Ehrenamtliche Tätigkeit: Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 UStG

Stand: 2. Mai 2024

Inhaltsverzeichnis

1 Grundsätzliches zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 UStG
1.1 Selbstständige bzw. nicht selbstständige Ehrenamtstätigkeit
1.1.1 Überblick über die bisherige EuGH- und BFH-Rechtsprechung
1.1.2 Änderung der Rechtsprechung
1.1.3 Rechtsprechung der Finanzgerichte zur Steuerbarkeit der ehrenamtlichen Tätigkeiten
1.1.4 Änderung der Verwaltungsregelung
1.1.5 Resümee
1.2 Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst
1.3 Die ehrenamtlichen Tätigkeiten i.S.d. § 4 Nr. 26 UStG
2 Definition der ehrenamtlichen Tätigkeit
2.1 Allgemeine Grundsätze
2.2 Ausdrückliche Gesetzesnennung als ehrenamtliche Tätigkeit
2.3 Ehrenamtliche Tätigkeit im allgemeinen Sprachgebrauch
2.4 Materieller Begriff der Ehrenamtlichkeit
2.4.1 Allgemeine Voraussetzung zur Bestimmung des materiellen Begriffsinhalts
2.4.2 Ehrenamtlichkeit im öffentlich-rechtlichen Bereich
2.4.3 Ehrenamtlichkeit im nicht-öffentlichen Bereich
3 Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 Buchst. a UStG
4 Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG
4.1 Ehrenamtliche Tätigkeit i.S.d. § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG
4.2 Angemessener Auslagenersatz und Entschädigung
5 Literaturhinweise
6 Verwandte Lexikonartikel

1. Grundsätzliches zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 UStG

1.1. Selbstständige bzw. nicht selbstständige Ehrenamtstätigkeit

1.1.1. Überblick über die bisherige EuGH- und BFH-Rechtsprechung

Eine unmittelbare Grundlage in der MwStSystRL hat die Vorschrift nicht (s. Liebgott in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 4 Nr. 26 UStG, Rz. 5, Lfg. 85, August 2019).

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Die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 26 UStG kommt nur zur Anwendung, wenn der Stpfl. mit der Ausübung des Ehrenamts selbstständig i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG tätig wird. Bevor die Prüfung der Steuerbefreiung i.S.d. § 4 Nr. 26 Buchst. a oder b UStG vorgenommen wird, muss geprüft werden,

  1. ob eine unternehmerische Tätigkeit vorliegt, und danach

  2. ob eine ehrenamtliche Tätigkeit vorliegt (Abschn. 4.26.1. Abs. 1 Satz 1 UStAE).

Ist dies nicht gegeben, erübrigt sich eine weitere Überprüfung u.a. der Entgeltgrenzen.

Einnahmen, die Stpfl. aus der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied beziehen, unterliegen als sonstige Leistung der USt. Unerheblich ist, ob das Aufsichtsratsmitglied nach erfolgter Wahl, aufgrund eines Entsendungsrechts oder in seiner Eigenschaft als ArbN dem Aufsichtsrat angehört (Abschn. 2.2. Abs. 2 Satz 7 UStAE a.F.). Nach dem BFH-Urteil vom 27.7.1972 (V R 136/71, BStBl II 1972, 810) ist auch die Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats einer AG als Arbeitnehmervertreter gegen Zahlung einer Aufsichtsratsvergütung umsatzsteuerpflichtig (so auch BFH vom 2.10.1986, V R 68/78, BStBl II 1987, 42).

In seinem Urteil vom 20.8.2009 (V R 32/08, BStBl II 2010, 88) bestätigt der BFH seine bisherige Rspr. zur Unternehmereigenschaft der Aufsichtsratsmitglieder, ohne dabei nach der weiteren Ausgestaltung oder den Begleitumständen dieser Tätigkeit zu unterscheiden (s.a. Abschn. 4.26.1. Abs. 1 Satz 5 UStAE). Der BFH stellt fest, dass die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied einer Volksbank selbstständig und nachhaltig ausgeübt wird. Mit dem Erhalt der Aufsichtsratsvergütung handelt das Aufsichtsratsmitglied auch gegen Entgelt, also im Rahmen eines Leistungsaustausches. Zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert muss ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Der unmittelbare Zusammenhang muss sich dabei aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergeben, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet (→ Leistungsaustausch). Steuerbar sind danach auch Leistungen, die gegen Gewährung von Aufwendungsersatz erfolgen (vgl. z.B. BFH vom 1.2.2007, V R 69/05, BFH/NV 2007, 1205, und vom 18.3.2004, V R 101/01, BStBl II 2004, 798). Für das Vorliegen eines Leistungsaustausches kommt es nicht auf eine finale Verknüpfung von Leistung und Entgelt an.

Eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26

  • Buchst. a UStG kam nicht in Betracht, da die Tätigkeit nicht für eine juristische Person des öffentlichen Rechts ausgeübt wurde;

  • Buchst. b UStG kam nicht in Betracht, da es sich nicht um eine ehrenamtliche Tätigkeit handelt.

1.1.2. Änderung der Rechtsprechung

Mit Urteil vom 13.6.2019 (C-420/18, UR 2019, 576, LEXinform 0651617) hat der EuGH zur Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglied einer Stiftung Stellung genommen.

Entscheidungssachverhalt:

O ist Aufsichtsratsmitglied einer Stiftung, deren Aufsichtsrat die Strategie des Vorstands sowie den allgemeinen Geschäftsgang der Stiftung kontrolliert und aus Mitgliedern besteht, die je für vier Jahre ernannt werden. Die Stiftung wird vom Vorstand vertreten. In bestimmten Situationen (z.B. Interessenskonflikt oder Ausscheiden des gesamten Vorstands) übernimmt der Aufsichtsrat oder mehrere Aufsichtsratsmitglieder gemeinsam die Vertretung. Aufsichtsratsmitglieder können nur wegen Fahrlässigkeit i.R.d. Ausübung ihrer Aufgaben oder anderer schwerwiegender Gründe und nur nach Durchlaufen eines speziellen Verfahrens suspendiert oder entlassen werden. Für seine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied erhält O eine Bruttovergütung i.H.v. jährlich knapp 15 000 €, von der Lohnsteuer einbehalten wird. Diese Vergütung hängt weder von der Teilnahme von O an Sitzungen noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden ab.

Zu entscheiden war, ob die Tätigkeit als Aufsichtsrat einer Stiftung eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. Art. 9 und 10 MwStSystRL darstellt, die selbstständig ausgeübt wird, sodass das betreffende Aufsichtsratsmitglied als Mehrwertsteuerpflichtiger anzusehen ist (s.a. Anmerkung vom 13.6.2019, Verein für Internationale Steuern und Finanzen, München, LEXinform 0402210).

Urteilsbegründung:

Zur ausführlichen Erläuterung der Urteilsbegründung s. → Unternehmer unter dem Gliederungspunkt »Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern«).

Die Tätigkeit ist als »wirtschaftlich« einzustufen, da sie nachhaltig ist und gegen Entgelt (ca. 15 000 €) ausgeübt wird.

Mit der ausgeübten Tätigkeit ist das Aufsichtsratsmitglied kein Lohn- oder Gehaltsempfänger. Das Verhältnis zwischen einem Mitglied des Aufsichtsrats einer juristischen Person und dieser juristischen Person wird lediglich aufgrund einer Gesetzesfiktion als Arbeitsverhältnis eingestuft, da bei einem solchen Aufsichtsratsmitglied die Kriterien eines Arbeitsverhältnisses nicht erfüllt sind. Es handelt sich nicht um ein Unterordnungsverhältnis i.S.d. Art. 10 MwStSystRL (EuGH C-420/18, Rz. 32 bis 36).

Das Aufsichtsratsmitglied handelt in der Ausübung seiner Aufgaben als Mitglied des Aufsichtsrats weder

  • in eigenem Namen

  • noch für eigene Rechnung

  • oder in eigener Verantwortung.

Die Aufsichtsratsmitglieder können die dem Aufsichtsrat übertragenen Befugnisse nicht individuell ausüben und für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handeln. Die Mitglieder des Aufsichtsrats tragen individuell weder die Verantwortung, die sich aus den in gesetzlicher Vertretung der Gesellschaft (Stiftung, Körperschaft, Bank) vorgenommenen Handlungen des Aufsichtsrats ergibt, noch haften sie für Schäden, die sie Dritten in Wahrnehmung ihrer Aufgaben verursachen, und handeln damit nicht in eigener Verantwortung.

Die Situation eines Aufsichtsratsmitglieds zeichnet sich außerdem im Gegensatz zu der eines Unternehmers dadurch aus, dass mit der ausgeübten Tätigkeit keinerlei wirtschaftliches Risiko einhergeht. Ein solches Aufsichtsratsmitglied bezieht nämlich eine feste Vergütung, die

  • weder von seiner Teilnahme an Sitzungen

  • noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden

abhängt.

Daher übt er im Unterschied zu einem Unternehmer keinen nennenswerten Einfluss auf seine Einnahmen oder Ausgaben aus.

Fazit:

Bei einer Person, die kein derartiges wirtschaftliches Risiko trägt, kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass sie eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.v. Art. 9 MwStSystRL selbstständig ausübt.

Mit Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19, BStBl II 2021, 542) hat sich der BFH unter Aufgabe seiner bisheriger Rspr. für den Fall der EuGH-Rspr. angeschlossen, dass das Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine Festvergütung erhält. In diesem Fall ist das Aufsichtsratsmitglied nicht als Unternehmer selbstständig tätig. Ausdrücklich offengelassen hat der BFH, ob für den Fall, dass das Aufsichtsratsmitglied eine variable Vergütung erhält, an der Unternehmereigenschaft entsprechend bisheriger Rspr. festzuhalten ist (s.a. BFH Pressemitteilung Nr. 6/2020 vom 6.2.2020, LEXinform 0456021).

In Rz. 20 seines Urteils V R 23/19 stellt der BFH ausdrücklich fest, dass es für die Entscheidung keine Rolle spielt, dass sich aufgrund der Verrechnungspflicht der Vergütung auf die Tantieme ein sich hieraus ergebendes Abhängigkeitsverhältnis ergibt. Allein auf der Grundlage des EuGH-Urteils vom 13.6.2019 (C-420/18, UR 2019, 576, LEXinform 0651617) ist das Aufsichtsratsmitglied nicht als Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG selbstständig tätig (s.a. Anmerkung vom 12.2.2020, LEXinform 0889170).

Beachte:

Mit Urteil vom 21.12.2023 (C-288/22, SIS 24 00 84, Kirchinger, UStB 2024, 86) präzisiert der EuGH seine Rspr. vom 13.6.2019 (C-420/18, UR 2019, 576, LEXinform 0651617). Danach kann ein Mitglied eines Verwaltungsrates einer Aktiengesellschaft eine nicht selbstständige Tätigkeit ausführen, wenn es eine variable Vergütung erhält.

In den Rz. 58 und 59 seiner Entscheidung C-288/22 stellt der EuGH klar, dass eine Person, die ihr Fachwissen und Know-how in den Verwaltungsrat einer Gesellschaft einbringt und an dessen Abstimmungen teilnimmt, das mit ihrer eigenen Tätigkeit verbundene wirtschaftliche Risiko nicht zu tragen scheint, da sich die Gesellschaft selbst den negativen Folgen der Entscheidungen des Verwaltungsrats stellen muss und somit das mit der Tätigkeit der Verwaltungsratsmitglieder einhergehende wirtschaftliche Risiko trägt. Eine solche Schlussfolgerung ist insbes. dann geboten, wenn sich aus den Rahmenbedingungen ergibt, dass die Verwaltungsratsmitglieder keine persönlichen Verpflichtungen in Bezug auf die Verbindlichkeiten der Gesellschaft eingehen. Sie ist auch dann geboten, wenn die Höhe der Vergütung, die das Verwaltungsratsmitglied in Form von Tantiemen erhält, von den Gewinnen der Gesellschaft abhängt. Dieses Mitglied trägt nämlich jedenfalls kein Verlustrisiko im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied, da die Partizipation am Gewinn der Gesellschaft nicht mit der Tragung eines eigenen Gewinn- und Verlustrisikos gleichgesetzt werden kann. Die vorstehende Schlussfolgerung ist erst recht geboten, wenn die Hauptversammlung der Aktionäre die Tantiemen in Form eines Pauschalbetrags gewährt, der auch dann gezahlt wird, wenn die Gesellschaft Verluste macht oder sich in einem gerichtlichen Liquidationsverfahren befindet.

Der BFH hat mit Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19, BStBl II 2021, 542) eine nicht selbstständige Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds bisher nur dann angenommen, wenn das Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine Festvergütung erhält.

Mit BMF-Schreiben vom 8.7.2021 (BStBl I 2021, 919) setzt die Finanzverwaltung die vom BFH aufgrund der Rspr. des EuGH vorgegebene Rechtsprechungsänderung um und ergänzt Abschn. 2.2. um einen neuen Abs. 3a UStAE. Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es nicht selbstständig tätig. Die Vergütung kann sowohl in Geldzahlungen als auch in Sachzuwendungen bestehen (Abschn. 2.2. Abs. 3a Satz 1 und 2 UStAE).

1.1.3. Rechtsprechung der Finanzgerichte zur Steuerbarkeit der ehrenamtlichen Tätigkeiten

Mit Urteil vom 19.11.2019 (5 K 282/18, EFG 2020, 1012, LEXinform 5022952, rkr. durch Rücknahme der Revision V R 6/20) hat das Niedersächsische FG unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils vom 13.6.2019 (C-420/18, UR 2019, 576, LEXinform 0651617) zur Steuerbarkeit der Einnahmen eines Verwaltungsratsvorsitzenden Stellung genommen.

Danach unterliegt die Tätigkeit nicht der USt, wenn der Verwaltungsratsvorsitzende weder im eigenen Namen nach außen auftritt noch gegenüber dem Versorgungswerk über die Befugnis verfügt, die für dessen Führung erforderlichen Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidung folgt der neueren Rspr. des EuGH, steht aber im Widerspruch zu er bisher von der Finanzverwaltung vertretenen Auffassung.

Entscheidungsgründe:

Das Niedersächsische FG hat unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils C-420/18 entschieden, dass der Kläger mit seinen Einnahmen aus der Tätigkeit für das Versorgungswerk nicht der USt unterliegt. Die Tätigkeit sei zwar wirtschaftlicher Natur, sie sei aber nicht i.S.v. Art. 9 MwStSystRL als selbstständig anzusehen, da der Kläger erstens nicht im eigenen Namen nach außen auftrete, sondern nur das Versorgungswerk vertrete, und zweitens dem Versorgungswerk gegenüber nach dessen Satzung keine individuelle Verantwortung und kein Haftungsrisiko trage.

Der Kläger sei auch nicht deshalb unternehmerisch tätig, weil er Fahrtkostenersatz und Sitzungsgelder bezogen habe. Die Anberaumung von Sitzungen habe nicht ihm oblegen, die Beträge seien nicht hoch gewesen (Niedersächsisches FG Mitteilung vom 20.5.2020, LEXinform 0456628).

Auch das FG Köln wendet mit Urteil vom 26.11.2020 (8 K 2333/18, EFG 2021, 687, LEXinform 5023636, rkr) die Rspr. des EuGH vom 13.9.2019 (C-420/18) entsprechend an und hat entschieden, dass Aufsichtsratsmitglieder von eingetragenen Vereinen trotz fehlender Unterordnung bzw. Weisungsgebundenheit umsatzsteuerrechtlich nicht selbstständig tätig sind, wenn sie weder im eigenen Namen noch auf eigene Rechnung handeln und weder eine erfolgsabhängige Vergütung erhalten noch hinsichtlich ihres Aufwendungsersatzes ein Verlustrisiko tragen (s.a. FG Köln Pressemitteilung vom 10.2.2021, LEXinform 0460073).

Das FG Hamburg hat mit Urteil vom 8.9.2020 (6 K 131/18, EFG 2020, 1880, LEXinform 5023349, rkr.) unter Verweis auf das EuGH-Urteil vom 13.6.2019 (C-420/18, UR 2019, 576) und auf das BFH-Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19, BStBl II 2021, 542) entschieden, dass ein Vorstandsmitglied einer öffentlich-rechtlich organisierten Berufskammer nicht selbstständig i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, Art. 9 Abs. 1 MwStSystRL für die Kammer tätig und damit kein Unternehmer ist, wenn er nicht im eigenen Namen und auf eigene Rechnung tätig wird und kein Vergütungsrisiko trägt.

Fazit des FG Hamburg:

Auf die Frage, ob das Vorstandsmitglied ehrenamtlich für die Kammer tätig war und seine Umsätze deshalb nach § 4 Nr. 26 Buchst. a UStG steuerfrei sind, kommt es nicht mehr an.

1.1.4. Änderung der Verwaltungsregelung

Mit BMF-Schreiben vom 8.7.2021 (BStBl I 2021, 919) setzt die Finanzverwaltung die vom BFH aufgrund der Rspr. des EuGH vorgegebene Rechtsprechungsänderung um und ergänzt Abschn. 2.2. um einen neuen Abs. 3a UStAE.

Hinweis:

Mit BMF-Schreiben vom 29.3.2022 (BStBl I 2022, 567) werden in Abschn. 2.2. Abs. 3a UStAE i.d.F. des BMF-Schreibens vom 8.7.2021 (BStBl I 2021, 919) die Sätze 7 bis 11 eingefügt. Die bisherigen Sätze 7 bis 13 werden die neuen Sätze 12 bis 18.

Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es nicht selbstständig tätig. Die Vergütung kann sowohl in Geldzahlungen als auch in Sachzuwendungen bestehen (Abschn. 2.2. Abs. 3a Satz 1 und 2 UStAE).

Wie die Finanzgerichte bereits entschieden haben (s.o.) sind die Grundsätze der EuGH- und BFH-Rspr. bezüglich der unternehmerischen Tätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder auch auf andere Vereinigungen wie Berufskammern, Berufsverbände anzuwenden.

Mit Vfg. vom 11.5.2022 (S 7100 A – 287 – St 110 2, DStR 2022, 2318, SIS 22 16 60) nimmt die OFD Frankfurt zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Aufsichtsratsvergütungen Stellung.

1.1.5. Resümee

Als Resümee aus der Änderung der Rspr. sowie der Verwaltungsregelung dürfte zukünftig die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 26 UStG wohl nur noch dann anzuwenden sein, wenn für die Tätigkeit eine variable Vergütung gezahlt wird.

Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es nicht selbstständig tätig (Abschn. 2.2. Abs. 3a Satz 1 UStAE).

1.2. Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst

Nach einem Erlass des FinMin Baden-Württemberg vom 15.7.2009 (3 – S 233.7/7, SIS 09 28 59) gilt für die steuerliche Behandlung von Vergütungen, die Bedienstete für eine auf Vorschlag oder Veranlassung ihres Dienstvorgesetzten übernommene Nebentätigkeit in Vorstand, Aufsichtsrat, Verwaltungsrat oder in einem sonstigen Organ eines Unternehmens erhalten haben – auch hinsichtlich der Umsatzsteuer –, Folgendes:

Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Einkünfte der Bediensteten aus der Nebentätigkeit als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit angesehen werden; sie sind im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer zu erfassen.

Von den Einnahmen sind die im Veranlagungszeitraum ggf. an den Dienstherrn abgeführten Beträge sowie die einzeln nachgewiesenen oder glaubhaft gemachten Werbungskosten abzuziehen (s.a. Abschn. 2.2. Abs. 3a Sätze 16 ff. UStAE).

1.3. Die ehrenamtlichen Tätigkeiten i.S.d. § 4 Nr. 26 UStG

§ 4 Nr. 26 UStG unterscheidet zwei Arten ehrenamtlicher Tätigkeiten, nämlich

  1. die ehrenamtliche Tätigkeit für juristische Personen des öffentlichen Rechts oder

  2. die ehrenamtliche Tätigkeit für andere Personen als die unter a) genannten, wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht.

2. Definition der ehrenamtlichen Tätigkeit

2.1. Allgemeine Grundsätze

Das UStG selbst definiert den Begriff des Ehrenamts nicht.

Mit Urteil vom 17.12.2015 (V R 45/14, BStBl II 2017, 658) nimmt der BFH zur Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 UStG für ehrenamtliche Tätigkeiten Stellung. Das BMF nimmt das Urteil zum Anlass, den Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit neu zu definieren (BMF Schreiben vom 8.6.2017 (BStBl I 2017, 858). Gleichzeitig wird Abschn. 4.26.1. Abs. 1 UStAE entsprechend angepasst.

Nach der Rechtsprechung des BFH werden ehrenamtlich jene Tätigkeiten ausgeübt, die in einem anderen Gesetz als dem UStG ausdrücklich als solche genannt werden, die man im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet oder die vom materiellen Begriff der Ehrenamtlichkeit umfasst werden (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH Urteile vom 19.4.2012, V R 31/11, BFH/NV 2012, 1831 zur ehrenamtlichen Tätigkeit als Nachlasspfleger, s.u.; vom 20.8.2009, V R 32/08, BStBl II 2010, 88 zur Tätigkeit im Aufsichtsrat einer Volksbank; vom 14.5.2008, XI R 70/07, BStBl II 2008, 912 zu den Tätigkeiten eines Vereinsvorstandes).

Zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten gehören alle Tätigkeiten,

  • die in einem anderen Gesetz als dem UStG ausdrücklich als solche genannt werden,

  • die man im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet (BFH Urteil vom 27.7.1972, V R 33/72, BStBl II 1972, 844) oder

  • die vom materiellen Begriff der Ehrenamtlichkeit umfasst werden (BFH Urteile vom 14.5.2008, XI R 70/07, BStBl II 2008, 912 und vom 20.8.2009, V R 32/08, BStBl II 2010, 88).

2.2. Ausdrückliche Gesetzesnennung als ehrenamtliche Tätigkeit

Mit Urteil vom 17.12.2015 (V R 45/14, BStBl II 2017, 658) hatte der BFH zu entscheiden, ob die Tätigkeit des Vorstandes eines Sparkassenverbandes als ehrenamtliche Tätigkeit i.S.d. § 4 Nr. 26 UStG anzusehen ist. Die Tätigkeit des Vorstandes war in der Satzung des Verbandes als ehrenamtlich erwähnt.

Die Satzung des Sparkassenverbandes, in dessen § 11 die Tätigkeit des Vorstandes als ehrenamtlich bezeichnet wird, ist kein Gesetz i.S.d. Rechtsprechung zu § 4 Nr. 26 UStG. Zwar handelt es sich bei der Satzung des Sparkassenverbandes um eine autonome öffentlich-rechtliche Satzung, die von einer mit Satzungsautonomie ausgestatteten juristischen Person des öffentlichen Rechts für ihren Bereich erlassen wurde und damit unter den Gesetzesbegriff des § 4 AO fällt. Der von der Rechtsprechung zur Definition der ehrenamtlichen Tätigkeit verwendete Gesetzesbegriff ist aber enger als der des § 4 AO und umfasst jedenfalls keine Satzungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts.

Es gibt keine Veranlassung, eine Tätigkeit nur deshalb als ehrenamtlich anzusehen, weil eine Körperschaft des öffentlichen Rechts diese an sie ausgeführte Tätigkeit in ihrer Satzung als ehrenamtlich bezeichnet. Das gilt umso mehr, als die Körperschaft andernfalls allein durch entsprechende Behandlung in der Satzung selbst über die Steuerbefreiung der an sie ausgeführten Tätigkeiten entscheiden könnte (Abschn. 4.26.1. Abs. 1 Satz 3 und 4 UStAE).

Bereits mit Urteil vom 20.8.2009 (V R 32/08, BStBl II 2010, 88) hat der BFH die Tätigkeit im Aufsichtsrat einer Volksbank nicht als ehrenamtlich i.S.d. § 4 Nr. 26 UStG angesehen, da diese Tätigkeit in keinem Gesetz als ehrenamtlich bezeichnet wird. Insbesondere das GenG enthält keine entsprechende Regelung (Abschn. 4.26.1. Abs. 1 Satz 5 UStAE).

2.3. Ehrenamtliche Tätigkeit im allgemeinen Sprachgebrauch

Der BFH stellt in seinem Urteil vom 14.5.2008 (XI R 70/07, BStBl II 2008, 912) fest, dass es nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht, eine dem Umfang nach hauptberuflich ausgeübte Vorstandstätigkeit eines Vereins als ehrenamtlich zu bezeichnen.

Auch die Tätigkeit im Aufsichtsrat einer Volksbank ist nach dem BFH-Urteil vom 20.8.2009 (V R 32/08, BStBl II 2010, 88) keine Tätigkeit, die im allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet wird (Abschn. 4.26.1. Abs. 1 Satz 5 UStAE). Die Volksbanken stehen im Wettbewerb mit anderen Geschäftsbanken. Es ist deshalb nicht ersichtlich, dass der allgemeine Sprachgebrauch zwischen der Aufsichtsratstätigkeit für eine Volksbank und derselben Tätigkeit für eine sonstige Geschäftsbank unterscheidet und die erstgenannte als ehrenamtlich ansieht (so noch im BFH-Urteil vom 27.7.1972, V R 33/72, BStBl II 1972, 844).

2.4. Materieller Begriff der Ehrenamtlichkeit

2.4.1. Allgemeine Voraussetzung zur Bestimmung des materiellen Begriffsinhalts

Ergibt sich die Bezeichnung »ehrenamtlich« weder aus einem Gesetz noch lässt sich ein diesbezüglicher Sprachgebrauch ermitteln, bedarf es einer Bestimmung des materiellen Begriffsinhalts (Abschn. 4.26.1. Abs. 1 Satz 6 UStAE).

2.4.2. Ehrenamtlichkeit im öffentlich-rechtlichen Bereich

Im öffentlich-rechtlichen Bereich ist darunter die unentgeltliche Mitwirkung natürlicher Personen bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu verstehen, die aufgrund behördlicher Bestellung außerhalb eines haupt- oder nebenamtlichen Dienstverhältnisses stattfindet und für die lediglich eine Entschädigung besonderer Art gezahlt wird (BFH Urteil vom 16.12.1987, X R 7/82, BStBl II 1988, 384). Wenn eine Tätigkeit für den hoheitlichen Bereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (vgl. Abschn. 4.26.1. Abs. 2 Satz 1 UStAE) in einem anderen Gesetz oder im allgemeinen Sprachgebrauch als ehrenamtlich bezeichnet wird, kann grundsätzlich vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen ausgegangen werden, es sei denn, die Anwendung des Begriffs der Ehrenamtlichkeit auf die Tätigkeit ist mit der gebotenen engen Auslegung des Begriffs der Ehrenamtlichkeit ausnahmsweise nicht mehr vereinbar, insbesondere wenn sie in einem Umfang ausgeführt wird, bei dem die Annahme einer beruflichen Ausübung nicht mehr ausgeschlossen werden kann (Abschn. 4.26.1. Abs. 1 Satz 7 und 8 UStAE).

2.4.3. Ehrenamtlichkeit im nicht-öffentlichen Bereich

Für den nicht-öffentlichen Bereich kommt es nach dem materiellen Begriffsinhalt auf

  • das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens,

  • die fehlende Hauptberuflichkeit und

  • den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung

an (BFH Urteil vom 17.12.2015, V R 45/14, BStBl II 2017, 658, Rz. 12; Abschn. 4.26.1. Abs. 1 Satz 9 UStAE).

Hinweis:

Die hauptberufliche Ausübung einer Tätigkeit steht der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 26 UStG entgegen.

Die Tätigkeit eines Ratsmitgliedes im Aufsichtsrat einer kommunalen Eigengesellschaft (BFH Urteil vom 4.5.1994, XI R 86/92, BStBl II 1994, 773) als auch die Tätigkeit in Gremien der berufsständischen Kammern und Verbände kann eine ehrenamtliche Tätigkeit i.S.d. Befreiungsvorschrift sein. Zur Tätigkeit eines Mitglieds im Aufsichtsrat einer Genossenschaft s. BFH Urteil vom 20.8.2009 (V R 32/08, BStBl II 2010, 88).

Liegt ein eigennütziges Erwerbsstreben oder eine Hauptberuflichkeit vor bzw. wird der Einsatz nicht für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung (s.u.) erbracht, kann unabhängig von der Höhe der Entschädigung nicht von einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgegangen werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Zeitaufwand der Tätigkeit auf eine hauptberufliche Teilzeit- oder sogar Vollzeitbeschäftigung hindeutet. Ein Entgelt, das nicht lediglich im Sinne einer Entschädigung für Zeitversäumnis oder eines Verdienstausfalls gezahlt wird, sondern sich an der Qualifikation des Tätigen und seiner Leistung orientiert, steht dem Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit entgegen (Abschn. 4.26.1. Abs. 1 Satz 11 bis 13 UStAE).

Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung der Vergütung für die Übernahme einer Betreuung s. → Betreuungsleistungen.

Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung einer Nachlasspflegschaft hat der BFH mit Urteil vom 19.4.2012 (V R 31/11, BFH/NV 2012, 1831, LEXinform 0928860) Stellung genommen.

Die Nachlasspflegschaft (§ 1960 BGB) ist eine durch das Nachlassgericht angeordnete Pflegschaft zur Sicherung des Nachlasses, insbesondere durch Bestellung eines Nachlasspflegers, die bis zur Annahme der Erbschaft oder bis zur Ermittlung eines unbekannten Erben erfolgen kann.

Das BGB behandelt die Nachlasspflegschaft nur dann als ehrenamtlich, wenn sie entweder unentgeltlich oder gegen einen Aufwendungsersatz nach § 1835 BGB geführt wird, nicht aber, wenn die Voraussetzungen für eine berufliche Ausübung der Nachlasspflegschaft vorliegen. Der BFH macht in seiner Entscheidung deutlich, dass der Begriff der Ehrenamtlichkeit eng auszulegen ist. Die Ehrenamtlichkeit liegt nicht mehr vor, wenn das Gericht nach § 1836 Abs. 1 BGB feststellt, dass die Pflegschaft berufsmäßig ausgeübt wird. Diese Voraussetzungen liegen im Regelfall vor, wenn der Vormund mehr als zehn Vormundschaften führt oder die für die Führung der Vormundschaften erforderliche Zeit voraussichtlich 20 Wochenstunden nicht unterschreitet (§ 1 Abs. 1 VBVG – Vormünder- und Betreuungsvergütungsgesetz).

3. Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 Buchst. a UStG

Unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 Buchst. a UStG fallen nur solche Tätigkeiten, die an den hoheitlichen – nicht unternehmerischen – Bereich der juristischen Personen öffentlichen Rechts erbracht werden (BFH vom 4.4.1974, V R 70/73, BStBl II 1974, 528; Abschn. 4.26.1. Abs. 2 Satz 1 und 2 UStAE). Es muss sich also um die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit für den öffentlich-rechtlichen Bereich handeln. Hierunter fallen insbesondere die Tätigkeit von ehrenamtlichen Bürgermeistern, Abgeordneten, Stadträten, Verwaltungsräten von Rundfunkanstalten, usw. Liegt ein eigennütziges Erwerbsstreben oder eine Hauptberuflichkeit vor, kann unabhängig von der Höhe der Entschädigung nicht von einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgegangen werden (s. Abschn. 4.26.1. Abs. 1 Satz 11 bis 13 UStAE).

Wenn eine Tätigkeit für den hoheitlichen Bereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in einem anderen Gesetz oder im allgemeinen Sprachgebrauch als ehrenamtlich bezeichnet wird, kann grundsätzlich vom Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen ausgegangen werden, es sei denn, die Anwendung des Begriffs der Ehrenamtlichkeit auf die Tätigkeit ist mit der gebotenen engen Auslegung des Begriffs der Ehrenamtlichkeit ausnahmsweise nicht mehr vereinbar, insbes. wenn sie in einem Umfang ausgeführt wird, bei dem die Annahme einer beruflichen Ausübung nicht mehr ausgeschlossen werden kann.

Bei einer Tätigkeit, die an den unternehmerischen Bereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht wird, sind die Voraussetzungen des § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG zu prüfen (Abschn. 4.26.1. Abs. 2 Satz 3 UStAE).

Nach § 29 Abs. 1 SGB IV sind die Träger der Sozialversicherung (Versicherungsträger) rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (s.a. Abschn. 4.16.3. Abs. 1a UStAE). Bestandteile der Sozialversicherung sind nach § 4 Abs. 2 SGB I die gesetzliche Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte. Ferner unterliegt die Arbeitsförderung nach Maßgabe des § 1 Abs. 1 Satz 2 SGB IV den Gemeinsamen Vorschriften für die Sozialversicherung. Nach § 40 Abs. 1 SGB IV üben die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane sowie die Versichertenältesten und die Vertrauenspersonen ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Die Höhe der Entschädigung der ehrenamtlich Tätigen regelt § 41 SGB IV. Die Vergütungsleistungen sind nach § 4 Nr. 26 Buchst. a UStG steuerfrei.

Mischleistungen, die sowohl für den hoheitlichen als auch für den unternehmerischen Bereich einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erbracht werden, müssen – z.B. nach dem Zeitanteil – aufgeteilt werden. Eine diesbezügliche Aufteilung ist in den Verwaltungsregelungen des Abschn. 4.26.1. UStAE nicht geregelt.

Hinweis:

Bei der ehrenamtlichen Tätigkeit, die an eine juristische Person des öffentlichen Rechts erbracht wird, kommt es auf die erzielten Vergütungen nicht an.

4. Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG

4.1. Ehrenamtliche Tätigkeit i.S.d. § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG

Andere ehrenamtliche Tätigkeiten als die vorgenannten in § 4 Nr. 26 Buchst. a UStG fallen unter § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG. Dazu rechnen solche, die an den unternehmerischen Bereich von juristischen Personen des öffentlichen Rechts erbracht werden oder an andere Personen (z.B. juristische Personen des privaten Rechts), gerichtet sind.

Insbesondere der Zeitaufwand zur Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit sowie das dafür gezahlte Entgelt müssen derart angemessen sein, dass diese Zahlung nicht auf eine hauptberufliche Beschäftigung hindeutet und auch kein leistungsorientiertes Gehalt erfolgt. Demzufolge kann – neben der Bezahlung – auch ein großer zeitlicher Umfang des ehrenamtlichen Engagements für die Steuerbefreiung schädlich sein (Anmerkung vom 9.4.2013, LEXinform 0652087).

Mit Urteil vom 20.8.2009 (V R 32/08, BStBl II 2010, 88) ändert der BFH seine bisherige Rechtsprechung (BFH Urteil vom 27.7.1972, V R 33/72, BStBl II 1972, 844) dahingehend, dass die Tätigkeit im Aufsichtsrat einer Volksbank nicht ehrenamtlich i.S.d. § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG ausgeübt wird. Mit Urteil vom 17.12.2015 (V R 45/14, BStBl II 2017, 658) stellt der BFH fest, dass auch die Tätigkeit des Vorstands eines Sparkassenverbandes nicht ehrenamtlich ausgeübt wird (s.o. und Abschn. 4.26.1. Abs. 1 UStAE).

Hinweis:

Beachte aber die EuGH-Rspr. vom 13.6.2019 (C-420/18, UR 2019, 576, LEXinform 0651617) sowie das BFH-Urteil vom 27.11.2019 (V R 23/19, BStBl II 2021, 542) zur Unternehmereigenschaft eines Aufsichtsratsmitglieds.

Mit Urteil vom 14.5.2008 (XI R 70/07, BStBl II 2008, 912) hat der BFH entschieden, dass Geschäftsführungs- und Vertretungsleistungen, die ein Mitglied des Vereinsvorstands gegenüber dem Verein gegen Gewährung von Aufwendungsersatz erbringt, steuerbar sind. Auf die Bezeichnung der Gegenleistung z.B. als Vorabgewinn, als Vorwegvergütung, als Aufwendungsersatz, als Umsatzbeteiligung oder als Kostenerstattung kommt es nicht an (Abschn. 1.6. Abs. 4 UStAE; BFH Urteil vom 11.4.2002, V R 65/00, BStBl II 2002, 782). Bei Vorliegen eines eigennützigen Erwerbsstrebens liegt keine ehrenamtliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG vor. Nach der BFH-Entscheidung kann eine dem Umfang nach hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit nicht als ehrenamtlich bezeichnet werden. Im Urteilsfall XI R 70/07 betrugen die Zahlungen des Vereins lt. Gewinnermittlung des Präsidenten 91 778 €.

Bei Vorliegen eines eigennützigen Erwerbsstrebens liegt keine ehrenamtliche Tätigkeit nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG vor. Zu den ehrenamtlichen Tätigkeiten gehören die Tätigkeiten, die in einem Gesetz ausdrücklich als solche genannt werden, die nach dem allgemeinen Sprachgebrauch herkömmlicherweise als ehrenamtlich bezeichnet werden oder die dem materiellen Begriffsinhalt der Ehrenamtlichkeit entsprechen. Nach dem materiellen Begriffsinhalt kommt es insbesondere auf das Fehlen eines eigennützigen Erwerbsstrebens, die fehlende Hauptberuflichkeit und den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung an.

Die ehrenamtliche Tätigkeit i.S.v. § 4 Nr. 26 UStG erfordert den Einsatz für eine fremdnützig bestimmte Einrichtung. Darunter fallen nicht nur Einrichtungen, die gemeinnützige Zwecke verfolgen, sondern auch Selbsthilfeeinrichtungen im genossenschaftlichen Bereich sowie im Verbands- oder Vereinsbereich (BFH Beschluss vom 25.1.2011 (V B 144/09, BFH/NV 2011, 863, LEXinform 5906026). Es ist daher nicht erforderlich, dass die Einrichtung gemeinnützige Zwecke i.S.d. §§ 52 ff. AO verfolgt (vgl. BFH vom 4.5.1994, XI R 86/92, BStBl II 1994, 773). Dem entspricht, dass nach dem durch das Gesetz zur Begrenzung der Haftung von ehrenamtlich tätigen Vereinsvorständen eingefügten § 31a BGB (BGBl I 2009, 3161) eine ehrenamtliche Tätigkeit auch gegenüber Vereinen erbracht werden kann. Eine entgeltliche Vorstandstätigkeit wird danach ehrenamtlich erbracht, wenn die Vergütung ab 7.4.2021 840 € jährlich nicht übersteigt (bis 6.4.2021: 720 €). Dieses Gesetz kann als Bestätigung dafür gelten, dass eine nur gering vergütete Vorstandstätigkeit für einen Verein im allgemeinen Sprachgebrauch als ehrenamtlich angesehen wird (s.a. Anmerkung vom 2.6.2011, LEXinform 0940648).

Hinweis:

Der Begriff des Auslagenersatzes orientiert an den LStR. Das hat zur Folge, dass alle angefallenen Kosten so behandelt werden, als würde sie der ArbG seiner Belegschaft i.S.d. LStR erstatten, und dass sie lohnsteuerlich ihrer Höhe nach als Reisekosten angesetzt werden könnten (Abschn. 4.26.1. Abs. 4 Satz 5 UStAE). Hierunter fallen demnach auch

  • der pauschale Kilometersatz für Kfz i.H.v. 0,30 € (§ 9 Abs. 1 Nr. 4a EStG) und

  • der Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwendungen (§ 9 Abs. 4a EStG).

Eine vom tatsächlichen Zeitaufwand unabhängige Vergütung (z.B. laufend gezahlte pauschale bzw. monatlich oder jährlich laufend gezahlte pauschale Vergütung sowie ein gesondert gezahltes Urlaubs-, Weihnachts- und Krankheitsgeld) stehen dem Charakter einer Entschädigung für Zeitversäumnis entgegen. Aus diesem Grund führen sie zur Nichtanwendung der Befreiungsvorschrift. Als Folge davon unterliegen sämtliche für diese Tätigkeit gezahlten Vergütungen der USt – auch wenn sie daneben in Auslagenersatz oder einer in Entschädigung für Zeitaufwand bestehen (Abschn. 4.26.1. Abs. 5 Satz 1 UStAE).

Zwar fallen pauschale Vergütungen grundsätzlich nicht unter die Steuerbefreiung, doch die Zahlung pauschaler Entschädigungen ist dann unschädlich, wenn

  • diese gem. Vertrag, Satzung oder Beschluss eines laut Satzung hierzu autorisierten Gremiums geregelt sind,

  • die Betragsgrenzen (50 €/Tätigkeitsstunde, 17 500 €/Jahr) nicht überschritten werden,

  • eine konkrete Anzahl an Tätigkeitsstunden pro Woche/Monat/Jahr geregelt ist.

4.2. Angemessener Auslagenersatz und Entschädigung

Nach § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG sind die Umsätze steuerfrei, wenn das Entgelt für eine ehrenamtliche Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht.

Mit BMF-Schreiben vom 2.1.2012 (BStBl I 2012, 59) wurden im Interesse einer Erleichterung für die Praxis durch die Einführung von Betragsgrenzen in Abschn. 4.26.1. Abs. 4 UStAE Anhaltspunkte vorgegeben, bis zu welcher Höhe nach Ansicht der Finanzverwaltung i.S.d. § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG von einem noch angemessenen Entgelt bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit ausgegangen werden kann, bei dem im Ergebnis die Steuerbefreiung zur Anwendung kommt (s.a. BMF vom 27.3.2013, BStBl I 2013, 452). Damit ist für die Betroffenen insoweit Rechtssicherheit gegeben. Da es sich bei den genannten Grenzen um sog. Nichtbeanstandungsgrenzen handelt, bis zu deren Höhe seitens der Finanzverwaltung grundsätzlich auf eine Angemessenheitsprüfung der Entschädigungen verzichtet wird, ist die Möglichkeit der Einzelfallüberprüfung für Beträge, die über diese Grenzen hinaus gehen, nach wie vor gegeben. Die Frage nach der Angemessenheit der Entschädigung für Zeitversäumnis ist hierbei an dem vom BFH ausgelegten Begriff des »Ehrenamt« in § 4 Nr. 26 Buchst. b UStG auszurichten und nicht nach dem Marktwert der jeweiligen Leistung. Der ehrenamtlich Tätige hat keinen Anspruch auf eine Bezahlung, sondern allenfalls auf eine Entschädigung besonderer Art, die einen angemessenen Ausgleich zwischen den öffentlichen und den beruflich privaten Interessen schaffen soll.

Die Grundsätze des BMF-Schreibens vom 2.1.2012 (BStBl I 2012, 59) sind auf Umsätze anzuwenden, die nach dem 31.3.2012 ausgeführt werden.

Nach Abschn. 4.26.1. Abs. 4 und 5 UStAE können für die ehrenamtliche Tätigkeit

  • Entschädigung für Zeitversäumnis und

  • echter Auslagenersatz

gewährt werden.

Eine vom tatsächlichen Zeitaufwand unabhängige Vergütung steht dem Charakter einer Entschädigung für Zeitversäumnis entgegen und führt zur Nichtanwendbarkeit der Befreiungsvorschrift mit der Folge, dass sämtliche für diese Tätigkeit gezahlten Vergütungen – auch soweit sie daneben in Auslagenersatz oder einer Entschädigung für Zeitaufwand bestehen – der USt unterliegen (Abschn. 4.26.1. Abs. 5 Satz 1 und 2 UStAE). Eine Ausnahme besteht für eine pauschal gezahlte Aufwandsentschädigung (Abschn. 4.26.1. Abs. 5 Satz 2 UStAE; s.a. Mitteilung des Deutschen Steuerberaterverbandes e.V. vom 16.9.2014, LEXinform 0442311).

Aus Vereinfachungsgründen kann die Steuerbefreiung auch ohne weitere Prüfung gewährt werden, wenn der Jahresgesamtbetrag der Entschädigungen den Freibetrag nach § 3 Nr. 26 EStG nicht übersteigt (Abschn. 4.26.1. Abs. 5 Satz 4 und 5 UStAE). S.a. die Beispiele 1 und 2 zu Abschn. 4.26.1. Abs. 5 UStAE.

5. Literaturhinweise

Meurer, Das Ehrenamt und die Umsatzsteuer, UStB 2012, 322; Leisner, Ehrenamtliche Tätigkeit und Umsatzbesteuerung, NWB 2011, 2871; Engelsing u.a., Potenzielle Umsatzsteuerpflicht von Tätigkeitsvergütungen bei Vereinen, NWB 2012, 643; Engelsing u.a., Neues zur Umsatzsteuerbefreiung von Tätigkeitsvergütungen bei Vereinen, NWB 2013, 1474; Wickert, Sind »Ehrenamtliche« Arbeitnehmer?, NWB 33/2015, 2444; Kirchinger, Kehrtwende im Umgang mit Aufsichtsrats- und Gremienvergütungen aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht – Eindeutiges, Zweifelsfragen und Gestaltungserwägungen, UStB 2021, 290.

6. Verwandte Lexikonartikel

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Redaktioneller Hinweis:© Schäffer-Poeschel Verlag für Wirtschaft, Steuern, Recht, Stuttgart.

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