestehen in Bezug auf § 152 Abs. 2 AO Sonderregelungen; hier bestimmt sich die Frage, ob ein Verspätungszuschlag von Amts wegen festzusetzen ist (Hinweis auf Nr. 4 des AEAO zu § 152), nach den im AEAO zu § 152 Nr. 1 (BMF vom 23.1.2023, BStBl I 2023, 188) genannten Fristüberschreitungen (für 2020 und 2021: 20 Monate, für 2022: 19 Monate; für 2023: 17 Monate und für 2024: 16 Monate). Zu Anwendungsfragen zur Verlängerung der Steuererklärungsfristen und weiterer damit zusammenhängender Fristen und Termine für die Besteuerungszeiträume 2020 bis 2024 durch das Vierte Corona-Steuerhilfegesetz s. das AO-Handbuch 2023, Anhang 82.
Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags kommt insbes. in Betracht im Fall wiederholt verspäteter oder unterbliebener Erklärungsabgabe.
Der Verspätungszuschlag ist eine steuerliche Nebenleistung i.S.d. § 3 Abs. 4 AO. Er soll den ordnungsgemäßen Gang des Besteuerungsverfahrens durch den rechtzeitigen Eingang der Steuererklärungen und damit verbunden die rechtzeitige Festsetzung und Zahlung der Steuern sicherstellen. Der Verspätungszuschlag hat eine Doppelfunktion. Einerseits dient er als Sanktion einer Pflichtverletzung, andererseits dient er einer auf die Zukunft gerichteten Prävention. Die Doppelfunktion kann bei der Bemessung dieses Druckmittels in unterschiedlichem Maße von Bedeutung sein (BFH vom 26.2.2002, IV R 63/00, BStBl II 2002, 679).
Für betriebliche Steuererklärungen festgesetzte Verspätungszuschläge können als Betriebsausgabe steuerlich berücksichtigt werden, da sie mangels Strafcharakter nicht dem Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG unterliegen.
Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags setzt voraus, dass eine Steuererklärungspflicht (→ Steuererklärung) besteht. Die Erklärungspflicht kann sich aus § 149 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. einem Einzelsteuergesetz ergeben oder aber aufgrund einer Aufforderung der Finanzbehörde nach § 149 Abs. 1 Satz 2 AO.
Mithin ist eine Festsetzung des Verspätungszuschlags bei einer sog. Antragsveranlagung i.S.d. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG (→ Einkommensteuer-Veranlagungspflicht) ausgeschlossen.
Die Festsetzung von Verspätungszuschlägen ist auch bei unterlassener bzw. verspäteter Abgabe der
Steuererklärungen für die Festsetzung von Steuermessbeträgen,
Steueranmeldungen oder
Erklärungen zur gesonderten (und einheitlichen) Feststellung (→ Gesonderte Feststellung)
möglich.
Eine verspätete Abgabe der → Steuererklärung liegt vor, wenn die Steuererklärung nicht innerhalb der gesetzlichen oder der vom Finanzamt eingeräumten Frist abgegeben wird (→ Fristen und Termine).
Mit § 149 Abs. 3 AO wurde eine gesetzliche Fristverlängerung für beratene Stpfl. eingeführt. Danach können die von der Regelung erfassten Steuererklärungen nunmehr bis zum 28.2. des Zweitfolgejahres abgegeben werden. Stpfl., die ihre Erklärung mit erheblicher Verspätung abgeben, müssen mit einem Verspätungszuschlag rechnen. Der Zuschlag ist festzusetzen, wenn die Steuererklärung nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Besteuerungsjahres abgegeben wurde. Dabei ist es unerheblich, ob die Erklärung persönlich oder mithilfe eines Beraters erstellt wurde.
Für Steuerberater endet die Erklärungsfrist für den VZ 2021 am 31.8.2023, für den VZ 2022 am 31.7.2024. Erstmals für das Jahr 2025 gelten wieder die regulären Erklärungsfristen.
Der Verspätungszuschlag beträgt je nach Fall mindestens 10 € beziehungsweise mindestens 50 € für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung.
Es ist zu beachten, dass gem. § 109 Abs. 1 Satz 2 AO auch bereits abgelaufene Fristen rückwirkend verlängert werden können. Damit kann bei einer zunächst verspäteten Abgabe einer Steuererklärung grundsätzlich die Möglichkeit des FA, die Festsetzung eines Verspätungszuschlags vorzunehmen, umgangen werden. Nach rückwirkender Fristverlängerung entfällt die von § 152 Abs. 1 Satz 1 AO geforderte Voraussetzung einer nicht fristgemäßen Abgabe der Steuererklärung.
Wird die Steuererklärung nur lückenhaft eingereicht, kommt es für die Frage der Festsetzung eines Verspätungszuschlags darauf an, ob die enthaltenen Angaben in der Steuererklärung ausreichen, um ein ordnungsgemäßes Veranlagungsverfahren in Gang zu setzen.
Nach § 152 Abs. 1 AO kann gegen denjenigen, der seiner
Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung
nicht oder
nicht fristgerecht (→ Abgabefristen von Steuererklärungen)
nachkommt, ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden. Von der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist gem. § 152 Abs. 1 Satz 2 AO abzusehen, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint.
Auch wenn die Festsetzung des Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 2 AO aus den in § 152 Abs. 3 AO genannten Gründen nicht von Amts wegen erfolgt, kann die Finanzbehörde einen Verspätungszuschlag nach § 152 Abs. 1 AO festsetzen.
Bei der Festsetzung eines Verspätungszuschlags ist ein Ermessen (= Entschließungsermessen) auszuüben. § 152 Abs. 5 AO enthält gesetzliche Vorgaben zur Berechnung des Verspätungszuschlags und gilt sowohl für die Fälle des § 152 Abs. 1 AO als auch für die Fälle des § 152 Abs. 2 AO. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum der Finanzbehörde.
Im Anwendungsbereich des § 152 Abs. 1 AO sind Entschuldigungsgründe für eine verspätete Erklärungsabgabe vom Steuerpflichtigen glaubhaft zu machen (§ 152 Abs. 1 Satz 2 AO). Für die Finanzbehörden besteht insoweit keine Amtsermittlungspflicht. Das Versäumnis ist regelmäßig dann nicht entschuldbar, wenn Steuererklärungen wiederholt nicht oder nicht fristgemäß abgegeben oder von der Finanzbehörde antragsgemäß bewilligte Fristverlängerungen nicht eingehalten wurden (vgl. AEAO zu § 152 Nr. 3).
Als nicht entschuldbar gilt z.B. regelmäßig
Arbeitsüberlastung sowie persönliche Anforderungen oder Ereignisse, die von vorhersehbarer Natur sind;
Personalmangel;
Urlaub oder eine voraussehbare Geschäftsreise;
vermehrte Belastung wegen einer Außenprüfung;
das bewusste Verstreichenlassen der Steuererklärungsfrist, wenn auch infolge eines Irrtums über die materielle Rechtslage (BFH vom 26.4.1989, I R 10/85, BStBl II 1989, 693);
die wiederholt nicht oder wiederholt nicht fristgemäß abgegebene Steuererklärung;
wenn eine von der Finanzbehörde antragsgemäß bewilligte Fristverlängerung (→ Fristen und Termine) nicht eingehalten wurde. Dagegen muss die Festsetzung eines Verspätungszuschlags auch bei erstmaliger Fristüberschreitung nicht ermessensfehlerhaft sein. Es ist daher rechtlich zulässig, auch bei erstmaliger Verspätung den Zinszuschlag »abzuschöpfen« und darüber hinaus aus dem Gesichtspunkt der Sanktionswirkung zu erhöhen (BFH vom 11.6.1997, X R 14/95, BStBl II 1997, 642).
Die verspätete Abgabe der Steuererklärung wird auch nicht dadurch entschuldbar, dass das Finanzamt die Steuerfestsetzung nach Eingang der Steuererklärung nicht zeitnah durchführt (BFH vom 26.6.2002, IV R 63/00, BStBl II 2002, 679). Vielmehr ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlags grundsätzlich auch dann nicht zu beanstanden, wenn das Finanzamt die Veranlagung erst ein halbes Jahr nach Abgabe der Steuererklärung vornimmt, der Stpfl. zuvor aber eine großzügig gewährte Fristverlängerung um mehr als ein halbes Jahr überzogen hatte (BFH vom 26.9.2001, IV R 29/00, BStBl II 2002, 120).
Eine für die Fristversäumnis ursächliche Krankheit stellt einen Entschuldigungsgrund dar. Erkrankungen von Angehörigen vermögen die Fristversäumnis regelmäßig nicht zu entschuldigen (BFH Urteil vom 29.3.2007, IX R 9/05, BFH/NV, 2007, 1617).
Daneben können auch andere, nicht vorhersehbare oder nicht planbare persönliche oder berufliche Umstände, die die fristgerechte Abgabe der Steuererklärung hindern, wie z.B. Unglücke oder Tod, ein Entschuldigungsgrund sein.
Sofern bei einer Zusammenveranlagung von Ehegatten die Abgabefrist für die Einkommensteuererklärung wegen Krankheit eines von beiden Ehegatten versäumt wird, kann dies in Ausnahmefällen entschuldbar sein (vgl. BFH Urteil vom 29.3.2007, IX R 9/05, BFH/NV, 2007, 1617). Mit Urteil vom 30.5.2012 (7 k 3652/11, EFG 2012, 2175) hat das FG Köln entschieden, dass ein entschuldbares Verhalten i.S.v. § 152 Abs. 1 Satz 2 AO ausscheidet, wenn auf die als Entschuldigungsgrund zu beurteilende Erkrankung ohne nähere zeitliche Eingrenzung lediglich hingewiesen wird und sofort im Anschluss an die Erkrankung einer freiberuflichen Tätigkeit nachgegangen wird, ohne die steuerliche Abgabepflicht zu erfüllen. Die steuerlichen Pflichten stünden den sonstigen (beruflichen) Pflichten im Rang nicht nach.
Nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur kann gegenüber zusammen veranlagten Eheleuten ein einheitlicher Verspätungszuschlag festgesetzt werden (vgl. FG Hamburg Urteil vom 25.6.2015, 6 K 253/14). Zulässig ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlages aber auch nur gegenüber einem Ehegatten. Das gilt jedenfalls dann, wenn in die Ausübung des Entschließungs- und Auswahlermessens einbezogen werden soll, dass (nur) der betreffende Ehegatte in den Jahren vor der Ehe die Einkommensteuererklärungen verspätet eingereicht hat.
Das Verschulden eines gesetzlichen Vertreters (z.B. die Eltern eines handlungsunfähigen Kindes) oder eines Erfüllungsgehilfen (z.B. Steuerberater) steht dem eigenen Verschulden gem. § 152 Abs. 1 Satz 2 AO gleich.
Unter den Voraussetzungen des § 152 Abs. 2 AO ist ein Verspätungszuschlag von Amts wegen (d.h. ermessensunabhängig) festzusetzen, wenn eine Steuererklärung, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt bezieht, nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kj. oder nicht binnen 14 Monaten nach dem Besteuerungszeitpunkt, abgegeben wurde. Dies gilt unabhängig davon, ob ein »Beraterfall« i.S.d. § 149 Abs. 3 AO vorliegt oder der Stpfl. seine Steuererklärung selbst erstellt (vgl. AEAO zu § 152 Nr. 4). Der für den Übergang nach § 152 Abs. 2 AO maßgebende Zeitpunkt (Verspätungszuschlag ist festzusetzen) soll für die Kj. 2020 bis 2022 jeweils in Abhängigkeit von der Fristverlängerung in beratenen Fällen hinausgeschoben werden. Bei einer verspäteten Erklärungsabgabe bis zu diesem Zeitpunkt bleibt es bei der Ermessensentscheidung des FA nach § 152 Abs. 1 AO. Nach § 152 Abs. 3 Nr. 4 AO ist die sog. Muss-Regelung des § 152 Abs. 2 AO bei verspätet abgegebenen Steuererklärungen nach § 95 MinStG generell nicht anzuwenden (→ Maßnahmen gegen missbräuchliche Steuergestaltungen mit Auslandsbezug – Rechtsentwicklung ab 2016).
Auf ein Kj. beziehen sich insbes. die Einkommensteuererklärung, die Körperschaftsteuererklärung, die Gewerbesteuererklärung und die Umsatzsteuererklärung für das Kj. Steuererklärungen, die sich auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, sind z.B. die Erbschaftsteuererklärung, die Anzeigen nach § 19 GrEStG sowie die Erklärungen zur Feststellung von Einheitswerten und von Grundbesitzwerten. § 152 Abs. 2 AO ist auch anwendbar, wenn Stpfl. erst nach Aufforderung der Finanzbehörde zur Abgabe der Steuererklärung verpflichtet sind und sie die Erklärung erst nach Ablauf dieser Frist abgegeben haben.
Liegt ein Fall des § 152 Abs. 3 AO vor, findet § 152 Abs. 2 AO keine Anwendung, d.h. es erfolgt keine ermessensunabhängige Festsetzung von Amts wegen. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags richtet sich in diesem Fall nach § 152 Abs. 1 AO (Ermessensentscheidung).
Nach § 152 Abs. 3 AO besteht keine Pflicht zur Festsetzung eines Verspätungszuschlags gem. § 152 Abs. 2 AO,
wenn die Finanzbehörde die Frist für die Abgabe der Steuererklärung nach § 109 AO (ggf. rückwirkend) verlängert hat (§ 152 Abs. 3 Nr. 1 AO),
wenn die Steuer auf 0 € oder auf einen negativen Betrag festgesetzt wurde (§ 152 Abs. 3 Nr. 2 AO),
wenn die festgesetzte Steuer nicht die Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge übersteigt (§ 152 Abs. 3 Nr. 3 AO) oder
bei jährlich abzugebenden Lohnsteueranmeldungen (§ 152 Abs. 3 Nr. 4 AO).
§ 152 Abs. 5 AO enthält gesetzliche Vorgaben zur Berechnung des Verspätungszuschlags und gilt sowohl für die Fälle des § 152 Abs. 1 AO als auch für die Fälle des § 152 Abs. 2 AO (vgl. AEAO zur § 152 Nr. 7). Insoweit besteht kein Ermessensspielraum der Finanzbehörde. Etwas anderes gilt lediglich für vierteljährlich oder monatlich abzugebende Steueranmeldungen (§ 152 Abs. 8 AO).
Für Steuererklärungen, die sich auf ein Kalenderjahr oder auf einen gesetzlich bestimmten Zeitpunkt beziehen, beträgt der Verspätungszuschlag für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung 0,25 % der um die festgesetzten Vorauszahlungen und die anzurechnenden Steuerabzugsbeträge verminderten festgesetzten Steuer, mindestens jedoch 25 € für jeden angefangenen Monat der eingetretenen Verspätung.
Der Verspätungszuschlag ist nach § 152 Abs. 10 AO auf volle Euro abzurunden und darf höchstens 25 000 € betragen. Er kann dabei – anders als nach § 152 AO a.F. –auch mehr als 10 % der festgesetzten Steuer betragen. Dies gilt insbes., wenn die Steuer auf 0 € oder auf einen negativen Betrag festgesetzt wurde oder wenn die Summe der festgesetzten Vorauszahlungen und der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge die festgesetzte Steuer übersteigt (vgl. AEAO zu § 152 Nr. 10).
Der Beginn des Berechnungszeitraumes bestimmt sich grundsätzlich nach dem Ablauf der jeweiligen Erklärungsfrist. Vorbehaltlich einer etwaigen Fristverlängerung nach § 109 Abs. 1 oder 2 AO ist dies bei nicht beratenen Stpfl., sofern bei ihnen nach pflichtgemäßem Ermessen (§ 5 AO) ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden soll, der Ablauf der allgemeinen Erklärungsfrist (sieben Monate nach Ablauf des Kj., § 149 Abs. 2 AO), und bei beratenen Stpfl. entweder der Ablauf der verlängerten Erklärungsfrist (vierzehn Monate nach Ablauf des Kj., § 149 Abs. 3 AO) oder bei vorzeitiger Anforderung (§ 149 Abs. 4 AO) der Ablauf der in der Anforderung bestimmten Frist.
Eine Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung bleibt auch dann bestehen, wenn die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen geschätzt hat (§ 149 Abs. 1 Satz 4 AO). Für die Bemessung eines Verspätungszuschlags ist aber nur auf den Zeitraum bis zum erstmaligen Erlass des Steuerbescheids bzw. dessen Bekanntgabe abzustellen (§ 152 Abs. 9 AO).
§ 152 Abs. 5 Satz 3 AO enthält eine Sonderregelung für die Stpfl., die bis zum Zugang einer – nach Ablauf der allgemeinen Erklärungsfrist versandten – Aufforderung davon ausgehen konnten, nicht zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet zu sein. In diesen Fällen ist der Verspätungszuschlag erst vom Ablauf der in der Aufforderung bezeichneten Erklärungsfrist an zu berechnen. Es fallen demnach für die Vergangenheit keine Verspätungszuschläge an, wenn das FA von Rentnern, die bislang berechtigterweise davon ausgehen konnten, nicht erklärungspflichtig zu sein, Steuererklärungen nachfordert. Kommt ein Rentner selbstständig zu dem Ergebnis, Steuererklärungen für weiter zurückliegende Veranlagungszeiträume einreichen zu müssen, greift die gesetzliche Verschonungsregelung hingegen nicht.
Der Verspätungszuschlag ist eine steuerliche Nebenleistung (§ 3 Abs. 4 AO). Er entsteht mit der Bekanntgabe seiner Festsetzung (§ 124 Abs. 1 AO) und wird mit Ablauf der gesetzten Frist fällig (§ 220 Abs. 2 AO). I.d.R. ist dies – wegen der grundsätzlich vorzunehmenden Verbindung mit dem Steuerbescheid (§ 152 Abs. 11 AO) – die Zahlungsfrist für die Steuer. Sofern der Verspätungszuschlag ausnahmsweise durch eigenständigen Verwaltungsakt festgesetzt wird (z.B. bei verspäteter Abgabe einer Steueranmeldung, § 167 AO), ist auch eine gesonderte Zahlungsfrist für den Verspätungszuschlag einzuräumen. Wird der Verspätungszuschlag bei verspäteter Abgabe einer Steueranmeldung (§ 168 AO) zeitnah durch eigenständigen Verwaltungsakt festgesetzt, bedarf es hierbei i.d.R. keiner besonderen Begründung (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 AO; vgl. auch BFH Urteile vom 11.6.1997, X R 14/95, BStBl II 1997, 642, und vom 13.4.2010, IX R 43/09, BStBl II 2010, 815). Wegen der Verjährung des Verspätungszuschlags wird auf Nr. 5 des AEAO zu § 169 AO und auf § 228 AO, wegen der Haftung für Verspätungszuschläge auf §§ 69 ff. AO hingewiesen. Vgl. AEAO zu § 152 Nr. 11 (BMF vom 20.1.2021, BStBl I 2021, 128).
Gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags als eigenständiger → Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO ist der Einspruch (→ Einspruchsverfahren) zulässig. Die Festsetzung des Verspätungszuschlags ist ein sonstiger Verwaltungsakt, für dessen Korrektur § 129 AO (→ Berichtigung von Schreib-/Rechenfehlern und ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten gem. § 129 AO und § 173a AO) sowie die §§ 130 und 131 AO (→ Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO) einschlägig sind.
§ 152 Abs. 12 AO ordnet die Korrektur einer Verspätungszuschlagfestsetzung für den Fall an, dass der zugrunde liegende Bescheid aufgehoben oder korrigiert wird und dies Auswirkungen auf die Höhe des Verspätungszuschlags hat. Werden Steueranmeldungen i.S.d. § 152 Abs. 8 AO korrigiert, ist eine Änderung eines Verspätungszuschlags nach § 152 Abs. 12 Satz 2 AO allerdings nur dann vorzunehmen, soweit der bisher festgesetzte Verspätungszuschlag nach der Höhe der Steuer bemessen war.
Für den Verspätungszuschlag als steuerliche Nebenleistung i.S.d. § 3 Abs. 3 AO sind die Vorschriften nur anzuwenden, soweit dies in der AO besonders bestimmt ist (§ 1 Abs. 3 AO). Da der Verspätungszuschlag regelmäßig mit der Steuer festzusetzen ist, teilt er insoweit auch in Bezug auf die → Festsetzungsverjährung das Schicksal der Steuerfestsetzung.
Allerdings ist die Festsetzung des Verspätungszuschlages auch durch gesonderten Bescheid zulässig (BFH vom 11.6.1997, BStBl II 1997, 642). In der Literatur wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass für Verspätungszuschläge keine Festsetzungsfrist besteht; eine sinngemäße Anwendung des § 1 Abs. 3 AO soll ebenso ausscheiden wie eine analoge Anwendung der Festsetzungsverjährungsnormen. Um aber eine unbegrenzte Festsetzung von Verspätungszuschlägen auszuschließen, wird die Anwendung des Verwirkungstatbestandes erwogen.
Die Wortfassung des Gesetzestatbestandes des § 152 Abs. 11 AO lässt erkennen, dass in Ausnahmefällen von der gleichzeitigen Festsetzung abgewichen werden kann. In Ausfüllung und Konkretisierung dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses hält der BFH es in jedem Fall für unschädlich, wenn die Festsetzung des Verspätungszuschlags binnen Jahresfrist nachgeholt wird (BFH vom 10.10.2001, BStBl II 2002, 124). Bei dieser Frist orientiert sich der BFH v.a. an der Regelung des § 239 Abs. 1 AO, nach der die Festsetzungsfrist für Zinsen ein Jahr beträgt. Auch Zinsen, die wie die Verspätungszuschläge ebenfalls zu den steuerlichen Nebenleistungen zu rechnen sind (§ 3 Abs. 3 AO), sollen – ebenso wie die Festsetzung des Verspätungszuschlags – mit der Steuerfestsetzung verbunden werden. Der BFH hält diese Frist für einen angemessenen Zeitraum, in dem die Nachholung der Verspätungszuschlags-Festsetzung im Regelfall ohne weiteres noch möglich ist. Für einen vorzeitigen Eintritt des Verwirkungstatbestandes sieht der BFH keine Anhaltspunkte.
Die Frage, ob die Festsetzung eines Verspätungszuschlags ohne Weiteres nachgeholt werden kann, hat nicht allein eine zeitliche Dimension. Entscheidend ist vielmehr, ob Gründe vorliegen, die eine vom Regelfall des § 152 Abs. 11 AO abweichende Festsetzung rechtfertigen. Selbst wenn innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens von einem Jahr ohne Weiteres, also ohne den Ausnahmefall besonders begründen zu müssen, ein Nachholen der Verspätungszuschlags-Festsetzung möglich sein soll, bedarf es besonderer Gründe für den Ausnahmefall, wenn der Zeitrahmen von einem Jahr überschritten ist. Dies gilt nach Auffassung des BFH bereits für den Fall, in dem die »Jahresfrist« um nur zwei Tage überschritten wird (BFH Urteil vom 13.4.2010, BStBl II 2010, 815). Wenn ein zeitlicher Rahmen als Konkretisierung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses vorgegeben wird, kehrt sich das Verhältnis nach dessen Ablauf um. Die abweichend vom Regelfall des § 152 Abs. 3 AO durchgeführte Festsetzung des Verspätungszuschlags kann nicht mit dem nur kurzfristigen Überschreiten der Jahresfrist begründet werden.
Gründe dafür, den Verspätungszuschlag nicht mit der Steuer festzusetzen, können z.B. gegeben sein, wenn zum Zeitpunkt der Steuerfestsetzung noch ermittelt werden muss,
ob die Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 AO vorliegen, oder
welche Umstände und Tatsachen in die Ermessensentscheidung einzubeziehen sind.
Für den Verspätungszuschlag gelten als Anspruch aus dem → Steuerschuldverhältnis die Regelungen zur → Zahlungsverjährung gem. § 228 AO.
Der Verspätungszuschlag wird gegen den Erklärungspflichtigen festgesetzt. Wird die Steuererklärung von einem gesetzlichen Vertreter oder einer sonstigen Person i.S.d. §§ 34, 35 AO abgegeben, so ist der Verspätungszuschlag gleichwohl grds. gegen den Steuerschuldner festzusetzen (vgl. BFH vom 18.4.1991, IV R 127/89, BStBl II 1991, 675). In Zusammenveranlagungsfällen ist der Verspätungszuschlag grds. gegen beide Ehegatten oder Lebenspartner festzusetzen.
Nach § 152 Abs. 4 Satz 3 AO in der ab 1.1.2024 geltenden Fassung (Kreditzweitmarktförderungsgesetz vom 22.12.2023, BGBl I 2023, Nr. 411) ist der Verspätungszuschlag in den Fällen des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO bei rechtsfähigen Personenvereinigungen vorrangig gegen die Personenvereinigung festzusetzen. In nicht beratenen Feststellungsfällen gilt die Neuregelung erstmals für den Feststellungszeitraum 2023. In beratenen Feststellungsfällen gilt die Neuregelung dagegen erstmals für den Feststellungszeitraum 2022 (BMF vom 5.2.2024, BStBl I 2024, 177).
Sowohl das Zwangsgeld (→ Zwangsmittel) als auch der Verspätungszuschlag sollen den ordnungsgemäßen Gang des Besteuerungsverfahrens durch den rechtzeitigen Eingang der Steuererklärungen und damit verbunden auch die rechtzeitige Festsetzung und Zahlung der Steuern sicherstellen.
Das Zwangsgeld zielt allerdings auf die Pflichterfüllung, insbes. die Abgabe von Steuererklärungen, ab. Der Verspätungszuschlag hingegen hat eine Doppelfunktion. Einerseits dient er als Sanktion einer Pflichtverletzung, andererseits dient er einer auf die Zukunft gerichteten Prävention. Dabei kann die Doppelfunktion bei der Bemessung dieses Druckmittels in unterschiedlichem Maße von Bedeutung sein (BFH vom 26.2.2002, IV R 63/00, BStBl II 2002, 679).
Es besteht keine Verpflichtung des Finanzamtes, von einer Festsetzung des Verspätungszuschlags abzusehen, weil die Androhung eines Zwangsgeldes ausreicht, den Stpfl. zur rechtzeitigen Abgabe von Steuererklärungen anzuhalten. Das eine Mittel schließt das andere nicht aus. Das Ermessen des Finanzamtes hinsichtlich der Androhung und/oder der Festsetzung eines Zwangsgeldes wird nicht auf eine mögliche Entscheidung hinsichtlich der Festsetzung eines Verspätungszuschlags eingeschränkt, weil es treuwidrig gehandelt hätte. Das Finanzamt erweckt bei seiner Aufforderung zur Abgabe der Steuererklärung unter Androhung des Zwangsgeldes nicht den Eindruck, Verspätungszuschläge würden nicht erhoben (BFH vom 29.3.2007, IX R 9/05, BFH/NV 2007, 1617).
Für die Besteuerungszeiträume 2020 bis 2024 bestehen in Bezug auf § 152 Abs. 2 AO Sonderregelungen; hier bestimmt sich die Frage, ob ein Verspätungszuschlag von Amts wegen festzusetzen ist (Hinweis auf Nr. 4 des AEAO zu § 152), nach den im AEAO zu § 152 Nr. 1 (BMF vom 23.1.2023, BStBl I 2023, 188) genannten Fristüberschreitungen (für 2020 und 2021: 20 Monate, für 2022: 19 Monate; für 2023: 17 Monate und für 2024: 16 Monate).
Giels, Anwendungsfragen zur Neuregelung des Verspätungszuschlags in § 152 AO, NWB 23/2021, 210.
→ Abgabefristen von Steuererklärungen
→ Einkommensteuer-Veranlagungspflicht
→ Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens
→ Maßnahmen gegen missbräuchliche Steuergestaltungen mit Auslandsbezug – Rechtsentwicklung ab 2016
→ Rücknahme und Widerruf von sonstigen Verwaltungsakten gem. §§ 130 und 131 AO
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